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Der Berliner Vertrag und Makedonien

von Andreas Schwarz

Der Berliner Kongress (13.06. – 13.07.1878) und der daraus resultierende Berliner Vertrag vom 13.07.1878 revidierte den Frieden von San Stefano und beließ Makedonien unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches. Seither gingen Bulgarien und Makedonien dauerhaft getrennte Wege, die im Ergebnis auch zu zwei getrennten Staatswesen mit zwei voneinander unabhängigen Nationen führten. Der Frieden von San Stefano vom 03.03.1878, der den Russisch-Osmanischen Krieg (1877/1878) beendete, schuf kurzzeitig ein Großbulgarien unter Einschluss von Makedonien. (siehe Artikel „Der Frieden von San Stefano und Makedonien“). Aufgrund des Berliner Vertrages blieben Makedonien und seine Bevölkerung bis 1912 Teil des Osmanischen Reiches. In dieser Zeit entwickelte sich ein Freiheitskampf der dortigen Bevölkerung für eine Autonomie innerhalb des Osmanischen Reiches, für die Unabhängigkeit oder für den Anschluss der Region Makedonien an Bulgarien. Erst zwei Balkankriege (1912/1913) und der Vertrag von Bukarest vom 10.08.1913 besiegelten das territoriale Schicksal Makedoniens, in dem es zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien aufgeteilt wurde. Aus dem serbischen Teil ging 1944 der makedonische Staat hervor.

Der Text des „Berliner Vertrages vom 13.07.1878

Hintergrund

Durch den Frieden von San Stefano sahen die europäischen Großmächte, vor allem Österreich-Ungarn und das Vereinigte Königreich, ihre Interessen gefährdet. Sie wollten weder den russischen Machtzuwachs noch den Friedensvertrag akzeptieren und daher mit allen Mittel eine Revision dieses Vertrages erreichen. Mit der Schaffung eines Großbulgariens verstieß Russland gegen den Vertrag von Budapest, den Russland mit Österreich-Ungarn geschlossen hatte. Dieser am 15.01.1877 besiegelte Vertrag sah unter anderem nur kleinere Staaten auf dem Balkan vor und verbot die Schaffung von slawischen Großstaaten, die ggf. auf die slawische Bevölkerung in Österreich-Ungarn hätten ausstrahlen können. Daher forderte Österreich-Ungarn eine Revision des Friedensvertrages von San Stefano.

Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Irland wollte verhindern, dass Russland über seinen faktischen Satellitenstaat Bulgarien Zugang zum Mittelmeer erhielt. Daher sicherte es dem Osmanischen Reich in der „Konvention zur Verteidigungsallianz zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Osmanischen Reich“ in Konstantinopel vom 04.06.1878 gegen die Abtretung von Zypern den Beistand zu. Insgesamt drohte aufgrund der verschiedenen Interessen von Russland und der europäischen Großmächte ein Krieg. Doch auch innerhalb der muslimischen Bevölkerung auf dem Balkan formierte sich bewaffneter Widerstand gegen eine mögliche Loslösung ihrer Siedlungsgebiete aus dem Osmanischen Reich.

Zwar nahm Österreich-Ungarn Kriegskredite auf und versetzte seine Garnisonen an der Grenze zu Russland in Alarmbereitschaft, sah sich jedoch für einen Krieg gegen Russland nicht gerüstet. Aus diesem Grund schlug der österreich-ungarische Außenminister Gyula Andrassy eine diplomatische Lösung vor, die auf einem Kongress der beteiligten Großmächte gefunden werden sollte. Der russische Außenminister Fürst Alexander Michailowitsch Gortschakow willigte ein und schlug Berlin als Ort für diesen Kongress vor. Das Deutsche Reich verfolgte als einzige Großmacht keine eigenen Interessen auf dem Balkan. Dies betonte der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck bereits am 05.12.1876 vor dem Deutschen Reichstag. Ebenfalls dort erklärte er im Februar 1878, dass er nicht Schiedsrichter in der Orientalischen Fragen sein wolle und er bereit sei in der Rolle eines „ehrlichen Maklers“ eine Klärung dieser Frage zu ermöglichen.

Bismarck verlangte bereits im Vorfeld eine grundsätzliche Einigung zwischen Österreich-Ungarn, Russland und dem Vereinigten Königreich. Das Vereinigte Königreich begrüßte diesen Ansatz. In bilateralen Verhandlungen sah es größere Chancen für sich seine Interessen durchzusetzen als in multilateralen Verhandlungen im Rahmen eines Kongresses. Entsprechend dem Verlangen Bismarcks wurden drei Vorabkommen abgeschlossen. Bereits am 30.05.1878 einigten sich der britischen Außenminister Lord Salisbury und der russische Botschafter Pjotr Andrejewitsch Schuwalow bei ihren Beratungen darauf, dass es kein Großbulgarien mehr geben soll. Dies war auch im Interesse von Österreich-Ungarn. Ratifiziert wurde diese Einigung auf Wunsch vom russischen Außenminister Gortschakow erst in Berlin, weil dieser auf die Unterstützung der russischen Position durch das Deutsche Reich hoffte. Dabei gestand der britische Außenminister Salisbury zu, dass die Entscheidungen auf dem Kongress nur einstimmig getroffen werden sollten. Dadurch erhielt jede betroffene europäische Großmacht faktisch ein Veto-Recht. Mit Österreich-Ungarn verständigte sich Salisbury am 06.06.1878 in London darauf, dass das deutlich reduzierte Bulgarien seine Grenze am Balkangebirge und Österreich-Ungarn Bosnien und Herzegowina besetzen sollte. Russland hatte sich mit einer entsprechenden Besetzung von Bosnien und Herzegowina bereits im Januar 1877 einverstanden erklärt.

Auch die geschwächten Osmanen waren zu Vorabsprachen mit dem Vereinigten Königreich bereit um die sich abzeichnenden territorialen Abtretungen möglichst moderat zu halten. Die bereits erwähnte „Konvention zur Verteidigungsallianz zwischen dem Vereinigten Königreich und dem Osmanischen Reich“ vom 04.06.1878 als Geheimabkommen war ein Ergebnis dieser Vorabsprachen und sollte vor allem den Einfluss Russlands auf den Balkan zurückdrängen.

Der Berliner Kongress (13.06. – 13.07.1878)

Die europäischen Diplomaten kamen auf Einladung Bismarcks am 13.06.1878 in Berlin zu einem Kongress zusammen. Mit Stimmrecht vertreten waren Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn, Russland, das Vereinigte Königreich und das Osmanisches Reich. Ohne Stimmrecht waren je auch ein Vertreter Griechenlands, Rumäniens und Serbiens anwesend. Bulgarien war nicht vertreten, da es noch kein anerkannter Staat war. Auch einen besonderen Vertreter für die makedonischen Siedlungsgebiete gab es nicht. So wurde ohne Beteiligung der makedonischen Bevölkerung auf dem Berliner Kongress über das Schicksal Makedoniens entschieden. Den Vorsitz im Kongress führte der Deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck. Es gab 20 Vollsitzungen des Kongresses, sehr viele Kommissionsberatungen, interne Besprechungen verschiedenster Art und Arbeitsessen. Die Kongresssprache war Französisch, eine in der Diplomatie damals vorherrschende Sprache. Der britische Premierminister Disraeli bestand jedoch darauf Englisch reden zu dürfen.

Die Tagesordnungen der Kongressesssitzungen waren sehr eng gefasst. Hintergrund war die angeschlagene Gesundheit Bismarcks. Aufgrund seines geplanten Kuraufenthaltes sollte der Kongress möglichst schnell zum Abschluss kommen. Sobald die Verhandlungen ins Stocken kamen, versuchte Bismarck Kompromisse zu finden oder durch Druckausübung eine Lösung herbeizuführen. In den ersten sieben Vollsitzungen des Kongresses bis zum 26.06.1878 wurden die Londoner Vorabsprachen weitgehend bestätigt und der Frieden von San Stefano größtenteils revidiert. Statt eines Großbulgariens unter Einschluss von Makedonien (164.000 km²) wurde nun ein deutlich kleineres Fürstentum Bulgarien (64.000 km²) ohne Makedonien errichtet. Dieses Fürstentum regierte sich selbst, blieb allerdings unter der Suzeränität des Osmanischen Reiches. Ein Teil des ursprünglich geplanten Großbulgariens blieb als Provinz Ost-Rumelien Teil des Osmanischen Reiches. Der Generalgouverneur dieser Provinz wurde allerdings von der Osmanischen Regierung nur mit Zustimmung der europäischen Mächte für fünf Jahre bestellt. Makedonien und seine Bevölkerung blieben Teil des Osmanischen Reiches. Die bisherige russische Besetzung der genannten Gebiete wurde von zwei Jahren auf neun Monate befristet. Die Souveränität und Unabhängigkeit der Staaten Montenegro, Rumänien und Serbien wurde vollumfänglich bestätigt. Rumänien musste zum Ausgleich für Russland allerdings Gebiete im südlichen Bessarabien abtreten. Dafür wurde es wiederum mit dem nördlichen Teil der Dobrudscha entschädigt.

In den anderen 13 Vollsitzungen des Kongresses ab dem 26.06.1878 ging es unter anderem um die neuen Grenzen der anderen südosteuropäischen Staaten. Serbien erhielt Gebietserweiterungen an seiner Südgrenze. Die bereits im Frieden von San Stefano vorgesehene Erweiterung um Niš wurde noch um die Städte Pirot und Vranje erweitert. Montenegro wurde um mehr als ein Drittel seines bisherigen Gebietes vergrößert und bekam die Hafenstadt Bar. Griechenland konnte aufgrund der Zustimmung der europäischen Mächte sein Gebiet im Norden um Epirus und Thessalien erweitern. Österreich-Ungarn erhielt das Recht Bosnien und Herzegowina zu besetzen. Dies war bereits im Budapester Vertrag zwischen Österreich-Ungarn und Russland von Januar 1877 vorgesehen und wurde auch in den Londoner Vorabgesprächen bereits zugestanden. In den osmanischen Gebieten Novi Pazar und Sandschak durfte Österreich-Ungarn Truppen unterhalten. Dies sollte eine südslawische bzw. prorussische Machtbildung in der Region verhindern, die aufgrund einer möglichen Vereinigung von Montenegro und Serbien befürchtet wurde. Diese Sichtweise führte allerdings zu Protest von Serbien und auch des Osmanischen Reiches. Im Falle des Osmanischen Reiches sicherte Österreich-Ungarn diesem in einem Geheimabkommen zu, dass die Stationierung von Truppen im betroffenen Gebiet nur provisorisch sei. Die letzten Sitzungen des Kongresses bestätigten die russischen Territorialgewinne in Transkaukasien und befassten sich mit den finanziellen Folgen des Russisch-Osmanischen Krieges. Dabei ging es um Entschädigungszahlungen und um die Staatsschulden des Osmanischen Reiches.

Der Berliner Vertrag vom 13.07.1878

Die Ergebnisse des Berliner Kongresses wurden formell im Berliner Vertrag vom 13.07.1878 verbindlich festgehalten. Unterzeichner dieses Vertrages waren die europäischen Großmächte Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich-Ungarn, Russland und das Vereinigte Königreich sowie das Osmanische Reich. Der Vertrag hatte insgesamt 64 Artikel.

Die Regelungen zu Bulgarien befanden sich in den Artikel 1 bis 12. Dort wurde Bulgarien als autonomes Fürstentum definiert, das dem Osmanischen Reich gegenüber tributpflichtig war. Der Grad der Autonomie, die Regierungsform und die bulgarisch-osmanischen Beziehungen wurden in diesen Artikeln  festgelegt. Ebenfalls dort festgelegt wurde das Territorium des bulgarischen Fürstentums.

Ost-Rumelien wurde von Bulgarien abgetrennt und eine Provinz des Osmanischen Reiches. Die Regelungen zu Ost-Rumelien befanden sich in den Artikeln 13 bis 22 des Berliner Vertrages. Die osmanische Provinz Ost-Rumelien war neben dem Fürstentum Bulgarien quasi ein zweites bulgarisches Staatsgebilde. Die Provinz verfügte ebenfalls über eine gewisse Autonomie, die natürlich nicht so weitgehend war wie beim Fürstentum Bulgarien. Die europäischen Mächte sicherten sich Mitbestimmungsrechte in dieser Provinz zu.

Die Artikel 23 und 24 trafen Regelungen zur Insel Kreta und zu den griechisch-osmanischen Beziehungen.

Die Besetzung von Bosnien und Herzegowina durch Österreich-Ungarn wurde in Artikel 25 des Berliner Vertrages festgelegt.

Die Artikel 26 bis 33 beinhalteten alle Regelungen zur Unabhängigkeit Montenegros, die ausdrücklich durch alle Vertragspartner anerkannt wurde. Das montenegrinische Territorium wurde definiert und verbindlich festgelegt. Des Weiteren wurden Festlegungen zum Abzug der osmanischen Truppen und zum Verhältnis der montenegrinischen und der osmanischen Bevölkerungsgruppen untereinander getroffen. Auch die neuen montenegrinisch-osmanischen Beziehungen wurden in den entsprechenden Artikeln geregelt.

Entsprechende Regelungen wurden in den Artikeln 34 bis 42 für Serbien und in Artikel 43 bis 51 für Rumänien getroffen. Auch die Unabhängigkeit von Serbien und Rumänien wurde ausdrücklich von den Vertragsparteien anerkannt. Montenegro, Rumänien und  Serbien wurden als unabhängige Fürstentümer anerkannt. Sie waren über ihre äußeren und inneren Angelegenheiten grundsätzlich souverän und nicht wie Bulgarien nur autonom und dem Osmanischen Reich gegenüber tributpflichtig.

In den Artikeln 52 bis 57 befanden sich Bestimmungen zur Schifffahrt auf der Donau in Rumänien. Dieser Schifffahrtsweg blieb unter Kontrolle der europäischen Mächte. Ausgeübt wurde diese Kontrolle durch eine europäische Donau-Kommission, die in Rumänien ansässig war.

Die Russland betreffenden Regelungen wurden in den Artikeln 58 bis 60 festgelegt. Dort wurde bestimmt, welche Territorien Russland neu erhielt und welche es wieder an das Osmanische Reich zurückgeben musste.

Zum Schluss wurde in den Artikeln 61 bis 62 Regelungen zur Verbesserung der Situation bestimmter Volksgruppen durch entsprechende Reformen und zur freien Ausübung der Religionen innerhalb des Osmanischen Reiches getroffen. In den Artikeln 63 und 64 befanden noch einige Schlussbestimmungen.

Der Berliner Vertrag und Makedonien

Der Berliner Vertrag hatte weitreichende Folgen für die Entwicklung in Makedonien. Die Region Makedonien und seine Bevölkerung blieben Teil des Osmanischen Reiches. Damit bildete sich für diese Bevölkerungsgruppe eine besondere Interessenlage heraus. Das Schicksal der makedonischen Bevölkerung war getrennt von den Schicksalen der Bevölkerungen in Bulgarien, Serbien, Montenegro und Griechenland. Dies führte auch zu einer separaten und eigenständigen Entwicklung der makedonischen Bevölkerung. Hier wurde endgültig der Keim für die spätere makedonische Nation gelegt. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt noch offen ob die ethnischen bzw. slawischen Makedonier sich zu einer eigenen Kulturnation entwickeln oder als Teil der bulgarischen Kulturnation ihr Schicksal besiegeln würden.

Bei einem Treffen von sechs jungen Leuten in der Wohnung des Buchhändlers Ivan Nikolov in Thessaloniki am 23.10.1893 wurde die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation“ („IMRO“) gegründet. In ihren Statuten wurde festgelegt, dass die Organisation geheim sein und eine Autonomie Makedoniens zum Ziel haben sollte. Des Weiteren wurde festgelegt, dass die Organisation unabhängig von den Nachbarstaaten Bulgarien, Griechenland und Serbien agieren würde und nur in Makedonien geborene oder lebende Personen in ihr Mitglied werden könnten. Mit der IMRO kam ein neuer Faktor in die noch offene makedonische Frage. Allerdings gab es innerhalb der IMRO drei grundsätzliche Flügel, die in den folgenden Jahren  ihre Auffassungsgegensätze sogar gewaltsam austragen sollten. Ein Flügel war für eine Autonomie Makedoniens innerhalb des Osmanischen Reiches. Diese Lösung wurde aufgrund der damaligen politischen Rahmenbedingungen angestrebt, die eine völlige Unabhängigkeit Makedoniens oder den Anschluss Makedoniens an Bulgarien nicht zuließen. Dementsprechend traten die anderen beiden Flügel für die völlige Unabhängigkeit oder den Anschluss an Bulgarien ein.

Höhepunkt des Befreiungskampfes um Makedonien war der sogenannte „Ilinden-Aufstand“ am 02.08.1903. Ein Ergebnis dieses Aufstandes war die Bildung der kurzzeitig existierenden  „Republik von Kruševo“.  Dieser Aufstand wurde schon nach zwölf Tagen von osmanischen Truppen niedergeschlagen und damit endete auch die Existenz der Republik von Kruševo. Im Selbstverständnis der ethnischen bzw. slawischen Makedonier gelten der Aufstand und die Republik von Kruševo als wichtige Grundsteine auf dem Weg zum makedonischen Staat und zur Anerkennung ihrer Nation. Aufgrund des Aufstandes wurden die europäischen Mächte wieder auf die makedonische Frage aufmerksam. Sie forderten vom Osmanischen Reich entsprechende Reformen zur Verbesserung der Lebenssituation der vor allem christlichen makedonischen Bevölkerung. Von Seiten der IMRO wurden die geforderten Reformen als nicht weitgehend genug abgelehnt. Die ohnehin nicht in Gang gekommenen Reformen waren mit der Machtergreifung der Jungtürken im Juli 1908 nicht mehr durchführbar. Diese traten für eine streng zentralistische Staatenordnung ein. Jede Reform in Richtung mehr Autonomie für Makedonien wurde damit illusorisch.

Auch die Annexion von Bosnien und Herzegowina durch Österreich-Ungarn im selben Jahr hatte Einfluss auf die weitere Entwicklung in Makedonien. Aufgrund dieser Annexion stieg wieder der Einfluss Russlands auf dem Balkan, dessen Diplomatie eine Annäherung zwischen Bulgarien und Serbien bewirkte. Bulgarien und Serbien kämpften bereits mit bewaffneten Banden, den Komitadschis und den Tschetniks, um die Vorherrschaft in Makedonien. Nach bulgarischer Auffassung gehörte die makedonische Bevölkerung kulturell zu den Bulgaren, nach der serbischen Auffassung war die makedonische Bevölkerung kulturell serbisch.

Aufgrund der gegenseitigen Annäherung konzentrierten sich Bulgarien und Serbien nun auf den gemeinsamen Kampf gegen die  Osmanische Herrschaft. Im Ersten Balkankrieg (08.10.1912 bis 30.05.1913) beendeten Streitkräfte aus Bulgarien, Griechenland, Montenegro und Serbien die Herrschaft des Osmanischen Reiches über Makedonien. Im Zweiten Balkankrieg (29.06. bis 10.08.1913) kämpfte das sich um Makedonien betrogen fühlende Bulgarien im Wesentlichen mit Griechenland und Serbien erneut um Makedonien. Gegen Bulgarien kämpften zusätzlich auch noch Rumänien und das Osmanische Reich, so dass Bulgarien diesen Krieg verlor.

Der Vertrag von Bukarest vom 10.08.1913 beendete den Zweiten Balkankrieg und besiegelte das Schicksal Makedoniens und seiner Bevölkerung. Es wurde größtenteils zwischen Griechenland und Serbien aufgeteilt. Bulgarien erhielt wie bereits im Ersten Balkankrieg nur einen kleinen Teil von Makedonien. Diese Aufteilung besteht noch heute im Wesentlichen so fort. Aus dem serbischen bzw. jugoslawischen Teil von Makedonien ging am 02.08.1944 der makedonische Staat hervor, der sich bis zum 18.09.1991 im Rahmen einer jugoslawischen Föderation befand. Seitdem ist dieser Staat als „Republik Makedonien“ unabhängig.

Schlussworte

Der Berliner Vertrag vom 13.07.1878 besiegelte das Schicksal Makedoniens und seiner Bevölkerung als Teil des Osmanischen Reiches für die folgenden 34 Jahre. Bulgarien war zu dieser Zeit bereits bedingt unabhängig, Griechenland, Montenegro und Serbien hatten ihre völlige Unabhängigkeit erreicht. Die entsprechenden Nationen konnten sich so frei entfalten und entwickeln.

Ganz anders die Situation in Makedonien. Die dortige Bevölkerung befand sich in einer besonderen Situation, was eine eigenständige und separate Entwicklung dieser Bevölkerung begünstigte. Auf der einen Seite versuchten Bulgarien und Serbien ihren Einfluss auf Makedonien auszudehnen und die Bevölkerung jeweils für sich zu gewinnen. Auf der anderen Seite kämpfte die IMRO für die Autonomie Makedoniens, für die Unabhängigkeit oder den Anschluss an Bulgarien. Keines dieser Ziele wurde im Ergebnis erreicht.

Aufgrund der besonderen Entwicklung in der Region Makedonien wurde der Keim für eine eigenständige makedonische Nation gelegt. Doch erst die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als gleichberechtigt mit den anderen jugoslawischen Völkern auf der zweiten Sitzung des „Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens“ am 29.11.1943 brachte diesen Keim zum sprießen. Vorher war die Entwicklung noch offen und nicht abgeschlossen. Doch die Geschichte entschied zu Gunsten einer eigenständigen makedonischen Nation. Aus dem Keim ist eine beständige und erwachsende makedonische Nation geworden.

Der Text des „Berliner Vertrages vom 13.07.1878