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Die albanisch-makedonische Frage

von Andreas Schwarz

Die Hinterlassenschaften von zwei Balkankriegen (1912/1913) und dem Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) sind sowohl die makedonische Frage als auch die albanische Frage. Beide stehen zum Teil miteinander in Verbindung. Die makedonische Frage ist im Wesentlichen durch die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation im Jahre 1943 und der Schaffung eines makedonischen Staatswesens im Jahre 1944 geklärt. Die albanische Frage betrifft zwar wesentlich die Republik Nord-Makedonien, ist jedoch nicht auf diese beschränkt. Betroffen sind neben ihr auch Albanien, das Kosovo, Serbien, Montenegro und Griechenland.

Die albanische Frage (allgemein) und die Kosovo-Frage

Die albanisch-makedonische Frage ist Teil der allgemeinen albanischen Fragen. Die Kosovo-Frage ist mit der albanischen Frage assoziiert und hat Auswirkungen auf die albanisch-makedonische Frage. Die albanische Frage selbst ist mit der Proklamation des albanischen Staates am 28.11.1912 während des Ersten Balkankrieges entstanden. Zu dieser Zeit existierten bereits die Staaten Bulgarien, Griechenland, Serbien und Montenegro mit ihren Nationen. Der bis 1912 noch zum Osmanischen Reich gehörende Teil von Europa mit Makedonien wurde nach den Balkankriegen und dem Ersten Weltkrieg größtenteils zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien bzw. Jugoslawien aufgeteilt. Für Albanien blieb ein Territorium übrig, das wesentlich kleiner war, als die albanischen Siedlungsgebiete es gewesen sind. So blieb ca. ein Drittel der albanischen Bevölkerung außerhalb Albaniens. Deren staatsrechtliches Schicksal begründet die albanische Frage, die noch bis heute fortbesteht. Der größte Teil der albanischen Siedlungsgebiete außerhalb Albaniens lag im nun zu Serbien gehörenden Kosovo.

Aufgrund ihrer guten Integration und privilegierten Stellung entwickelte sich erst sehr spät eine albanische Nationalbewegung. Erst mit der Gründung der „Liga von Prizren“ im Jahre 1878 setzten sich die Albaner erstmals für ein autonomes Albanien einschließlich des Kosovos im Rahmen des Osmanischen Reiches ein. Zu dieser Zeit waren die Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen von Griechenland, Bulgarien, Serbien und Montenegro bereits erfolgreich verlaufen und führten zu entsprechenden Staatenbildungen. Doch erst die diktatorische Herrschaft des jungtürkischen Komitees für Einheit und Fortschritt führten im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zu einem Bruch der Albaner mit der osmanischen Oberhoheit. Im Jahre 1910 kam es in der heutigen kosovarischen Hauptstadt Priština zu einem Aufstand der Albaner gegen die osmanische Herrschaft und schon zwei Jahre später, am 28.11.1912, erfolgte die Proklamation des albanischen Staates als Fürstentum. Das Kosovo kam allerdings zu Serbien und nicht zu Albanien. Diese Tatsache begründete die Kosovo-Frage und machte einen Großteil der albanischen Frage aus.

Der am 28.11.1912 proklamierte albanische Staat wurde von den europäischen Mächten am 29.07.1913 anerkannt. Die Grenzen Albaniens sind seit dem nicht wesentlich verändert worden, so dass zunächst etwa ein Drittel der Albaner im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenien bzw. dem Königreich Jugoslawien und in Griechenland lebten. Nur während des Zweiten Weltkrieges wurde unter italienischer Herrschaft vorübergehend unter Einschluss der anderen albanischen Siedlungsgebiete ein Großalbanien bzw. ethnisches Albanien geschaffen, das zwischen 1941 und 1944 bestand. Nach dem Zweiten Weltkrieg galten allerdings wieder die Vorkriegsgrenzen und die Kosovo-Frage bzw. die albanische Frage blieb bestehen.

Die Entwicklung des Kosovos im Rahmen der jugoslawischen Föderation (1945 bis 1980)

Auf der zweiten Sitzung des „Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens“ (AVNOJ) im bosnischen Jajce am 29.11.1943 wurde die künftige staatsrechtliche Struktur Jugoslawiens festgelegt. Jugoslawien sollte demnach aus einer Föderation gleichberechtigter Nationen und Nationalitäten bestehen, deren Selbstbestimmungsrecht bis einschließlich dem Recht zur Abspaltung garantiert würde. An der Sitzung in Jajce nahmen die kosovarischen Kommunisten allerdings nicht teil. Sie nahmen jedoch das auf der zweiten Sitzung des AVNOJ proklamierte Selbstbestimmungsrecht bis hin zur Abspaltung wörtlich und erklärten auf einer Konferenz Ende des Jahres 1943 in einem zu Albanien gehörenden Dorf den Anschluss des Kosovo an Albanien. Sowohl die serbischen als auch die jugoslawischen Kommunisten unter Josip Broz Tito lehnten jedoch die Aufgabe serbischen bzw. jugoslawischen Territoriums sowie eine Revision der bestehenden Grenzen ab. Unter großem Druck mussten die kosovarischen Kommunisten daraufhin im Juli 1945 den Anschluss des Kosovo an die „Volksrepublik Serbien“ erklären.

Formell erhielt das Kosovo den Status eines „autonomen Gebietes“ („Oblast“) im Rahmen der „Volksrepublik Serbien“. Im Jahre 1963 wurde daraus eine „autonome Provinz“ („Prokrajina“) im Rahmen der „Sozialistischen Republik Serbien“. In den jugoslawischen Republiken Makedonien und Montenegro erhielten die ethnischen Albaner keine entsprechende Autonomie. Außerhalb des Kosovos in Serbien hatten die ethnischen Albaner ebenfalls keine Autonomie. 

Die Autonomie des Kosovos bestand allerdings bis Ende der 60er Jahre nur formell. Tatsächlich herrschte Serbien mit harter Hand im Kosovo und unterdrückte alle Autonomiebestrebungen. Die jugoslawische Führung ließ der serbischen Führung bei ihrer Kosovo-Politik freie Hand. Unter dem jugoslawischen Innenminister Alexander Ranković herrschte bis zu seinem Sturz ein Polizeiregime im Kosovo. Nach dem Sturz von Ranković im Juli 1966 kam es zu einer umfangreichen Reform des bis dato restriktiven Sicherheitsapparates und zu einer allgemeinen Liberalisierung in der Kosovo-Politik. Innerhalb von zwei Jahren wurden die kulturellen Rechte der albanische Kosovaren tatsächlich erweitert und sogar die Gründung einer albanisch-kosovarischen Universität in Priština zugestanden. In dieser liberaleren Atmosphäre demonstrierten die albanischen Kosovaren im Herbst 1968 gegen ihre korrumpierte Führung und für eine Ausdehnung ihrer Rechte in der Politik und Wirtschaft. Tatsächlich kam es in mehreren Schritten bis 1974 zu umfangreichen Reformen in Staat und Gesellschaft. Die Ergebnisse dieser Entwicklung fanden sich auch in der letzten Verfassung der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) vom 21.02.1974 wieder.

Im Rahmen dieser Verfassung wurde der staatsrechtliche Status des Kosovo deutlich aufgewertet. Das Kosovo wurde in dieser Verfassung als „Sozialistisch Autonome Gebietskörperschaft“ definiert, die sich auf der Macht und die Selbstverwaltung der Arbeiterklasse und aller arbeitenden Menschen gründete. Des Weiteren wurde das Kosovo in dieser Verfassung zu einem eigenständigen Subjekt der jugoslawischen Föderation aufgewertet. Zwar blieb das Kosovo weiterhin staatsrechtlich im Verband der Sozialistischen Republik Serbien, war jedoch auf der Ebene der jugoslawischen Föderation den Sozialistischen Republiken weitgehend gleichgestellt. Es hatte in allen Organen der SFRJ seine eigenen Vertreter und wurde dort nicht durch die Sozialistische Republik Serbien vertreten.

Von der jugoslawischen Föderation wurden deutlich mehr Kompetenzen auf die Republiken übertragen, so dass an mancher Stelle der Eindruck entstehen konnte, dass die jugoslawische Föderation mehr einer Konföderation gleiche. So erhielten die Sozialistischen Republiken unter anderem auch Kompetenzen in der Außen- und Verteidigungspolitik. Trotzdem wurde verfassungsrechtlich bekräftigt, dass die jugoslawische Föderation als staatliche Gemeinschaft ihrer Sozialistischen Republiken und Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaften (Kosovo und Vojvodina) im Verband der Sozialistischen Republik Serbien ein Bundesstaat sei. Im Rahmen ihrer aufgewerteten Autonomie konnten die albanischen Kosovaren weitgehend unbeeinflusst durch die Sozialistische Republik Serbien ihre Rechte ausüben und sich selbst regieren.

Das Kosovo nach dem Tod von Tito (1980 – 1989)

Nach dem Tod der jugoslawischen Integrationsfigur und des Präsidenten der SFRJ Josip Broz Tito am 04.05.21980 traten die sich in den siebziger Jahren abzeichneten wirtschaftlichen Probleme immer stärker zu Tage. Diese Probleme führten innerhalb von zehn Jahren zu einer schweren Systemkrise, zum Aufbrechen von nationalen Gegensetzen, zum Bürgerkrieg und zum Zerfall der SFRJ. Bereits Ende März 1981 kam es im Kosovo zu einem ersten Vorspiel zum späteren ethnischen Bürgerkrieg. In diesen Tagen gingen in Priština, der Hauptstadt der autonomen Gebietskörperschaft Kosovo die Studierenden auf die Straße. Was als normale Studierendendemonstration begann, griff Anfang April 1981 auch auf andere Teile des Kosovos und seiner Bevölkerung über, die zu rund 90% aus ethnischen Albanern besteht und insgesamt 2 Millionen Einwohner ausmachen. Da bei diesen Massendemonstrationen auch die Forderung nach einer eigenen „Sozialistischen Republik Kosovo“ im Rahmen der SFRJ anstelle einer Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaft im Rahmen der Sozialistischen Republik Serbien erhoben wurde, griff die Polizei des Kosovo, in der die Serben noch immer das stärkste Kontingent stellten, brutal ein. Die Lage im Kosovo konnte erst unter Kontrolle gebracht werden, nachdem das Präsidium der SFRJ Einheiten der Bundespolizei und der jugoslawischen Streitkräfte einsetzte.

Von serbischer Seite wurde ab Mitte der 80er immer deutlicher der hohe Grad an Autonomie für das Kosovo kritisiert. Die hohe Autonomie des Kosovos führe nicht nur zu einer Beschneidung der Staatlichkeit Serbiens, sondern auch zu einer Unterdrückung der im Kosovo lebenden Serben durch die albanischen Kosovaren. Tatsächlich wanderten viele Serben aus dem Kosovo ab, was vor allem wirtschaftliche Gründe hatte.

Das Kosovo war das wirtschaftlich am unterentwickelteste Gebiet und Armenhaus Jugoslawiens. Während im jugoslawischen Durchschnitt von 1000 Einwohnern 254 im sogenannten vergesellschafteten Sektor der Wirtschaft (staatliche sich selbstverwaltende Betriebe) tätig waren, waren es im Kosovo nur 107. Die Zuwachsrate des Sozialproduktes im Kosovo erreichte nur die Hälfte des jugoslawischen Durchschnitts. Die Kluft zwischen dem Kosovo und den entwickelten Teilen der jugoslawischen Föderation war sehr groß und wurde trotz der Zuwendungen aus dem Bundesfond für unterentwickelte Gebiete immer größer. Das Verhältnis zwischen der Sozialistischen Republik Serbien und seiner autonomen Gebietskörperschaft Kosovo wurde immer spannungsreicher. Vor allem in Serbien setzten sich ab Mitte der 80er Jahre immer mehr die nationalistischen Hardliner durch.

Von 1988 bis 1990 beseitigte der damalige serbische Machthaber Slobodan Milošević, der von 1986 bis 1989 zunächst Vorsitzender des Bundes der Kommunisten Serbiens und ab Mai 1989 Präsident der Sozialistischen Republik Serbien war, durch eine aggressive Politik in verfassungswidriger Weise die Autonomie des Kosovos. Zunächst wurden Kampagnen gegen führende kosovarische Politiker inszeniert. Das ehemalige kosovarische Mitglied des Präsidiums der SFRJ Fadil Hodscha, der auch Stellvertreter Titos war, wurde aus dem Bund der Kommunisten ausgeschlossen. Im Februar 1988 wurde der Vorsitzende des Bundes der Kommunisten des Kosovos, Azem Vllasi, trotz seiner linientreuen Haltung zum Rücktritt gezwungen. Als seine Nachfolgerin Kaqushe Jashari im November 1988 ebenfalls zum Rücktritt gezwungen wurde, kam es in Priština zu massiven Protesten. Insgesamt 250.000 Kosovaren beteiligten sich an diesen Protesten und die kosovarischen Bergarbeiter im Kombinat Trepča traten in den Hungerstreik.

Die Lage verschärfte sich weiter, als mit Rahman Morina, dem früheren Polizeichef des Kosovos, eine serbische Marionette Parteivorsitzender des Bundes der Kommunisten im Kosovo wurde. Im Februar 1989 dehnten sich die Proteste auf das ganze Kosovo aus. Symbolisches Zentrum dieser Proteste blieb das Bergwerkskombinat Trepča. Die Bergarbeiter forderten den Rücktritt von Rahman Morina und zwei weiteren pro-serbischen Funktionären sowie eine Erklärung für den Ausschluss von Azem Vllasi aus dem Zentralkomitee des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens. Auch protestierten sie dagegen, dass albanische Kosovaren als Nationalisten und Separatisten beschuldigt wurden. Der Vorsitzende des Präsidiums der SFRJ Raif Dizdarević, der Vorsitzende des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens Stipe Šuvar und der serbische Präsident Slobodan Milošević reisten in das Kosovo und versuchten vergeblich auf die Protestierenden einzuwirken. Bereits am 25.07.1988 billigte das Parlament der Sozialistischen Republik Serbien einen Entwurf für eine Verfassungsänderung, die zu einer Einschränkung der Autonomie des Kosovos führen sollte.

Das Ende der Autonomie des Kosovos (1989 – 1992)

Das Parlament der Sozialistischen Republik Serbien beschloss am 23.02.1989 eine Änderung der serbischen Verfassung, mit der die Selbstständigkeit der Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaft Kosovo stark eingeschränkt und die Kontrolle der serbischen Behörden über das Kosovo deutlich erhöht wurde. Diese Vorgehensweise war verfassungswidrig, da zuerst die Parlamente der autonomen Gebietskörperschaften der Verfassungsänderung hätten zustimmen müssen und dann erst das serbische Parlament hätte darüber abstimmen dürfen.

Die Massenproteste im Kosovo gegen diese Form der serbischen Kosovo-Politik gingen überdies weiter, so dass das Präsidium der SFRJ die im Kosovo stationierten Einheiten der Bundespolizei verstärkte und am 27.02.1989 nicht näher definierte „Sondermaßnahmen“ über das Kosovo verhängte. Unter dem Druck des Ausnahmezustandes billigte das Parlament der Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaft Kosovo am 23.03.1989 mit 188 zu 10 Stimmen die Änderung der Verfassung der Sozialistischen Republik Serbien. Am 28.03.1989 trat die Änderung der serbischen Verfassung in Kraft. Der serbische Parlamentspräsident Borisav Jović sprach anlässlich des Inkrafttretens der Verfassungsänderung von einem historischen Tag: Serbien sei nun wieder mit seinen autonomen Provinzen vereint und damit sei ein Fehler der Geschichte korrigiert worden. Aufgrund der Verfassungsänderung hatte Serbien nun die alleinige Zuständigkeit über das Rechtswesen, Sprachfragen, kulturelle Angelegenheiten sowie die innere und äußere Sicherheit auch im Kosovo. Für zukünftige Verfassungsänderungen bedurfte es zudem nicht mehr der Zustimmung der autonomen Gebietskörperschaften.

Es folgte eine Politik der Ausgrenzung und Unterdrückung gegenüber den albanischen Kosovaren durch die serbischen Behörden. Anlässlich des 600. Jahrestages der Schlacht auf dem Amselfeld kam es in der Nähe von Priština / Kosovo zu einer Großkundgebung von zirka zwei Millionen Serben. Bei dieser Großkundgebung hielt auch der serbische Präsident Slobodan Milošević eine Rede und schwor sein Volk auf weitere Kämpfe ein.

Im März 1990 schränkte Serbien die Autonomie des Kosovos in Sicherheitsfrage weiter ein, verstärkte die serbischen Polizeieinheiten im Kosovo und beschloss die Entlassung von albanischen Kosovaren aus dem Polizeidienst. Am 11.04.1990 trat der Ministerpräsident des Kosovos, Jusuf Zejnulahu, sein Stellvertreter und vier seiner Minister zurück. Sie begründeten ihren Rücktritt damit, dass es ihnen nicht gelungen sei die Lage im Kosovo zu stabilisieren. Daraufhin übernahm Serbien am 17.04.1990 die vollständige Polizeigewalt im Kosovo und hob einen Tag später den seit dem 27.02.1989 bestehenden Ausnahmezustand auf. Dabei wurden über 100 politische Gefangene albanisch-kosovarischer Volkszugehörigkeit wieder freigelassen. Mit dem Rücktritt aller albanisch-kosovarischen Minister aus der Regierung des Kosovos am 23.05.1990 endete weitgehend die Beteiligung der albanischen Kosovaren an der Regierung und Verwaltung des Kosovos.

In Serbien fand am 01.07. und 02.07.1990 ein Referendum über einen neuen Verfassungsentwurf statt. In diesem Referendum entschieden sich 97 Prozent der abstimmenden serbischen Bürger für eine Neuformulierung der serbischen Verfassung noch vor den ersten Mehrparteiwahlen in Serbien. Die albanischen Kosovaren boykottierten dieses Referendum ebenso wie alle später in Serbien stattfindenden Abstimmungen und Wahlen. Stattdessen beschlossen 114 albanisch-kosovarischen Abgeordnete des insgesamt 180 Mitglieder zählenden Parlaments der Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaft Kosovo am 02.07.1990 die Unabhängigkeit des Kosovos von Serbien im Rahmen der jugoslawischen Föderation. Daraufhin löste Serbien am 05.07.1990 das Parlament und die Regierung des Kosovos auf. Damit war die Selbstverwaltung des Kosovos endgültig beendet. Die kosovarische Exekutive wurde daraufhin aufgrund eines Ausnahmegesetzes von einer Art Direktorium unter Leitung des Vizepräsidenten des serbischen Parlaments Momčilo Trajković übernommen. Damit wurde diese ausschließlich durch die Republik Serbien ausgeübt.

Am 07.09.1990 beschlossen die albanisch-kosovarischen Abgeordneten des aufgelösten kosovarischen Parlaments bei einer Versammlung in Kačanik im Süden der Gebietskörperschaft einstimmig eine neue Verfassung für das Kosovo. Staatsrechtlich wurde das Kosovo in dieser Verfassung als (siebte) Republik der jugoslawischen Föderation definiert. Zum Präsidenten des Kosovos wurde Ibrahim Rugova gewählt.

Das serbische Parlament beschloss am 28.09.1990 ebenfalls eine neue Verfassung. Aufgrund dieser trat unter anderem eine Änderung der Staatsbezeichnung von Sozialistischer Republik Serbien in  „Republik Serbien“ in Kraft. Die bisher formell autonomen Gebietskörperschaften Kosovo und Vojvodina wurden in dieser Verfassung nicht mehr als autonom bezeichnet und das Kosovo erhielt wieder die alte serbische Bezeichnung „Kosovo und Metohija“. Ein in dieser Verfassung für das Kosovo vorgesehenes Statut wurde nicht mehr umgesetzt. Die albanischen Kosovaren bauten im Kosovo parallele staatliche Strukturen auf und erkannten die der Republik Serbien im Kosovo nicht an. Die Republik Serbien akzeptierten diese zwar nicht, duldeten sie jedoch weitgehend.

Am 26.09.1991 stimmten in einem Referendum über 90 % der albanischen Kosovaren für die Unabhängigkeit des Kosovos. Bei den kosovarischen Parlamentswahlen im Mai 1992 gewann die Demokratische Liga des Kosovo (LDK) unter dem Vorsitz von Ibrahim Rugova, der wieder Präsident des Kosovos wurde, die Wahlen. Er und die LDK standen für einen friedlichen und passiven Widerstand, vergleichbar mit dem damaligen Widerstand von Mahatma Gandi in Indien.

Am 27.04.1992 wurde die „Bundesrepublik Jugoslawien“ als gemeinsamer Bundesstaat von Serbien und Montenegro sowie als Rechtsnachfolgerin der SFRJ proklamiert. Auch diese Proklamation wurde von den albanischen Kosovaren boykottiert. Wie im Falle Serbiens erkannten die albanischen Kosovaren auch die Bundesrepublik Jugoslawien nicht an und beteiligten sich dementsprechend nicht an ihrer Organisation. Für sie war Jugoslawien nicht mehr existent.

Der Weg in den Kosovokrieg und die Folgen des Kosovokrieges (1992 – 2006)

Zunächst war der Widerstand der albanischen Kosovaren gegen das serbische Regime im Kosovo friedlich und passiv. In der internationalen Gemeinschaft war die Kosovo-Frage seinerzeit kein großes Thema. Die albanischen Kosovaren lebten in ihren parallelen staatlichen Strukturen und waren dabei weitgehend unbehelligt von den serbischen und jugoslawischen Behörden. Dauerhaft war dieser passive Widerstand jedoch umstritten, da er das Problem um die staatsrechtliche Zukunft des Kosovos nicht löste. Die wirtschaftliche Entwicklung des schon ohnehin sehr armen Kosovos litt stark unter diesem Zustand. Ohne Zuwendungen von albanischen Kosovaren, die im Ausland arbeiteten, war das Kosovo nicht lebensfähig. Dauerhaft führte der Status quo zu einer wachsenden Spannung innerhalb der kosovarischen Gesellschaft, da sie sich eine normale Zukunft und eine prosperierende Wirtschaft wünschten.

Im April 1996 wurden nach der Erschießung eines albanischen Kosovaren fünf Serben, darunter ein serbischer Polizist, von der bis dahin unbekannten UCK („Befreiungsarmee des Kosovo“) erschossen. Damit trat die UCK erstmals in Erscheinung. Im November 1997 trat sie bei dem Begräbnis eines von Polizisten erschossenen albanisch-kosovarischen Lehrers erstmals in der Öffentlichkeit auf. Im März 1998 brach der bewaffnete Konflikt zwischen der UCK auf der einen Seite und den serbischen und jugoslawischen Sicherheitskräften auf der anderen Seite offen aus. Es kam zu ersten Massakern mit vielen Opfern. Die internationale Staatengemeinschaft wurde auf dem Konflikt aufmerksam, doch lehnten die serbischen Bürger bei einem Referendum im April 1998 jede internationale Vermittlung in diesem Konflikt ab. Im Juli 1998 nahm die UCK erstmals für wenige Tage eine kosovarische Stadt ein, die Rückeroberung durch jugoslawische und serbische Sicherheitskräfte forderte rund 100 Tote. Zwischen Juli und Oktober 1998 fand eine umfangreiche Offensive der serbischen Polizei und der jugoslawischen Armee im Kosovo statt, bei der die gesamte Kontrolle über das Kosovo zurückerobert, mehrere hunderttausend Menschen vertrieben und über 100 Dörfer zerstört wurden.

Im Oktober 1998 verpflichtete sich der damalige jugoslawische Präsident Slobodan Milošević unter Androhung eines NATO-Luftangriffs zu einem Rückzug der Sicherheitskräfte aus dem Kosovo. Zur Überwachung dieses Rückzugs und eines Waffenstillstands sollten bis zu 2000 unbewaffnete OSZE-Beobachter im Kosovo stationiert werden. Doch im Dezember 1998 brach der Konflikt zwischen der UCK und den jugoslawischen bzw. den serbischen Sicherheitskräften erneut aus, bei dem immer mehr Einheiten der jugoslawischen Armee und der serbischen Sonderpolizei in das Kosovo verlegt wurden.

Unter dem Druck der Ereignisse wurden Vertreter der Bundesrepublik Jugoslawien bzw. der jugoslawischen Republik Serbien und der albanischen Kosovaren zu Verhandlungen gezwungen, die am 16.02.1999 im französischen Rambouillet bei Paris begannen. Am 17.03.1999 unterschrieb die Delegation der albanischen Kosovaren ein Abkommen, wonach das Kosovo als völkerrechtlicher Bestandteil der jugoslawischen Republik Serbien eine umfassende Autonomie erhalten sollte, die vergleichbar mit dem Autonomiestatus des Kosovos von 1974 gewesen wäre. Die UCK sollte gemäß diesem Abkommen entwaffnet werden und NATO-Truppen für die Sicherheit im Kosovo sorgen. Die jugoslawisch-serbische Delegation stimmte dem Autonomiestatus des Kosovos grundsätzlich zu, nicht jedoch dem vorliegendem Plan zur Stationierung von NATO-Truppen. Diese hätten sich nicht nur im Kosovo sondern im ganzen Territorium der Bundesrepublik Jugoslawien frei und uneingeschränkt bewegen dürfen, was als unverhältnismäßige Einschränkung der Souveränität der Bundesrepublik Jugoslawien abgelehnt wurde. Die jugoslawisch-serbische Delegation unterschrieb das Abkommen somit nicht. Als letzter versuchte Richard Holbrooke den damaligen jugoslawischen Präsidenten am 19.03.1999 vergeblich zum Einlenken zu bewegen.

Am 24.03.1999 startete die NATO, ohne durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen dazu legitimiert zu sein, ihre Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Völkerrechtlich begründet wurden die NATO-Angriffe damit, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern. Die Luftangriffe richteten sich sowohl gegen militärische Einrichtungen als auch gegen zivile Infrastruktureinrichtungen. Die Lufteinsätze dauerten bis Juni 1999 an. Eine mögliche Bodenoffensive wurde bereits in Erwägung gezogen, als am 03.06.1999 das serbische Parlament einem von der G8-Gruppe am 06.05.1999 vorgelegten Friedensplan zustimmte. Auch der damalige jugoslawische Präsident Slobodan Milošević stimmte dem Friedensplan zu. Die militärischen Verhandlungen der Kriegsparteien zogen sich noch bis zum 09.06.1999 hin, an dem die Bundesrepublik Jugoslawien bzw. die jugoslawische Republik Serbien dem Abzug ihrer Sicherheitskräfte aus dem Kosovo zustimmte.

Der Kosovokrieg in den Jahren 1998/99 führte zu massiven Flüchtlingsströmen (rund 400.000 Flüchtlinge) in die Republik Makedonien, welche dort zu großen Problemen führten und die politische Stabilität des Staates gefährdeten. Nach der Befriedung des Kosovos kehrten viele Flüchtlinge später wieder zurück.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschloss am 10.06.1999 die Resolution 1244, wonach das Kosovo unter Beibehaltung der territorialen Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien zunächst eine zivile Übergangsverwaltung im Rahmen der Vereinten Nationen erhielt (Übergangsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo, UMNIK). Für die Sicherheit im Kosovo ist gemäß der noch immer gültigen Resolution 1244 die von der NATO geführte „Kosovo Truppe“ (Kosovo Force, KFOR) zuständig, deren Einsatz am 12.06.1999 begann. Damit endete faktisch die Herrschaft Serbiens über das Kosovo. Die Bundesrepublik Jugoslawien wurde am 04.02.2003 zunächst in den Staatenbund Serbien-Montenegro umgewandelt, der Rechtsnachfolger der Bundesrepublik Jugoslawien war. Am 03.06.2006 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung Montenegros, woraufhin Serbien formell und völkerrechtlich anerkannt am 05.06.2006 die Rechtsnachfolge des Staatenbundes Serbien-Montenegro antrat.

Der Weg des Kosovos in die umstrittene Unabhängigkeit (2006 bis 2008)

Das Kosovo blieb völkerrechtlich Bestandteil der Republik Serbien, auch wenn Aufgrund der Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen das Kosovo zunächst eine zivile Übergangsverwaltung im Rahmen der Vereinten Nationen erhielt. Als Rechtsnachfolgerin der Bundesrepublik Jugoslawien bzw. des Staatenbundes Serbien-Montenegro galt die Resolution 1244 jetzt für die Republik Serbien und ihre territoriale Integrität. Unter Vermittlung der Kosovo-Troika aus Europäischer Union (EU), Russischer Föderation und Vereinigter Staaten von Amerika (USA) begannen am 20.02.2006 Verhandlungen über den Status des Kosovos zwischen serbischen und albanisch-kosovarischen Vertretern. Geleitet wurden diese Gespräche vom ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari. Die albanisch-kosovarische Seite forderte die volle staatliche Unabhängigkeit des Kosovos, während die serbische Seite eine sehr weitreichende Autonomie zugestehen wollte. Auch auf die kommunale Gliederung des Kosovos und besondere Formen der kommunalen Autonomie für die jeweilige Volksgruppe konnten sich die albanisch-kosovarischen und die serbischen Verhandlungsführer nicht einigen.

Da es zwischen den Vertretern des Kosovos und der Republik Serbien zu keiner Einigung kam, stellte der Gesprächsleiter Martti Ahtisaari am 02.02.2007 einen Status-Vorschlag für das Kosovo vor. Dieser sogenannte Martti-Ahtisaari-Vorschlag sah für das Kosovo eigene nationale Symbole und die mögliche Mitgliedschaft in internationalen Organisationen vor. Im Falle des Kosovos sollte es sich gemäß diesem Vorschlag um eine international überwachte Unabhängigkeit handeln, wobei der Begriff „Unabhängigkeit“ im Vorschlag nicht vorkam. Die Gemeinden des Kosovos mit einer serbischen Majorität sollten eine besondere Form der Autonomie erhalten und auch Beziehungen zur Republik Serbien unterhalten können. Insgesamt sah der Plan großzügige Regelungen für die Minderheiten vor.

Der Vorschlag war sowohl auf kosovarischer als auch auf serbischer Seite umstritten. Für die Kosovaren gingen die Autonomieregelungen für die serbischen Kosovaren zu weit, doch akzeptierten sie den Plan letztendlich. Für Serbien waren die Unabhängigkeit des Kosovos und damit die Verletzung der territorialen Integrität Serbiens nicht hinnehmbar. Sie lehnten den Vorschlag daher grundsätzlich ab. Die weiteren Verhandlungen zwischen dem Kosovo und Serbien endeten am 28.11.2007 ergebnislos. Die westlichen Staaten signalisierten die Bereitschaft die Unabhängigkeit des Kosovos wohl zu akzeptieren, was die albanischen Kosovaren bestärkte am 17.02.2008 die Unabhängigkeit des Kosovos auszurufen. An diesem Tag beschloss das kosovarische Parlament mit 109 von insgesamt 120 Stimmen die Unabhängigkeit des Kosovos von Serbien unter der Bezeichnung „Republik Kosovo“. Serbien wies die Unabhängigkeitserklärung des Kosovos umgehend als illegal und illegitim zurück und verwies dabei auf die Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Die später verabschiedete Verfassung des Kosovos und die staatliche Organisation des Kosovos beruht bis heute auf dem Vorschlag von Martti Ahtisaari.

Heute wird das Kosovo von der Mehrheit der Staaten der Welt völkerrechtlich anerkannt. Allerdings erkennen bis heute (Stand: 17.01.2022) die Republik Serbien, die Russische Föderation und die Volksrepublik China als Veto-Mächte des UN-Sicherheitsrates, fünf Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Griechenland, Rumänien, Spanien, Slowakei und Zypern) sowie weitere Staaten die Unabhängigkeit des Kosovos völkerrechtlich nicht an.

Mit dem Kosovo besteht neben Albanien (rund 3 Millionen Einwohner) faktisch ein zweiter albanischer Staat. Von den insgesamt zirka 1,8 Millionen Einwohnern des Kosovo sind 91 % bzw. 1,64 Millionen ethnische Albaner. Diese Zahlen beruhen auf einer Volkszählung aus dem Jahre 2011. Eine materielle Reintegration des Kosovos in den serbischen Staat ist unwahrscheinlich.

In den Staaten Griechenland, Serbien (ohne Kosovo) und Montenegro verfügte die albanische Volksgruppe nie über entsprechende Autonomierechte wie im Kosovo. In den albanischen Siedlungsgebieten Serbiens, Bujanovac, Preševo und Medvedja, leben etwa 80.000 ethnische Albaner. Das dortige Verhältnis zwischen Albanern und Serben gilt als entspannt. Es gibt die Idee, den von Serben bewohnten Nordteil des Kosovos mit diesem Gebiet zwischen Serbien und dem Kosovo auszutauschen. Bisher konnte sie sich allerdings aus verschiedenen Gründen nicht durchsetzen. Das Verhältnis der etwa 50.000 ethnischen Albaner zu den Montenegrinern in Montenegro ist ebenfalls unkompliziert, zumal sie gut im montenegrinischen Staat integriert sind. Gleiches gilt für die zirka 50.000 orthodoxen Albaner im Nordwesten Griechenlands. Die Situation in der Republik Makedonien wird in den folgenden Unterkapiteln gesondert betrachtet.  

Die albanische Frage in der Republik Makedonien

Nach einer Volkszählung aus dem Jahre 2002 besteht die makedonische Staatsnation mit ihren 2.022.547 Angehörigen zu 64, 2 % aus ethnischen bzw. slawischen Makedoniern, zu 25,2 % aus ethnischen Albanern und zu 10,6 % aus anderen Nationalitäten. Von diesen anderen Nationalitäten stellt die türkische Volksgruppe mit einem Anteil von 3,9 % an der Gesamtbevölkerung Makedoniens den größten Anteil.

Die Republik Makedonien verfügt mit zirka 509.682 ethnischen Albanern nach Albanien und dem Kosovo über das drittgrößte albanische Siedlungsgebiet. In der Volksrepublik Makedonien bzw. der Sozialistischen Republik Makedonien im Rahmen der jugoslawischen Föderation von 1944 bis 1991 verfügten die ethnischen Albaner über keine besonderen Autonomierechte. Zeitweise waren sogar die Repressalien der makedonischen Polizei schärfer als die der serbischen Polizei und der jugoslawischen Bundespolizei im Kosovo. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre führte eine Maßnahme der makedonischen Behörden zu einer Erhöhung der Spannungen zwischen den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und den albanischen Makedoniern (Angehörige der albanischen Gemeinschaft in der Republik Makedonien / ethnische Albaner), nach dem die Polizei mit Bulldozern die hohen Mauern, die ethnische Albaner traditionell zum Schutz ihrer Familie um ihre Häuser bauen, zerstörten. Die makedonischen Behörden fürchteten, dass diese hohen Mauern im Fall eines Konflikts zwischen den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und den ethnischen Albanern zu Widerstandsfestungen werden könnten, und dem sollte vorgebeugt werden.

Als die Republik Makedonien im Jahr 1991 unabhängig wurde und eine neue Verfassung bekam, musste auch das staatsrechtliche Verhältnis der ethnischen Albaner zur makedonischen Staatsnation geklärt werden. Die Klärung dieses Verhältnisses begründete eine besondere Form der albanischen Frage innerhalb der Republik Makedonien. Die Verfassung von 1991 definierte die Republik Makedonien zunächst als Nationalstaat des makedonischen Volkes und betrachtete die ethnischen Albaner als Minderheit, der entsprechende Minderheitenrechte zugebilligt wurden. Die ethnischen Albaner forderten jedoch die Anerkennung als zweite konstitutive Volksgruppe neben den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern. Damit wären auch entsprechend weitergehende Rechte, etwa Albanisch als zweite Amtssprache, Schulunterricht in albanischer Sprache und ggf. auch eine territoriale Autonomie verbunden gewesen.

Die extremeren Vorschläge der ethnischen Albaner reichten von einer Föderalisierung Makedoniens nach ethnischen Gesichtspunkten bis hin zu einer Abspaltung der albanischen Siedlungsgebiete. Die Vorstellungen einer Föderation sahen sowohl die Umwandlung der Republik Makedonien in einen bi-nationalen Bundesstaat, bestehend aus einem makedonischen und einem albanischen Teil, als auch einen Bundesstaat mit zahlreichen kleineren Kantonen nach dem Vorbild der Schweiz vor. Vom 11. bis zum 12.01.1992 fand in den albanischen Siedlungsgebieten der Republik Makedonien ein Referendum über eine politische und territoriale Autonomie statt, an der sich 92 % der Abstimmungsberechtigten beteiligt haben sollen. Bei dieser von den makedonischen Behörden nicht anerkannten Abstimmung sollen 99 % für eine entsprechende Autonomie gestimmt haben. Das Referendum hatte eher eine symbolische Bedeutung gehabt und keine praktische Bedeutung erlangt.

Trotzdem war in der Praxis die staatsrechtliche Integration der ethnischen Albaner in den makedonischen Staat nicht einfach. So wurden in den albanisch besiedelten Gebieten eigene Symbole wie etwa albanische Flaggen verwendet und im Jahre 1994 eine eigene albanischsprachige Universität in Tetovo gegründet. Zwar wurde an jeder makedonischen Regierung bisher immer auch eine albanisch-makedonische Parlamentspartei beteiligt, jedoch war die makedonische Regierung nicht bereit den ethnischen Albanern mehr Rechte zuzugestehen. Auch im Alltag wurden ethnische Albaner von Seiten des makedonischen Staates  benachteiligt. Sie waren auch nicht ihrem Anteil gemäß im öffentlichen Sektor vertreten. Infolge stiegen die Spannungen zwischen ethnischen bzw. slawischen und albanischen Makedoniern. Zwischen Dezember 2000 und August 2001 kam es zu einem bewaffneten Konflikt zwischen ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und ethnischen Albanern. Die Republik Makedonien drohte zu dieser Zeit in einen ethnisch bedingten Bürgerkrieg zu geraten.

Der bewaffnete ethnische Konflikt in der Republik Makedonien (2001)

Bereits im Dezember 2000 kam es zu ersten bewaffneten Auseinandersetzungen, deren Intensität in der ersten Hälfte des Jahres 2001 zunahm. Sehr leicht hätte sich aus diesem bewaffneten Konflikt ein langjähriger ethnischer Bürgerkrieg entwickeln können. Vorreiter des Aufstandes der albanischen Makedonier in der Republik Makedonien im Jahr 2001 war der in den vorherigen Abschnitten ausführlich dargestellte Aufstand der albanischen Kosovaren in der bis dahin serbischen Provinz Kosovo in den Jahren 1997/98 und der Kosovokrieg in den Jahren 1998/99.

Die ersten Übergriffe von ethnischen Albanern im Grenzgebiet zwischen dem Kosovo und der Republik Makedonien starteten gegen Ende des Jahres 2000. Dabei gingen die Rebellen genauso vor wie im Kosovo und so nahm im Januar 2001 die UCK auch in der Republik Makedonien den bewaffneten Kampf auf. Hauptsächliche Ziele waren dabei zunächst die abgelegenen Polizei- und Grenzposten in der gebirgigen Grenzregion zum Kosovo und zu Serbien, wofür die UCK im Januar 2001 auch offiziell die Verantwortung übernahm. Angeführt wurde die makedonische UCK unter anderem von Ali Ahmeti (heute Vorsitzender der albanisch-makedonischen „Demokratischen Union für Integration“ / „DUI“ bzw. „Bashkimi Demokratik për Integrim“ /  „BDI“) und seinem Onkel Fazli Veliu, die aus dem Westen der Republik Makedonien stammen. Zunächst hielten sich die makedonischen Behörden noch zurück, doch ein Angriff der UCK auf Tetovo zirka zwei Monate später führte auch auf makedonischer Seite zu einer Mobilisierung ihrer Sicherheitskräfte.

Von den zwei großen albanisch-makedonischen Parteien erhielt die UCK keinerlei Unterstützung, für die Regierung der Republik Makedonien waren die Rebellen Mitglieder der kosovarischen UCK, die von Seiten des Kosovos auf makedonisches Gebiet eindrangen. Sicher war jedoch, dass das Kosovo ein strategisches Rückzugsgebiet der makedonischen UCK vor den makedonischen Sicherheitskräften war. Als Ende April 2001 acht Angehörige der makedonischen Sicherheitskräfte von Mitgliedern der UCK getötet wurden, gingen ethnische bzw. slawische Makedonier in Bitola, Prilep und Skopje auf die Straße und zerstörten Häuser und Geschäfte der albanischen Makedonier sowie Moscheen. Nach der Tötung von makedonischen Zivilisten griffen ethnische bzw. slawische Makedonier ihrerseits zu den Waffen und attackierten Dörfer der albanischen Makedonier.

Internationaler Druck und die Bereitschaft zu Kompromissen bei den Konfliktparteien führten in der Mitte des Jahres 2001 zu einem Waffenstillstand, der weitgehend eingehalten wurde. Nur noch vereinzelt kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Auch war der Rückhalt für einen bewaffneten Konflikt bei den albanischen Makedoniern deutlich geringer als bei den albanischen Kosovaren im Kosovo, so dass der Wunsch nach einer friedlichen Lösung in der Bevölkerung überwog. Verhandlungen zwischen den Konfliktpartien unter internationaler Vermittlung führten schließlich zum Rahmenabkommen von Ohrid.

Das Rahmenabkommen von Ohrid vom 13.08.2001

Unter Vermittlung der Europäischen Union (EU) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) nahmen die zwei größten Parteien der ethnischen- bzw. slawisch-makedonischen Gemeinschaft sowie die zwei größten Parteien der albanisch-makedonischen Gemeinschaft Gespräche zur Lösung des ethnischen Konfliktes auf.

Auf Seiten der ethnischen bzw. slawischen Makedonier waren dies die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die mazedonische nationale Einheit / IMRO-DPMNE“ (Vnatrešna Makedonska Revolucionarna Organizacija – Demokratska Partija za Makedonsko Nacionalno Edinstvo / VMRO-DPMNE) unter der Führung von Ljubčo Georgijevski sowie die „Sozialdemokratische Union Makedoniens“ (Socijaldemokratski Sojuz na Makedonija / SDSM) unter der Führung von Branko Crvenkovski und auf Seiten der Angehörigen der ethnisch-albanischen Gemeinschaft waren dies die „Albanische Demokratische Partei / DPA“ (Partia Demokratike Shqiptare / DPSH) unter der Führung von Arben Xhaferi sowie die „Partei der demokratische Prosperität“ (Partija za Demokratski Prosperitet / PDP bzw. Partie e Prosperitetit Demokratik)  unter der Führung von Imer Imeri. Spezielle Repräsentanten der EU und der USA waren Francois Lëotard und James. W. Pardew.  Des Weiteren nahm der damalige makedonische Staatspräsident Boris Trajkovski an den Gesprächen teil.

Alle oben genannten Vertreter waren auch Unterzeichner des Rahmenabkommens von Ohrid, das zunächst eine reine politische Vereinbarung war und erst noch staatsrechtlich umgesetzt werden musste. Umgesetzt wurde dieses Rahmenabkommen durch eine umfangreiche Änderung der Verfassung der Republik Makedonien sowie dem Erlass von entsprechenden Gesetzen. Das Rahmenabkommen von Ohrid besteht aus einer Rahmenvereinbarung sowie drei Anhängen.

In der Rahmenvereinbarung, die aus 9 Abschnitten besteht, werden die Grundsätze der Übereinkunft festgelegt. Demnach ist die Souveränität und die territoriale Integrität der Republik Makedonien sowie ihr Charakter als multi-ethnischer Staat zu wahren. Alle Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien müssen unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft ihre in der Verfassung festgelegten Rechte gemessen an internationalen Standards wahrnehmen können. Auf lokaler Ebene müssen die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien ihre demokratischen Rechte in Form einer lokalen Selbstverwaltung wahrnehmen und verwirklichen können. Das Ende des inner-ethnischen Konfliktes wird ebenso definiert wie die Grundsätze der Dezentralisierung der staatlichen Verwaltung. Angehörige der ethnischen Gemeinschaften müssen ihrem Anteil entsprechend angemessen in staatlichen Institutionen und ohne Diskriminierung repräsentiert werden. Spezielle parlamentarische Prozeduren sollen die Rechte dieser Gemeinschaften besonders schützen. So ist bei bestimmten parlamentarischen Entscheidungen, die die ethnischen Gemeinschaften in besonderem Maße betreffen, sowohl eine normale parlamentarische Mehrheit als auch eine Mehrheit unter den Abgeordneten der nicht-ethnisch-makedonischen Gemeinschaften notwendig (Prinzip der doppelten Mehrheit). Grundsätzliche Festlegungen zur Verwendung der Sprachen und der Symbole der Gemeinschaften zusätzlich zur makedonischen Sprache und zu den makedonischen Symbolen runden die Rahmenvereinbarung ab. Die letzten beiden Abschnitte der Rahmenvereinbarung regeln die weitere Implementierung und Konkretisierung dieser Rahmenvereinbarung.

Die Konkretisierung der Rahmenvereinbarung erfolgt in den Anhängen A, B und C, die fester und vollwertiger Bestandteil der Rahmenvereinbarung sind. Im Anhang A zum Rahmenabkommen von Ohrid wurden die notwendigen Änderungen der Verfassung der Republik Makedonien zur Umsetzung der Vereinbarung genau festgelegt. Die zur Umsetzung der Vereinbarung notwendigen Veränderungen betrafen gemäß dem Anhang A des Rahmenabkommens die Präambel sowie die Artikel 7, 8, 19, 48, 56, 69, 77, 78, 84, 86, 104, 109, 114, 115 und 131 der Verfassung der Republik Makedonien. Im Anhang B zum Rahmenabkommen wurden die notwendigen gesetzlichen Modifikationen zur Umsetzung der Vereinbarung definiert. Im Anhang C zum Rahmenabkommen sind Einzelheiten zur Implementierung der Vereinbarung sowie vertrauensbildende Maßnahmen festgelegt worden. Es handelte sich hierbei um die bisher umfangreichsten Änderungen der Verfassung der Republik Makedonien. Das Verhältnis aller Ethnien untereinander, zur makedonischen Staatsnation und zum Staat wurde neu austariert.

Nunmehr definierte sich die Republik Makedonien in ihrer Präambel nicht mehr als Nationalstaat des makedonisches Volkes mit gleichberechtigten namentlich genannten Nationalitäten, sondern als Staat seiner Bürger, welche aus dem makedonischen Volk sowie dem Volk der Albaner, Türken, Vlachen, Serben, Bosnier und anderen Ethnien bestehen. Diese haben gemäß der Präambel gemeinsam die Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft des Staates übernommen. Die Völker in der Republik Makedonien werden nunmehr als ethnische Gemeinschaften bezeichnet. Es wird zwischen ethnischen Gemeinschaften unterschieden, welche die Mehrheit oder nicht die Mehrheit an der Gesamtbevölkerung bzw. an der Staatsnation darstellen. Diese Bezeichnungen ersetzen die Begriffe Nation (Mehrheitsbevölkerung, Konstitutive Volksgruppe, Staatsnation) und Nationalitäten (Minderheiten), welche noch aus dem jugoslawischen Staatsrecht stammten.

In den Grundwerten der Verfassung wurde verankert, das in allen Organen der Staatsgewalt und in den öffentlichen Institutionen jeden Niveaus die Angehörigen alle ethnischen Gemeinschaften vertreten sein müssen. So müssen in allen Stellen im öffentlichen Sektor bis hin zu den obersten Leitungsfunktionen die Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften ihrem Anteil gemäß vertreten sein. Dies gilt zum Beispiel auch im Bereich der Polizei und des Militärs. Infolge wurden bzw. werden bei Neubesetzungen von Stellen zunächst die Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften, welche nicht die Bevölkerungsmehrheit darstellen, bevorzugt, bis sich eine angemessene Beteiligung aller ethnischen Gemeinschaften am öffentlichen Sektor eingestellt hat.

Nach der Verfassung in der aktuellen Fassung bleibt auf dem ganzen Gebiet der Republik Makedonien die in kyrillischer Schrift geschriebene makedonische Sprache allgemeine Amtssprache. Allerdings ist jetzt ebenso Amtssprache auf nationaler Ebene, die Schrift und Sprache einer Ethnie, welche einen Anteil von mindestens 20 % an der makedonischen Staatsnation hat. In diesem Fall werden auch die persönlichen Dokumente einer bzw. eines Angehörigen der betreffenden ethnischen Gemeinschaft zweisprachig verfasst.

In der Praxis wird dieses Quorum allerdings nur von Angehörigen der albanischen Gemeinschaft erfüllt, so dass auf nationaler Ebene im amtlichen Verkehr und in den persönlichen Dokumenten neben der makedonischen in diesen Fällen auch die albanische Sprache in lateinischer Schrift verwendet wird. Das Parlament der Republik Makedonien hat seine Geschäftsordnung ebenfalls entsprechend geändert und tagt zweisprachig – Makedonisch und Albanisch. Auch im Gesetzblatt der Republik Makedonien erfolgen die Veröffentlichungen entsprechend zweisprachig. In den Amtssprachen kann mit allen staatlichen Institutionen auf nationaler und lokale Ebene, beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, kommuniziert werden. In diesen Fällen müssen die Institutionen zweisprachig antworten. Des Weiteren ist neben der makedonischen Sprache ebenso Amtssprache in einer Einheit der lokalen Selbstverwaltung, die Schrift und Sprache einer Ethnie, welche einen Anteil von mindestens 20 % an Bürgerschaft hat. Bei einem Bevölkerungsanteil einer ethnischen Gemeinschaft von unter 20 Prozent können die Einheiten der lokalen Selbstverwaltung selbst regeln, ob sie deren Sprache ebenfalls als Amtssprache zulassen. Auf nationaler Ebene gilt diese Regelung jedoch nicht.

Die verfassungsrechtlichen Regelungen zu den Unterrichtssprachen der ethnischen Gemeinschaften entsprechen weitgehend den bisherigen Regelungen. An den Grund- und Mittelschulen kann der Unterricht in der Sprache einer ethnischen Gemeinschaft abgehalten werden, welche nicht der Bevölkerungsmehrheit angehört. Weiterhin muss auch in diesen Fällen die makedonische Sprache gelehrt werden. Durch Änderungen der Gesetze können neben der makedonischen Sprache auch die Sprachen von ethnischen Gemeinschaften, welche nicht die Bevölkerungsmehrheit angehören, an Hochschulen verwendet werden. So wurde die 1994 gegründete Universität von Tetovo (albanisch: Tetova) im Jahre 2004 staatlich anerkannt. Heute werden an dieser Universität Lehrveranstaltungen in albanischer und makedonischer Sprache angeboten, wobei erstere die dominierende Lehrsprache ist.

Das bereits in der Verfassung verankerte Recht zur Identitätsbildung, also das Recht der ethnischen Gemeinschaften, ihre nationale Identität und Eigenheiten zum Ausdruck, zu pflegen und zu entwickeln, wurde verfassungsrechtlich weiter ausdifferenziert. Nun dürfen auch die Symbole dieser Gemeinschaften öffentlich verwendet werden. So dürfen in Einheiten der lokalen Selbstverwaltung ab einem Bevölkerungsanteil von 20 Prozent die Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften ihre Symbole bei offiziellen Anlässen neben den staatlichen makedonischen verwenden. Zum Beispiel dürfen die Angehörigen der albanischen Gemeinschaft neben der makedonischen auch die albanische Flagge offiziell hissen.

Die Glaubensgemeinschaften in der Republik Makedonien werden in der Verfassung jetzt alle gleichberechtigt namentlich aufgezählt, sind vor dem Gesetz gleich und vom Staat getrennt. Die Makedonisch-Orthodoxe Kirche wird, im Gegensatz zur Griechisch-Orthodoxen Kirche in Griechenland, nicht verfassungsrechtlich privilegiert.

Im Parlament der Republik Makedonien bedarf es in bestimmten verfassungsrechtlich festgelegten Angelegenheiten, welche die Rechte der Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften betreffen, einer doppelten Mehrheit. Neben einer allgemeinen Mehrheit unter allen Abgeordneten, bedarf es in diesen Fällen zusätzlich auch einer Mehrheit unter den Abgeordneten der ethnischen Gemeinschaften, welche nicht die Bevölkerungsmehrheit darstellen. Diese doppelte Mehrheit ist auch bei entsprechenden Verfassungsänderungen erforderlich.

Unter anderem bedürfen auch die Regelungen zu den Einheiten der lokalen Selbstverwaltung einer entsprechenden doppelten Mehrheit, da hier alle Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften besonders betroffen sind. So trat am 11.08.2004 ein neues Gesetz zur territorialen Gliederung der Republik Makedonien in Kraft. Aufgrund des Gesetzes wurden die Städte und Gemeinden neu abgegrenzt, so dass alle ethnischen Gemeinschaften besser repräsentiert werden. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass die Angehörigen der albanischen Gemeinschaft in einigen Städten und Gemeinden nun die Mehrheit in der Bürgerschaft darstellen und den Bürgermeister stellen. Des Weiteren wurden aufgrund dieses Gesetzes mehr Kompetenzen von der nationalen Ebene auf die Einheiten der lokalen Selbstverwaltung übertragen. Auf diese Weise wurde die Republik Makedonien zwar nicht föderalisiert, doch stärker dezentralisiert und somit den Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften eine stärkere Partizipation an der Staatsgewalt ermöglicht.

Das Verfassungsgericht der Republik Makedonien hat neun Mitglieder. Diese werden vom Parlament gewählt. In Falle von drei Richtern bedarf es einer doppelten Mehrheit: Die Mehrheit aller Abgeordneten und die Mehrheit unter den Abgeordneten der ethnischen Gemeinschaften, welche nicht die Bevölkerungsmehrheit darstellen. Der Republikjustizrat ist ein selbständiges und unabhängiges Organ der Gerichtsbarkeit in der Republik Makedonien, welcher die Selbständigkeit und die Unabhängigkeit der judikativen Gewalt sichert. Dieser Rat hat insgesamt 15 Mitglieder. Acht Mitglieder werden von der Richterschaft aus ihren eigenen Reihen gewählt. Drei von diesen müssen ethnischen Gemeinschaften angehören, welche nicht die Bevölkerungsmehrheit darstellen. Die weiteren sieben Mitglieder werden durch das Parlament gewählt. Von diesen werden drei auf Vorschlag des Staatspräsidenten, zum Teil aus der Gruppe der Universitätsprofessoren des Rechts, der Rechtsanwälte und der herausragenden Juristen, vom Parlament gewählt. Im Falle von vier dieser sieben Mitglieder bedarf es wieder der oben beschriebenen doppelten Mehrheit.

Siehe auch den Artikel „Das Rahmenabkommens von Ohrid vom 13.08.2001″. Im Artikel befindet sich ein Link zum originalen Vertragstext.

Fazit

Die Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften als Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien haben im Jahr 2001 festgestellt, dass ein bewaffneter Konflikt zur Lösung von inner-ethnischen Konflikten in der Republik Makedonien keine geeignete Option darstellt und dies im Rahmenabkommen von Ohrid bekräftigt.

Das Rahmenabkommen von Ohrid ist ein geeigneter Kompromiss, um zu einem Ausgleich zwischen den ethnischen Gemeinschaften zu kommen. Nach der Implementierung des Rahmenabkommens von Ohrid  spricht die Verfassung der Republik Makedonien von den Bürgerinnen und Bürgern der Republik Makedonien, die aus dem makedonischen Volk (ethnische bzw. slawische Makedonier) und aus dem innerhalb der Grenzen der Republik Makedonien lebenden Volk der Albaner (albanische Makedonier), Türken, Vlachen, Serben, Roma, Bosnier und anderer Völker bestehen. Somit sind formell alle in der Republik Nord-Makedonien lebenden Völker konstitutive Bestandteile der makedonischen Staatsnation.

Von Minderheiten wird aus Sicht der makedonischen Verfassung ebenfalls nicht mehr gesprochen. Ethnische Gruppen bzw. Nationalitäten bilden verfassungsrechtlich anerkannte Gemeinschaften. Die kulturellen Rechte dieser Gemeinschaften werden verfassungsrechtlich garantiert und geschützt. Bei einem Mindestanteil der Angehörigen einer Gemeinschaft von 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung in den lokalen Gebietskörperschaften oder auf Republiksebene werden diesen zusätzliche Rechte zuerkannt. So ist z.B. im offiziellen Verkehr neben der makedonischen Sprache auch die Sprache der Angehörigen einer ethnischen Gemeinschaft Amtssprache, wenn diese einen Anteil von 20 Prozent und mehr an der Gesamtbevölkerung hat. Auch auf der Republiksebene verfügen die Angehörigen der Gemeinschaften über entsprechende und weitere besondere durch die Verfassung garantierten Rechte. So ist z.B. bei bestimmten Parlamentsbeschlüssen sowohl eine Mehrheit unter allen Abgeordneten des Parlaments als auch unter den Abgeordneten, die aus den nicht-ethnisch-slawisch-makedonischen Gemeinschaften kommen, notwendig. In allen öffentlichen Einrichtungen sind die Angehörigen der Gemeinschaften ihrem Anteil gemäß zu berücksichtigen.

Mit diesem Rahmenabkommen dürfte eine wichtige Grundlage für eine funktionierende Bürgergesellschaft innerhalb der Republik Nord-Makedonien gelegt worden sein. Diese fortzuentwickeln liegt nun in der Verantwortung aller Bürgerinnen und Bürger der Republik Nord-Makedonien bzw. aller in ihr lebenden Völker.

Durch die Änderung der Verfassung der Republik Nord-Makedonien vom 11.01.2019 werden in der Präambel nun alle Völker der Republik Nord-Makedonien gleichberechtigt aufgeführt, ohne sprachliche Hervorhebung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier. Des Weiteren wird in der Präambel auch auf das Rahmenabkommen von Ohrid verwiesen. Seit einer Änderung des Sprachgesetzes im Jahre 2019 ist Albanisch nun uneingeschränkt als zweite Amtssprache in der Republik Nord-Makedonien anerkannt. Die Angehörigen der albanischen Gemeinschaft sind den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern in der Republik Nord-Makedoniern rechtlich weitgehend gleichgestellt worden. Sie sind ein integraler und wichtiger Bestandteil der Staatsnation der Republik Nord-Makedonien und tragen damit eine entsprechende Verantwortung für ihr gemeinsames Staatswesen. Damit dürfte die albanisch-makedonische Frage ihre Klärung gefunden haben. Es bleibt jedoch in der Verantwortung aller Bürgerinnen und Bürger der Republik Nord-Makedonien die inner-ethnischen Beziehungen zum Wohle aller zu entwickeln und zu stärken.