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Der Friedensvertrag von Bukarest und das Schicksal Makedoniens

von Andreas Schwarz

Der Friedensvertrag von Bukarest vom 10.08.1913 besiegelte nachhaltig das Schicksal Makedoniens, in dem es endgültig zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien aufgeteilt wurde. Diese Aufteilung besteht bis heute im Wesentlichen so fort. Aus dem serbischen bzw. jugoslawischen Teil von Makedonien entstand am 02.08.1944 der makedonische Staat, der bis zum 18.09.1991 Gliedstaat in einer jugoslawischen Föderation war. Seitdem ist er als „Republik Makedonien“ ein souveräner, selbständiger, demokratischer und sozialer Staat.

Der Text des „Friedensvertrags von Bukarest vom 10.08.1913

Hintergrund

Im Ersten Balkankrieg vom 08.10.1912 bis zum 30.05.1913 führten Bulgarien, Griechenland, Montenegro und Serbien Krieg gegen das schwächelnde Osmanische Reich und beendeten nach rund 500 Jahren die osmanische Herrschaft über Makedonien. Formell beendet wurde der Erste Balkankrieg durch den Londoner Vertrag vom 30.05.1913. Die bisher zum Osmanischen Reich gehörende Region Makedonien wurde gemäß dieses Vertrages zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien aufgeteilt. Bulgarien erhielt nur einen relativ kleinen Teil von Makedonien, während Griechenland und Serbien jeweils wesentlich größere Teile erhielten. So erhielt Serbien das makedonische Binnenland mit den Städten Skopje, Ohrid, Prilep und Bitola. Griechenland erhielt mit der makedonischen Küstenregion und der zentralen Stadt Thessaloniki den größten Teil von Makedonien. Bereits in einem Geheimabkommen vor dem Ersten Balkankrieg verabredeten Griechenland und Serbien eine entsprechende Aufteilung Makedoniens. Bulgarien fühlte sich um seinen berechtigten Anteil an Makedonien betrogen und wollte durch einen Angriff auf Griechenland und Serbien am 29.06.1913 eine Revision des Londoner Vertrages erreichen. Mit diesem Angriff begann der Zweite Balkankrieg. Schon nach kurzer Zeit griff auch das Osmanische Reich an der Seite von Griechenland und Serbien in den Krieg ein, um vor allem die Region Thrakien wieder zurückzuerobern. Nach kurzer Zeit wurde der bulgarische Angriff gestoppt, nachdem die bulgarischen Gegner zu einer Gegenoffensive übergingen. Am 15.07.1913 trat auch Rumänien in den Krieg gegen Bulgarien ein. Während die rumänischen Truppen fast kampflos auf die bulgarische Hauptstadt Sofia zu marschierten, eroberten die osmanischen Streitkräfte wegen des Abzuges der bulgarischen Truppen nach Westen kampflos Ostthrakien zurück. Die Folge war eine Vertreibung der bulgarischen Bevölkerung aus Ostthrakien. In dieser Situation blieb Bulgarien nur noch die Kapitulation. Der Vertrag von Bukarest vom 10.08.1913 beendete dann formell den Zweiten Balkankrieg und besiegelte damit auch das territoriale Schicksal Makedoniens.

Der Friedensvertrag von Bukarest

Unterzeichnet wurde der Friedensvertrag von Bukarest am 10.08.1913 von Griechenland, Montenegro, Rumänien und Serbien auf der einen und von Bulgarien auf der anderen Seite (Vertrag von Bukarest (englisch) – 10.08.1913). Der Friedensvertrag machte den bulgarischen Traum von einem Staat in den Grenzen des Friedensvertrages von San Stefano endgültig illusorisch. Aufgrund dieses Vertrages musste Bulgarien fast alle im Ersten Balkankrieg erzielten territorialen Gewinne wieder abtreten. Von Makedonien behielt Bulgarien nur den mittleren Teil des Strumatales und das obere Mestatal. Des Weiteren musste Bulgarien den Süden der Dobrudscha an Rumänien und Ost-Thrakien mit Adrianopel (heute Edirne) an das Osmanische Reich abtreten. Allerdings konnte Bulgarien seine südliche Grenze in der Nähe der west-thrakischen Stadt Alexandropolis bis an die Ägäis ausdehnen und erhielt dort einen 40 Kilometer langen Küstenstreifen zugesprochen. Serbien behielt seinen bereits eroberten Anteil von Makedonien mit dem Vardartal als Kern und den Städten Skopje, Ohrid, Bitola und Prilep. Griechenland konnte seine Grenzen weit nach Norden und Osten verschieben, was in etwa einer Linie von Korfu im Westen bis nach Kavala an der Ägäis entsprach.

Die durch den Friedensvertrag von Bukarest gezogenen Grenzen blieben mit Ausnahme des Zugangs Bulgariens zur Ägäis auch nach dem Ersten Weltkrieg erhalten und sind im Wesentlichen auch heute noch die gültigen Grenzen. Keiner dieser Staaten unterstützte die Idee eines einheitlichen Makedonien, das autonom oder unabhängig sein sollte. Nach Jahrzehnten eines von Bulgarien, Griechenland und Serbien geführten kulturellen, kirchlichen und bewaffneten Kampfes um Makedonien und seiner Bevölkerung schien ein selbstständiges Makedonien oder die mögliche Herausbildung einer eigenständigen makedonischen Nationalidentität unvorstellbar. Entsprechend gewährte auch keiner dieser Staaten denen ihnen jeweils angehörigen Teilen von Makedonien irgendeine Art von Autonomie. Der Vertrag von Bukarest beendete im Ergebnis die Möglichkeit eines einheitlichen und unabhängigen Makedonien. Damit wurde auch die Herausbildung einer makedonischen Kulturnation auf dem gesamten Territorium von Makedonien illusorisch. Nur im Falle des serbischen Teils von Makedonien sollte es ab dem Jahre 1943 zur Herausbildung einer makedonischen Nation und Schaffung eines makedonischen Staatswesens kommen.

Zwischenspiel: Der Erste Weltkrieg und Makedonien

Bevor die Folgen des Friedensvertrages von Bukarest spürbar wirksam werden konnten, kam noch der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918) dazwischen. Dieser nahm von Serbien seinen Ausgang, so dass der Balkan von Anfang an mit einbezogen war. Bulgarien hielt sich zunächst aus dem Ersten Weltkrieg heraus und wurde von beiden Kriegsseiten, der Entente und den Mittelmächten, umworben. Die Entente war ein Militärbündnis zwischen Frankreich, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland und bis 1917 auch Russland. Italien trat diesem Bündnis im Jahre 1915 bei. Dieses Bündnis kämpfte gegen die Mittelmächte, dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn. Verbündete der Entente waren unter anderem Griechenland, Montenegro und Serbien. Um Bulgarien zu einem Kriegseintritt gegen die Mittelmächte zu bewegen bot die Entente Bulgarien den östlich vom Vardar gelegenen Teil von Makedonien an. Mehr war aus Rücksicht auf den Verbündeten Serbien nicht zu machen. Dieses Angebot reichte Bulgarien nicht aus, so dass es im Oktober 1915 an der Seite der Mittelmächte in den Krieg eintrat und  sich so eine Befriedigung aller seiner Ansprüche erhoffte. Als weiterer Verbündeter trat auch das Osmanische Reich an der Seite der Mittelmächte in den Ersten Weltkrieg ein.

Im Rahmen des Krieges der Mittelmächte gegen Serbien besetzte Bulgarien den serbischen Teil von Makedonien sowie Teile des Kosovo und von Altserbien. Während der bulgarischen Besatzungspolitik wurde eine Bulgarisierung der makedonischen Bevölkerung betrieben. So wurde auf die makedonische Bevölkerung Druck ausgeübt, ihre Namen, die in der Regel mit -ski endeten, auf -ov enden zu lassen. Diese wäre dann eine typisch bulgarische Endung gewesen. Von der makedonischen Bevölkerung wurde diese Maßnahme jedoch wenig geschätzt. Unter der bulgarischen Besatzung gab es für die makedonische Bevölkerung keinerlei kulturelle Autonomie. Was vorher serbisch bzw. südserbisch war wurde jetzt bulgarisch bzw. westbulgarisch. Diese Besatzungspolitik begünstigte neben anderen Faktoren die spätere Herausbildung einer eigenständigen makedonischen Nation.

Im November 1918 ging der Krieg für die Mittelmächte und damit auch für den Verbündeten Bulgarien verloren. Bulgarien musste den serbischen Teil von Makedonien räumen, welches jetzt zum neuen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gehörte. Dieses Königreich war zentralistisch organisiert und wurde im Jahre 1929 in Königreich Jugoslawien umbenannt. Das makedonische Territorium wurde dort zunächst einfach als „Süd-Serbien“ bezeichnet. Die makedonische Bevölkerung galt entsprechend als süd-serbisch und wurde einer Politik der serbischen Assimilierung unterzogen. 1929 wurde das zentralistisch organisierte Jugoslawien in Banschaften (territoriale Verwaltungseinheiten) untergliedert, wobei das makedonische Gebiet als Vardar-Banovina bezeichnet wurde. Im Friedensvertrag von Neuilly vom 27.11.1919 wurden die im Bukarester Vertrag festgelegten Grenzen im Wesentlichen bestätigt. Bulgarien musste allerdings das bisher bulgarisch-makedonische Strumica mit Umgebung an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen abtreten und verlor auch seinen Zugäng zur Ägäis an Griechenland.

Die Friedensverträge von Bukarest und Neuilly besiegelte vor allem das Schicksal Makedoniens und seiner Bevölkerung. Der Großteil von Makedonien (67.313 km²) war nun zwischen Griechenland (Ägäisch-Makedonien, 34.800 km²) und Serbien (Vardar-Makedonien, 25.713 km²) aufgeteilt. Bulgarien blieb nur noch ein kleiner Teil von Makedonien (Pirin-Mazedonien, 6.800 km²). Diese territoriale Aufstellung von Makedonien ist im Wesentlichen auch heute noch gültig. Allerdings wurde aus dem serbischen Teil von Makedonien am 02.08.1944 der makedonische Staat gebildet, der sich als Gliedstaat bis zum 18.09.1991 im Rahmen einer jugoslawischen Föderation befand. Seitdem ist der makedonische Staat als „Republik Makedonien“ ein unabhängiges Völkerrechtssubjekt.

Die Folgen der Friedensverträge von Bukarest und Neuilly für Makedonien

Am folgenreichsten waren die Friedensverträge von Bukarest und Neuilly für den jetzt zu Griechenland gehörenden Teil von Makedonien. Im Jahre 1912 lebten nach einer Veröffentlichung des Komitees des Völkerbundes für die Ansiedlung von griechischen Flüchtlingen aus dem Jahre 1926 im griechischen Teil von Makedonien 513.000 Griechen (42,6 %), 475.000 Muslime (39,4 %), 119.000 Bulgaren (9,9 %) und 98.000 Angehörige anderer ethnischer Gruppen (8,1 %). Zwischen Bulgaren und ethnischen bzw. slawischen Makedoniern wurde in dieser Veröffentlichung nicht differenziert, doch dürfte es sich bei einem Teil der Bulgaren auch um ethnische bzw. slawische Makedonier gehandelt haben.

Nach dem Ersten Weltkrieg kam es in Nordgriechenland zu gewaltigen Bevölkerungsverschiebungen. Diese veränderten nachhaltig auch die ethnische Zusammensetzung der Einwohner der griechischen Region Makedonien. Etwa 65.000 Griechen verließen bereits während des Ersten Weltkrieges Bulgarien und wurden in der griechischen Region Makedonien angesiedelt. Umgekehrt verließen rund 20.000 slawische Einwohner (Bulgaren oder ethnische bzw. slawische Makedonier) Nordgriechenland in Richtung Bulgarien. Je nach Sichtweise wird von einer Abwanderung oder einer Vertreibung gesprochen. Tatsächlich kam es sowohl zu Abwanderungen als auch zu massiven Vertreibungen. Ein weiterer Bevölkerungsaustausch zwischen Bulgarien und Griechenland erfolgte Aufgrund des Friedensvertrages von Neuilly. Bis zum Jahre 1926 wanderten nach griechischen Quellen 53.000 slawisch sprechende Personen mit bulgarischem Nationalbewusstsein nach Bulgarien aus. In Bulgarien wird allerdings von einer Vertreibung gesprochen. Im gleichen Zeitraum seien nach diesen griechischen Quellen etwa 50.000 Griechen aus Bulgarien nach Nordgriechenland zugewandert.

Besonders nachhaltig sollte sich jedoch die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung in der griechischen Region Makedonien aufgrund des griechisch-türkischen Abkommens von Lausanne ändern. Dieses Abkommen wurde am 24.07.1923 unterzeichnet und beendete formell den verlorenen Krieg Griechenlands gegen die Türkei unter Kemal Atatürk in den Jahren 1921/22.  Nach diesem Abkommen mussten 1,5 Millionen Griechen die Türkei verlassen, von denen 638.000 Griechen in der griechischen Region Makedonien angesiedelt wurden. Umgekehrt mussten 348.000 Türken die griechische Region Makedonien verlassen. Laut einer Volkszählung aus dem Jahre 1928 lebten in der griechischen Region Makedonien nun 1.227.000 Griechen (88,1%), 82.000 „Slawophone“ (5,8 %) und 93.000 (6,7 %) Einwohner anderen Ursprungs. Unter der Bezeichnung Slawophone werden in Griechenland bis heute alle Einwohner zusammengefasst, die eine slawische Sprache oder einen slawischen Dialekt sprechen. Darunter fallen vor allem Bulgaren und ethnischen bzw. slawische Makedonier.

Im bulgarischen und serbischen Teil von Makedonien gab es keine vergleichbaren Bevölkerungsverschiebungen wie im griechischen Teil. Allerdings war die makedonische Bevölkerung dort jeweils einer massiven Politik der Assimilierung ausgesetzt. In Bulgarien war diese Politik relativ erfolgreich. Unter anderem liegt das auch daran, dass die ethnischen bzw. slawischen Makedonier eine wesentlich nähere Verwandtschaft zu den Bulgaren als zu den Serben haben. Dies gilt auch für die makedonische Sprache im Verhältnis zu der bulgarischen und der serbischen Sprache. In bulgarischen Statistiken ging der Anteil der sich als „Makedonier“ bezeichneten Einwohner Bulgariens deutlich zurück. Im Jahre 1956 wurden noch 187.789 ethnische bzw. slawische Makedonier registriert. Im Jahre 1965 waren es nur noch 8.750. Heute bezeichnen sich noch einige Tausend Einwohner Bulgariens, die vor allem in Pirin-Makedonien leben, als ethnische bzw. slawische Makedonier. Bulgarien hatte aufgrund einer kurzzeitigen bulgarisch-jugoslawischen Annäherung in den Jahren 1947/48 die ethnischen bzw. slawischen Makedonier in Pirin-Makedonien als eigene Volksgruppe anerkannt und ihnen eine kulturelle Autonomie gewährt. Dies wurde jedoch bis Dezember 1948 wieder rückgängig gemacht. Es war wahrscheinlich ohnehin nur als pragmatische Politik gedacht, die makedonische Frage endgültig aus der Welt zu schaffen. Für Bulgarien blieben die ethnischen bzw. slawischen Makedonier Teil der bulgarischen Kulturnation. Vor dem Hintergrund dieser Politik ist wohl auch der Rückgang der Anzahl der ethnischen bzw. slawischen Makedonier  in Bulgarien zu verstehen.

Im serbischen Teil von Makedonien blieb die Politik der Assimilierung gegenüber der makedonischen Bevölkerung weitgehend erfolglos. Die serbische Herrschaft blieb der makedonischen Bevölkerung fremd. Auch die Bulgaren, die den jugoslawischen Teil von Makedonien während des Zweiten Weltkrieges von 1941 bis 1944 wieder besetzt hatten, blieben ihnen fremd. Wurden die Bulgaren von der makedonischen Bevölkerung anfangs sogar noch als Befreier vom serbischen Joch angesehen, änderte sich dieses gute Verhältnis aufgrund der bulgarischen Besatzungspolitik relativ bald in ein negatives. Die ethnischen bzw. slawischen Makedonier betrachteten sich im jugoslawischen Teil von Makedonien nicht als Serben oder Bulgaren. Diese Situation nutzte der jugoslawische Partisanenführer Josep Broz Tito um die makedonische Bevölkerung für den jugoslawischen Befreiungskampf zu gewinnen. Auf der  Zweiten Sitzung des „Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens“ am 29.11.1943 wurden die ethnischen bzw. slawischen Makedonier erstmals als gleichberechtigt mit den übrigen jugoslawischen Völkern und damit als eigenständiges Volk anerkannt. Folgerichtig wurde mit der Eröffnung der ersten Tagung der „Antifaschistischen Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens“ im makedonischen Kloster Prohor Pčinski am 02.08.1944 im jugoslawischen Teil von Makedonien der bis heute existierende makedonische Staat gegründet. Diese Form der Klärung der makedonischen Frage war erfolgreich und nachhaltig.

Schlusswort

Die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation“ („IMRO“) erreichte von 1893 bis 1912 ihr wesentliches Ziel, die Osmanische Herrschaft über Makedonien zu beschränken oder zu beenden, nicht. Diese Herrschaft wurde erst aufgrund des Ersten Balkankrieges durch die militärische Intervention der Staaten Bulgarien, Griechenland, Montenegro und Serbien beendet. Der Zweite Balkankrieg führte zu einer Aufteilung Makedoniens zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien. Es kam jedoch zu keiner Befreiung Makedoniens im Sinne der Interessen der makedonischen Bevölkerung.

Die IMRO hatte verschiedene Flügel. Ein Flügel kämpfte für die Autonomie Makedoniens im Rahmen des Osmanischen Reiches. Die weiteren Flügel setzten sich für die Unabhängigkeit Makedoniens oder für den Anschluss an Bulgarien ein. Keines dieser Ziele wurde im Vertrag von Bukarest, der den Zweiten Balkankrieg formell beendete, berücksichtigt. Nach dem Ersten Weltkrieg blieb die durch den Vertrag von Bukarest vorgesehene Aufteilung Makedoniens im Wesentlichen bestätigt. Der Kampf der „IMRO“ ging vor allem im serbischen Teil von Makedonien weiter und hielt bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges an. Allerdings verlor die IMRO bereits Mitte der 30er Jahre deutlich an Einfluss. Bis dahin war auch der Einfluss Bulgariens auf die IMRO relativ groß, da diese dort nicht verboten war und von dort aus auch operierte. Auch gab es weiterhin einen pro-bulgarischen und einen pro-makedonischen Flügel.

Bulgarien hatte das Interesse seine Herrschaft auf den serbischen Teil von Makedonien auszuweiten. In der ersten Hälfte des Jahres 1934 führte die Machtergreifung von Kimon Georgievs und Oberst Damian Veltschevs in Bulgarien zu einem dortigen Verbot der IMRO. Im serbischen Teil war diese Organisation ohnehin verboten. Dies war ein wesentlicher Grund für den Rückgang und die Schwächung der IMRO-Aktivitäten. Im griechischen Teil von Makedonien war aufgrund der deutlich geänderten ethnischen Zusammensetzung der dortigen Bevölkerung nach den beiden Balkankriegen und dem Ersten Weltkrieg keine Basis mehr für die IMRO vorhanden. Dementsprechend wurde die IMRO dort auch nicht mehr aktiv.

Der Zweite Weltkrieg beendete die Aktivitäten der IMRO im jugoslawischen Teil endgültig. Die dortige Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als eigenständiges Volk im Jahre 1943 und die Schaffung eines makedonischen Staatswesens im Rahmen einer jugoslawischen Föderation im Jahre 1944 führte im Ergebnis zu einer Klärung der makedonischen Frage. Offen bleibt allerdings bis heute die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Minderheit in den makedonischen Gebieten der Staaten Bulgarien und Griechenland.  Der sogenannte Namensstreit zwischen Griechenland und der Republik Makedonien über die makedonischen Identitätsfrage konnte durch das Prespa-Abkommen vom 17.06.2018 formell geklärt werden. Seit dem 12.02.2019 heißt die Republik Makedonien offiziell „Republik Nord-Makedonien“. Wenn die in diesem Vortrag vorgesehenen Mechanismen zur inhaltlichen Klärung der makedonischen Frage sinnvoll und zweckmäßig angewendet werden, kann diese endgültig geklärt und Teil der Geschichte werden. Damit wären auch die negativen Folgen des Vertrages von Bukarest überwunden.

Der Text des „Friedensvertrags von Bukarest vom 10.08.1913