von Andreas Schwarz
Im Rahmen der sozialistisch-jugoslawischen Föderation (1944 – 1991) werden drei Verfassungsperioden unterschieden. So erhielten die jugoslawische Föderation und der sozialistisch-makedonische Staat in den Jahren 1946, 1963 und 1974 jeweils neue Verfassungen. Die jugoslawische Verfassung von 1946 wurde im Jahr 1953 durch ein Verfassungsgesetz grundlegend reformiert, was auch eine entsprechende Reform der makedonischen Verfassung zur Folge hatte. Am Anfang des Artikels wird auf die Verfassungsperioden von 1946 bis 1963 („Volksrepublik Makedonien“), 1963 bis 1974 („Sozialistische Republik Makedonien) und 1974 bis 1991 („Sozialistische Republik Makedonien bzw. ab 1991 „Republik Makedonien“) eingegangen, danach wird ausführlich auf die Verfassung der Republik Makedonien bzw. Republik Nord-Makedonien vom 20.11.1991 eingegangen.
Die Republik (Nord-)Makedonien proklamierte am 20.11.1991 während einer Festsitzung des makedonischen Parlaments feierlich die neue Verfassung für den unabhängigen Staat „Republik Makedonien“. Nach dem am 18.09.1991 die Republik Makedonien formell ihre Unabhängigkeit von der Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) erklärt hatte, wurde mit der neuen Verfassung der Republik Makedonien vom 20.11.1991 diese Unabhängigkeit auch materiell-rechtlich umgesetzt. Aufgrund einer Verfassungsänderung vom 11.01.2019 heißt die Republik Makedonien im staats- und völkerrechtlichen Verkehr seit dem 12.02.2019 „Republik Nord-Makedonien“. Diese heute noch gültige Verfassung definiert in ihrem ersten Artikel die Republik Nord-Makedonien als souveränen, unabhängigen, demokratischen und sozialen Staat.
Der nachfolgende Link führt zur „Verfassung der Republik Nord-Makedonien“ in der aktuell seit dem 12.02.2019 gültigen Fassung.
Die Gründung des makedonischen Staates
Der „Antifaschistische Rat der Volksbefreiung Makedoniens“ („Antifaschistische Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens“, kurz: „ASNOM“) bestand aus 17 Mitgliedern und kam im heute zu Serbien gehörenden Kloster Prohor Pčinski am 02.08.1944 zu seiner ersten Sitzung zusammen. Mit dem Sitzungsdatum sollte historisch an den Beginn des Ilinden-Aufstandes und der Gründung der nur kurzzeitig existierenden „Republik von Kruševo“ am 02.08.1903 angeknüpft werden. Damit erhielt die Sitzung der ASNOM neben seinem kommunistischen auch einen besonderen nationalen Charakter makedonischer Prägung. Der Sitzungsort wurde deshalb gewählt, da er zu dieser Zeit bereits von bulgarischen und deutschen Besatzern geräumt war.
Auf der ersten Sitzung des ASNOM wurde die Staatsstruktur und die Grundlagen der Verfassung für den makedonischen Staat festgelegt, der als Gliedstaat mit der Bezeichnung „Volksrepublik Makedonien“ gleichberechtigtes Mitglied der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ sein und eigene Gesetzgebungskompetenzen haben sollte. Des Weiteren wurden auf der ersten Sitzung des ASNOM die Geltung der Menschen- und Bürgerrechte proklamiert, Minderheitenrechte für Ethnien in Makedonien garantiert und die Grundsätze des Wahlrechts festgelegt. Jeder Bürgerin bzw. jedem Bürger wurde das Recht zur Beschwerde gegen staatliche Handlungen gewährt. Der makedonische Staat sollte nach den Beschlüssen des ASNOM nicht zentral verwaltet werden, sondern wurde in Bezirke, Kreise und Gemeinden gegliedert.
Auch auf kulturellem Gebiet fasste der ASNOM Beschlüsse. Demnach sollten die makedonischen Dialekte, die um die Stadt Skopje herum gesprochen werden, zu einer Schriftsprache zusammengefasst werden. Diese Schriftsprache sollte eine wichtige Grundlage für die bereits erfolgte Anerkennung der makedonischen Kulturnation und Amtssprache in der Volksrepublik Makedonien sein.
Der 02. August wurde als Nationalfeiertag festgelegt. Dieser Tag verkörpert symbolisch die Kontinuität des Freiheitskampfes der makedonischen Bevölkerung gegen alle Besatzer Makedoniens und ist auch heute noch ein wichtiger Feiertag. Außerdem wurde die Errichtung einer makedonischen Volksmiliz beschlossen, die am jugoslawischen Volksbefreiungskampf teilnehmen sollte.
Der kommunistisch-jugoslawische Volksbefreiungskampf im jugoslawischen Teil von Makedonien begann offiziell am 11.10.1941. In der zweiten Hälfte des Jahres 1944 nahm dieser Volksbefreiungskampf an Fahrt auf und war erfolgreich. Bereits am 11.10.1944 verzichtete die Besatzungsmacht Bulgarien, welche den jugoslawischen Teil von Makedonien im Zweiten Weltkrieg von 1941 bis 1944 überwiegend besetzte, auf das jugoslawisch-makedonische Territorium.
Staatsrechtlich kann die Eröffnung der ersten Sitzung des ASNOM am 02.08.1944 als Gründungsakt für den noch heute existierenden makedonischen Staat angesehen werden. Seit der Antike hat es kein makedonisches Staatswesen mehr gegeben. Das spätere Reich von Samuel (972 bis 1014) hatte zwar seinen Schwerpunkt in Makedonien und einen besonderen Charakter, jedoch kann in diesem Fall nicht ordinär von einem makedonischen Staatswesen gesprochen werden. Allerdings bildet das Reich von Samuel aufgrund seines besonderen Charakters sowohl für Bulgarien als auch für Makedonien eine wichtige historische Basis.
Der Gründungsakt für den makedonischen Staat am 02.08.1944 erwies sich als nachhaltig. Am 18.09.1991 erklärte sich dieser unter der Bezeichnung „Republik Makedonien“ von der sich bereits im Zerfall befindenden jugoslawischen Föderation für unabhängig und ist seitdem als Völkerrechtssubjekt Teil der Völkergemeinschaft. Seit dem 12.02.2019 heißt die Republik Makedonien völker- und staatsrechtlich „Republik Nord-Makedonien“.
Die Konstituierung des makedonischen Staates
Der am 02.08.1944 gegründete makedonische Staat wurde am 30.04.1945 als „Volksrepublik Makedonien“ innerhalb der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ proklamiert. Im Mai 1945 trat unter dem Vorsitz von Lazar Koliševski, der auch Vorsitzender der makedonischen KP war, die erste makedonische Regierung ihr Amt an. Am 05.05.1945 erfolgte zunächst die Bekanntgabe des makedonischen Alphabets unter Verwendung der kyrillischen Schrift. Die Vorstellung der ersten makedonischen Rechtschreibregeln folgte dann am 07.06.1945. Vor den weiteren staatsbildenden Schritten in der Volksrepublik Makedonien erfolgte am 29.11.1945 zunächst die Proklamation der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ durch die am 11.11.1945 gewählte jugoslawische Nationalversammlung. Auf Basis der Beschlüsse der zweiten Sitzung des AVNOJ wurde die erste Verfassung der jugoslawischen Föderation ausgearbeitet, welche am 31.01.1946 in Kraft trat. Aufbauend auf die jugoslawische Verfassung vom 31.01.1946 und den Beschlüssen der ersten Sitzung der ASNOM vom 02.08.1944 wurde dann die erste Verfassung für die Volksrepublik Makedonien ausgearbeitet, welche am 31.12.1946 in Kraft trat.
Ziel der ersten makedonischen Verfassung war es nach der Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation diese makedonische Nation und deren Sprache sowie die staatlichen Symbole des makedonischen Staates staatsrechtlich bzw. verfassungsrechtlich zu verankern.
Die ersten zwei Artikel der Verfassung der Volksrepublik Makedonien vom 31.12.1946 hatten folgenden Wortlaut:
„Die Volksrepublik Makedonien ist ein Staat des Volkes mit der Republik als Staatsform“ (Artikel 1) und „Nachdem in einem gemeinsamen Kampf zusammen mit allen Völkern Jugoslawiens die Befreiung und der Nationalstaat errungen worden waren, vereinte sich das Volk von Makedonien im Hinblick auf das Recht aller Nationen auf Selbstbestimmung inklusive des Rechts zur Sezession und zur Vereinigung mit einer anderen Nation, auf Grundlage der Gleichberechtigung mit den anderen Völkern Jugoslawiens und deren Volksrepubliken: der Volksrepublik Serbien, der Volksrepublik Montenegro, der Volksrepublik Bosnien und Herzegowina, der Volksrepublik Kroatien und der Volksrepublik Slowenien, zu einem gemeinsamen Staat – der Föderalen Volksrepublik Jugoslawien“ (Artikel 2).
In der ersten makedonischen Verfassung wurde lediglich auf die makedonische Nation als Staatsvolk verwiesen, einen Hinweis auf die anderen innerhalb der Volksrepublik Makedonien lebenden Nationalitäten gab es nicht. Die erste makedonische Verfassung kann als Ausdruck der staatsrechtlichen Lösung der makedonischen Frage innerhalb der jugoslawischen Föderation angesehen werden, bei der es primär um die staatsrechtliche Anerkennung und Etablierung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation ging.
Die Entwicklung des makedonischen Staates in der jugoslawischen Föderation
Mit der Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Ethnie bzw. Nation und der Staatsgründung begann die Entwicklung des makedonischen Staates. Zum einen konnten sich die ethnischen bzw. slawischen Makedonier nun frei und nachhaltig zu einer modernen Kulturnation entwickeln. Zum anderen entwickelte sich auch der makedonische Staat weiter.
Innerhalb der jugoslawischen Föderation werden drei Verfassungsperioden unterschieden. Jeder makedonischen Verfassungsperiode ging eine entsprechende Revision der jugoslawischen Verfassung voraus. So erhielten die jugoslawische Föderation und der makedonischen Staat in den Jahren 1946, 1963 und 1974 jeweils neue Verfassungen. Die jugoslawische Verfassung von 1946 wurde im Jahr 1953 durch ein Verfassungsgesetz grundlegend reformiert, was auch eine entsprechende Reform der makedonischen Verfassung zur Folge hatte. Nachfolgend soll die Entwicklung des makedonischen Staates innerhalb der jugoslawischen Föderation anhand der jeweiligen Verfassungsperioden dargestellt werden.
Die erste Verfassungsperiode von 1946 bis 1963 war durch dynamische Veränderungen der Verfassungsinstitutionen geprägt. Nachdem im Jahr 1950 mit dem Grundgesetz über die Arbeiterselbstverwaltung die wirtschaftliche Ordnung konkretisiert und gefestigt wurde, erfolgte im Jahre 1953 die Verabschiedung eines Verfassungsgesetzes. In diesem wurde die durch die Verfassung von 1946 vorgesehene politische Ordnung und Funktion der Organe der Staatsgewalt innerhalb der Volksrepublik Makedonien konkretisiert. Dieser Zeitabschnitt, in der der Einfluss der kommunistischen Partei und des Staates auf die wirtschaftliche Entwicklung am größten war, wird auch als „administrativer Sozialismus“ bezeichnet. Andere gängige Bezeichnungen waren auch „Staat der Avantgarde“ oder „Volksdemokratie“. Entsprechend wurde der makedonische Staat als „Volksrepublik Makedonien“ bezeichnet.
Die zweite Verfassungsperiode von 1963 bis 1974 begann mit dem Inkrafttreten der am 12.04.1963 beschlossenen, zweiten makedonischen Verfassung am 07.07.1963. Gemäß dieser Verfassung wurde der makedonische Staat nicht mehr als „Volksrepublik Makedonien“ sondern als „Sozialistische Republik Makedonien“ bezeichnet. Analog wurde bereits im Vorfeld durch die zweite Verfassung der jugoslawischen Föderation vom 07.03.1963 die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ in „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) umbenannt. Die zweite Verfassungsperiode war gekennzeichnet durch den Beginn der Selbstverwaltung der Betriebe und den Machtverlust der bisherigen Elite in Staat und Gesellschaft. Der sogenannte „Selbstverwaltungssozialismus“ sollte als dritter Weg zwischen den Marktwirtschaften westlicher Prägung und den sozialistischen Gesellschaftssystemen der Ostblockstaaten etabliert werden. In diesem System sollten sich die Betriebe und die mit ihnen verbundene Arbeiterschaft nicht nur formell sondern auch tatsächlich selbst verwalten können.
Die dritte Verfassungsperiode von 1974 bis 1991 war die letzte im Rahmen der jugoslawischen Föderation. Mit der jugoslawischen Verfassungsrevision vom 21.02.1974 erhielt der makedonische Staat eine sehr weitgehende Autonomie im Rahmen der jugoslawischen Föderation. Von der jugoslawischen Föderation wurden deutlich mehr Kompetenzen auf die Republiken übertragen, so dass an mancher Stelle der Eindruck entstehen konnte, dass die Föderation mehr einer Konföderation gleiche. So erhielt die Sozialistische Republik Makedonien unter anderem auch Kompetenzen in der Außen- und Verteidigungspolitik. Die jugoslawische Verfassung definierte die Föderation als staatliche Gemeinschaft ihrer Sozialistischen Republiken und Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaften (Kosovo und Vojvodina) im Verband der Sozialistischen Republik Serbien und weiterhin als Bundesstaat. Staatsrechtlich kann daher von einem kooperativen Föderalismus und weniger von einer Konföderation gesprochen werden.
Aufgrund der jugoslawischen Verfassungsrevision war allerdings auch eine entsprechende makedonische Verfassungsrevision notwendig, welche die dritte Verfassungsperiode in der Geschichte des makedonischen Staates einleitete. Die Verfassung der Sozialistischen Republik Makedonien vom 25.02.1974 definierte den makedonischen Staat als staatliche und gesellschaftspolitische Einheit innerhalb der jugoslawischen Föderation und hob das makedonische Volk ausdrücklich als staatsbildende Nation hervor. Die albanische und die türkische Minderheit wurden namentlich als integraler Bestandteil dieser Nation genannt. Die makedonische Verfassung von 1974 enthielt über ihren formal-juristischen Charakter hinaus auch politische und wirtschaftliche Absichtserklärungen, die den veränderten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung tragen sollten. So enthielt die Verfassung auch individuelle Grundrechte, die allerdings nur im Rahmen des sozialistischen Systems verwirklicht werden konnten.
Nach der jugoslawischen bzw. der makedonischen Verfassungsrevision von 1974 und dem jugoslawischen Gesetz über die assoziierte Arbeit von 1976 waren nicht mehr die Unternehmen sondern die „Grundorganisation der assoziierten Arbeit“ die alleinigen Träger der Selbstverwaltung und ihnen fiel auch das finanzielle Ergebnis ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu. Unternehmen bzw. Betrieben war ein Zusammenschluss dieser politisch und finanziell autonomen Grundorganisationen. Die Grundorganisation der assoziierten Arbeit war ein Zusammenschluss von Arbeiterinnen und Arbeitern.
Allerdings stand die zunehmende Föderalisierung in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis zur Einparteienherrschaft in der SFRJ und der SR Makedonien. Die jugoslawischen Republiken drifteten zunächst wirtschaftlich auseinander, dann auch politisch und in nationalen Fragen. Aus einer andauernden Wirtschaftskrise in der SFRJ war eine Systemkrise geworden. Der kooperative Bundesstaat konnte die divergierenden Interessen der jugoslawischen Republiken bzw. der einzelnen jugoslawischen Völker nicht mehr kanalisieren und ausgleichen. Es erfolgte noch auf Basis der Verfassung von 1974 im Jahr 1990 der Übergang von einem sozialistischen Einparteiensystem zu einem demokratischen Mehrparteiensystem und der Übergang zur Marktwirtschaft. Darauf wird in den nachfolgenden Abschnitten ausführlich eingegangen.
Die Verfassung der unabhängigen Republik (Nord-Makedonien)
Am 18.11.1991 nahm das makedonische Parlament die neue Verfassung der Republik Makedonien mit großer Mehrheit an. Die Abgeordneten der Angehörigen der albanischen Gemeinschaft in der Republik Makedonien (kurz: albanische Makedonier) nahmen größtenteils nicht an der Abstimmung teil, da sie sich durch die neue makedonische Verfassung benachteiligt sahen und verfassungsrechtlich nicht als konstitutive Volksgruppe anerkannt wurden. In der Präambel von 1991 wurde die Republik Makedonien unter anderem als Nationalstaat des makedonischen Volkes definiert, in dem unter vollständiger bürgerlicher Gleichberechtigung ein Zusammenleben des makedonischen Volkes mit den in der Republik Makedonien lebenden Albanern, Türken, Vlachen, Roma und sonstigen Nationalitäten gewährleistet würde.
Nach dem Rahmenabkommen von Ohrid vom 13.08.2001 kam es auch verfassungsrechtlich zu einem Ausgleich zwischen den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und den albanischen Makedoniern. Am 20.11.2001 wurde die Präambel durch den vierten Zusatz zur Verfassung der Republik Makedonien geändert. Die Republik Makedonien wird demnach als Staat der Bürger definiert, wobei die Bürger der Republik Makedonien aus dem makedonischen Volk und dem Volk der Albaner, Türken, Vlachen, Serben, Roma, Bosnier und anderer Völker bestehen. Nach einer weiteren Änderung der Präambel vom 11.01.2019 werden die Ethnien der Republik Nord-Makedonien jetzt als Völker aufgeführt, ohne eine besondere sprachliche Hervorhebung des makedonischen Volkes. Damit soll der multiethnische Charakter der Republik Nord-Makedonien betont werden.
In Artikel 1 der Verfassung wird die Republik Makedonien bzw. die Republik Nord-Makedonien als souveräner, unabhängiger, demokratischer und sozialer Staat definiert.
Nach den Worten des damaligen Präsidenten der Republik Makedonien Kiro Gligorov sei das Land mit der neuen Verfassung „internationales Subjekt“ geworden, es strebe die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen (UN) und der Europäischen Gemeinschaft (EG) an, sei aber weiterhin zu einer „Assoziierung“ mit den anderen „souveränen Republiken“ Jugoslawiens bereit. Gligorov betonte in seiner Festrede vom 20.11.1991, Makedonien sei der „Staat aller Bürger“ und definiere sich mit der neuen Verfassung nicht vorrangig als Nationalstaat. Trotz dieser Aussage blieben die Vertreter der albanischen Makedonier auch der Festsitzung des makedonischen Parlaments fern. In einem Interview anlässlich der Verfassungsproklamation erklärte Gligorov, Makedonien befände sich in der gleichen staatsrechtlichen Situation wie die Republiken Slowenien und Kroatien und wünsche ebenso wie diese die internationale Anerkennung. Die noch heute gültige Verfassung der Republik Makedonien besteht aus insgesamt 134 Artikeln, die bisher in acht Novellen durch 36 Verfassungszusätze (Stand 28.02.2022) geändert oder ergänzt worden sind. Aufgrund der bisher letzten Verfassungsänderung vom 11.01.2019 heißt die Republik Makedonien seit dem 12.02.2019 „Republik Nord-Makedonien“.
Die Vorgeschichte zur Verfassung der Republik Nord-Makedonien von 1991
Die Verfassung der Republik Makedonien vom 20.11.1991 war die verfassungsrechtliche Konsequenz aus dem Zerfall der jugoslawischen Föderation, dem Scheitern aller Versuche zur Reform oder Neuorganisation dieser jugoslawischen Föderation als Verbund von souveränen Staaten und der daraus folgenden Unabhängigkeitserklärung der Republik Makedonien am 18.09.1991.
Nach Auffassung der Sozialistischen Republik Makedonien sollte der jugoslawische Bundesstaat in einen Bund souveräner jugoslawischer Staaten umgewandelt werden. Das erste frei gewählte makedonische Parlament verabschiedete am 25.01.1991 per Akklamation eine Souveränitätserklärung, in der das „Recht auf Selbstbestimmung einschließlich des Rechtes auf Sezession“ von der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) betont wurde. Ebenfalls durch Parlamentsbeschluss wurde die „Sozialistische Republik Makedonien“ am 15.04.1991 in „Republik Makedonien“ umbenannt. Daraufhin erklärte Griechenland im Mai 1991, dass es eine internationale Anerkennung der Republik Makedonien unter diesem Namen verhindern wolle. Damit war der sogenannte Namensstreit geboren, der an sich ein griechisch-makedonischer Kulturstreit um die Bedeutung und Verwendung der Bezeichnung „Makedonien“ und der damit assoziierten Bezeichnungen für die makedonische Kulturnation und Sprache ist.
Nach dem endgültigen Scheitern der jugoslawischen Föderation hatte die Republik Makedonien die Wahl mit den Republiken Serbien und Montenegro eine neue Föderation („Bundesrepublik Jugoslawien“) zu bilden oder die Unabhängigkeit anzustreben. Aufgrund der damaligen aggressiven und nationalistischen serbischen Politik entschied sich die Republik Makedonien für letzteren Weg und ließ darüber am 08.09.1991 ein Referendum abhalten. In diesem Referendum sprachen sich bei einer Abstimmungsbeteiligung von 75 % über 90 % der abstimmenden Bürgerinnen und Bürger für die Unabhängigkeit und Souveränität der Republik Makedonien aus, wobei diese das Recht haben sollte, einem neu zu formierenden und später nie gegründeten jugoslawischen Staatsgefüge aus souveränen Staaten beizutreten. Am 18.09.1991 erklärte das makedonische Parlament formell die Unabhängigkeit der Republik Makedonien von der SFRJ.
Bereits im Frühjahr 1991 wurde die Ausarbeitung einer neuen Verfassung beschlossen. Diese konnte jedoch erst nach der Bekanntmachung des Ergebnisses des Unabhängigkeitsreferendums vom 08.09.1991 beginnen. Der Entwurf der Verfassung von 1991 wurde unter Mitwirkung des deutschen Verfassungsjuristen Roman Herzog (ehemaliger Präsident des deutschen Bundesverfassungsgerichtes und ehemaliger deutscher Bundespräsident) und des ehemaligen französischen Justizministers Georges Badinter erstellt. Dafür erhielten beide im Jahr 2009 die höchste Auszeichnung der Republik Makedonien („Achter September“).
Die Inhalte des Verfassungsentwurfs waren sowohl zwischen den politischen Parteien (liberal, sozialistisch, konservativ) als auch zwischen den ethnischen Parteien (ethnisch- bzw. slawisch-makedonisch und albanisch-makedonisch) umstritten. Im letzteren Fall ging es um den verfassungsrechtlichen Status der albanischen Makedonier und deren Rechte innerhalb der Republik Makedonien. Dieser Konflikt wurde im Wesentlichen erst zehn Jahre später durch das Rahmenabkommen von Ohrid (13.08.2001) beigelegt, obgleich es heute noch offene Fragen und daraus resultierende Spannungen gibt. Auch im Außenverhältnis zu den unmittelbaren Nachbarstaaten Bulgarien, Griechenland und Serbien (Bundesrepublik Jugoslawien) war der Verfassungsgebungsprozess mit Schwierigkeiten verbunden.
Nach Abschluss der Arbeiten wurde der Entwurf der Verfassung am 18.11.1991 vom makedonischen Parlament mit der erforderlichen Mehrheit gebilligt. Während einer Festsitzung des Parlaments proklamierte am 20.11.1991 die Republik Makedonien feierlich die neue Verfassung für den souveränen unabhängigen, demokratischen und sozialen Staat „Republik Makedonien“. Aufgrund einer entsprechenden Änderung der Verfassung vom 11.01.2019 heißt die Republik Makedonien seit dem 12.02.2019 verfassungsrechtlich „Republik Nord-Makedonien“.
Der Aufbau der Verfassung der Republik Nord-Makedonien von 1991
Diese vierte makedonische Verfassung ist wesentlich schlanker als die drei ersten Verfassungen aus den Jahren 1946, 1963 und 1974. Sie besteht neben ihrer Präambel aus neun Abschnitten bzw. Kapiteln mit 134 Artikeln, die bisher in acht Novellen durch 36 Verfassungszusätze geändert oder ergänzt worden sind.
Die Präambel nennt die Verantwortung der Bürger der Republik Nord-Makedonien für die Gegenwart und Zukunft ihres Vaterlandes und erwähnt die Opfer dieser Bürger für den Kampf zur Verwirklichung eines unabhängigen und souveränen Staates. Als Bürger der Republik Nord-Makedonien werden das makedonische Volk aufgeführt, sowie die in den Grenzen der Republik lebenden Völker der Albaner, Türken, Vlachen, Serben, Roma, Bosnier und anderer Nationalitäten. Alle Völker, die in diesen Grenzen leben, sind gemäß der Präambel gleich in ihren Rechten und Pflichten. Die Präambel knüpft wörtlich an die Tradition der „Republik von Kruševo“ (die beim Ilinden-Aufstand gegen die Osmanische Oberhoheit zwischen dem 02.08. und 12.08.1903 bestand), den Erklärungen der „Antifaschistischen Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens“ („ASNOM“, erste Tagung und formale makedonische Staatsgründung am 02.08.1944), dem Ergebnis des Unabhängigkeitsreferendums vom 08.09.1991 und an das Rahmenabkommens von Ohrid vom 13.08.2001 an. Am Schluss der Präambel werden als Ziele der Republik Nord-Makedonien genannt: Die Herrschaft des Rechts herzustellen, Menschen und Bürgerrechte zu garantieren, Frieden und Koexistenz, soziale Gerechtigkeit, ökonomischer Wohlstand und Fortschritt im persönliche und gemeinsamen Leben sicherzustellen.
Im ersten Abschnitt, in den Artikeln 1 bis 8, werden die allgemeinen Staatsgrundsätze verfassungsrechtlich festgelegt. Gemäß Artikel 1 ist die Republik Nord-Makedonien ein souveräner, unabhängiger, demokratischer und sozialer Staat. Die Souveränität ist demnach unteilbar, unveräußerlich und nicht übertragbar. Artikel 2 legt fest, dass die Souveränität vom Volk ausgeht und durch dieses Volk ausgeübt wird. Konkret werden Wahlen und Abstimmungen als Form dieser Ausübung genannt. Artikel 3 normiert, dass das Territorium der Republik Nord-Makedonien unteilbar und unveräußerlich ist. Die Grenzen können nur auf Basis der Verfassung und unter Beachtung des Völkerrechts (1. Verfassungszusatz) geändert werden. Artikel 4 regelt die Grundsätze für die Staatsbürgerschaft der Republik Nord-Makedonien fest, wobei Näheres durch Gesetz zu regeln ist. Artikel 5 legt die Grundsätze für die Symbole und die Flagge der Republik Nord-Makedonien fest, wobei Näheres auch hier durch Gesetz zu regeln ist. Die Hauptstadt der Republik Nord-Makedonien ist gemäß Artikel 6 Skopje. Artikel 7 enthält Festlegungen über die Grundsätze der makedonischen Sprache und Artikel 8 über die allgemeinen Rechtsgrundsätze.
Der zweite Abschnitt legt die allgemeinen Rechte für die Menschen und für die Bürger der Republik Nord-Makedonien fest. Dieser zweite Abschnitt gliedert sich in vier Unterabschnitte, der erste Unterabschnitt betrifft die bürgerlichen und die politischen Freiheiten und Rechte (Artikel 9 bis 29), der zweite Unterabschnitt die wirtschaftliche, sozialen und kulturellen Rechte (Artikel 30 bis 49), der dritte Unterabschnitt schreibt die verfassungsrechtliche Garantie der Grundsätze für Freiheiten und Rechte (Artikel 50 bis 54) und der vierte Unterabschnitt die finanziellen und wirtschaftlichen Grundsätze für die Republik Nord-Makedonien (Artikel 55 bis 60) fest.
Der dritte Abschnitt regelt die Staatsorganisation innerhalb der Republik Nord-Makedonien. Der erste Unterabschnitt regelt die Legislative der Republik Nord-Makedonien und beinhaltet alle verfassungsrechtlichen Regelungen zum Parlament der Republik Nord-Makedonien (Artikel 61 bis 78). Der zweite und der dritte Unterabschnitt regelt die Exekutive der Republik Nord-Makedonien, trifft verfassungsrechtliche Regelungen zum Präsidenten (Artikel 79 bis 87) und zur Regierung der Republik Nord-Makedonien (Artikel 88 bis 97). Der vierte Unterabschnitt regelt die Judikative der Republik Nord-Makedonien, also legt die Justizgrundsätze des Staates (Artikel 98 bis 105) fest. Im fünften und letzten Unterabschnitt befinden sich die Regelungen zur Staatsanwaltschaft (Artikel 106 bis 107).
Der vierte Abschnitt regelt in den Artikeln 108 bis 113 die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Republik Nord-Makedonien und legt die Grundsätze für das Verfassungsgericht fest.
Im fünften Abschnitt der Verfassung der Republik Nord-Makedonien ist in den Artikeln 114 bis 117 die örtliche Selbstverwaltung garantiert und geregelt.
Der sechste Abschnitt regelt in den Artikeln 118 bis 121 die auswärtigen Beziehungen der Republik Nord-Makedonien zu anderen Staaten.
Im siebten Abschnitt ist in den Artikeln 122 bis 128 die Verteidigung der Republik Nord-Makedonien geregelt.
Der achte Abschnitt trifft in den Artikeln 129 bis 131 Regelungen für eine Änderung der Verfassung der Republik Nord-Makedonien. Änderung der Verfassung der Republik Nord-Makedonien werden nicht in den Verfassungstext eingefügt, sondern werden im Anschluss an den Verfassungstext als Verfassungszusätze aufgeführt.
Der neunte und letzte Abschnitt trifft in den Artikeln 132 bis 134 allgemeine abschließende Regelungen, wie Überleitungsregelungen und zum Inkrafttreten der Verfassung.
Die Verfassung der Republik Nord-Makedonien wird durch Verfassungszusätze ergänzt oder geändert. Im Gegensatz zum deutschen Grundgesetz, wo bei einer Verfassungsänderung die Verfassungsurkunde im Wortlaut selbst geändert oder ergänzt wird, wird im Falle der Verfassung der Republik Nord-Makedonien der Wortlaut der Verfassungsurkunde nicht geändert. Wie im Falle der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika werden Änderungen oder Ergänzungen separat in Form von Verfassungszusätzen aufgeführt, die die Verfassungsurkunde entsprechend ändern oder ergänzen.
Eine Verfassungsänderung erfolgt in mehreren Schritten: Zunächst wird über den Antrag auf Änderung der Verfassung entschieden. Hierfür ist eine Zweidrittelmehrheit unter allen Abgeordneten notwendig. Nach der Annahme des Antrags muss das Parlament den Entwurf zur Verfassungsänderung mit Mehrheit unter allen Abgeordneten bestätigen und diesen dann zur öffentlichen Diskussion stellen. Die eigentliche Entscheidung über die Änderung der makedonischen Verfassung trifft das Parlament dann mit Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten. Für bestimmte Bereiche der Verfassung, welche die Rechte der ethnischen Gemeinschaften betreffen, ist zusätzlich noch eine Mehrheit unter allen Abgeordneten erforderlich, welche die ethnischen Gemeinschaften repräsentieren, die nicht der Bevölkerungsmehrheit angehören. Dies betrifft unter anderem auch die Präambel der Verfassung und die Bestimmungen zur lokalen Selbstverwaltung.
Die Verfassung der Republik Nord-Makedonien ist bisher in acht Novellen durch 36 Verfassungszusätze geändert oder ergänzt worden. Die erste Änderung fand am 06.01.1992 statt, die letzte am 11.01.2019. Nachfolgend werden die Verfassungsnovellierungen und Verfassungszusätze dargestellt.
Im Rahmen der ersten Verfassungsnovellierung vom 06.01.1992 wurden zwei Verfassungszusätze (I und II) aufgrund des sogenannten Namensstreits mit der Hellenischen Republik (Griechenland) eingefügt. Der erste Verfassungszusatz trifft Regelungen zur völkerrechtlichen Änderung der Grenzen der Republik Nord-Makedonien und der zweite Verfassungszusatz legt fest, dass sich die Republik Nord-Makedonien nicht in die souveränen Rechte von anderen Staaten einmischt. Die Republik Nord-Makedonien stellt in ihren ersten zwei Verfassungszusätzen klar, dass sie keine territorialen Ansprüche gegenüber ihren Nachbarstaaten hat und bestehende Grenzen nicht in Frage stellt. Aufgrund der Präambel werden der Republik Nord-Makedonien von Griechenland solche Ansprüche völlig unberechtigt unterstellt. In der Tradition der „Republik von Kruševo“ sollte ursprünglich das gesamte Makedonien im geografischen Sinne vom Osmanischen Reich befreit und unabhängig werden. Zu dieser Zeit war das ganze Makedonien im geografischen Sinne völkerrechtlich noch Teil des Osmanischen Reiches und nicht zwischen den Staaten Bulgarien, Griechenland und Serbien bzw. Jugoslawien aufgeteilt. Die ersten beiden Verfassungszusätze stellen klar, dass verfassungsrechtlich nicht das Ziel verfolgt wird oder politisch verfolgt werden darf, die bestehenden völkerrechtlichen Grenzen in Frage zu stellen.
Die zweite Novellierung durch den Verfassungszusatz III vom 02.07.1998 änderte Artikel 12 der Verfassung der Republik Nord-Makedonien, in dem die zulässige Höchstdauer der Untersuchungshaft von 90 Tagen auf 180 Tagen angehoben wurde.
Die dritte und umfangreichste Novellierung der Verfassung der Republik Nord-Makedonien vom 20.11.2001 erfolgte aufgrund des Rahmenabkommens von Ohrid vom 13.08.2001, indem die Inhalte des Rahmenabkommens durch die Verfassungszusätze IV bis XVIII auch verfassungsrechtlich verbindlich umgesetzt wurden. Durch diese Verfassungsänderung wurden die Rechte der Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften, welche nicht der Bevölkerungsmehrheit angehören, ausgebaut und gestärkt. Ziel dieser Verfassungsnovellierung war unter anderem auch die Ausweitung und die Stärkung der Rechte der albanischen Makedonier.
Die vierte Novellierung der Verfassung der Republik Nord-Makedonien vom 30.12.2003 änderte mit dem Verfassungszusatz XIX das in Artikel 17 der Verfassung geregelte Brief- und Postgeheimnis, in dem die Voraussetzungen für eine mögliche Einschränkung dieses Grundrechtes verschärft wurden.
In der fünften Novellierung der Verfassung der Republik Nord-Makedonien vom 09.12.2005 mit den Verfassungszusätzen XX – XXX wurde eine weitere verfassungsrechtliche Implementierung des Rahmenabkommens von Ohrid vorgenommen. Bei dieser Verfassungsänderung ging es insbesondere um einige institutionelle Bestimmungen.
Mit der sechsten Novellierung der makedonischen Verfassung vom 09.01.2009 durch den Verfassungszusatz XXXI wurde Artikel 81 Absatz 5 der makedonischen Verfassung geändert, demnach reicht für die Gültigkeit der Präsidentenwahl nunmehr eine Beteiligung von mindestens 40 % der Wählerschaft aus. Vor der Änderung war eine Wahlbeteiligung von mehr als die Hälfte der Wählerschaft für eine gültige Präsidentenwahl notwendig.
Die siebte Novellierung der makedonischen Verfassung erfolgte am 12.04.2011 durch den Verfassungszusatz XXXII. Dieser änderte Artikel 4 Absatz 2 der makedonischen Verfassung, wonach kein Bürger der Republik Nord-Makedonien an einen anderen Staat ausgeliefert werden darf. Nach dieser Änderung ist eine Auslieferung möglich, wenn ein entsprechendes Abkommen mit diesem Staat besteht und ein entsprechender Gerichtsbeschluss vorliegt.
Mit der achten und bisher letzten Novellierung der makedonischen Verfassung vom 11.01.2019 mit den Verfassungszusätzen XXXIII bis XXXVI wurde das Prespa-Abkommen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien vom 17.06.2018 verfassungsrechtlich implementiert. In der makedonischen Verfassung wurde der bisherige Staatsname „Republik Makedonien“ vollständig durch die die Bezeichnung „Republik Nord-Makedonien” ersetzt. Des Weiteren wurde die Bezeichnung „Makedonien“ durch „Nord-Makedonien“ ersetzt, außer in Artikel 36 der Verfassung.
In der Präambel der Verfassung der Republik Nord-Makedonien wurden die Worte gestrichen: „wie die Bürger die innerhalb ihrer Grenzen leben“, „die Beschlüsse des ASNOM“ werden durch die Worte ersetzt: „die in der Proklamation von der ersten Sitzung der ASNOM an das mazedonische Volk für die Sitzung der ASNOM aufgeführten Rechtsentscheidungen“, nach den Worten: „die den Willen zur Schaffung eines unabhängigen souveränen Staates und das Rahmenabkommen von Ohrid zum Ausdruck brachten“, die Worte „haben entschieden“ werden gestrichen.
Die Rechtsentscheidungen des ASNOM beziehen sich ausschließlich auf die Gründung und Organisation des makedonischen Staates und nicht auf die Einbeziehungen von weiteren Teilen der geografischen Region Makedonien in den makedonischen Staat, wie ggf. aus den Beschlüssen des ASNOM abgeleitet werden könnte. Damit und durch die Änderungen der Artikel 3 und 49 sollen griechische Befürchtungen nach möglichen territorialen Ansprüchen auf den griechischen Teil von Makedonien durch die Republik Nord-Makedonien entkräftet werden. Der Verweis auf das Rahmenabkommen von Ohrid wurde eingefügt, um dessen Bedeutung für die Entwicklung der inner-ethnischen Beziehungen verfassungsrechtlich zu würdigen. Durch dieses Abkommen wurden die inner-ethnischen Beziehungen weiter entwickelt und die Rechte der ethnischen Gemeinschaften. Des Weiteren werden die Ethnien der Republik Nord-Makedonien jetzt als Völker aufgeführt, ohne eine besondere sprachliche Hervorhebung des makedonischen Volkes. Damit soll der multiethnische Charakter der Republik Nord-Makedonien betont werden.
Artikel 3 der makedonischen Verfassung (Territorium) wurde durch folgende Regelung ergänzt: „Die Republik respektiert die Souveränität, territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit der Nachbarstaaten.“
Artikel 49 der makedonischen Verfassung (Angehörige der makedonischen Nation im Ausland) wurde neu formuliert:
- Die Republik schützt, garantiert und pflegt das historische und kulturelle Erbe der makedonischen Bevölkerung.
- Die Republik schützt die Rechte und Interessen ihrer Bürger, die im Ausland leben oder sich dort aufhalten, und fördert ihre Bindung zum Mutterland.
- Die Republik kümmert sich um die im Ausland lebenden Makedonier.
- Die Republik wird sich nicht in die souveränen Rechte anderer Staaten und in deren inneren Angelegenheiten einmischen.
Die Änderung der Verfassung durch Verfassungszusätze erfolgen, die nicht in den Text der Verfassungsurkunde selbst eingefügt werden, macht diese besonders für Nichtverfassungsrechtler unübersichtlicher. Doch für eine systematische Auslegung der Verfassung ist diese Verfahrensweise wiederum wesentlich besser, worin auch der Grund für das Arbeiten mit Verfassungszusätzen gesehen werden kann.
Die verfassungsrechtliche Staatsorganisation der Republik Nord-Makedonien
Die Republik Nord-Makedonien ist eine parlamentarische und rechtsstaatliche Demokratie mit Gewaltenteilung.
Die Legislative wird vom Parlament ausgeübt, dessen grundsätzlich 120 Mitglieder (Abgeordneten) in freier, gleicher und geheimer Wahl auf vier Jahre gewählt werden. Die Wahl dieser Abgeordneten erfolgt nach einem gemischten Mehrheits- und Verhältniswahlrecht.
Das Parlament ist beschlussfähig, wenn mindestens die Mehrheit aller Abgeordneten anwesend ist. Das Parlament fasst Beschlüsse grundsätzlich mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Abgeordneten, wobei mindestens ein Drittel aller Abgeordneten des Parlaments zustimmen müssen. Des Weiteren sieht die Verfassung in bestimmten Fällen auch qualifizierte Mehrheiten vor, etwa die Zustimmung der Mehrheit aller Abgeordneten (z.B. Wahl der Regierung) oder von Zweidritteln aller Abgeordneten (z.B. Verfassungsänderungen).
Für bestimmte Bereiche der Gesetzgebung, welche die Rechte der ethnischen Gemeinschaften betreffen, ist zusätzlich noch eine Mehrheit unter allen Abgeordneten erforderlich, welche die ethnischen Gemeinschaften repräsentieren, die nicht der Bevölkerungsmehrheit angehören.
Die Exekutive wird vom Staatspräsidenten und von der Regierung ausgeübt. Die Staatspräsidentin bzw. der Staatspräsident wird auf fünf Jahre in unmittelbarer Wahl durch das Volk bestimmt. Eine Wiederwahl für eine weitere Amtszeit ist nur einmal zulässig. Der Staatspräsident ist Oberbefehlshaber der makedonischen Streitkräfte und Vorsitzender des Sicherheitsrates. Er hat im Gesetzgebungsverfahren ein Einspruchsrecht, ist jedoch zur Unterzeichnung eines Gesetzes verpflichtet, wenn dieses Gesetz nach erneuter Beratung mit der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Parlaments erneut beschlossen wird.
Die Regierung besteht aus der bzw. dem Vorsitzenden sowie aus den Ministerinnen und Ministern. Nach der Konstituierung eines neugewählten Parlaments beauftragt der Staatspräsident innerhalb von zehn Tagen eine Person mit der Regierungsbildung. Diese hat dann innerhalb von zwanzig Tagen ein Regierungskabinett mit einem Regierungsprogramm aufzustellen, welches dann vom Parlament mit der Mehrheit der Stimmen aller Abgeordneten gewählt werden muss. Die Mitglieder der Regierung dürfen nicht zugleich auch Mitglieder des Parlaments sein und auch keine anderen öffentlichen Funktionen ausüben. Die Regierung ist dem Parlament gegenüber verantwortlich. Spricht das Parlament der Regierung das Misstrauen aus, so muss diese zurücktreten. Bis zu Wahl einer neuen Regierung bleibt die bisherige Regierung im Amt.
Im politischen Alltag wird die Exekutive hauptsächlich von der Regierung ausgeübt. Der Staatspräsident hat, abgesehen von bestimmten Einzelkompetenzen, hauptsächlich repräsentative Aufgaben.
Die Judikative wird durch das Verfassungsgericht und den weiteren Gerichten der Republik Nord-Makedonien ausgeübt. Die Richterinnen und Richter sind gemäß der Verfassung unabhängig und nur den gesetzlichen Bestimmungen unterworfen.
Das Verfassungsgericht besteht aus neun Richterinnen und Richtern, welche vom Parlament mit der Mehrheit alle Abgeordneten für eine Amtszeit von neun Jahren gewählt werden. Von diesen benötigen drei Richter zusätzlich auch eine Mehrheit unter den Abgeordneten, welche ethnische Gemeinschaften repräsentieren, die nicht der Bevölkerungsmehrheit angehören. Eine anschließende oder spätere Wiederwahl der Richter des Verfassungsgerichtes für eine weitere Amtszeit ist nicht zulässig. Das Verfassungsgericht regelt seine Organisation auf Basis einer von ihm zu beschließenden Geschäftsordnung im Rahmen der Verfassung selbst. Der Vorsitz des Verfassungsgerichts wird für drei Jahre aus der Mitte seiner Richterschaft von diesen selbst gewählt. Eine direkte Wiederwahl ist nicht zulässig.
Das Gerichtswesen in der Republik Nord-Makedonien ist dreistufig aufgebaut. Gerichte der ersten Instanz sind die Amtsgerichte, wobei diese zum Teil untereinander eine hierarchische Stellung und daraus resultierende Zuständigkeiten haben. So sind zum Beispiel für schwere Straftaten und komplizierte Wirtschaftsverfahren nur bestimmte Amtsgerichte zuständig. Zu diesem Zweck werden bestimmte Amtsgerichtsbezirke zusammengefasst und einem Amtsgericht dann entsprechende Kompetenzen zugewiesen. Als Gerichte der zweiten Instanz fungieren drei Appellationsgerichte, die jeweils regional für bestimmte Gerichtsbezirke zuständig sind. Die Appellationsgerichte sind unter anderem für Berufungen gegen Urteile der Amtsgerichte und für Streitigkeiten unter den Amtsgerichten in ihrem Bezirk zuständig.
Der Oberste Gerichtshof der Republik Nord-Makedonien bildet die dritte Instanz und ist ausschließlich für die Revision zuständig. Des Weiteren ist der Oberste Gerichtshof auch die zweite und letzte Instanz im Verwaltungsrechtsweg und entscheidet bei Streitigkeiten zwischen Amtsgerichten aus unterschiedlichen Appellationsgerichtsbezirken. Die Verwaltungsgerichte sind 1991 aus den Gerichten der Selbstverwaltung der Arbeiterschaft hervorgegangen.
Lokale Selbstverwaltung: Die Republik Nord-Makedonien untergliedert sich in Kommunen (Gemeinden und Städte), die zum Teil über umfangreiche Selbstverwaltungsrechte verfügen. Bei der Gestaltung der lokalen Selbstverwaltung sind alle ethnischen Gemeinschaften ihrem Anteil gemäß angemessen zu berücksichtigen.
Nach dem Territorialverwaltungsgesetz vom 11.08.2004 und Änderungen von 2013 gliedert sich die Republik Nord-Makedonien in 80 Kommunen (makedonisch: Opštini, albanisch: komuna) und acht statistischen Regionen. Auf dem Gebiet der städtischen Agglomeration der Hauptstadt Skopje bilden zehn von diesen 80 Kommunen zusammen die Stadt Skopje, eine lokale Gebietskörperschaft mit besonderem verfassungsrechtlichem Status. Die statistischen Regionen haben keinerlei Verwaltungskompetenzen, sie dienen nur rein statistischen Zwecken. An der Spitze der Kommune steht eine direkt gewählte Bürgermeisterin bzw. ein direkt gewählter Bürgermeister. Des Weiteren besteht ein von allen Bürgerinnen und Bürgern einer Kommune gewählter Rat. Die Amtszeiten von Bürgermeisterin bzw. Bürgermeister und Rat betragen grundsätzlich fünf Jahre.
Hat eine ethnische Gemeinschaft in einer Gemeinde einen Anteil von ab 20 Prozent in der Bürgerschaft, so ist deren Sprache neben der makedonischen zusätzlich als Amtssprache zu verwenden. Eine entsprechende Regelung gilt auch für die nationale Ebene. Allerdings können Kommunen auch die Sprachen von weiteren ethnischen Gemeinschaften zulassen, welchen einen Anteil von unter 20 Prozent an der Gesamtbürgerschaft haben. Des Weiteren haben die Kommunen in solchen Fällen weitgehende Kompetenzen im finanziellen und kulturellen Bereich. Insgesamt verfügen sie als Teil der staatlichen Verwaltung über weitgehende Kompetenzen. Das Recht auf lokale Selbstverwaltung ist in der Verfassung verankert und wurde seitdem ausgebaut.
Der Text der Verfassung der Republik Nord-Makedonien
Unter folgendem Link ist der vollständige Text der „Verfassung der Republik Nord-Makedonien“ in der Fassung vom 11.01.2019 als PDF abrufbar.
Hinweis /Literatur zur Verfassungsgerichtsbarkeit und zum Verfassungsrecht in Makedonien
Dieser Artikel beruht im Wesentlichen auf dem Buch „Verfassungsgerichtsbarkeit und Verfassungsrechtsentwicklung in Makedonien“ von Goran Cobanov. Vor allem für die Abschnitte zur Verfassungsgeschichte Makedoniens wurden neben persönlichen Qellen grundlegende Informationen aus diesem Buch verwendet, das insgesamt eine sehr gute und verständliche Einführung in das makedonische Verfassungsrecht gibt. Neben der historischen und aktuellen Entwicklung des makedonischen Verfassungsrechts, wird auch die makedonische Verfassungsgerichtsbarkeit ausführlich behandelt und dargestellt. „Goran Cobanov gewährt nicht nur einen auch für Nichtjuristen verständlichen Einblick in das makedonische Verfassungsrecht und in die Arbeitsweise und Rechtsprechung des Verfassungsgerichts der Republik Makedonien, sondern setzt sich auch mit den historischen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auseinander.“ (Anmerkung des Verlages) Das Buch ist im Tectum Verlag (ISBN 978-3-8288-9962-9) erschienen und berücksichtigt alle verfassungsrechtlichen Entwicklungen bis zum Mai 2009.