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Die Zypern-Frage und der Zypernkonflikt

von Andreas Schwarz

In den frühen Morgenstunden des 20.07.1974 erfolgte die Landung türkischer Streitkräfte bei Kyreneia auf Zypern. Hintergrund war ein Staatsstreich in der Republik Zypern, der am 15.07.1974 begann und den Anschluss von Zypern an Griechenland zum Ziel hatte. Zu dieser Zeit herrschte in Griechenland noch eine Militärjunta, die bereits seit einer Revolte von Studierenden des Athener Polytechnikums sowie griechischen Bürgerinnen und Bürgern im November 1973 geschwächt war. Im Ergebnis führte die türkische Militärinvasion zur Teilung Zyperns und war auch ein wesentlicher Grund für das Ende der Herrschaft der Militärjunta in Griechenland.

Vorgeschichte zur türkischen Militärinvasion

Die Herrschaft der Militärjunta in Griechenland seit dem 21.04.1967 hatte auch Folgen für das bilaterale Verhältnis zwischen Griechenland und der Republik Zypern. Der Wunsch nach Wiedervereinigung mit dem griechischen Mutterland („Enosis“) ging bei den griechischen Zyprern bzw. Zyprioten stark zurück. Aufgrund der unprofessionellen Außenpolitik der griechischen Militärjunta waren die diplomatische Position Griechenlands und seine militärische Präsenz auf Zypern geschwächt. Der zypriotische Staatspräsident Makarios, ein griechischer Zypriot und orthodoxer Erzbischof,  ging infolge auf Distanz zu Griechenland und betrieb verstärkt eine Politik der Blockfreiheit. Allerdings unternahm Makarios nichts, um das angespannte Verhältnis zwischen griechischen und türkischen Zyprern bzw. Zyprioten zu normalisieren, welches in den Jahren 1963/64 zu einem Bürgerkrieg auf Zypern eskalierte, der erst durch die Präsenz einer UN-Friedenstruppe („UNFICYP“) im Jahre 1964 unter Kontrolle gebracht werden konnte.

Auf diese allgemeinen Hintergründe zum Zypern-Konflikt wird weiter unter eingegangen. Das unabhängige Agieren von Makarios war der griechischen Militärjunta ein Dorn im Auge. Zum einen wollte sie die griechische Kontrolle über Zypern aufrechterhalten und zum anderen hielt sie an dem Ziel eines Anschlusses von Zypern an Griechenland fest. Um die Politik des zypriotischen Staatspräsidenten Makarios einzudämmen gab die Militärjunta in Griechenland den Befehl die Position von Makarios zu unterminieren. So schmiedeten radikale Anhänger der griechisch-zypriotischen paramilitärischen Organisation EOKA B mehrere Komplotte, die den Sturz von Makarios zum Ziel hatten. Dieses Ziel sollte nötigenfalls auch durch die Ermordung von Makarios erreicht werden. Zugleich provozierten diese radikalen Anhänger der EOKA B auch die türkischen Zyprioten, so dass sich das Verhältnis zwischen griechischen und türkischen Zyprioten zusätzlich verschlechterte. Des Weiteren führten massive Wahlgewinne der Kommunistischen Partei Zyperns (AKEL) bei den zypriotischen Parlamentswahlen im Jahre 1970 zu übertriebenen Reaktionen der Vereinigten Staaten von Amerika (USA), die Zypern aufgrund dessen mit Kuba verglichen und Makarios als Fidel Castro im Priesterrock bezeichneten. In Folge kam es zu einer verstärkten Kooperation der Geheimdienste von Griechenland und den USA, um Makarios zu stürzen.

Zypern hatte für die Westmächte, insbesondere für das Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland und die USA, aufgrund des Kalten Krieges und der Nähe zum Nahen Osten auch eine strategische Bedeutung. Noch heute unterhält das Vereinigte Königreich zwei Militärbasen auf Zypern. Entscheidend für das weitere Schicksal Zyperns war die massive Schwächung der Herrschaft der Militärjunta in Griechenland aufgrund der Rebellion der Studierenden des Athener Polytechnikums im November 1973, an der sich auch viele griechische Bürgerinnen und Bürger beteiligten. Zwar wurde der Aufstand niedergeschlagen, doch konnte sich die Militärjunta nicht mehr davon erholen. Der bisherige Machthaber Georgios Papadopoulos wurde infolge des Aufstandes durch den Chef der griechischen Militärpolizei Dimitrios Ioannidis ersetzt. Um seine Position festigen zu können brauchte dieser dringend einen großen politischen Erfolg, den er durch den Anschluss Zyperns an Griechenland zu erringen erhoffte. Dieser Anschluss konnte allerdings nur durch einen Staatsstreich auf Zypern herbeigeführt werden. Der Geheimdienst Griechenlands erhielt von Ioannidis den Auftrag einen Staatsstreich gegen Makarios vorzubereiten, gleichzeitig verstärkte die radikale Organisation EOKA B ihre Aktivitäten.

Der Staatsstreich auf Zypern begann am 15.07.1974 mit einem fehlgeschlagenen Attentat auf Staatspräsident Makarios. Zwar war damit der Putsch zunächst gescheitert, doch gaben die Putschisten nicht auf und versuchten eine Regierung auf Zypern zu bilden. Als sich kein griechisch-zypriotischer Politiker fand, als Feigenblatt der Putschisten die Nachfolge von Makarios als Präsident anzutreten, ernannten die Putschisten den als „Türkenkiller“ berüchtigten Nikos Samson zum zypriotischen Präsidenten. Auf der einen Seite musste diese Entscheidung der Putschisten die Türkei massiv provozieren, auf der anderen Seite diente dieses Entscheidung der Türkei als bequemer Vorwand für eine Militärinvasion auf Zypern. Bereits Ende Mai 1964 plante die Türkei aufgrund des Bürgerkrieges auf Zypern eine Militärinvasion auf Zypern für Anfang Juni 1964. Nur wegen eines Drohbriefes des damaligen US-Präsidenten Lyndon B. Johnson kam es nicht dazu. Im Jahre 1974 war von Seiten der USA aufgrund von innenpolitischen Schwierigkeiten („Watergate-Affäre“) kein Widerstand zu erwarten. Das Vereinigte Königreich wurde von der Türkei im Vorfeld über die geplante Militärintervention informiert und verhielt sich passiv.

Die türkische Militärinvasion auf Zypern

Die Unabhängigkeit Zyperns wird aufgrund eines zwischen Griechenland, der Türkei und dem Vereinigten Königreiches geschlossenen sogenannten Garantievertrages von den Vertragsstaaten zugesichert. In diesem Garantievertrag wurde insbesondere vereinbart, die Unabhängigkeit Zyperns zu achten und zu garantieren und jegliche Angliederungs- und Teilungsbestrebungen zu verhindern. Dieser Garantievertrag war die formelle Grundlage für die türkische Militärinvasion auf Zypern, die mit der Landung von türkischen Truppen bei Kyreneia am 20.07.1974 begann. Dort wurde zunächst ein Brückenkopf gebildet und in den folgenden Tagen ausgeweitet.

Bereits drei Tage nach dem Beginn der türkischen Militärinvasion stürzte in Griechenland die Militärjunta. Am 24.07.1974 kehrte der frühere griechische Ministerpräsident Kostas Karamanlis aus dem französischen Exil nach Griechenland zurück und übernahm als zivile Politiker wieder das Amt des griechischen Ministerpräsidenten. Unter seiner Regierung kehrte Griechenland dann wieder zur Demokratie zurück und Griechenland bekam nach einem entsprechenden Votum der griechischen Bürgerinnen und Bürger in einer Volksabstimmung endgültig eine republikanische Staatsform.

Aufgrund der Zypern-Krise drohte auch ein Krieg zwischen den NATO-Partnern Griechenland und Türkei. Um über die griechischen Streitkräfte uneingeschränkt verfügen zu können, trat Griechenland am 24.07.1974 aus dem militärischen Teil der NATO aus. Dies erwies sich als taktischer Fehler, da die NATO ein Interesse an der Beendigung des Zypernkonfliktes bzw. des griechisch-türkischen Konfliktes hatte und vermitteln wollte. Bereits am 25.07.1974 begannen in Genf erstmals Verhandlungen zwischen allen Beteiligten zur Beendigung des Konflikts. Diese Verhandlungen waren auch für das türkische Militär von taktischem Vorteil, da die türkische Militärlogistik zunächst nicht mit den militärischen Erfordernissen schritthalten konnte. Bis zu diesem Punkt kann die türkische Militärintervention aufgrund des Garantievertrages als gerechtfertigt angesehen werden. Die von den Unterzeichnern des Garantievertrages zugesicherte Unabhängigkeit Zyperns und der Status der türkischen Zyprioten als Bürgerinnen und Bürger Zyperns waren gefährdet. Das Vereinigte Königreich kam als Unterzeichner des Garantievertrages seinen Verpflichtungen nicht nach und Griechenland hat als weiterer Unterzeichner diesen Vertrag  in erheblicher Weise verletzt.

Die Fortsetzung der türkischen Militärinvasion am 14.08.1974 und die bis heute andauernde Besetzung von 36 Prozent des zypriotischen Territoriums durch das türkische Militär waren allerdings nicht durch den Garantievertrag gedeckt. Die türkische Armee rückte bewusst langsam vor, damit die griechischen Zyprioten zeit genug hatten zu flüchten. Allerdings wurden griechischen Zyprioten dort mit Gewalt vertrieben, wo sie nicht freiwillig flüchteten. Bei der türkischen Militärinvasion kamen 980 Menschen auf der griechisch-zypriotischen Seite ums Leben, rund 170.000 griechische Zyprioten flüchteten oder wurden vertrieben. Bis zu 1.500 griechische Zyprioten werden seit der türkischen Militärinvasion vermisst. Deren Schicksal ist bis heute ungeklärt. Zwar gab es auf griechisch-zypriotischer Seite keine organisierte Vertreibung von türkischen Zyprioten, doch kam es vereinzelnd zu Ausschreitungen gegenüber türkischen Zyprioten. Ein Großteil der türkischen Zyprioten  floh aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen der griechischen Zyprioten oder aufgrund türkischer Aufforderungen zur Flucht vom Süden in den Norden der Insel.

Die zweite Phase der türkischen Militärinvasion, die am 14.08.1974 begann und am 16.08.1974 nach der Besetzung von 36 Prozent des Territoriums der Republik Zypern endete, war ein Akt einer ungerechtfertigten gewaltsamen Expansion. Sie ist weder durch das Völkerrecht noch durch den Garantievertrag gedeckt. Während der zweiten Phase der türkischen Militärinvasion war das Vereinigte Königreich bereit, ihre auf Zypern stationierten Truppen der UN-Truppe UNFICYP zu unterstellen, um die vorrückenden türkischen Truppen zu stoppen. Allerdings wurde dieses Vorhaben aufgrund von Einwänden seitens der USA nicht umgesetzt.

Nachbetrachtung zur türkischen Militärinvasion

Der Zypern-Konflikt wurde ursprünglich vom Vereinigten Königreich als Kolonialmacht verursacht. Im Jahre 1878 wurde Zypern nach jahrhundertelanger osmanischer Herrschaft eine britische Kolonie. Für das Vereinigte Königreich hatte Zypern vor allem eine strategische Bedeutung. Noch heute stehen 2 % des zypriotischen Territoriums als Basen des britischen Militärs unter der Souveränität des Vereinigten Königreiches. Der griechisch-zypriotischen Anschlussbewegung versuchte das Vereinigte Königreich dadurch zu begegnen, in dem es die Türkei als Gegenpol mit ins Boot holte und versuchte Griechen und Türken bzw. griechische und türkische Zyprioten gegeneinander auszuspielen. Die türkische Seite forderte den Anschluss Zyperns an die Türkei bzw. die Teilung („Taksim“) der Insel in einen griechischen und einen türkischen Teil.

Zusätzlich verschärft wurde der Zypernkonflikt nach der Unabhängigkeit Zyperns im Jahre 1960 aufgrund von Auffassungsunterschieden über die verfassungsmäßige Machtteilung zwischen griechischen und türkischen Zyprioten, dem nicht an einer Lösung orientiertem Verhalten der Garantiemächte Griechenland, Türkei und dem Vereinigten Königreich sowie dem aufgrund des Kalten Krieges strategisch agierenden Großmächten USA und UdSSR. Die Vereinten Nationen erwiesen sich als zu Schwach um der weiteren Entwicklung im Zypern-Konflikt Einhalt zu gebieten. Die irredentistischen Bestrebungen der Militärjunta in Griechenland führten zu einem Erstarken der Expansionsbestrebungen der Türkei, die dann im Ergebnis zur türkischen Militärinvasion führten. Diese Entwicklung wurde durch eine entsprechende Fehlpolitik der Garantiemächte sowie der Großmächte USA und UdSSR zusätzlich gefördert. Der Zypern-Konflikt ist ein sehr komplexer Konflikt, an dem sowohl zypriotische als auch äußere Akteure beteiligt waren und sind. Nachfolgend wird auf die Hintergründe zum Zypern-Konflikt sowie dem Verlauf dieses Konfliktes von seinem Beginn bis heute eingegangen.

Die Republik Zypern

Völkerrechtlich betrachtet besteht die seit dem 16.08.1960 unabhängige „Republik Zypern“ auf dem ganzen Territorium der Insel Zypern. Faktisch besteht sie nur auf 59 % des zypriotischen Territoriums, 36 % sind türkisch besetzt, 3 % unterstehen als Pufferzone der Verwaltung der Vereinten Nationen (UN) und 2 % im Süden der Insel gehören zu den souveränen Militärbasen des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland.

Die staatstragenden Völker der Republik Zypern sind die griechischen und türkischen Zyprer bzw. Zyprioten. Nach einer Volkszählung vom Dezember 2011 leben in der Republik Zypern ohne die türkisch besetzten Gebiete 838.897  Personen, davon sind 179.547 Ausländer. Im türkisch besetzten Teil der Republik Zypern bzw. in der völkerrechtlich nicht anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ leben insgesamt 294.906 Personen. Allerdings werden hiervon von der Republik Zypern nur 135.000 als echte türkische Zyprer anerkannt. Bei den anderen handelt es sich in der Regel um Türken aus der Türkei, die nach der türkischen Besetzung im Jahre 1974 in den Nordteil der Insel kamen. Zusätzlich sind im besetzten Teil der Republik Zypern bzw. in der Türkischen Republik Nordzypern noch türkische Soldaten stationiert.

Formell ist ganz Zypern seit dem 01.05.2004 Mitglied der Europäischen Union (EU), faktisch besteht diese Mitgliedschaft jedoch nicht im türkisch besetzten Teil von Zypern. Seit dem 01.01.2008 ist Zypern auch Mitglied der europäischen Währungsunion und führte zwischen dem 01.07. und 31.12.2012 den Vorsitz im Rat der EU, kurz auch EU-Ratspräsidentschaft genannt. Zypern ist mit seinen 838.897 Einwohnern eines der kleinsten Volkswirtschaften in der europäischen Währungsunion.

Das Zypern-Problem bzw. der Zypernkonflikt

Der Zypernkonflikt über seine Staatsgewalt besteht sowohl zwischen Griechenland und der Türkei als auch zwischen den griechischen und türkischen Zyprern. Die griechischen Zyprer sind ethnische Griechen und die türkischen Zyprer ethnische Türken. Beide Volksgruppen streben eine möglichst enge Verbindung zu ihrer Mutternation an. Das Problem begann mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches, zu dessen Herrschaftsgebiet Zypern zwischen 1570 und 1878 gehörte. Im Jahre 1878 wurde Zypern zunächst britisches Protektorat, 1914 wurde es annektiert und ab 1925 war es bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahre 1960 britische Kronkolonie. Die Herausbildung der modernen griechischen und türkischen Nationen im 19. und 20. Jahrhundert führte bei den Zyprern zu Anschlussbewegungen der jeweiligen Entitäten an ihre Mutternationen.

Die griechischen Zyprer wollten sich Griechenland anschließen und die türkischen wieder der Türkei, oder zumindest an dem Kolonialstatus von Zypern festhalten. Die türkischen Zyprer befürchteten, in einem griechisch-zypriotisch dominierten Zypern, das gar unter der Herrschaft Griechenlands stehen könnte, unterdrückt zu werden. Es brach ein bewaffneter Konflikt zwischen den Volksgruppen auf Zypern über den staatsrechtlichen Status ihrer Insel aus, der selbst von der britischen Herrschaft nicht wirksam überwunden werden konnte. Die bewaffnete griechisch-zypriotische Bewegung wurde dabei von Griechenland unterstützt und kämpfte für einen Anschluss Zyperns an Griechenland („Enosis“, griechisch für „Vereinigung“). Die bewaffnete türkisch-zypriotische Bewegung kämpfte für eine Teilung Zyperns nach ethnischen Gesichtspunkten („Taksim“, türkisch für „teilen“). Zwar verzichtete die junge Republik Türkei 1923 auf ihren Herrschaftsanspruch über Zypern, unterstützte jedoch die bewaffnete Taksim-Bewegung.

Da aufgrund des Zypern-Konfliktes Ende der 50er Jahre ein Krieg zwischen Griechenland und der Türkei drohte, versuchten nun die USA zu schlichten. Der Vertreter der griechischen Zyprer, der zyprische Erzbischof Makarios, eine Symbolfigur der Enosis-Bewegung, erklärte sich bereit auf einen Anschluss an Griechenland zu verzichten. Auch der Vertreter der türkischen Zyprer, Fazil Kücük, setzte sich für eine Unabhängigkeit Zyperns mit klar definierten und umfangreichen Rechten für seine Volksgruppe ein. Die Verhandlungen zwischen Griechenland, der Türkei, den Zyprern und den Briten führten zu den aus mehreren Verträgen bestehenden Züricher und Londoner Abkommen. Dort wurde vereinbart, dass Zypern ein unabhängiger Staat werden sollte. Auf einen Anschluss Zyperns an Griechenland (Enosis) oder eine Teilung der Insel (Taksim) wurde verzichtet. Die Staatsgewalt wurde zwischen griechischen und türkischen Zyprern aufgeteilt, wobei die türkischen Zyprer überproportional berücksichtigt wurden. In einem Garantievertrag wurde zusätzlich vereinbart, die Unabhängigkeit Zyperns zu achten und zu garantieren und jegliche Angliederungs- und Teilungsbestrebungen zu verhindern. Bereits vor der formellen Unabhängigkeit der Insel wurden im Dezember 1959 der Erstbischof Makarios zum Präsidenten der Republik Zypern und Fazil Kücük zu seinem Stellvertreter gewählt.

Von der Unabhängigkeit bis zur Teilung Zyperns

Am 16.08.1960 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung Zyperns als „Republik Zypern“. An der Spitze der Republik Zypern steht ein griechisch-zypriotischer Staatspräsident. Bis zur Teilung Zyperns war sein Stellvertreter ein türkischer Zyprer. Sie wurden jeweils von ihrer eigenen Volksgruppe gewählt. Im Parlament und in der Regierung der Republik Zypern waren die türkischen Zyprer überproportional vertreten (Verhältnis 7:3). Dieses Verhältnis galt auch bei der Besetzung von öffentlichen Stellen. In allen wichtigen Fragen stand den Volksgruppen ein Veto-Recht zu, das durch den Präsidenten Zyperns und seinen Stellvertreter ausgeübt werden konnte. Dieses Recht wurde von der griechisch-zypriotischen Seite als störend für die gemeinsame Verwaltung der Insel empfunden. So konnten z.B. aufgrund von Vetos keine gemeinsamen Streitkräfte oder gemeinsame kommunale Verwaltungen aufgebaut werden. 

Bestrebungen von griechisch-zypriotischer Seite, die Verfassung zu Ungunsten der türkischen Zyprer zu ändern, führten zu einem gewaltsamen Konflikt zwischen beiden Volksgruppen, bei dem es zu Massakern kam. Daraufhin entsandte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Dezember 1963 eine Friedenstruppe („Blauhelme“) nach Zypern, die heute noch dort stationiert ist. Es setzte eine Trennung und Umsiedlung der Volksgruppen ein, indem türkische Zyprer in Enklaven im Norden der Insel zogen. Sie zogen sich auch aus der gemeinsamen Verwaltung der Insel zurück. Es kam immer wieder zu Konflikten oder Zusammenstößen zwischen griechischen und türkischen Zyprern.

Als im Jahre 1967 in Griechenland ein Militärputsch stattfand und eine Militär-Junta an die Macht kam, entsagte der griechisch-zypriotische Staatspräsident Makarios endgültig der Enosis-Bewegung. Die Junta in Griechenland unterstützte daraufhin seine Gegner, die weiter für einen Anschluss Zyperns an Griechenland eintraten. Am 15.07.1974 putschte die griechisch-zypriotische Nationalgarde gegen den zyprischen Staatspräsident Makarios. Es drohte ein Anschluss Zyperns an Griechenland, was die Türkei unter Berufung auf den Garantievertrag dazu veranlasste, am 20.07.1974 im Rahmen einer militärischen Operation 36 % des Territoriums der Republik Zypern zu besetzen. Bereits am 23.07.1974 brach die Militär-Diktatur in Griechenland zusammen. Im Dezember 1974 war auch die alte Regierung unter Staatspräsident Makarios wieder voll im Amt, doch die Besetzung und die Teilung der Insel blieb bestehen.

Das Zypern-Problem heute

In einigen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen seit 1974 wird die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität der Republik Zypern bekräftigt und die weitere Besetzung durch die türkische Truppen als unrechtmäßig erachtet.  Erste Übereinkünfte zwischen griechischen und türkischen Zyprern brachten zwar eine Beendigung des bewaffneten Konfliktes und einen Bevölkerungsaustausch, jedoch bis heute keine staatsrechtliche Lösung des Zypern-Problems.

Im türkisch besetzten Teil wurde am 13.02.1975 zunächst der türkisch-zypriotische Bundesstaat ausgerufen, der Teil eines föderal organisierten zypriotischen Gesamtstaates sein sollte. Dies wurde von griechisch-zypriotischer Seite und den Vereinten Nationen zunächst abgelehnt. Als die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Mai 1983 im Wesentlichen die griechisch-zypriotische Auffassung unterstütze, wurde dies von türkisch-zypriotischer Seite als Hirnrichtungsbefehl aufgefasst. Die Folge war die Ausrufung des unabhängigen Staates „Türkischen Republik Nordzypern“ am 15.11.1983. Dieser Staat wird völkerrechtlich nur von der Türkei anerkannt und durch einen Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen für unrechtmäßig erklärt.  Rauf Denktaş, Präsident des türkisch-zypriotischen Bundesstaates, wurde Staatspräsident der Türkischen Republik Nordzypern. Im Jahre 1985 trat eine eigene Verfassung für die Türkische Republik Nordzypern in Kraft.

Völkerrechtlich betrachtet, besteht die Republik Zypern  auf dem ganzen Territorium der Insel Zypern. Das Gebiet der faktisch bestehenden Türkischen Republik Nordzypern gilt völkerrechtlich als durch die Türkei besetztes Gebiet. Mehrere Anläufe, die Teilung Zyperns durch eine föderale Lösung zu überwinden, blieben erfolglos. Hauptstreitpunkte sind die Verteilung der Staatsgewalt zwischen dem Zentralstaat und den Teilstaaten, die Aufteilung des Territoriums, Eigentumsfragen, die Anwesenheit von türkischen Truppen auf Zypern und der Status der türkischen Einwanderer nach 1974. Die griechisch-zypriotische Seite strebt einen starken Bundesstaat an, während die türkisch-zypriotische Seite hingegen nur eine lockere Vereinigung von zwei möglichst unabhängigen Staaten auf Zypern zum Ziel hat. Der Plan der Vereinten Nationen zur Wiedervereinigung Zyperns aus dem Jahre 2004 ist an diesen Gegensätzen gescheitert. In einer Volksabstimmung vom 24.04.2004, kurz vor dem EU-Beitritt Zyperns, wurde er mit großer Mehrheit von den türkischen Zyprern angenommen, von den griechischen allerdings abgelehnt. Aus griechisch-zypriotischer Sicht waren die Zugeständnisse an die türkischen Zyprer zu groß. Auch weitere Versuche, die Teilung der Insel zu überwinden, blieben bisher aufgrund dieser Gegensätze erfolglos. Doch hat in der Zwischenzeit auch eine schrittweise Öffnung der bisher gegenseitig stark abgeschotteten Inselteile stattgefunden.

Fazit

Das Zypernproblem bzw. der Zypernkonflikt hat im Wesentlichen seine Ursache im griechisch-türkischen Gegensatz. Die Insel Zypern ist seit dem 16.08.1960 als „Republik Zypern“ ein unabhängiger Staat. Seit Juli 1974 gelten 36 % des zypriotischen Territoriums völkerrechtlich betrachtet als durch die Republik Türkei besetzt. Faktisch besteht auf dem türkisch besetzten Territorium der Republik Zypern die am 15.11.1983 ausgerufene und völkerrechtlich nicht anerkannte „Türkische Republik Nordzypern“. Seit dem 01.05.2004 ist die Republik Zypern Mitglied in der Europäischen Union (EU). Alle Versuche die Teilung der Insel staatsrechtlich zu überwinden scheiterten bisher an den gegensätzlichen Vorstellungen der griechischen und der türkischen Zyprer bzw. Zyprioten über die Gestaltung eines gemeinsamen Staates.

Bei den letzten Zypern-Gesprächen im April 2021 setzten sich die türkisch-zypriotischen Vertreter, unterstützt von der Republik Türkei, für die endgültige Teilung der Insel in zwei souveräne Staaten ein. Diese könnten für gemeinsame Angelegenheiten auf der Insel Zypern zusammenarbeiten. Die griechisch-zyprischen Vertreter lehnen dies klar ab und streben weiterhin, im Einklang mit den entsprechenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrates, eine föderale Lösung im Rahmen eines bi-nationalem Bundesstaates an. Allerdings hängen die konkreten Positionen der jeweiligen Vertreter auch von Wahlergebnissen ab. Derzeit ist in der völkerrechtlich nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern mit Ersin Tatar ein rechtskonservativer nationalgesinnter Präsident an der Macht, welcher vom türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan unterstützt wird.

Eine staatsrechtliche Lösung für Zypern muss also noch herbeigeführt werden. Dabei müssen bestehende Realitäten ebenso anerkannt werden wie völkerrechtliche Grundsätze. So könnte im Rahmen einer Lösung beispielsweise vereinbart werden, dass die türkischen Siedler auf Zypern bleiben dürfen und dafür die türkische Armee abziehen muss. Anstelle der drei Garantiemächte (Griechenland, Türkei und Vereinigtes Königreich) könnte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Aufgabe übernehmen, die Unabhängigkeit Zyperns zu garantieren. Nur wenn der Sicherheitsrat untätig bliebe, würden die drei Garantiemächte wieder ihre Befugnisse ausüben. Eigentumsfragen könnten je nach örtlicher und sachlicher Situation sowohl durch Rückgabe als auch durch Entschädigung geregelt werden. Für alle Zyprer sollte grundsätzliche Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit auf dem gesamten Territorium von Zypern bestehen.

Die Verteilung der Befugnisse zwischen dem angestrebten Bundesstaat und seinen Teilstaaten sollte dem Subsidiaritätsprinzip folgen und nach objektiven Kriterien festgelegt werden. Vorbild für ein föderales System könnte die Schweiz sein. Die Schweizerische Eidgenossenschaft gewährt als gut funktionierender Bundesstaat ihren Teilstaaten, den Kantonen, ein hohes Maß an Autonomie. Auch die staatsrechtliche Organisation der Schweiz könnte Vorbild für Zypern sein. So könnte auf gesamtstaatlicher Ebene ein Zweikammernparlament (Vertreter des zyprischen bzw. zypriotischen Volkes sowie der beiden Teilstaaten) bestehen. Als Regierung für den föderalen Gesamtstaat Zypern könnte, ähnlich dem schweizerischen Bundesrat, ein Regierungsrat aus gleichberechtigten Mitgliedern fungieren. Griechische Zyprer, türkische Zyprioten und anderen Volksgruppen könnten ihrem Anteil gemäß daran beteiligt sein. Jährlich im Wechsel übt eines der Mitglieder des Regierungsrates das Amt des Staatspräsidenten aus. Auf gesamtstaatlicher Ebene könnte es ein paritätisch besetztes Verfassungsgericht sowie weitere Gerichte geben. Die jeweiligen Teilstaaten hätten eigenständige Parlamente, Regierungen und Gerichte. Nach Vorbild der Verfassung der Republik Nord-Makedonien könnten für bestimmte Bereiche qualifizierte Mehrheiten eingeführt werden. In diesen Fällen bedarf es z.B. neben einer Mehrheit im Parlament einer zusätzlichen Mehrheit unter den Abgeordneten, welche die jeweiligen Volksgruppen repräsentieren. So kann eine Volksgruppe in für sie existentielle Fragen nicht durch eine andere Volksgruppe einfach überstimmt werden. Wichtig bleibt jedoch der Wille das gemeinsame Staatswesen einzurichten, zu entwickeln und zu verteidigen.

Zypern könnte als starke Gemeinschaft von griechischen und türkischen Zyprern ein Vorbild für die Überwindung des griechisch-türkischen Gegensatzes werden und Zypern auch insgesamt stärken. Wie auch immer eine Lösung für Zypern letztendlich aussehen mag, sie kann nur von den Zyprern selbst herbeigeführt werden.