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Der Erste Weltkrieg (1914 – 1918) und die Folgen für den Balkan

von Andreas Schwarz

Am Morgen des 28.07.1914 unterzeichnete der österreich-ungarische Kaiser Franz Joseph die Kriegserklärung an das Königreich Serbien. Damit begann der Erste Weltkrieg, der erst im November 1918 sein Ende finden sollte. Anlass für den Ersten Weltkrieg war das Attentat von Sarajevo, welches jedoch nicht die Ursache für diesen war. Für die Staaten des Balkans war der Erste Weltkrieg faktisch die Fortsetzung der zwei Balkankriege (1912/13). Die Resultate der Balkankriege und des Ersten Weltkrieges begründeten viele offene Fragen, die zum Teil die Beziehungen zwischen den Balkanvölkern bis heute belasten und noch einer Klärung bedürfen.

Die Juli-Krise als Vorspiel zum Ersten Weltkrieg

Die Ermordung des österreich-ungarischen Thronfolgerpaares Erzherzog Franz Ferdinand und Sophie Chotek, Herzogin von Hohenberg, durch den serbischen Nationalisten Gavrilo Prinzip am 28.06.1914 (siehe „Das Attentat von Sarajevo (28.06.1914)„) in Sarajevo führte zu einer extreme Verschlechterung der bereits zuvor angespannten Beziehungen zwischen dem Kaiserreich Österreich-Ungarn und dem Königreich Serbien. Zu dieser Zeit gab es bereits Bestrebungen bei den südslawischen Völkern in Österreich-Ungarn nach nationaler Einheit und Selbstbestimmung, die wiederum von Serbien politisch unterstützt wurden. Auch Serbien hatte das Ziel, dass das serbische Volk vereint in einem Staatswesen leben sollte. Dieses Ziel konnte unter anderem im Rahmen eines gemeinsamen Staates mit anderen südslawischen Völkern erreicht werden, die zum Teil noch unter österreich-ungarischer Oberhoheit lebten.

Am 06.07.1914 sicherte das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm II. Österreich-Ungarn seine volle Unterstützung für eine Aktion gegen Serbien zu. Diese „Blankovollmacht“ oder „Nibelungentreue“ sollte Deutschland an der Seite Österreich-Ungarns in den Ersten Weltkrieg führen. Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn bildeten die sogenannten Mittelmächte. Ihnen traten als Verbündete 1914 das Osmanische Reich und 1915 Bulgarien bei. In einem auf 48 Stunden befristeten Ultimatum forderte Österreich-Ungarn am 23.07.1914 von Serbien die uneingeschränkte strafrechtliche Verfolgung der Attentäter und Hintermänner, die am 28.06.1914 das österreich-ungarische Thronfolgerpaar in Sarajevo ermordeten. Des Weiteren sollten alle sich gegen Österreich-Ungarn richtende Bestrebungen, die von Serbien ausgingen, unterbleiben und dort aktiv bekämpft werden.

Als unannehmbar für Serbien erwies sich jedoch die im Ultimatum erhobene Forderung österreich-ungarische Behörden auf serbischen Territorium an den geforderten Maßnahmen aktiv zu beteiligen. Dies wurde von Serbien als Einschränkung seiner Souveränität abgelehnt. Das Ultimatum war bewusst für Serbien unannehmbar formuliert worden. Dennoch akzeptierte Serbien mit Einschränkungen die Forderungen Österreich-Ungarns und nahm das Ultimatum am 25.07.1914 an. Jedoch reichte die bedingte Annahme des Ultimatums durch Serbien Österreich-Ungarn nicht aus und so lief alles auf den Beginn des Krieges hinaus.

Bereits am 24.07.1914 erklärte Russland, dass es auf keinen Fall aggressive Handlungen Österreich-Ungarns gegenüber Serbien zulassen werde. Zuvor hatten der französische Staatspräsident Raymond Poincaré und der französische Ministerpräsident René Viviani bei einem Staatsbesuch in Sankt Petersburg vom 20. bis zum 23.07.1914 dem russischen Zaren ausdrücklich Unterstützung für den Ernstfall zugesichert. Das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Irland forderten ebenfalls am 24.07.1914 Deutschland, Frankreich, Italien und Russland zur Vermittlung im Konflikt zwischen dem Kaiserreich Österreich-Ungarn und dem Königreich Serbien auf. Dazu sollte es jedoch nicht mehr kommen. Zunächst kam es am 25.07.1914 zur Teilmobilmachung der Streitkräfte in Serbien. Das Deutsche Reich drohte am 26.07.1914 dem Russischen Reich mit Mobilmachung, wenn dieses vorbereitende militärische Maßnahmen ergreifen sollte. Allerdings erfolgte nach der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien am 28.07.1914 die Teilmobilmachung in Russland.

Der Beginn des Ersten Weltkrieges

Mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an das Königreich Serbien am 28.07.1914 nahm der Erste Weltkrieg seinen Anfang. Noch am 29.07.1914 versuchte das Vereinigte Königreich diplomatisch den Frieden zu erhalten. Deutschland forderte Österreich-Ungarn zwischen dem 28. und 30.07.1914 auf, Gespräche mit Russland zu führen, um eine Ausweitung des Krieges zu verhindern. Am 31.07.1914 machte das Vereinigte Königreich dem Deutschen Reich klar, dass es keine neutrale Haltung im kommenden Krieg einnehmen wolle, auch dann nicht, wenn Deutschland wie vom Vereinigten Königreich gefordert, die belgische Neutralität achten würde.

Die Mobilmachungen von Frankreich, Deutschland und der britischen Flotte erfolgte am 01.08.1914. Am selben Tag erklärte das Deutsche Reich dem Russischen Reich den Krieg und trat damit offiziell in den Ersten Weltkrieg ein. Bereits am Tag darauf marschierte Deutschland in das neutrale Luxemburg und am 03.08.1914 in das neutrale Belgien ein. Ebenfalls am 03.08.1914 erfolgte die deutsche Kriegserklärung an Frankreich und die italienische Neutralitätserklärung. Das Vereinigte Königreich erklärte am 04.08.1914 wegen der Verletzung der belgischen Neutralität dem Deutschen Reich den Krieg. Die Kriegserklärungen Frankreichs und des Vereinigten Königreiches an Österreich-Ungarn erfolgten am 11./12.08.1914.

Die Mittelmächten Deutschland und Österreich-Ungarn standen nun einem Bündnis von Frankreich, Russland und dem Vereinigten Königreich gegenüber, welches auch als Entente (französisch: Bündnis) bezeichnet wurde. Dieser Entente traten 1915 noch Italien und als assoziierte Macht 1917 die Vereinigten Staaten von Amerika bei. Verbündete waren überdies von Anfang an Japan, Montenegro und Serbien. Im Jahre 1916 kamen als Verbündete noch Portugal und Rumänien sowie im Jahre 1917 noch China, Griechenland und Siam hinzu. Russland schied aufgrund der Oktoberrevolution im Jahre 1917 aus der Entente aus und schloss einen Friedensvertrag mit dem Deutschen Reich. Den Mittelmächten traten als Verbündete noch das Osmanische Reich im Jahre 1914 und Bulgarien im Jahre 1915 bei.

Aus einem europäischen Konflikt auf dem Balkan wurde so ein Weltkrieg. Zwar kam es von amerikanischer, dänischer, spanischer und vatikanischer Seite zu einigen internationalen Friedensinitiativen, die allerdings Erfolglos blieben. Zu festgefahren waren die europäischen Großmächte bezüglich ihrer Positionen und in ihrem Wunsch ihre Kriegsziele zu erreichen.

Der Kriegsverlauf  in Europa

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges erzielten die Mittelmächte große Erfolge. In den Jahren 1915 und 1916 eroberten sie große Teile von Polen, welches damals zu Russland gehörte und des Baltikums. Serbien und Rumänien wurden militärisch besiegt. In Folge dessen beherrschten die Mittelmächte nun einen geschlossenen Raum in Mitteleuropa und Kleinasien, der über beträchtliche wirtschaftliche Ressourcen verfügte. Auch militärisch war die Beherrschung dieses Raumes strategisch für die Mittelmächte bedeutsam. Die Offensive der Entente im Westen blieb zunächst erfolglos. Auch ihr Flottenangriff auf die Dardanellen und ihre Vorstöße in Arabien gegen Bagdad waren nicht erfolgreich.

Allerdings scheiterten die Mittelmächte daran – trotz ihrer Erfolge – dem weiteren Kriegsverlauf eine entscheidende Wende in ihrem Sinne zu geben. Es gab innerhalb der deutschen Heeresleitung auch unterschiedliche Auffassungen über die Prioritäten der zu erreichenden Kriegsziele. Die zweite Oberste Heeresleitung unter General Falkenhayn vertrat die Auffassung, wonach der Krieg im Westen entschieden werde. Jedoch scheiterte sein Angriff auf die strategisch und symbolisch bedeutsame Festung Verdun im Jahre 1916. Gerade der Kampf um Verdun wurde später zu einem Symbol der Grausamkeiten des Ersten Weltkrieges. Es kam auf beiden Seiten zu sehr hohen Verlusten in diesem Stellungskrieg. Ebenso scheiterte unter großen Verlusten eine mit Russland und Italien koordinierte britisch-französische Offensive in Somme, in Polen und an der Alpenfront. Die Generäle Hindenburg und Ludendorff wollten hingegen die Hauptstreitmacht erst einmal gegen Russland einsetzen und zunächst im Osten den Krieg entscheiden.

Festzuhalten bleibt, dass ein Zweifrontenkrieg militärische Kräfte an mehreren Stellen bündelt und insgesamt die militärische Kraft einer Kriegspartei schwächt. Die ausufernden Kriegsziele aller am Krieg beteiligten Staaten ließen die Erfolgsaussichten für diese insgesamt  illusorisch werden. Das Deutsche Reich wollte entweder durch Annexionen oder durch Hegemonialbestrebungen eine Vormachtstellung auf dem europäischen Kontinent erlangen. Dem standen vor allem die europäischen Interessen Frankreichs und Russlands entgegen, die sich ihrerseits einen größeren Einfluss sichern wollten. Das Vereinigte Königreich hatte zwar aufgrund seiner Insellage ein besonderes Verhältnis zum europäischen Kontinent, sah jedoch seine Interessen in einem Bündnis mit Frankreich und Russland eher gewahrt. Deutschland versuchte mit militärischem Druck Russland zu einem Verständigungsfrieden zu zwingen, was jedoch aufgrund des russischen Bündnisses mit Frankreich und dem Vereinigten Königreich zunächst scheitern musste. Eine Verständigung mit dem Westen war ohnehin ausgeschlossen, da Deutschland nicht bereit war die Unabhängigkeit Belgiens wieder herzustellen, welche Vorbedingung dafür gewesen wäre. Mit der Ernennung der Generäle Hindenburg und Ludendorff zur Obersten Heeresleitung im August 1916 setzte sich in Deutschland endgültig die Auffassung durch, dass der Krieg nur durch einen Sieg über die Gegner erfolgreich beendet werden könne.  

 

Der globale Kriegsverlauf

Auf dem europäischen Kontinent konnten sich die Mittelmächte lange behaupten und eine strategisch starke Stellung einnehmen. Global konnten sich die Mittelmächte allerdings nicht behaupten. Die von Russland und vom Vereinigten Königreich beherrschten Völker konnten nicht durch Revolution im Sinne Deutschland instrumentalisiert werden. Im Osmanischen Reich zeichneten sich bereits Auflösungserscheinungen ab, da sich die dortigen Völker zum Teil nach nationaler Selbstbestimmung sehnten. Dies führte zu Aufständen, die wiederum vom Vereinigten Königreich unterstützt wurden und natürlich auch die militärische Stärke des Osmanischen Reiches zuungunsten der Mittelmächte schwächte. Das Vereinigte Königreich war überdies die herrschende Seemacht und beherrschte den ganzen maritimen Handel. Durch eine britische Seeblockade wurden die Mittelmächte vom Weltmarkt weitgehend ausgeschlossen. Richtete sich diese Seeblockade zunächst nur gegen Kriegsmaterial, kamen später neben Rohstoffe auch humanitäre Güter in völkerrechtswidriger Weise hinzu. Allerdings behielten die Mittelmächte zunächst über die neutralen Staaten Zugang zum Weltmarkt, um sich mit humanitären Gütern versorgen zu können. Allerdings erhöhte daraufhin die Entente den Druck auf die neutralen Staaten und die Blockade wurde wieder undurchlässiger.

Im Seekrieg mit dem Vereinigten Königreich musste sich die deutsche Flotte trotz kleinerer Erfolge insgesamt geschlagen geben. Gegen den internationalen Seehandel von Frankreich und dem Vereinigten Königreich setzte Deutschland daraufhin in ebenfalls völkerrechtswidriger Weise U-Boote ein. Betroffen waren allerdings auch Schiffe anderer Nationen, etwa der Vereinigten Staaten. Die Versenkung des Passagierschiffes Lusitania am 07.05.1915 mit mehr als Tausend Toten durch ein deutsches U-Boot schränkte den U-Boot-Krieg aus außenpolitischen Gründen zunächst ein. Allerdings konnte aus strategischen Gründen von deutscher Seite aus nicht auf den U-Boot-Krieg verzichtet werden, so dass dieser auf Druck der Obersten Deutschen Heeresleitung Anfang 1917 wieder uneingeschränkt aufgenommen wurde. Dies hatte allerdings den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten und von weiteren Staaten zur Folge, welcher ihre Interessen gefährdet sahen. Insgesamt war allerdings auch der U-Boot-Krieg nur begrenzt erfolgreich, weil viele Handelsschiffe in Folge in Konvois unter dem Schutz von Kriegsschiffen fuhren und so die Verluste durch Versenkungen begrenzt werden konnten.

Durch den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten änderten sich langsam die strategischen Verhältnisse, da diese nach und nach für den Einsatz in Europa eine Armee aufbauten und dann einsetzten. Der Kriegseintritt der Vereinigten Staaten auf Seiten der Entente war entscheidend für den weiteren Kriegsverlauf.

 

Das Ende des Ersten Weltkrieges

Die Oktoberrevolution in Russland im Jahre 1917 führte dort zu einem Machtwechsel. Durch die Machtübernahme der Bolschewiken in Russland endeten die Herrschaft des russischen Zaren und die bisherigen Prioritäten in der russischen Außenpolitik. Um ihre Herrschaft im Innern Russlands konsolidieren zu können, mussten sie den Krieg gegen die Mittelmächte beenden und aus der Entente ausscheiden. Durch die Revolution geschwächt kam es von deutscher Seite aus zu einem umfangreichen militärischen Vormarsch in Russland. In den Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk wurde dem nun bolschewikischen Russland ein Gewaltfriede aufgezwungen, welcher neben der Beendigung des Krieges auch große Gebietsabtretungen in Mittel- und Osteuropa von Russland an das Deutsche Reich vorsah. Mit diesem Ziel hatte die Oberste Deutsche Heeresleitung eines ihrer wichtigsten strategischen Ziele erreicht. Der Krieg im Osten war entschieden und der Zweifrontenkrieg damit beendet.

Allerdings wurde dieser strategische Vorteil durch den Kriegseintritt der Vereinigten Staaten mehr als ausgeglichen. Zwar konnten deutsche Truppen in der Frühjahrsoffensive im Jahre 1918 im Westen große territoriale Gewinne erzielen, jedoch kam es nicht mehr zum entscheidenden Durchbruch. Die Truppen der Entente wurden durch frische amerikanische Truppen verstärkt. Hingegen hatten die Truppen der Mittelmächte keine vergleichbare Verstärkung durch frische Truppen und waren ausgelaugt. Im Sommer 1918 kam es dann zur Gegenoffensive der Entente, welche die deutschen Truppen zum Rückzug zwangen und auch zu Durchbrüchen in der Frontlinie führten. Zugleich zeichnete sich auch der militärische Zusammenbruch der Mittelmächte insgesamt immer deutlicher ab.

Unter diesen Bedingungen wurde auch der Obersten Deutschen Heeresleitung klar, dass der Krieg nicht mehr fortgesetzt werden kann. Sie erklärte gegenüber der Führung des Deutschen Reiches, dass die Front nicht mehr lange gehalten werden könnte und forderte diese ultimativ auf, so schnell wie möglich einen Waffenstillstand zu schließen. Am 11.11.1918 wurde der Waffenstillstand von Compiegne zwischen dem Deutschen Reich auf der einen Seite und Frankreich und dem Vereinigten Königreich auf der anderen Seite geschlossen, welcher den Ersten Weltkrieg faktisch beendete. Durch separate Friedensverträge mit den Mittelmächten wurde der Ersten Weltkrieg darauf folgend auch formell beendet.

Besonderer Schwerpunkt: Serbien im Ersten Weltkrieges und die Entwicklung danach

Österreich-Ungarn erklärte mit Rückendeckung des Deutschen Reiches dem Königreich Serbien am 28.07.1914 den Krieg. Entsprechend war Serbien ein natürlicher Verbündeter der Entente. Die Kriegsziele Serbiens sahen die Herauslösung der von südslawischen Völkern besiedelten Gebiete des Kaiserreiches Österreich-Ungarn und die Vereinigung dieser Völker in einem gemeinsamen Staat vor. Diese serbischen Kriegsziele wurden allerdings vom serbischen Nationalismus geprägt, in dem es vor allem um die Vereinigung aller Serben in einem gemeinsamen Staat ging. In einem gemeinsamen Staat mit den anderen südslawischen Völkern sollte dieses Ziel dann verwirklicht werden, allerdings unter serbischer Vorherrschaft.

Die ersten Offensiven der österreich-ungarischen Truppen konnte Serbien unter großen Verlusten noch abwehren. Allerdings brach im Winter 1914/15 eine Seuche aus. Zudem forderten die verlustreichen Kämpfe und die schlechte Versorgungslage ebenfalls ihren Tribut. Insgesamt starben aufgrund dieser Umstände Zehntausende serbische Soldaten. Im Juli 1915 besetzte Serbien das benachbarte Albanien, um vor allem ein Rückzugsgebiet gegenüber den Truppen der Mittelmächte zu haben. Im Rahmen einer koordinierten Offensive zur Bereinigung der Balkanfront griffen im Oktober 1915 deutsche, österreich-ungarische und bulgarische Truppen Serbien von drei Seiten an. Die serbischen Truppen entgingen dabei nur knapp der völligen Vernichtung. Mit einem Verlust von weit über 90 Prozent ihrer ursprünglichen Stärke musste sie sich ans Meer zurückziehen. Die Mittelmächte besetzten daraufhin Serbien und errichteten dort ein restriktives Besatzungsregime. Gegen dieses Besatzungsregime nahmen die Serben einen Partisanenkampf auf.

Nach dem militärischen Zusammenbruch der Mittelmächte im Jahre 1918 war das Königreich Serbien wieder befreit und souverän. Bereits im Jahre 1917 nahm die serbische Regierung Verhandlungen mit den Slowenen, Kroaten und Serben von Österreich-Ungarn über die Bildung eines gemeinsamen südslawischen Staates auf. In der noch zu Österreich-Ungarn gehörenden kroatischen Stadt Zagreb hatte sich bereits während der Mitte des Ersten Weltkrieges ein Nationalrat der Slowenen, Kroaten und Serben formiert, welcher im Jahre 1918, nach dem Zusammenbruch Österreich-Ungarns, die Unabhängigkeit und den Eintritt ihres Siedlungsgebietes in einem gemeinsamen Staat mit dem Königreich Serbien erklärte. Dieser gemeinsame Staat wurde am 01.12.1918 als „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ proklamiert.

In diesem Staat setzten sich die zentralistisch gesinnten Serben gegenüber den föderalistisch eingestellten Kroaten und Slowenen durch. Dies führte zunächst zu politischen Spannungen zwischen den einzelnen südslawischen Völkern, die in einer Staatskrise mündeten. Im Jahre 1929 errichtete der serbische König Alexander eine Diktatur und nannte den gemeinsamen südslawischen Staat fortan „Königreich Jugoslawien“. In diesem Sinne hatten die Serben ihre Kriegsziele zunächst erreicht. Alle Serben waren in einem Staat vereint, der sich auch unter serbischer Vorherrschaft befand. Die anderen südslawischen Völker hatten das nachsehen. Ein serbisch-kroatischer Ausgleich im Jahre 1939 kam bereits zu spät und wurde von dem Beginn des Zweiten Weltkrieges überschattet. Durch den Angriff Deutscher Truppen brach im April 1941 das Königreich Jugoslawien aufgrund seiner Zerrissenheit auch von innen heraus auseinander. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der jugoslawische Staat unter kommunistischer Führung föderalistisch und unter Wahrung der Gleichberechtigung der jugoslawischen Völker neu organisiert.

Besonderer Schwerpunkt: Makedonien im Ersten Weltkrieg und die Entwicklung danach

Vor allem im Bereich Makedonien kam es im Prinzip zur Fortsetzung der zwei Balkankriege von 1912/13. Der Zweite Balkankrieg wurde hauptsächlich von Bulgarien auf der einen Seite und Griechenland und Serbien auf der anderen Seite um Makedonien geführt. Nach dem formellen Ende des Ersten Balkankrieges am 30.05.1913 erhielten Griechenland und Serbien die größten Teile von Makedonien und Bulgarien nur einen relativ kleinen Teil. Bulgarien fühlte sich um seinen gerechten Anteil an Makedonien betrogen und griff am 29.06.1913 ohne Kriegserklärung die griechischen und serbischen Truppen in Makedonien an. Allerdings waren die griechischen und serbischen Truppen vorbereitet, zudem schlossen sich auf der Seite Griechenlands und Serbiens noch Rumänien und das Osmanische Reich an. Schon innerhalb eines Monats musste sich Bulgarien geschlagen geben. Der Vertrag von Bukarest vom 10.08.1913 beendete formell den Zweiten Balkankrieg und bestätigte die

bestehende Aufteilung von Makedonien zugunsten von Griechenland und Serbien. Zunächst hielt Bulgarien sich aus dem Ersten Weltkrieg heraus und wurde von beiden Kriegsseiten, der Entente und den Mittelmächten, umworben. Um Bulgarien zu einem Kriegseintritt gegen die Mittelmächte zu bewegen bot die Entente Bulgarien den östlich vom Vardar gelegenen Teil von Makedonien an. Mehr war aus Rücksicht auf den Verbündeten Serbien nicht zu machen. Dieses Angebot reichte Bulgarien nicht aus, so dass es im Oktober 1915 an der Seite der Mittelmächte in den Krieg eintrat und sich so eine Befriedigung aller seiner Ansprüche erhoffte. Als weiterer Verbündeter trat auch das Osmanische Reich an die Seite der Mittelmächte in den Ersten Weltkrieg ein.

Im Rahmen des Krieges der Mittelmächte gegen Serbien besetzte Bulgarien den serbischen Teil von Makedonien sowie Teile des Kosovo und von Altserbien. Während der bulgarischen Besatzung wurde eine Politik der Bulgarisierung gegenüber der makedonischen Bevölkerung betrieben. So wurde unter anderem auf die makedonische Bevölkerung Druck ausgeübt, ihre Namen, die in der Regel mit „-ski“ endeten, auf „-ov“ enden zu lassen. Dies wäre dann eine typisch bulgarische Endung gewesen. Von der makedonischen Bevölkerung wurde diese Maßnahme jedoch wenig geschätzt. Unter der bulgarischen Besatzung gab es für die makedonische Bevölkerung keinerlei kulturelle Autonomie. Was vorher serbisch bzw. südserbisch war, wurde jetzt bulgarisch bzw. westbulgarisch. Diese Besatzungspolitik begünstigte neben anderen Faktoren die spätere Herausbildung einer eigenständigen makedonischen Nation.

Im November 1918 ging der Krieg für die Mittelmächte und damit auch für den Verbündeten Bulgarien verloren. Bulgarien musste den serbischen Teil von Makedonien wieder räumen, welches jetzt zum neuen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gehörte. Dieses Königreich war zentralistisch organisiert und wurde im Jahre 1929 in Königreich Jugoslawien umbenannt. Das makedonische Territorium wurde dort zunächst einfach als „Süd-Serbien“ bezeichnet. Die makedonische Bevölkerung galt dort entsprechend als süd-serbisch und wurde einer Politik der serbischen Assimilierung unterzogen. 1929 wurde das zentralistisch organisierte Jugoslawien in Banschaften (territoriale Verwaltungseinheiten) untergliedert, wobei das makedonische Gebiet als Vardar-Banovina bezeichnet wurde. Im Friedensvertrag von Neuilly vom 27.11.1919 wurde der Erste Weltkrieg für Bulgarien dann formell beendet. Die im Bukarester Vertrag von 1913 festgelegten Grenzen wurden im Wesentlichen bestätigt. Bulgarien musste allerdings das bisher bulgarisch-makedonische Strumica mit Umgebung an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen abtreten und verlor auch seinen Zugang zur Ägäis an Griechenland. Die Friedensverträge von Bukarest und Neuilly besiegelte vor allem das Schicksal Makedoniens und seiner Bevölkerung.

Der Großteil von Makedonien (67.313 km²) war nun zwischen Griechenland (Ägäisch-Makedonien, 34.800 km²) und Serbien (Vardar-Makedonien, 25.713 km²) aufgeteilt. Bulgarien blieb nur noch ein kleiner Teil von Makedonien (Pirin-Mazedonien, 6.800 km²). Diese territoriale Aufstellung von Makedonien ist im Wesentlichen auch heute noch gültig. Allerdings wurde aus dem serbischen Teil von Makedonien am 02.08.1944 der makedonische Staat gebildet, der sich als Gliedstaat bis zum 18.09.1991 im Rahmen einer jugoslawischen Föderation befand. Seitdem ist der makedonische Staat als „Republik Makedonien“ bzw. „Republik Nord-Makedonien“ein unabhängiges Völkerrechtssubjekt.

Nachbetrachtung

Aufgrund des Ersten Weltkrieges blieben einige entscheidende Fragen auf dem Balkan offen, die bis heute nachwirken. In vielen Staaten auf dem Balkan leben seitdem bedeutende ethnische Minderheiten, denen in der Regel zwischen den beiden Weltkriegen keine kulturellen Rechte gewährt wurden. Bis heute ist der Status von einigen Minderheiten in den Balkanstaaten nicht ausreichend geklärt und geregelt. Als Beispiel seien hier die ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Minderheit in Bulgarien und Griechenland genannt.

Serbien gehörte aufgrund des Sieges der Entente zu den Siegermächten des Ersten Weltkrieges. Im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen bzw. dem Königreich Jugoslawien waren die Serben das zahlenmäßig dominierende Volk und hatten auch die Vorherrschaft gegenüber den anderen südslawischen Völkern. Dieser Staat wurde aus diesem Grunde nur noch von den Serben, nicht jedoch von den anderen südslawischen Völkern getragen. Im Ergebnis kam es daher zu einem Scheitern des ersten jugoslawischen Staates. Die albanische Frage wurde zudem auch relevant. Bedeutende Teile des albanischen Volkes lebten außerhalb von Albanien, vor allem im nun zu Serbien gehörenden Kosovo und Vardar-Makedonien. Die ethnischen bzw. slawischen Makedonier, die Montenegriner und die slawischen Muslime wurden trotz ihrer besonderen kulturellen Entwicklung nicht als eigenständige Ethnien anerkannt.

Im zweiten jugoslawischen Staat sollte das aufgrund des Ersten Weltkriegs entstandene Völkergemisch mit ihren divergierenden Interessen in einem kooperativen Föderalismus eingebunden werden. Außerdem wurden zunächst die Makedonier sowie die Montenegriner und später auch die slawischen Muslime als eigenständige jugoslawische Völker anerkannt. Mit dem kooperativen Föderalismus, der durch zwei Verfassungsreformen in den Jahren 1963 und 1974 immer weiter ausgebaut wurde, sollten die Gegensätze zwischen den jugoslawischen Ethnien kanalisiert und zum Ausgleich gebracht werden. Der jugoslawische Föderalismus erhielt spätestens aufgrund der jugoslawischen Verfassungsrevision von 1974 seine stärkste Ausprägung. Allerdings stand dieser Föderalismus in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis zur kommunistischen Einparteienherrschaft. Des Weiteren entwickelten sich die föderalen Bestandteile Jugoslawiens wirtschaftlich immer mehr auseinander und begründeten damit Sonderinteressen einzelner jugoslawischer Völker. Aus der Wirtschaftskrise würde Ende der 80er Jahre dann eine Systemkrise. Jetzt divergierten auch die nationalen Interessen der einzelnen jugoslawischen Völker  und der albanischen Kosovaren auseinander.

In den Jahren 1991/1992 löste sich die jugoslawische Föderation auf. Zwischen den ethnischen Gruppen brach vor allem in den jugoslawischen Nachfolgerepubliken Kroatien und Bosnien und Herzegowina ein Krieg aus, der von Juni 1991 bis Ende 1995 andauerte. Bis auf Slowenien gibt es in allen Nachfolgestaaten bedeutende Minderheiten von anderen Volksgruppen, deren Status geregelt werden musste und zum Teil noch heute geregelt werden müsste. Das Kosovo spaltete sich nach einem Krieg (1998/99) und einer Übergangsverwaltungsmission durch die Vereinten Nationen (seit 1999) wiederum von Serbien ab, womit es faktisch zwei albanische Staaten gibt. Die albanische Volksgruppe in der Republik Nord-Makedonien bekam ebenfalls nach einem bewaffneten Konflikt im Jahre 2001 aufgrund des Rahmenabkommens von Ohrid vom 13.08.2001 staatsrechtlich sehr weitgehende Rechte zugestanden. Dennoch bleibt auch in der Republik Nord-Makedonien einiges zur Verbesserung der Situation der ethnischen Gemeinschaften zu tun. Neben der albanischen Gemeinschaft gibt es auch andere ethnische Gemeinschaften in der Republik Nord-Makedonien.

In Serbien gibt es auch bedeutende Minderheiten. Ein besonderes Gebiet in dem viele Minderheiten leben ist die Vojvodina. Diese hat allerdings im Rahmen der Republik Serbien den Status einer autonomen Provinz. In Bosnien und Herzegowina leben bedeutende Anteile von Muslimen, Kroaten und Serben zusammen. Sie haben alle divergierende und nicht miteinander im Einklang zu bringende Ansichten über die staatsrechtlichen Organisation von Bosnien und Herzegowina, die ein Relikt des Krieges (1991 – 1995) und ineffektiv ist. Ebenfalls bedeutende Minderheiten, vor allem Serben, leben in Kroatien. Diese Aufzählung ist nicht vollständig.

Im Ergebnis kann festgestellt werden: In allen Balkanstaaten überlappen sich die Siedlungsgebiete von ethnischen Gruppen. Kein Balkanstaat könnte so abgegrenzt werden, dass eine Volksgruppe komplett in ihrem Staat leben könnte und gleichzeitig keine wesentlichen Minderheiten in diesem Staat leben würden. Das ist im Prinzip eine Hinterlassenschaft des Ersten Weltkrieges. Oder anders ausgedrückt: Europa hat die Hinterlassenschaften des Zweiten Weltkrieges gut bewältigen können, tut sich jedoch immer noch schwer damit die Hinterlassenschaften des Ersten Weltkrieges zu bewältigen. Doch rund 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieges gibt es zumindest eine friedliche Alternative, der alle Völker des Balkans grundsätzlich zustimmen: Die europäische Einigung. Im Rahmen der Europäischen Union (EU) wären alle Völker gleichberechtigt und souverän unter einem Dach vereint.