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Der Namen „Makedonien“ als staatsrechtliche Bezeichnung für die „Republik Makedonien“

von Andreas Schwarz

Aufgrund des Prespa-Abkommens vom 17.06.2018 und einer daraus resultierenden Änderung der makedonischen Verfassung vom 11.01.2019 heißt die Republik Makedonien seit dem 12.02.2019 im staats- und völkerrechtlichen Verkehr „Republik Nord-Makedonien. Dies ist nach „Volksrepublik Makedonien“ (1944 – 1963), „Sozialistische Republik Makedonien“ (1963 – 1991) und „Republik Makedonien“ (1991 – 2019) die vierte amtliche Bezeichnung für den am 02.08.1944 gegründeten makedonischen Staat. Nicht hinzugerechnet wurde die provisorische Bezeichnung im Rahmen der Vereinten Nationen „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ (1993 – 2019).

Hintergrund

Am 15.04.1991 änderte das makedonische Parlament den Staatsnamen von „Sozialistische Republik Makedonien“ in „Republik Makedonien“ (Republika Makedonija) um, wobei diese Namensänderung am 07.06.1991 in Kraft trat. Zu dieser Zeit war die Republik Makedonien noch staatsrechtlicher Bestandteil der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“). Erst nach einem Referendum am 08.09.1991, bei dem sich 75 % (bei einer Wahlbeteiligung von 90 %) der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien für die Unabhängigkeit von der SFRJ aussprachen, erfolgte am 18.09.1991 die formale Unabhängigkeitsklärung der Republik Makedonien.

Bereits im Mai 1991 kündigte die Hellenische Republik (Griechenland) an, dass sie eine internationale Anerkennung der Republik Makedonien unter ihrem verfassungsmäßigen Namen verhindern wolle. Damit war der sogenannte Namensstreit geboren, der erst im Jahr 2019 endgültig gelöst werden konnte. Am 07.04.1993 nahmen die Republik Makedonien und die Hellenische Republik ein Vermittlungsangebot der Vereinten Nationen (UN) an, um die UN-Mitgliedschaft der Republik Makedonien zu ermöglichen. Gemäß der Resolution 817 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 07.04.1993 wurde die Republik Makedonien per Akklamation von der UN-Vollversammlung am 08.04.1993 unter der vorläufigen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ („EJRM“) in die Vereinten Nationen aufgenommen. Der endgültige Name der Republik Makedonien sollte in bilateralen Verhandlungen zwischen ihr und der Hellenischen Republik im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen gefunden und festgelegt werden. In internationalen Organisationen wurde zwischen 1993 und 2019 die vorläufige Bezeichnung „EJRM“ verwendet, im bilateralen völkerrechtlichen Verkehr verwendeten die meisten Staaten die verfassungsmäßige  Bezeichnung „Republik Makedonien“ und nur ein Teil der Staaten die vorläufige Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“.

Der Ursprung des Namens „Makedonien“

Der Name „Makedonien“ leitet sich von den antiken Makedoniern ab, die nach 1200 vor Christus in das Gebiet des antiken Makedonien einwanderten. Die antiken Makedonier (auch „Makedonen“ genannt) waren ein indogermanischer Volksstamm, der heute nicht mehr existiert. Nach der vorherrschenden Auffassung waren die antiken Makedonier ein mit Illyriern und wohl auch Thrakern vermischter antiker griechischer Volksstamm. Der Name „Makedone“ stammt vom Wort „Maknos“ ab, was soviel wie „lang“ oder „hoch“ bedeutet. Dies kann sich sowohl darauf beziehen, dass die Makedonen von hoch oben aus dem Norden kamen als auch auf ihren Körperbau. Das Wort Maknos bedeutet auch soviel wie „weit“, so dass der Name Makedonien auch soviel wie „weites Land“ bedeuten kann. Im Gegensatz zum gebirgigen Griechenland besteht Makedonien unter anderem aus weiten Ebenen. 

Der Name „Makedonien“ überlebte die antiken Makedonier als Territorialbezeichnung bis heute. So verwendeten die Römer die Bezeichnung „Makedonien“ für einer ihrer Provinzen. Die materielle Bedeutung des Territorialbegriffs „Makedonien“ änderte sich jedoch im Laufe der Zeit. Schon die römische Provinz Makedonien umfasste Gebiete die nicht zu den Gebieten des antiken Makedoniens gehörten, während Teile des antiken makedonischen Territoriums auch in anderen römischen Provinzen aufgingen. Auch das heutige Territorium von Makedonien  unterscheidet sich vom Territorium des antiken Makedoniens.

Das makedonische Territorium im heutigen Sinne

Die Definition des geografischen Makedoniens im heutigen Sinne hat mit dem Territorium des antiken Makedoniens nur noch zum Teil zu tun. Die Abgrenzungen des makedonischen Territoriums im heutigen Sinne ergaben sich aus der geopolitischen Situation ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Als Makedonien wurde jene europäische Region bezeichnet, die zuerst unter osmanischer Herrschaft gelangte und am längsten unter dieser Herrschaft blieb. Geographisch ist das makedonische Territorium im heutigen Sinne im Osten vom Mestafluß und den Westhängen des Rhodopegebirges begrenzt, schließt dabei Richtung Westen das Piringebirge und das Strumatal mitein, erstreckt sich dann bis zum Šar-Planina-Massiv, über den Ohrid- und Prespasee in südlicher Richtung geht das makedonische Territorium bis zum Gammosmassiv und wird im Südosten von einer Linie begrenzt, die beim Olymp an die Bucht von Thessaloniki stößt sowie die Halbinsel Chalkidike mit einschließt.

Völkerrechtlich wurde das makedonische Territorium im heutigen Sinne dabei seit 1878 von den bereits vom Osmanischen Reich unabhängigen Staaten Bulgarien, Griechenland und Serbien eingegrenzt.  Nach dem Ersten und Zweiten Balkankrieg wurde das makedonische Territorium im heutigen Sinne (67.313 km²) gemäß dem Vertrag von Bukarest vom 10.08.1913 zwischen den Staaten Bulgarien (Pirin-Makedonien, 6800 km²), Griechenland (Ägäisch-Makedonien, 34.800 km²) und Serbien (Vardar-Makedonien, 25.713 km²) aufgeteilt. Diese Aufteilung besteht heute im Wesentlichen noch fort, wobei auf dem Gebiet von Vardar-Makedonien heute die Republik Nord-Makedonien besteht.

Die staatsrechtliche Entwicklung des Begriffes „Makedonien“ seit 1912

Im bulgarischen Teil von Makedonien (Pirin-Makedonien) wurde die Bezeichnung Makedonien staatsrechtlich nur in den Jahren 1947 und 1948 verwendet, als die Volksrepublik Bulgarien kurzzeitig eine makedonische Nation mit kulturellen Autonomierechten in Pirin-Makedonien anerkannt hatte. Sonst wurde und wird staatsrechtlich die Bezeichnung „Kreis Blagoewgrad“  verwendet.

In der Hellenischen Republik wurde 1912 im griechischen Teil von Makedonien (Ägäisch-Makedonien) das „Generalgouvernement Makedonien“ als Verwaltungseinheit mit Sitz in Thessaloniki eingerichtet. Im Jahre 1928 wurde der Generalgouverneur von Makedonien in den Ministerrang erhoben. Desweiteren erfolgte eine Untergliederung des Generalgouvernement Makedonien in die drei Generalgouvernements „West-Makedonien“, „Zentral-Makedonien“ und „Ost-Makedonien“, wobei die Generalgouverneure von West- und Ost-Makedonien nicht in den Ministerrang erhoben wurden. 1945 ernannte der damaligen griechische Ministerpräsident Nikolaos Plastiras drei stellvertretende Minister zu Generalgouverneuren von West-, Zentral- und Ost-Makedonien.

1950 wurden unter dem damaligen griechischen Ministerpräsidenten Sophoklis Venizelos die drei Generalgouvernements in der griechischen Region Makedonien zum  „Generalgouvernement  Nordgriechenland“ zusammengefasst und 1955 wurde unter dem damaligen griechischen Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis das „Ministerium für Nordgriechenland“ geschaffen.  Staatsrechtlich bzw. amtlich wurde der Name „Makedonien“ für die griechische Region Makedonien von 1950 bis 1985 nicht verwendet. Nur informell wurde die Bezeichnung Makedonien weiterhin für die griechische Region Makedonien verwendet.

1985 oder 1987 (je nach Quelle) wurde das Ministerium für Nordgriechenland in „Ministerium für Makedonien und Thrakien“ umbenannt. 1987 wurde die Hellenische Republik im Zuge des EG-Föderprogramms „Europa der Regionen“ in Verwaltungsregionen untergliedert, darunter die drei Verwaltungsregionen „West-Makedonien“, „Zentral-Makedonien“ und „Ost-Makedonien-Thrakien“. Damit war der Name „Makedonien“ staatsrechtlich bzw. amtlich wieder in der Hellenischen Republik eingeführt worden. Die Verwaltungsregionen dienten der unmittelbaren staatlichen Verwaltung nach regionalen Gesichtspunkten durch die Regierung der Hellenischen Republik und hatten kaum eigenständige Selbstverwaltungskompetenzen.

Seit dem 01.01.2011 besteht die Hellenische Republik aus dreizehn Regionen mit Selbstverwaltungskompetenzen, die über eigene Regionalparlamente (Regionalräte) und eine gewählte Generalgouverneurin (Regionalpräsidentin) oder einen  gewählten Generalgouverneur (Regionalpräsident) verfügen. In griechischen Teil von Makedonien bestehen seit dem 01.01.2011 die Regionen „West-Makedonien“, „Zentral-Makedonien“ und „Ost-Makedonien-Thrakien“.

Der serbische Teil von Makedonien (Vardar-Makedonien) wurde sowohl in Serbien (1912 – 1918) als auch im „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ (1918 – 1929) zunächst als „Südserbien“ bezeichnet. Mit dem Gesetz über die Neueinteilung des Königreiches vom 03.10.1929 wurde das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen in „Königreich Jugoslawien“ umbenannt und in 33 Banschaften (Banovine) untergliedert. Aus dem Gebiet von Vardar-Makedonien bzw. von Südserbien wurde die „Banschaft Vardar“ gebildet. Die Bezeichnung Banschaft leitet sich vom Begriff „Ban“ ab, der im Kroatien des Mittelalters und in Ungarn ursprünglich den höchsten Würdenträger nach dem König bezeichnete und später für die Gouverneure bestimmter, mehr oder weniger autonomer Teile des Königreiches benützt wurde. Die Banschaften im Königreich Jugoslawien (1929 – 1941) wurden in der Regel nach Flüssen benannt und ihre Abgrenzungen erfolgten weder nach ethnischen noch nach historischen Gesichtspunkten.

Erst durch die kommunistische Partisanenbewegung unter Josep Broz Tito änderte sich auch die staatsrechtliche Situation für Vardar-Makedonien. Auf der zweiten Sitzung des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens am 29.11.1943 wurden die ethnischen bzw. slawischen Makedonier erstmals als gleichberechtigt mit den übrigen jugoslawischen Völkern und damit als eigenständige Nation anerkannt. Mit dieser Anerkennung war auch die Schaffung eines makedonischen Staates innerhalb eines jugoslawischen Bundesstaates verbunden. Mit dieser Entscheidung wurde der Name „Makedonien“ staatsrechtlich im damaligen Jugoslawien als Bezeichnung für den makedonischen Staat auf dem Gebiet von Vardar-Makedonien eingeführt.

Am 02.08.1944 wurde im Kloster Prohor Pčinski die erste Tagung der „Antifaschistischen Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens“ eröffnet und damit der Schlussakt zur Gründung eines makedonischen Staates innerhalb eines föderativen Jugoslawiens eingeleitet. Die „Volksrepublik Makedonien“ wurde formell am 30.04.1945 innerhalb der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ proklamiert und danach konstituiert . Am 07.07.1963 traten die am 07.03.1963 beschlossenen Änderungen der Staatsnamen der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien und der Volksrepublik Makedonien in Kraft; nach diesen Änderungen waren die offiziellen Staatsnamen „Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien“ und „Sozialistische Republik Makedonien“.

Am 15.04.1991 änderte das makedonische Parlament den Namen von Sozialistische Republik Makedonien in „Republik Makedonien“ um. Diese Namensänderung trat am 07.06.1991 in Kraft. Am 18.09.1991 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung unter der Bezeichnung „Republik Makedonien“. Aufgrund des Prespa-Abkommens mit Griechenland vom 17.06.2019 wurde die Verfassung der Republik Makedonien am 11.01,2019 geändert. Diese Änderung trat am 12.02.2019 in Kraft. Seitdem heißt die Republik Makedonien im staats- und völkerrechtlichen Verkehr „Republik Nord-Makedonien“.

Fazit

Das Territorium der „Republik Nord-Makedonien“ befindet sich auf dem Gebiet der geographischen Region Makedonien im heutigen Sinne. Die heutige Bevölkerung Makedoniens leitet ihre Bezeichnung zum Teil von der geographischen Region Makedonien im heutigen Sinne ab. Die ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation leiten ihre staatsrechtliche Bezeichnung als „Makedonier“ von der Region Makedonien ab. Die griechischen Makedonier als Bestandteil der Hellenischen Nation leiten ihre regionale Bezeichnung ebenfalls von der Region Makedonien ab.

Staatsrechtlich und völkerrechtlich muss hierbei unterschieden werden zwischen der Republik Nord-Makedonien als Völkerrechtssubjekt und der griechischen Region Makedonien als Bestandteil der Hellenischen Republik. Entsprechend muss völker- und staatsrechtlich zwischen ethnischen bzw. slawischen Makedoniern als Nation und griechischen Makedoniern als Bestandteil der Hellenischen Nation unterschieden werden. Von den nicht mehr existierenden antiken Makedoniern erhielt die Region Makedonien ihren Namen, auch wenn sich das heutige makedonische Territorium von dem des antiken Makedoniens unterscheidet. Die heutigen Makedonier leiten wiederum ihre Bezeichnung von der heutigen Region Makedonien ab.

Die  Bezeichnungen „Makedonien“ und „Makedonier“ kommen aus der antiken makedonischen Sprache.  Die antike makedonische Sprache ist nur noch aus Personen- und Ortsnamen sowie aus Glossen bekannt. Ob die Sprache der antiken Makedonier ein antiker griechischer Dialekt oder eine eigenständige Sprache war, die mit der antiken griechischen Sprache verwandt war, ist bis heute noch nicht abschließend geklärt. Die bisherigen bekannten Überreste der antiken makedonischen Sprache können sowohl auf einen antiken griechischen Dialekt als auch auf eine eigenständige Sprache hindeuten, die mit der antiken griechischen Sprache verwandt war. 

Das heutige Makedonien hat definitiv einen anderen Charakter als das antike Makedonien. Daher sollte das antike Makedonien vor allem als historischer Namensgeber für die Region Makedonien verstanden werden. Die Bedeutung des antiken Makedoniens für den Hellenismus ist weitgehend unbestritten, sollte jedoch auf den verfassungsmäßigen Namen „Republik Nord-Makedonien“ keinen Einfluss haben. Die Republik Nord-Makedonien ist durch ihre staatsrechtliche Bezeichnung auch auf völkerrechtlicher Ebene geographisch klar definiert. Hier hätte auch die bisherige amtliche Bezeichnung „Republik Makedonien“ zur Abgrenzung gegenüber der griechischen Region Makedonien vollkommen ausgereicht. Schon aus der bisherigen staatsrechtlichen Bezeichnung „Republik Makedonien“ leiten sich daher völkerrechtlich und politisch betrachtet keine territorialen Ansprüche auf die griechische Region Makedonien ab.

Der sogenannte Namensstreit war und blieb irrational, auch wenn nach der mehrheitlichen Auffassung das antike Makedonien und die antiken Makedonier der hellenischen Kultur und Geschichte zugerechnet werden. Die Art des antiken Makedoniens und die Art der antiken Makedonier präjudizieren nicht uneingeschränkt die Art des heutigen Makedoniens und die Art der heutigen Makedonier. Es muss klar differenziert werden zwischen dem antiken Makedonien und den antiken Makedoniern sowie dem heutigen Makedonien  und den heutigen Makedoniern. Auch muss klar differenziert werden zwischen der Republik Nord-Makedonien und der mit ihr assozierten ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation sowie der griechischen Region Makedonien und der mit ihr assozierten griechischen Makedonier als Bestandteil der Hellenischen Nation. Dieses Differenzieren nach historischen und ethnischen Gesichtspunkten auf der einen Seite und rationalen und völkerrechtlichen Gesichtspunkten auf der anderen Seite ergibt eine effektive differenzierte Sichtweise und wird damit auch dem mehrdimensionalen Charakter Makedoniens gerecht.

Die Existenz der Republik Nord-Makedonien und der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation sowie die Existenz der griechischen Region Makedonien (West-Makedonien, Zentral-Makedonien, Ost-Makedonien-Thrakien) und der griechischen Makedonier als Bestandteil der Hellenischen Nation sind ein Ausdruck des mehrdimensionalen Charakters vom heutigen Makedonien. Alles andere wäre eine Verkennung der Realitäten und sollte daher nicht weiter angestrebt werden. Der zugrundeliegende Kulturstreit um „Makedonien“ lässt sich nur materiell (inhaltlich) auf akademischer Ebene und auf Basis des Völkerrechts klären und lösen. Dies wiederum kann nur im Rahmen eines neutralen und unabhängigen Expertengremiums unter Beteiligung der betroffenen Parteien erfolgen.