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Die griechische Revolution vor 200 Jahren: Die Geburt der modernen griechischen Nation

von Andreas Schwarz

Der 25.03.1821 markiert den Beginn der griechischen Revolution und ist Nationalfeiertag in der Hellenischen Republik. Die griechische Revolution führte im Ergebnis zur Herausbildung der heutigen modernen griechischen Nation und zur Gründung eines griechischen Nationalstaates. Die hellenische Nation und ihr Nationalstaat bauen dabei auf die hellenische Kultur und Geschichte auf.  Im Selbstverständnis der heutigen Griechen ist die heutige hellenische Nation eine kontinuierliche Entwicklung der hellenischen Kultur und Geschichte von der Antike bis heute.

Hintergrund

Vor vielen modernen Nationen auf dem Balkan standen zunächst Revolutionen und Befreiungskämpfe. Daraus resultierten nationale Evolutionen im Rahmen von sich dynamisch entwickelnden Staaten. Im 19. Jahrhundert erwachten die Völker des Balkans und erreichte ihre Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. Neben den Griechen waren es die Bulgaren, Montenegriner und Serben. Andere Völker, wie etwa die Albaner und die ethnischen bzw. slawischen Makedonier, erreichten ihre Anerkennung erst im 20. Jahrhundert. Im Falle der ethnischen bzw. slawischen Makedonier dauert ihr Kampf um Anerkennung sogar bis ins 21. Jahrhundert an.

Schauen wir zunächst auf die ethnischen bzw. slawischen Makedonier. Gründe für die Herausbildung der heutigen Nation der ethnischen bzw. slawischen Makedonier waren unter anderem der Berliner Kongress im Jahre 1878 und die Gründung der „Inneren Makedonischen Revolutionären Organisation (IMRO)“ am 23.10.1893. Ein Höhepunkt dieser Entwicklung war der sogenannte „Ilinden-Aufstand“ am 02.08.1903, der zur Bildung der kurzzeitigen unabhängigen „Republik von Kruševo“ führte. Dieser Aufstand wurde nach nur zwölf Tagen von osmanischen Truppen wieder niedergeschlagen. Das Ende dieser Entwicklung markierte die staatsrechtliche Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation auf der zweiten Sitzung des „Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens“ am 29.11.1943 sowie der Gründungsakt des makedonischen Staates im Rahmen einer kommunistisch-jugoslawischen Föderation auf der ersten Tagung der „Antifaschistischen Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens“ am 02.08.1944 im Kloster Prohor Pčinski.

Die heutige hellenische Nation ist ein Produkt des 19. Jahrhunderts, auch wenn diese Nation auf eine Jahrtausende umfassende Geschichte und Kultur aufbauen kann. Seit dem Fall Konstantinopels, der Hauptstadt des damaligen Byzantinischen Reiches, am 29.05.1453 befanden sich die Griechen unter osmanischer Herrschaft.  Diese Herrschaft dauerte im Jahre 1821 fast schon 400 Jahre an. Während der osmanischen Herrschaft blieben die griechische Kultur und das griechische Gesellschaftsleben weitgehend erhalten

Der Beginn der  griechische Revolution (1821)

Die Filiki Etairia (griechisch für Freundschaftsbund) plante die Revolution am 25.03.1821 aus drei verschiedenen Orten gleichzeitig zu entfachen: Die Peloponnes, Konstantinopel und das Fürstentum Moldau. Hinter dieser Revolution stand zu dieser Zeit allerdings noch nicht die gesamte griechische Bevölkerung, da für viele der Begriff der Nation noch zu abstrakt war. Auch war der dritte Ort der beginnenden Revolution, das Fürstentum Moldau, überwiegend rumänisch besiedelt und nicht griechisch. Als Alexander Ypsilantis mit 450 Mann in der Moldau einmarschierte, leisteten die  Rumänen widerstand, griffen die Griechen und nicht die osmanischen Besatzer an. Der Einmarsch in der Moldau scheiterte und Alexander Ypsilantis zog sich nach Österreich zurück, wo er schließlich in Wien starb.

Auch der Aufstand in Konstantinopel wurde niedergeschlagen und der griechisch-orthodoxe Patriarch zur Strafe durch die Osmanen erhängt. Der neue griechisch-orthodoxe Patriarch und andere kollaborierende Patrioten verurteilten darauf hin die griechische Revolution.

Nur auf der Peloponnes wurde die griechische Revolution zu einem Erfolg. Die ganze Peloponnes wurde durch die griechischen Revolutionäre eingenommen und die muslimische Bevölkerung dabei vertrieben. Die osmanischen Truppen verfuhren entsprechend mit der griechischen Bevölkerung auf der griechischen Halbinsel. Nach der Befreiung der Peloponnes wurde am 20.12.1821 in Nea Epidavros die erste griechische Nationalversammlung eröffnet.

Der Verlauf der griechischen Revolution (1821 – 1825)

Nach dem erfolgreichen Verlauf der Revolution auf der Peloponnes blieb die Lage bis 1825 unverändert und die Fronten im Süden Griechenlands verhärtet. Weder die osmanische Seite noch die griechische Seite war stark genug, um militärisch eine Veränderung der Situation herbeizuführen. Der osmanischen Seite stand keine große Flotte zur Verfügung, so dass sie von ihren Basen in Thessalien aus ihren Weg an der Küste in Richtung Süden bahnen mussten. Da  eine Überwinterung an der Grenze zur Peloponnes nicht möglich war, mussten sie im Herbst wieder zurückmarschieren.

Die griechische Seite wiederum verfügte über keine organisierte Armee, welche für einen erfolgreichen Vorstoß in den Norden nötig gewesen wäre. Sie vermochten nur aufgrund der logistischen Probleme der osmanischen Truppen die Peloponnes zu verteidigen. Ein weiterer Grund für das verharren der Fronten war ein Streit unter den Griechen um die Führung innerhalb der griechischen Revolution. Es bildeten sich zwei Lager heraus: Die bewaffneten Landarbeiter und die früheren Klephten sahen in Theodoros Kolokotronis ihren Anführer und bildeten das eine Lager. Das andere Lager wurde von den Führern der Nationalversammlung Alexandros Mavrokordatos und Georgios Kountouriotis sowie ihren Anhängern gebildet.

Ein letzter Grund für das verharren der Fronten waren die Interessen vom Vereinigten Königreich von Großbritannien und Irland, von Frankreich und von Russland. Sie hatten vor allem finanzielle Interessen im Osmanischen Reich und versuchten diese durch Interventionen sicherzustellen. Auch die verschiedenen strategische Interessen der drei Mächte spielten dabei eine große Rolle, so dass die Beibehaltung des Status Quo die bevorzugte Lösung war.

Die Endphase der Revolution (1825 – 1830)

Das Eingreifen von fremden Mächten, sowohl zugunsten der griechischen Seite als auch zugunsten der osmanischen Seite, bestimmte die Endphase der griechischen Revolution.

Im Jahr 1825 sicherte der osmanische Sultan den Ägyptern die Herrschaft über die osmanisch besetzten ägyptischen Gebiete zu, worauf ein ägyptisches Herr unter der Führung von Mehmet Ali den Osmanen zur Hilfe eilte. Das ägyptische Herr landete in der Peloponnes und eroberte den Hafen von Navarino. Es wäre jetzt ein leichtes gewesen die ganze Peloponnes von den zerstrittenen Griechen zurückzuerobern und damit die griechische Revolution zu beenden. Die europäischen Mächte waren jedoch nicht dazu bereit die Herrschaft über Griechenland und Ägypten Mehmet Ali zu überlassen und griffen so zugunsten der Griechen ein. Die europäischen Mächte vereinigten ihre Kräfte und stellten eine gemeinsame Flotte auf. Mit dieser Flotte wurde im Oktober 1827 in der Schlacht von Navarino die gegnerische Flotte vernichtend geschlagen und damit der osmanisch-ägyptische Einfluss auf der Peloponnes beendet.

Der Russisch-Türkische Krieg (1828 – 1830) bildete den Schlussakt der griechischen Revolution. Nach dem Einmarsch von russischen Truppen in das Osmanische Reich kapitulierte der Sultan und im Jahr 1830 wurde im Rahmen des Londoner Protokolls die Errichtung des ersten modernen griechischen Staates seit dem Ende des Byzantinischen Reiches im Jahre 1453 beschlossen. Dieser Staat wurde als kleines und unabhängiges griechisches Königreich gegründet.

Das Ergebnis der Revolution

Auf Druck der europäischen Mächte wurde eine Monarchie unter dem aus Bayern stammenden König Otto errichtet. Dieser identifizierte sich nach kurzer Zeit mit seiner neuen Heimat und erlernte die griechische Sprache in Wort und Schrift. Die griechische Revolution stand zur Zeit ihrer Planung noch für fortschrittliche und aufgeklärte Ideale.

Der neue griechische König Otto hatte jedoch noch eine absolutistische Erziehung erhalten. Auch wenn es ihm gelang wohlhabende Auslandsgriechen zu Investitionen und zur Gründung von Stiftungen in Griechenland zu bewegen, blieb die absolutistische Herrschaft des Königs den Griechen fremd. Erst durch Druck von Seiten der Bevölkerung wurde eine Verfassung für den neuen griechischen Staat verabschiedet. Die Ehe von König Otto mit Amalia blieb kinderlos und unter seiner Führung erreichten die Staatsfinanzen einen desolaten Zustand. Dieser Zustand war unter anderem durch die Errichtung von Prestigeprojekten herbeigeführt worden. Ausländische Mächte, vor allem das Vereinigte Königreich, griffen immer mehr in die Führung des Landes ein und schließlich musste König Otto abdanken.

Sein Nachfolger König Georg konnte die Erfolge seines Vorgängers für sich nutzen und das griechische Staatsgebiet ausdehnen, in dem Griechenland weitere osmanisch beherrschte griechische Gebiete aus dem zerfallenden Osmanischen Reich zurückeroberte.

Die Geburt der modernen griechischen Nation

Die Evolution der heutigen griechischen Nation aus der hellenischen Kultur und dem griechischen Gesellschaftsleben unter der osmanischen Oberhoheit ist fest mit der Etablierung des griechischen Staates verbunden. Nach dem endgültigen Fall des Byzantinischen Reiches im Jahr 1453 ließen sich die griechischen Gelehrten in ganz Europa nieder und lehrten dabei die altgriechische Sprache und Schriften. Die osmanische Besatzungspolitik veranlasste weitere Griechen zur Migration aus ihrer Heimat, so verließen unter anderem viele griechische Kaufleute ihre Heimat.

Ab dem 17. Jahrhundert gelang es eine größere Anhängerschaft für die Befreiung Griechenlands zu gewinnen. Unter dieser Anhängerschaft waren vor allem Bürgerliche und Intellektuelle. Dies wurde besonders sichtbar durch den Philhellenismus und durch die Hellenisierung von Namen. Der Philhellenismus fand auch viele Anhänger unter den europäischen Mächten. Doch wollten diese zunächst nicht ihre Beziehungen zum Osmanischen Reich gefährden. Erst als dieses immer schwächer wurde und sich der Zerfall des Osmanischen Reiches abzeichnete, wurde der griechische Freiheitskampf auch durch die europäischen Mächte unterstützt.

Doch der Einfluss der europäischen Mächte auf den neuen griechischen Staat blieb den Griechen ebenso befremdlich wie die osmanische Besatzung. Letztendlich besannen sich die Griechen auf ihre ursprüngliche Kultur und ihr ursprüngliches Gesellschaftsleben und formten dadurch die heutige griechische Nation. Die moderne griechische Nation ist keine Abbildung des antiken Griechenlands in die heutige Zeit, sie baut jedoch auf den Hellenismus auf wie er sich von der Antike bis heute entwickelt hat.

Im Falle Makedoniens haben wir zusätzlich noch eine besondere Entwicklung. Erst nach zwei Balkankriegen in den Jahren 1912/13 kamen die heutigen griechischen Teile von Makedonien und Thrakien vom Osmanischen Reich zu Griechenland. In diesem Teil des geographischen Makedonien bildeten die griechischen Makedonier mit einer eigenen Regionalidentität einen Teil der hellenischen Nation. Im serbischen bzw. jugoslawischen Teil von Makedonien bildeten sich die ethnischen bzw. slawischen Makedonier als eigenständige Nation heraus. Der makedonische Staat wurde im Jahr 1944 als Gliedstaat der kommunistisch-jugoslawischen Föderation gegründet und ist heute als Republik Nord-Makedonien ein anerkanntes Völkerrechtssubjekt. Sowohl die hellenische Nation einschließlich der griechischen Makedonier als auch die Nation der ethnischen bzw. slawischen Makedonier sind eine kulturelle Bereicherung für die europäische Kultur und Geschichte. Ihren Kampf um die kulturelle Identität Makedoniens konnten sie formell durch das Prespa-Abkommen vom 17.06.2018 beilegen. Dieses Abkommen schafft Mechanismen den Kulturkampf um Makedonien auch objektiv-wissenschaftlich zu klären und daraus resultierend politisch beizulegen.

Fazit

Die heutige griechische Nation ist das Ergebnis einer erfolgreichen Revolution, welche am 25.03.1821 ihren Anfang nahm. Geistig geprägt ist diese Nation vom Hellenismus, welcher die Jahrtausende umfassende griechische Geschichte und Kultur umfasst. Der Hellenismus führte zu einer Entwicklung und Verbreitung der griechischen Kultur, welche weit über das heutige Griechenland hinauswirkt. Damit leistet Griechenland einen wertvollen Beitrag zur europäischen Kultur und Geschichte.