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Die Proklamation und Entwicklung der „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ (1945 – 1963)

von Andreas Schwarz

Die am 11.11.1945 über eine Einheitsliste gewählte verfassungsgebende Versammlung proklamierte am 29.11.1945 die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ („FVRJ“). In der verfassungsgebenden Versammlung gehörten 470 von 510 Mitgliedern der kommunistischen Volksfront an. Mit dieser Proklamation wurde die Monarchie in Jugoslawien formell abgeschafft. Das faktisch im April 1941 untergegangene „Königreich Jugoslawien“ war damit auch offiziell Geschichte geworden. Während das Königreich Jugoslawien noch zentralistisch organisiert war, gliederte sich die Föderative Volksrepublik Jugoslawien in sechs Volksrepubliken. Innerhalb der damaligen Volksrepublik Serbien gab es noch das autonome Gebiet Kosovo und die autonome Provinz Vojvodina. Allerdings gab es in der FVRJ und ihren Volksrepubliken nur kommunistische Einparteienherrschaften.

Zunächst lehnte sich das kommunistische Jugoslawien politisch und staatsorganisatorisch noch an die Sowjetunion an. Im Jahr 1948 kam es zum Bruch zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion sowie den Staaten des Ostblocks, woraufhin es wirtschaftlich und militärisch vom Westen unterstützt wurde. Seitdem entwickelte Jugoslawien sein eigenes gesellschaftspolitisches Modell eines Sozialismus, welches Titoismus genannt wurde und blieb blockfrei. Mit diesem Modell wurde schrittweise eine tatsächliche Selbstverwaltung der Arbeiterinnen und Arbeiter eingeführt, wie es sie im Ostblock nicht gab. Des Weiteren wurde die politische Teilhabe der jugoslawischen Bürgerinnen und Bürgern gestärkt: Sie bekamen im sozialistischen Staatssystem sowohl Rechte als auch Pflichten zuerkannt und der Staat wurde im Laufe der Jahre immer stärker dezentralisiert. Dennoch gab es aufgrund der Einparteienherrschaft keinen politischen Pluralismus und aufgrund des staatlichen Systems auch keine wirkliche Demokratie.

Vorgeschichte

Nach der militärischen Besetzung und Zerschlagung des Königreiches Jugoslawien durch das Deutsche Reich im April 1941 rief das Zentralkomitee der 1919 gegründeten und seit Ende 1920 illegalen „Kommunistischen Partei Jugoslawiens“ („KPJ“) am 04.07.1941 zum allgemeinen Aufstand auf. Vorsitzender der KPJ war seit dem 20.10.1937 Josip Broz Tito. Damit begann der sogenannte Volksbefreiungskampf durch kommunistische Partisanen auf dem Gebiet des ehemaligen Königreiches Jugoslawien unter der Führung von Tito. Am 26.11.1942 kam es nach einem Aufruf von Tito im bosnisch-herzegowinischen  Bihać zur Gründung des „Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens“ („AVNOJ“), einem legislativen und exekutiven Führungsgremium der kommunistisch-jugoslawischen Partisanen. Damit etablierten die kommunistisch-jugoslawischen Partisanen eine Art Kriegsparlament und Kriegsregierung. Zwischen den Sitzungen des AVNOJ nahm ein Präsidium unter Führung Titos dessen Befugnisse wahr.

Das Jahr 1943 war für die kommunistisch-jugoslawischen Partisanen unter Tito und für die Gründung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien entscheidend: Nachdem die kommunistisch-jugoslawischen Partisanen im Sommer 1943 beinahe von bulgarischen, deutschen und italienischen Einheiten vernichtet wurden, kam für sie im Spätsommer und Herbst 1943 die entscheidende Wende. Nach dem Sturz des italienischen Diktators Benito Mussolinis kapitulierte Italien und schied aus dem Bündnis mit Bulgarien und Deutschland aus. Infolgedessen fiel den kommunistisch-jugoslawischen Partisanen große Menge von Kriegsmaterial aus italienischen Beständen in die Hände. Des Weiteren wechselten auch zahlreiche militärische Formationen der bisherigen italienischen Besatzungstruppen zu den kommunistisch-jugoslawischen Partisanen über. Im November 1943 verfügten die kommunistisch-jugoslawischen Partisanen bereits über 300.000 Kämpfer und Helfer. Ihr Volksbefreiungskampf wurde zum dominierenden und im Ergebnis erfolgreichen Widerstand in Jugoslawien. Damit konnten sie auch maßgeblich die Nachkriegsordnung für Jugoslawien bestimmten. Im Saal des Turnvereins „Sokol“ („Falke“) in Jajce fand am 29.11.1943 die entscheidende Zweite Tagung des AVNOJ statt, auf welche das gesellschaftspolitische System für das Nachkriegsjugoslawien festgelegt wurde.

Die Zweite Sitzung des Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens

Im Rahmen der Zweiten Sitzung des „Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens“ („AVNOJ“) im bosnischen Jajce wurden am 29.11.1943 die grundlegenden Beschlüsse für die Zukunft und den künftigen Aufbau Jugoslawiens gefasst. Jugoslawien sollte demnach als staatliche Einheit erhalten bleiben und nach föderalistischen Prinzipien aufgebaut werden. Jedem staatstragenden jugoslawischen Volk wurde eine Republik mit Staatscharakter zugebilligt. Den zugehörigen jugoslawischen Völkern bzw. Nationen wurde im Rahmen der jugoslawischen Föderation das Selbstbestimmungsrecht zuerkannt. Dieses Selbstbestimmungsrecht umfasste das Recht einer jeden jugoslawischen Nation auf Trennung oder auf Vereinigung mit anderen Nationen. Als souveräne und gleichberechtigte Völker Jugoslawiens wurden in der Deklaration des AVNOJ aufgeführt: Die Serben, Kroaten, Slowenen, Makedonier und Montenegriner. Des Weiteren wurde die völlige Gleichberechtigung der Nationen der Republiken Serbiens, Kroatiens, Sloweniens, Makedoniens, Montenegros und Bosnien und Herzegowinas garantiert. Diese Garantie umfasste neben den jugoslawischen Nationen auch andere Nationalitäten (Minderheiten), die in den jugoslawischen Republiken lebten. Die Anerkennung der bosnischen Muslime bzw. der Bosniaken als gleichberechtigte jugoslawische Nation erfolgte allerdings erst im Jahr 1968 und nicht auf der Zweiten Sitzung des AVNOJ im Jahre 1943. Der genaue Wortlaut der entsprechenden Deklaration auf der Zweiten Sitzung des AVNOJ vom 29.11.1943 wird auszugsweise nachfolgend wiedergegeben:

Auf der Grundlage des Rechts eines jeden Volkes auf Selbstbestimmung, einschließlich des Rechts auf Abtrennung von oder Vereinigung mit anderen Völkern, und im Einklang mit dem wahren Willen aller Völker Jugoslawiens, bekräftigt im Verlaufe des dreijährigen gemeinsamen Volksbefreiungskampfes, der die unerschütterliche Brüderlichkeit der Völker Jugoslawiens geschmiedet hat, beschließt der Antifaschistische Rat der Nationalen Befreiung Jugoslawiens:

Erstens: Die Völker Jugoslawiens haben niemals anerkannt und anerkennen nicht die Zerstückelung Jugoslawiens seitens der faschistischen Imperialisten und haben im gemeinsamen bewaffneten Kampf ihren festen Willen bewiesen, auch künftig in Jugoslawien vereint zu bleiben.

Zweitens: Zur Verwirklichung des Prinzips der Souveränität der Völker Jugoslawiens, damit Jugoslawien die wahre Heimat aller seiner Völker verkörpern möge und damit es niemals wieder zur Domäne einer wie auch immer gearteten hegemonistischen Clique werden kann, wird Jugoslawien auf föderativer Grundlage geschaffen und ausgestaltet, die die volle Gleichberechtigung der Serben, Kroaten, Slowenen, Makedonier und Montenegriner bzw. der Völker Serbiens, Kroatiens, Sloweniens, Makedoniens, Montenegros und Bosnien-Herzegowinas gewährleistet“.

In der politischen Praxis konnten die jugoslawischen Völker ihre Souveränität natürlich nicht so ausüben wie es in der Deklaration festgelegt wurde. Auch die anderen Nationalitäten hatten keine tatsächliche Gleichberechtigung untereinander und mit den jugoslawischen Nationen. Dies wurde besonders in der Politik der jugoslawischen, der serbischen und auch der makedonischen Führung gegenüber der albanischen Nationalität in dieser Zeit deutlich. Deren garantierte Rechte wurden in der Praxis massiv missachtet. Auch den Deutschen in Jugoslawien wurden zunächst aufgrund des Zweiten Weltkrieges keine Minderheitenrechte gewährt. Ab Ende der 1960er Jahre verbesserten sich jedoch die Situation für die jugoslawischen Nationen und der in Jugoslawien lebenden Nationalitäten in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht. Mit der letzten jugoslawischen Verfassung vor dem Zerfall des Bundesstaates aus dem Jahre 1974 erhielten die jugoslawischen Republiken einschließlich ihrer Nationen und Nationalitäten, aufgrund eines stark erweiterten föderalistischen Prinzips, sehr weitgehende Rechte.

Die Beschlüsse der Zweiten Tagung des AVNOJ für die zukünftige Struktur Jugoslawiens erhielten allerdings bereits strukturelle Mängel und Widersprüche, welche in den folgenden Jahrzehnten zunehmende Probleme schufen und zum Zerfall der sozialistisch-jugoslawischen Föderation im Jahre 1991 führen sollten. Zunächst waren die jugoslawischen Föderationssubjekte nicht vollständig und nur durch kommunistische Delegierte aus den jeweiligen Volksbefreiungsräten vertreten. So fehlten etwa die Delegierten aus dem Kosovo, aus Serbien und aus dem jugoslawischen Teil von Makedonien. Diese wurde durch führende Funktionäre aus der KPJ vertreten. Durch die Nichtmiteinbeziehung von anderen gesellschaftlichen Gruppen ist auch fraglich, ob der AVNOJ und die Volksbefreiungsräte legitimiert waren im Namen aller Nationen und Nationalitäten Jugoslawiens zu handeln. Hauptsächliche Legitimationsgrundlage des AVNOJ war zunächst der erfolgreiche Kampf der kommunistisch-jugoslawischen Partisanen, welche überwiegend aus eigener Kraft Jugoslawien von den militärischen Besatzern befreiten. Letztendlich sollte jedoch auch der Widerspruch zwischen der Föderalisierung Jugoslawiens und der kommunistischen Einparteienherrschaft zu einem Problem werden. Fehlende Demokratie, kulturelle Unterschiede und divergierende Interessen zwischen den Ethnien und wirtschaftliche Probleme sollten im Ergebnis zum Scheitern des auf der Zweiten Tagung des AVNOJ eingeführten sozialistisch-jugoslawischen Gesellschaftsmodells Jahrzehnte später führen.

Die Implementierung der Beschlüsse der Zweiten Tagung des AVNOJ

In den jugoslawischen Republiken wurden, wo sie noch nicht bestanden, ebenfalls Volksbefreiungsräte gegründet und etabliert. So kam der „Antifaschistische Rat der Volksbefreiung Makedoniens“ (ASNOM), welcher aus 17 Mitgliedern bestand, am 02.08.1944 im heute zu Serbien gehörenden Kloster Prohor Pčinski zu seiner ersten Sitzung zusammen. Mit dem Sitzungsdatum sollte historisch an den Beginn des Ilinden-Aufstandes und der Gründung der nur kurzzeitig existierenden „Republik von Kruševo“ am 02.08.1903 angeknüpft werden. Damit erhielt der ASNOM neben seinem kommunistischen auch einen besonderen nationalen Charakter makedonischer Prägung. Der Sitzungsort wurde deshalb gewählt, da er zu dieser Zeit bereits von bulgarischen und deutschen Besatzern geräumt war.

Auf der ersten Sitzung des ASNOM wurde die Staatsstruktur und die Grundlagen der Verfassung für den makedonischen Staat festgelegt, der als Gliedstaat mit der Bezeichnung „Volksrepublik Makedonien“ gleichberechtigtes Mitglied der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ sein und eigene Gesetzgebungskompetenzen haben sollte. Des Weiteren wurden auf der ersten Sitzung des ASNOM die Geltung der Menschen- und Bürgerrechte proklamiert, Minderheitenrechte für Ethnien in Makedonien garantiert und die Grundsätze des Wahlrechts festgelegt. Jeder Bürgerin bzw. jedem Bürger wurde das Recht zur Beschwerde gegen staatliche Handlungen gewährt. Der makedonische Staat sollte nach den Beschlüssen des ASNOM nicht zentral verwaltet werden, sondern wurde in Bezirke, Kreise und Gemeinden gegliedert. Auf kulturellem Gebiet fasste der ASNOM ebenfalls Beschlüsse, so wurde auf Basis der um Skopje herum gesprochenen Dialekte eine makedonische Schriftsprache aufgebaut. Auch in der Volksrepublik Makedonien gab es im Ergebnis ein Spannungsverhältnis zwischen der politisch-rechtlichen Theorie und der Praxis.

Die albanischen Kosovaren wiederum nahmen das auf der Zweiten Sitzung des AVNOJ beschlossene Selbstbestimmungsrecht der jugoslawischen Nationen und Nationalitäten wörtlich und wollten ihre staatliche Zukunft selbst bestimmen. Die albanisch-kosovarischen Kommunisten erklärten auf einer Konferenz Ende 1944 in einem im heutigen Albanien liegenden Dorf ihre Abspaltung von Jugoslawien und den Anschluss an das ebenfalls unter kommunistische Herrschaft stehende Albanien. Doch hier zeigte sich wiederum der Unterschied zwischen den auf der Zweiten Tagung des AVNOJ formulierten Ansprüchen und der politischen Praxis. Unter Druck der kommunistisch-jugoslawischen Volksbefreiungsbewegung musste das Kosovo im Juli 1945 den Anschluss an die Volksrepublik Serbien erklären und wurde dort zunächst ein „Autonomes Gebiet“. Tatsächlich bestand diese Autonomie zunächst nur rein formell ohne große praktische Bedeutung für die albanischen Kosovaren. Es kam zu einer Unterdrückung der albanischen Kosovaren durch die Serben. Erst Ende der 60er Jahre Schritt die Verwirklichung einer tatsächlichen Autonomie des Kosovos voran, welche ihren Höhepunkt in der jugoslawischen Verfassungsrevision von 1974 erreichte. Nach dem das Kosovo 1963 „Autonome Provinz“ wurde, erhielt es 1974 als „Sozialistisch Autonome Gebietskörperschaft“ faktisch die Rechte einer jugoslawischen „Sozialistischen Republik“ (so die Bezeichnungen der Volksrepubliken ab dem Jahr 1963) und war damit diesen auf Ebene der nunmehr „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ weitgehend gleichstellt. Die serbische Provinz Vojvodina wurde im Jahr 1945 eine „Autonome Provinz“ in der Volksrepublik Serbien und mit der Verfassungsnovellierung von 1974 ebenfalls eine „Sozialistisch Autonome Gebietskörperschaft“ der „Sozialistischen Republik Serbien“.

Die genaue Abgrenzung der Volksrepubliken innerhalb der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien wurde nicht auf der Zweiten Tagung des AVNOJ vorgenommen, sondern erst Ende 1944/Anfang 1945. Die Grenzziehung erfolgte dabei nach ethnisch-nationalen und nach historisch-politischen Gesichtspunkten. Bosnien und Herzegowina wurde zum Beispiel in den Grenzen als Volksrepublik konstituiert, in denen es im Jahre 1878 vom Berliner Kongress der Verwaltung durch Österreich-Ungarn überantwortet wurde. Im Jahre 1908 wurde es auch in diesen Grenzen von Österreich-Ungarn annektiert.

Die Volksrepublik Kroatien wurde im Wesentlichen in den Grenzen konstituiert, die im Jahr 1939 im Rahmen des kroatisch-serbischen Ausgleiches innerhalb des damals zentralistisch organisierten und serbisch dominierten Königreich Jugoslawien für die geplante autonome Banschaft Kroatien vorgesehen war. Zusätzlich wurden der Volksrepublik Kroatien noch Istrien und die in der Zwischenkriegszeit zu Italien gehörenden dalmatinischen Inseln zugeschlagen. Die Volksrepublik Slowenien erhielt zusätzliches Territorium durch die Rückgabe der bisher italienisch gewesenen Gebiete nördlich von Triest und an der Adriaküste. Die Volksrepublik Montenegro hatte ebenfalls ein etwas größeres Territorium bekommen als es noch als Königreich hatte.

Die Volksrepublik Makedonien wurde aus dem serbischen Teil von Makedonien als Staat konstituiert. Letztendlich hatte nur die Volksrepublik Serbien Territorien innerhalb Jugoslawiens an andere Volksrepubliken abgeben müssen und wurde durch seine zwei autonomen Territorien Kosovo und Vojvodina in seiner staatlichen Souveränität in Teilen seines Staatsgebietes eingeschränkt. Der Vorschlag der serbischen Kommunisten autonome Provinzen für die Serben in Kroatien zu schaffen wurden hingegen abgelehnt. Durch die beschriebenen Maßnahmen sollte die dominierende Stellung Serbiens in Jugoslawien abgemildert werden, welche im Königreich Jugoslawien noch verhängnisvoll war. Allerdings sollte dies auch zum Wiederaufkommen der serbischen Frage in den 1980er nach Titos Tod führen, welche auch eine Bedeutung für die ethnischen Kriege im Bosnien und Herzegowina, in Kroatien und im Kosovo in den 1990er Jahren haben sollte.

Die Konstituierung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien

Im März 1945 erfolgte die Bildung einer provisorischen jugoslawischen Regierung unter Ministerpräsident Josip Broz Tito. Ihr gehörten 20 Mitglieder des AVNOJ, fünf Vertreter nicht kompromittierter Vorkriegsparteien und drei Vertreter der jugoslawischen Exilregierung in London an. Zur Einbeziehung von nichtkommunistischen Vertretern in die provisorische Regierung kam es vor allem auf Wunsch des damaligen britischen Premierministers Winston Churchill, in dessen Land ja die jugoslawische Exilregierung ihren Sitz hatte. Es wurde auch ein entsprechendes Abkommen mit dem Ministerpräsidenten der jugoslawischen Exilregierung, Ivan Šubašić, unterzeichnet. Allerdings hielt diese Übereinkunft nur kurz, zumal sich die kommunistisch-jugoslawische Bewegung fest etablierte. Alle nichtkommunistischen Vertreter wurden sehr bald mit massiver Härte von der Beteiligung an der jugoslawischen Staatsgewalt verdrängt. Im Vorfeld der Wahlen zu der verfassungsgebenden Versammlung standen alle nichtkommunistischen Vertreter unter massivem Druck der jugoslawischen Kommunisten. Die meisten von ihnen legten ihre politischen Führungsfunktionen in ihren Parteien aufgrund des kommunistischen Terrors nieder und einige nahmen überhaupt gar nicht mehr an den Wahlen teil.

Die Wahl zur verfassungsgebenden Versammlung am 11.11.1945 erfolgte aufgrund einer Einheitsliste der als Nachfolgerin der Volksbefreiungsfront gegründeten „Volksfront“. Aufgrund des kommunistischen Druckes und des Wahlsystems führte die Wahl dazu, dass von den insgesamt 510 gewählten Mitgliedern in der Versammlung 470 Angehörige der Kommunistischen Partei Jugoslawiens waren.

Auf der konstituierenden Sitzung der verfassungsgebenden Versammlung am 29.11.1945 erfolgte die Proklamation der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“, womit die Monarchie in Jugoslawien offiziell abgeschafft wurde. Das am 01.12.1918 gegründete „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ bzw. das „Königreich Jugoslawien“, wie die offizielle Bezeichnung ab dem Jahr 1929 war, hatte damit formell aufgehört zu existieren. Faktisch aufgehört zu existieren hatte es bereits mit dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht im April 1941.

In der Geschichtswissenschaft wird das Königreich Jugoslawien als erster jugoslawischer Staat bzw. als Jugoslawien I und das kommunistisch-föderativ-republikanische Jugoslawien von 1945 bis 1991/1992 als zweiter jugoslawischer Staat bzw. als Jugoslawien II bezeichnet.

Am 31.01.1946 beschloss die verfassungsgebende Versammlung die „Verfassung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“. Diese Verfassung orientierte sich am sowjetischen Sozialismusmodell der Zentralverwaltungswirtschaft und war in ihrem wesentlichen Regelungsgehalt eine Nachbildung der sowjetischen Verfassung von 1936 („Stalin-Verfassung“).

Die Entwicklung der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien

Zunächst herrschte politischer Terror in der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, da die jugoslawischen Kommunisten mit ihren Gegnern und Kollaborateuren massiv abrechneten. Dies geschah zunächst ungeordnet und unkontrolliert. Viele Gegner und Kollaborateure wurden einfach getötet, ohne juristische Untersuchung und Gerichtsverfahren. Später erfolgte die Abrechnung dann kontrolliert im Rahmen des staatlichen Systems, etwa durch Schauprozesse. Allerdings verliefen die Gerichtsprozesse ohne die Einhaltung von rechtsstaatlichen Grundsätzen. Es herrschten Willkür und Terror im staatlichen System vor. Die Kommunisten wollten mit aller Gewalt ihre Macht sichern und deshalb mögliche Gegner zeitnah vernichten. Zehntausende von Menschen fanden dadurch den Tod. Den Höhepunkt hatte dieser kommunistisch-staatliche Terror im Jahr 1945 bis Tito ihn in der bisherigen Form nicht mehr für angemessen hielt und daher Ende 1945 stoppte. Fortan folgten allerdings noch für einige Jahre die oben beschriebenen Schauprozesse. Zunächst orientierten sich Tito und die KPJ noch an dem sowjetischen Modell und arbeiteten eng mit der Sowjetunion zusammen.

Nach sowjetischen Einmischungen in die jugoslawische Politik in der ersten Hälfte des Jahres 1948 setzte die Föderative Volksrepublik Jugoslawien dem ideologischen und politischen Druck ein eigenes Sozialismusmodell (Titoismus) entgegen. Aufgrund dieses Modells erfolgte ein Abbau der Zentralverwaltungswirtschaft zugunsten einer Dezentralisierung mit der Etablierung einer tatsächlichen Selbstverwaltung der Betriebe und der ihnen angehörenden Arbeiterschaft. Dieses Selbstverwaltungsmodell wurde in den darauffolgenden Jahrzehnten immer weiter ausgebaut und fand ihren Höhepunkt in der Verfassungsrevision von 1974 und dem „Gesetz über die assoziierte Arbeit“ (Selbstverwaltung der Arbeiterschaft und ihrer Betriebe) von 1976. Die Sowjetunion und in Folge die von ihr abhängigen Staaten des Ostblocks brachen daraufhin am 28.06.1948 mit der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien. Fortan erhielt Jugoslawien aus politisch-strategischen Gründen Wirtschaftshilfe aus dem Westen, blieb jedoch blockfrei.

Die Föderative Volksrepublik Jugoslawien wurde Gründungsmitglied der Bewegung der Blockfreien Staaten, welche sich in der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad im Jahre 1961 auf ihrer ersten Sitzung konstituierte. Diese internationale Organisation umfasst die Staaten, welche sich im Ost-West-Konflikt nach dem Zweiten Weltkrieg neutral verhielten und keinem der beiden Militärblöcke angehörten. Die Gründung der Organisation ging auf eine Initiative von Josip Broz Tito (1945 bis 1953 Ministerpräsident und von 1953 bis 1980 Staatspräsident von Jugoslawien), des ägyptischen Staatspräsidenten Gamal Abdel Nasser, des indischen Premierministers Jawaharlal Nehru und des indonesischen Staatspräsidenten (Achmed) Sukarno zurück.

Formell proklamierte Tito die Selbstverwaltung der Arbeiterschaft am 26.06.1950. Verfassungsrechtlich wurde der eigenständige Weg Jugoslawiens im Sozialismus durch eine am 14.01.1953 beschlossene umfangreiche Änderung der Verfassung von 1946 umgesetzt, welche sich bis dahin materiell noch an die Verfassung der Sowjetunion anlehnte. Aufgrund dieser Verfassungsänderung wurde die zentrale Wirtschaftsplanung abgebaut und die kommunale Selbstverwaltung teilweise eingeführt. Im Jahr 1955, nach der Machtübernahme von Nikita Chruschtschow in der Sowjetunion, kam es zwischen der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien und der „Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken“ wieder zu einer Annäherung. Richtig etabliert wurde der Selbstverwaltungssozialismus in Jugoslawien aufgrund der Verfassungsrevision von 1963. Mit der neuen Verfassung vom 07.03.1963 wurde die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ in „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) umbenannt. Gleichzeitigen wurden die bisher als „Volksrepubliken“ bezeichneten jugoslawischen Gliedstaaten in „Sozialtische Republiken“ umbenannt.

Zur weiteren Entwicklung siehe Artikel „Die „Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) und ihr Zerfall (1963 – 1992)