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Das demokratische Griechenland und die makedonische Frage (1974 – 1991)

von Andreas Schwarz

Zwischen 1974 und 1991 trat die makedonische Frage in Griechenland zunächst in den Hintergrund, um dann 1991 mit voller Wucht wieder zu erwachen und in den Fokus der griechischen Außenpolitik zu rücken. Innenpolitisch wurde die kommunistisch-griechische Bürgerkriegspartei und ihre Organisationen im demokratischen Griechenland rehabilitiert und ihre Beteiligung am nationalen Widerstand gegen die bulgarisch-deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg als Widerstandsorganisation anerkannt. Die Deutungshoheit über die Geschichte des kommunistisch-griechischen Widerstands wurde zwischen 1974 und 1991 überwiegend von linken Kräften übernommen, während die rechten Kräfte sich zurückhielten, nicht jedoch von ihrem Standpunkt abrückten.

Obwohl die makedonische Frage im kommunistisch-griechischen Kampf eine nicht unwichtige Rolle und auch die Beteiligung von slawischen bzw. ethnischen Makedoniern und ihrer Organisation eine wesentliche Rolle spielten, wurde dieser Aspekt in der Aufarbeitung der Geschichte wahrnehmbar vernachlässigt. Außenpolitisch wurde seit dem Zypern-Konflikt 1974 das kommunistisch-slawische Bedrohungsszenario aus dem Norden (Bulgarien und Jugoslawien) durch ein türkisches aus dem Osten ersetzt. Vielmehr war Griechenland an einem entspannten Verhältnis zu Bulgarien und Jugoslawien interessiert. Dennoch fand im Hintergrund, wenn auch aufgrund politischer Zwänge eingeschränkt, weiterhin eine Thematisierung der makedonischen Frage in Griechenland statt.

Zur Vorgeschichte siehe Artikel „Griechenland vom Ende des Bürgerkrieges bis zur Wiedereinführung der Demokratie und die makedonische Frage (1949 – 1975)„.

Griechenland unter Führung der Nea Dimokratia (ND) von 1974 bis 1981

Von 1974 bis 1981 stellte zunächst die konservative Nea Dimokratia (ND) die Regierung der Griechischen Republik. Bei den Parlamentswahlen in den Jahren 1974 und 1977 wurde die ND jeweils stärkste politische Kraft und konnte aufgrund eines verstärkten Proportionalwahlrechts alleine die Regierung stellen. Zur Anfangszeit der Regierung unter Ministerpräsident Konstantinos Karamanlis gehörten vor allem die Etablierung von demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen in der Griechischen Republik und ein gesellschaftlicher Neuanfang mit politischem Pluralismus. In dieser Hinsicht war die Politik von Ministerpräsident Karamanlis sehr erfolgreich, indem er sehr besonnen agierte und mit den bisherigen Strategien der Ausgrenzung von politischen Gegnern brach. Vielmehr konnten sich jetzt die unterschiedlichen politischen Strömungen im demokratisch-rechtsstaatlichen Griechenland frei entfalten und an der politischen Willensbildung mitwirken. Die größte Herausforderung blieb jedoch die angespannte Wirtschaftslage in Griechenland.

Die griechische Außenpolitik blieb westlich orientiert. Während sich das Verhältnis zu den kommunistisch-slawischen Nachbarstaaten Bulgarien und Jugoslawien im Norden überwiegend positiv und stabil entwickelte, blieb der griechisch-türkische Gegensatz und der Zypern-Konflikt bestehen. Damit trat anstelle eines kommunistisch-slawischen Bedrohungsszenarios aus dem Norden ein türkisches aus dem Osten. Am 01.01.1981 trat Griechenland als zehntes Mitglied der damaligen Europäischen Gemeinschaft (EG) bei, aus der am 01.11.1993 die Europäische Union (EU) hervorging. Im Jahre 1980 wurde Konstantinos Karamanlis zum griechischen Staatspräsidenten gewählt. Sein Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, Georgios Rallis, verlor gegen Herausforderer Andreas Papandreou von der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK) am 18.10.1981 die Parlamentswahlen.

Griechenland unter Führung der PASOK von 1981 bis 1989

Erstmals stellte damit die PASOK unter Ministerpräsident Andreas Papandreou die Regierung in Griechenland. Unter Ministerpräsident Andreas Papandreou blieb die Westanbindung Griechenlands erhalten. Aufgrund der Mitgliedschaft in der EG bekam Griechenland Subventionen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Vor allem der Landwirtschaftssektor, in dem viele Griechinnen und Griechen tätig sind, wurde gefördert. Trotz der Subventionen blieb die wirtschaftliche Entwicklung Griechenlands hinter den der anderen EG-Mitgliedsstaaten zurück. Sowohl unter der ND geführten als auch unter der PASOK geführten Regierung wurde eine Politik des Klientelismus betrieben, in der Korruption weit verbreitet war. Im Jahr 1985 gewann die PASOK mit Verlusten die Parlamentswahlen erneut. Dieser Erfolg war vor allem auf die Person von Ministerpräsident Andreas Papandreou zurückzuführen, der zu Lebzeiten als ein ausgesprochen populärer und volksnaher Politiker galt. Politisch trat die PASOK nicht spezifisch sozialistisch sondern sozialliberal auf.

Die Außenpolitik der ND von 1974 bis 1981 wurde im Wesentlichen durch die PASOK fortgeführt. Es blieb bei einer Westanbindung Griechenlands und den Vereinigten Staaten von Amerika wurde weiterhin eine Stationierung ihrer Truppen in Griechenland ermöglicht. Allerdings trat Andreas Papandreou für eine kernwaffenfreie Zone auf dem Balkan ein und unterstützte den Vorschlag der Sowjetunion nach einer internationalen Zypern-Konferenz. Im Zypern-Konflikt blieb Papandreou als Ministerpräsident hart und forderte den  Abzug der dort stationierten türkischen Truppen. Den Status quo, die Teilung Zyperns, konnte auch Papandreou nicht überwinden. Stattdessen verfestigte sich die Teilung noch, als die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Mai 1983 im Wesentlichen die griechisch-zypriotische Auffassung nach dem Abzug der türkischen Truppen und dem Ende der türkischen Teilokkupation Zyperns unterstütze. Dies wurde von türkisch-zypriotischer Seite als „Hirnrichtungsbefehl“ aufgefasst. Die Folge war die einseitige Ausrufung des unabhängigen Staates „Türkischen Republik Nordzypern“ am 15.11.1983, welcher allerdings völkerrechtlich bis heute nicht bzw. nur durch die Türkei anerkannt wird. Die Versuche den Zypern-Konflikt zu überwinden blieben bisher erfolglos, auch wenn es später zu einer deutlichen Verbesserung der griechisch-türkischen Beziehungen kam.

Da sich im Jahre 1985 keine Mehrheit für Konstantinos Karamanlis für eine zweite Amtszeit als Staatsoberhaupt abzeichnete, verzichtete er auf eine Kandidatur. Von 1985 bis 1990 wurde das Amt des Staatspräsidenten vom parteilosen Christos Sartzetakis ausgeübt, welcher erst im dritten Wahlgang mit einer Dreifünftelmehrheit der Stimmen von allen Abgeordneten gewählt wurde. In den ersten beiden Wahlgängen wären jeweils die Stimmen von Zweidritteln aller Parlamentsmitglieder erforderlich gewesen.

Griechenland zwischen 1989 und 1991

Die Regierung unter Andreas Papandreou verlor am Ende ihrer Amtszeit vor allem aufgrund der angespannten sozialen und wirtschaftlichen Lage in Griechenland an Popularität. Schon damals drohte ein Bankrott Griechenlands, da die Staatsverschuldung über dem jährlichen Volkseinkommen lag. Das Haushaltsdefizit betrug seinerzeit 22 Prozent und die Inflationsrate lag bei 16 Prozent. Für Instabilität in den politischen Institutionen sorgte ab dem Jahr 1989 eine unter der PASOK-Regierung verabschiedete Wahlrechtsreform, welche zur Abschaffung des verstärkten Proportionalwahlrechts führte.

Bei den Parlamentswahlen am 18.06.1989 wurde die ND wieder stärkste Kraft, während die PASOK eine Niederlage erlitt. Aufgrund des neuen Wahlrechts konnte die ND jedoch nicht alleine regieren. Der damalige Vorsitzende der ND, Konstantinos Mitsotakis, lehnte jedoch eine Koalitionsregierung ab und überließ Tzanis Tzannetakis das Amt des Ministerpräsidenten. Dieser bildete mit dem Linksbündnis Synaspismos, dem auch die Kommunistische Partei Griechenlands (KPG bzw. KKE) angehörte, eine Koalition und wurde am 02.07.1989 als Nachfolger von Andreas Papandreou zum Ministerpräsidenten ernannt. Nach dem das Linksbündnis die Koalition aufgekündigt hatte, trat Tzanis Tzannetakis von seinem Amt als Ministerpräsident zurück. Bis zu den vorgezogenen Neuwahlen am 05.11.1989 amtierte der Präsident des Obersten Gerichts, Ioannis Grivas, aufgrund der griechischen Verfassung als Ministerpräsident einer Übergangsregierung.

Bei den Wahlen am 05.11.1989 wurde die ND mit 46 Prozent der Stimmen wieder stärkste Kraft, gefolgt von der PASOK mit 40 Prozent der Stimmen. Noch immer konnte die ND nicht alleine reagieren, so dass am 23.11.1989 unter Ministerpräsident Xenophon Zolotas eine „Koalition der Vernunft“ gebildet wurde. Diese Koalition bestand aus ND, PASOK sowie dem Linksbündnis Synaspismos und trat nach nur wenigen Monaten aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zurück.

Infolgedessen gab es am 08.04.1990 zum zweiten Mal vorgezogene Parlamentswahlen, bei der die ND ihren Abstand zur PASOK auf 8 Prozentpunkte ausbauen konnte. Allerdings verfehlte sie die absolute Mehrheit im Parlament um einen Sitz. Mit Hilfe der Stimme einer kleinen Splitterpartei (Partei der Demokratischen Erneuerung) konnte sich die ND allerdings eine hauchdünne absolute Mehrheit der Stimmen im Parlament sichern. Konstantinos Mitsotakis wurde vor diesem Hintergrund am 11.04.1990 Ministerpräsident einer nur von der ND mit knapper Mehrheit gestellten Regierung. Außenminister unter ihm wurde der spätere griechische Ministerpräsident Andonis Samaras, der allerdings aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit dem Ministerpräsidenten in der Namensfrage der Republik Makedonien im April 1992 zurücktrat. Auf Vorschlag von Ministerpräsident Konstantinos Mitsotakis wurde im Mai 1990 Konstantinos Karamanlis erneut zum griechischen Staatspräsidenten gewählt. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse wurde Karamanlis, wie bereits sein Vorgänger, erst im dritten Wahlgang gewählt.

Während der Amtszeit von Konstantinos Mitsotakis als griechischer Ministerpräsident kam es im Jahre 1991 zum Zerfall der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ (SFRJ), zum Beginn des ethnischen Krieges in Teilen der sich auflösenden SFRJ und zur Unabhängigkeitserklärung der „Republik Makedonien“ von der SFRJ. Mit ihm im Amt des Ministerpräsidenten und Andonis Samaras als damaliger Außenminister begann auch der sogenannte Namensstreit mit der Republik Makedonien, in dem die griechische Regierung im Mai 1991 erstmals erklärte, die Republik Makedonien nicht unter ihrem verfassungsmäßigen Namen anzuerkennen. Unterstützung fand dieser Regierungskurs auch vom damaligen Staatspräsidenten Konstantinos Karamanlis, welcher aus der griechischen Region Makedonien kam und zu den Hardlinern in der makedonischen Namensfrage gehörte. Nachfolgend wird die Sicht auf den griechischen Bürgerkrieg und die makedonische Frage in Griechenland für den Zeitraum von 1949 bis 1974 und daran anschließend für den Zeitraum von 1974 bis 1991 betrachtet.

Die Sicht auf den griechische Bürgerkrieg und die makedonische Frage von 1949 bis 1974

Nach dem Ende des griechischen Bürgerkrieges im Jahre 1949 bis zur Wiedereinführung der Demokratie in Griechenland im Jahre 1974 gaben rechte Politiker den Ton an und übten die Deutungshoheit bei der historischen Aufarbeitung des Bürgerkrieges in Griechenland aus Die kommunistisch-griechische Bürgerkriegspartei und ihre Organisationen wurden in dieser Zeit nicht als nationale Widerstandsorganisation anerkannt, obwohl sie unter anderem auch gegen die bulgarisch-deutschen Besatzer kämpften. Vielmehr galten die griechischen Kommunisten als Kollaborateure der kommunistisch-slawischen Bewegungen aus Bulgarien und Jugoslawien. Vor allem die Thematisierung der makedonischen Frage durch die kommunistischen Bewegungen wurde als Verrat aufgefasst.

Im Vordergrund dieses Vorwurfes stand eine Stellungnahme zur makedonischen Frage, welche auf dem fünften Plenum des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Griechenlands (KPG bzw. KKE) am 30./31.01.1949 abgegeben wurde. In dieser Stellungnahme wurde dem makedonischen Volk zugesagt, dass es nach der Befreiung seine nationale Restauration erhalten würde, sofern es dies wünschen würde. Weiter wurde ausgeführt, dass die Einheit zwischen dem slawo-makedonischen und dem griechischen Volk erhalten bleiben, sorgfältig gehütet und ständig gestärkt werden müsste, obwohl verschiedene Elemente diese Einheit zerstören wollten. Konkret wurden unter anderem in der Stellungnahme vom fünften Plenum des ZK der KPG zur makedonischen Frage ausgeführt:

In Nordgriechenland hat das makedonische Volk bis jetzt sein Bestmögliches zum Kampf beigetragen und kämpft mit grenzenloser und bewundernswerter Tapferkeit und Selbstaufopferung weiter. Zweifellos kann nur die nationale Rekonstitutierung des makedonischen Volkes die Konsequenz des Sieges der DSE und der Volksrevolution sein, für die es bis heute sein Blut vergießt. Dies entspricht auch seinen eigenen Wünschen“.

Was konkret mit nationaler Restauration gemeint war, wurde in der Stellungnahme nicht ausgeführt. Jedoch verstanden alle am Bürgerkrieg beteiligten Akteure entweder die Abspaltung und Unabhängigkeit oder zumindest die Autonomie der griechischen Region Makedonien darunter. Dies wurde in der griechischen Bevölkerung und bei den Gegnern des Kommunismus überwiegend als Verrat aufgefasst. Selbst bei den griechischen Kommunisten war eine mögliche Autonomie oder Abspaltung der griechischen Region Makedonien sehr umstritten. Hinzu kam das die ethnischen bzw. slawischen Makedonier in Griechenland mit ihrer Organisation „NOF“ („Narodno Osloboditelen Front“) im Rahmen der kommunistisch-griechischen „Nationalen Befreiungsarmee“ („ELAS“) mitkämpften. Des Weiteren gab es Unterstützung aus der kommunistischen „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ sowie eines ihrer Gliedstaaten, der kommunistischen „Volksrepublik Makedonien“ für die kommunistisch-griechische Bewegung.

Der griechische Bürgerkrieg bekam so aus Sicht der griechischen Rechten und Bürgerkriegssieger eine internationale Komponente. Es ging also aus ihrer Sicht nicht nur um einen ideologischen Kampf in Griechenland, sondern auch um die Abwehr von kommunistisch-slawischen Einfällen aus dem Norden. Aus Sicht der rechten Bürgerkriegssieger wurden die griechische Region Makedonien und ihr hellenischer Charakter vor der Inbesitznahme durch die Slawen gerettet. Diese Sicht auf den griechischen Bürgerkrieg wurde bis zur Wiedereinführung der Demokratie in Griechenland im Jahre 1974 offiziell vertreten. Von 1949 bis 1974 war die verbotene Kommunistische Partei Griechenlands illegal tätig. Linke Strömungen hatten kaum Einfluss auf die griechische Politik, so dass eine differenzierte Auseinandersetzung über die griechischen Bürgerkrieg und die makedonische Frage nicht stattfand. Hinzu kam, dass es in Griechenland von 1949 bis 1974 keine Demokratie und keine demokratisch-pluralistische Diskussionskultur gab.

Die Sicht auf den griechische Bürgerkrieg und die makedonische Frage von 1974 bis 1991

Mit der Wiedereinführen der Demokratie in Griechenland in der zweiten Hälfte des Jahres 1974 trat ein politischer Paradigmenwechsel ein. Als prägende Parteien wurde vom damaligen Oppositionsführer Andreas Papandreou  am 03.09.1974 die sozialdemokratische „Panhellenische Sozialistische Bewegung“ (PASOK) und vom damaligen griechischen Ministerpräsidenten Konstantinos Karamanlis am 04.10.1974 die konservative „Nea Dimokratia“ (ND) gegründet. Die Gründung von Parteien war nun grundsätzlich frei möglich und keinen Beschränkungen mehr unterlegen. Am 23.09.1974 ließ Ministerpräsident Karamanlis auch die „Kommunistische Partei Griechenlands“ (KPG bzw. KKE) wieder zu. Die Einführung von Demokratie und Pluralismus in Griechenland erwiesen sich als erfolgreich und nachhaltig. Von nun an konnten auch die linken Strömungen ihre Standpunkte frei vertreten und publizieren.

Wenn auch von 1974 bis 1981 zunächst eine konservative Regierung in Griechenland an der Macht war, war das Diskussionsklima stark links geprägt. Die linken Kräfte nutzten sehr intensiv die Möglichkeit ihre Sicht auf den Bürgerkrieg zur Anerkennung zu verhelfen. Vor allem sollte der kommunistisch-griechische Widerstand rehabilitiert und sein Beitrag als nationaler Widerstand gegen die bulgarisch-deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg anerkannt werden. In der Diskussion der Linken wurden die Kämpfe der kommunistisch-griechischen Widerstandskämpfer gegen die Besatzer in Griechenland während des Zweiten Weltkrieges, die angebliche Zusammenarbeit der „Monarchofaschisten“ mit den ausländischen Feinden, der Terror durch die Rechten und das Leben in den Bergen des „Freien Griechenlands“ thematisiert. Mit „Monarchofaschisten“ wurden von den Kommunisten ihre damaligen Bürgerkriegsgegner bezeichnet. Dies waren die Anhänger und Kämpfer der damaligen griechischen Monarchie, welche den Bürgerkrieg gewannen. Die ausländischen Feinde waren aus Sicht der griechischen Kommunisten vor allem das Vereinigte Königreich und die USA. Des Weiteren wurden auch innerparteiliche Streitigkeiten sowie politische und militärische Versäumnisse der kommunistisch-griechischen Führung ausführlich diskutiert.

Was weitgehend fehlte war die Thematisierung der Beteiligung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier am kommunistisch-griechischen Kampf und die makedonische Frage. Auch die Konflikte der kommunistisch-griechischen Kämpfer mit anderen griechischen Widerstandsgruppen wurden kaum durch die Linken thematisiert. Die Beteiligung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier am kommunistisch-griechischen Kampf und die makedonische Frage waren jedoch ein wichtiger Aspekt des griechischen Bürgerkrieges. Dieser wurde in der Diskussion der Linken ab 1974 vollkommen vernachlässigt. Wenn dieser Aspekt mal angesprochen wurde, dann sehr oberflächlich und sehr zurückhaltend und kaum seiner Bedeutung angemessen.

Als im Oktober 1981 die PASOK unter Andreas Papandreou an die Regierung kam, wurde die kommunistisch-griechische Bewegung und ihre Organisation staatlicherseits rehabilitiert und ihr Beitrag als nationale Widerstandsgruppe gegen die Besatzer in Griechenland während des Zweiten Weltkrieges anerkannt. Die Beteiligung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier mit ihrer Organisation „NOF“ am kommunistisch-griechischen Kampf wurde allerdings auch unter der PASOK-Regierung weitgehend verdrängt. Die makedonische Frage wurde weiterhin so gut wie nicht thematisiert, auch staatlicherseits nicht. Der bisher von den Rechten dominierte Diskurs über den griechischen Bürgerkrieg bei offiziellen Gedenktagen und im griechischen Bildungssystem wurde entsprechend der Sichtweise der Linken angepasst. Allerdings setzte die PASOK-Regierung unter Papandreou auf einen versöhnlichen Kurs und weniger auf eine ideologische Konfrontation. Der griechische Bürgerkrieg wurde im griechischen Bildungssystem weiterhin nicht objektiv behandelt und die makedonische Frage dort nicht thematisiert.

Die Rechten hielten sich ebenfalls ab 1974 stärker in der Thematisierung der makedonischen Frage zurück. Hintergrund war vor allem der Zypern-Konflikt, welcher im Juli und August 1974 zur teilweisen Besetzung der „Republik Zypern“ durch türkische Streitkräfte führte. Dieser Konflikt verdrängte die bisherigen kommunistisch-slawischen Bedrohungsszenarien aus dem Norden zugunsten eines türkischen aus dem Osten. Aus diesem Grunde war ein gutes Verhältnis Griechenlands zu seinen kommunistischen Nachbarstaaten Albanien, Bulgarien und Jugoslawien besonders wichtig. Der griechische Bürgerkrieg und die makedonische Frage wurden von den Rechten zwar weiterhin thematisiert, wie sie es auch zwischen 1949 und 1974 getan hatten. Sie thematisierten es auch noch mehr als es die Linken taten. Doch hielten sich die Rechten in der Diskussion aufgrund der der neuen Bedrohungslage durch die Türkei sehr zurück. Wenn die makedonische Frage thematisiert wurde, dann immer mit der Prämisse die guten Beziehungen zu Bulgarien und Jugoslawien nicht zu gefährden.

Die Thematisierung des griechischen Bürgerkrieges erfolgte in jedem politischen Lager entsprechend ideologisiert. Eine kritische Auseinandersetzung und Aufarbeitung fand nicht statt. Die makedonische Frage und ihre Verbindung mit dem griechischen Bürgerkrieg wurden weitgehend außen vorgelassen, so dass auch keine kritische Auseinandersetzung und Aufarbeitung mit dieser Frage stattfand. Doch gerade dies sollte sich ab dem Jahr 1991, als der sogenannte Namensstreit begann, als Fehler erweisen. Das Vakuum einer fehlenden Auseinandersetzung und Aufarbeitung der makedonischen Frage wurden von wenigen Stimmungsmachern ausgefüllt, welche sich zwischen 1974 und 1991 weitgehend fern von jeder Öffentlichkeit als Hardliner in dieser Frage erwiesen.

Der griechische Kulturkampf um „Makedonien“ (1974 – 1991)

Die Bedeutung Makedoniens, vor allem des antiken Makedoniens, für die griechische Kultur wurde zwischen 1974 und 1991 von Seiten des Staates und der Politik stark gefördert. Die griechische These lautet bis heute: Die Art des antiken Makedoniens als Teil der hellenischen Kultur präjudiziert auch die Art des heutigen Makedoniens. Aus griechischer Sicht könne Makedonien daher ausschließlich nur hellenischer Natur sein. Unter Konstantinos Karamanlis als Ministerpräsident (1974 – 1980) bzw. als Staatspräsident (1980 – 1985) wurde die Erinnerung an das antike Makedonien und die hellenische Identität der griechischen Makedonier stark gefördert. Vor allem wurde eine direkte Verbindung zwischen den heutigen griechischen Makedoniern und den antiken Makedoniern propagiert. So gelten nach griechischer Auffassung die griechischen Makedonier als die kulturellen Nachfahren der antiken Makedonier. Den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und den slawischen Nachbarstaaten Bulgarien und Jugoslawien wurden „die Fälschung der makedonischen Geschichte“ vorgeworfen.

In den Schulen und Universitäten wurde bereits zwischen 1974 und 1991 die ausschließlich hellenische Natur des antiken Makedoniens gelehrt. Es gab darüber hinaus, besonders zu bestimmten historischen Jubiläen, entsprechende Kulturveranstaltungen und es wurden entsprechende Kulturdenkmäler errichtet. Mit Unterstützung von Karamanlis wurden verstärkt archäologische Ausgrabungen durchgeführt, deren Resultate die hellenische Natur des antiken Makedoniens belegen sollten. Ebenfalls mit Karamanlis Unterstützung wurde in Thessaloniki das „Museum des Makedonischen Kampfes“ errichtet.

Dieser makedonische Kampf fand zwischen 1904 und 1908 statt. Bei diesem Kampf versuchte vor allem der pro-bulgarische Flügel der „Inneren Makedonischen Revolutionären Organisation“ („IMRO“) die makedonischen Christen für das bulgarische Exarchat (Bulgarisch-Orthodoxe Kirche) zu gewinnen und vom Patriarchat (Griechisch-Orthodoxe Kirche) zu lösen. Dabei wandten die militanten Vertreter des Exarchat, die Komitadschis genannt wurden, zunehmend Gewalt an. Darauf wurde von griechischer Seite mit der Aufstellung von eigenen bewaffneten Kräften, den sogenannten „Makedonomachen“ reagiert.

Dieser Kampf galt aus griechischer Sicht als erster großer Abwehrkampf gegen die slawischen Einfälle aus dem Norden, bei der vor allem die hellenische Identität von Makedonien verteidigt wurde. Letztendlich ging es bei dem Kampf um die Kulturhoheit über Makedonien, wobei es sich vor allem um einen bulgarisch-griechischen Kulturkampf handelte. Durch die Machtergreifung der Jungtürken im Juli 1908 wurde dieser Kampf abrupt beendet. Die Jungtürken wollten das Osmanische Reich zu einem modernen Staat machen, in dem für alle Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrer Sprache, Religion und nationalen Identität die gleichen Rechte gelten sollten. Dies veranlasste die Parteien des makedonischen Kampfes die Waffen niederzulegen. Allerdings wurden die Erwartungen der makedonischen Christen von den neuen Machthabern nicht erfüllt. Aufgrund eines von den Jungtürken forcierten „Türkisierungsprozesses“ verschlechterte sich deren Lage sogar.

Als Karamanlis im Jahre 1984 das „Museum des Makedonischen Kampfes“ einrichtete, wurde der slawische Gegner von einst nicht weiter thematisiert. Vielmehr galt die Aufmerksamkeit jetzt vor allem der türkischen Gefahr aus dem Osten. Während sich Griechenland und die „Sozialistische Republik Makedonien“ (Gliedstaat der damaligen „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“, kurz „SFRJ“) in der makedonische Frage weitgehend zurückhielten, wurde sie von der jeweiligen Diaspora der ethnischen bzw. slawischen Makedonier und der griechischen Makedonier in Übersee weiterhin stark thematisiert. Die Propagandaschlachten zwischen dem pro-hellenischen und dem pro-makedonischen Lager wurden mit Schärfe geführt, so dass Griechenland in Reaktion drauf die Verbindung zwischen dem antiken und dem heutigen Makedonien sowie deren hellenische Kultur stärker in den Vordergrund rückte.

Neben den genannten identitätsstiftenden Projekten, die eine griechisch-makedonische Regionalidentität fördern sollten, wurden auch Bücher über die makedonische Geschichte und deren Bedeutung für die weltweite Verbreitung des Hellenismus verfasst. Allerdings wurde bei der literarischen Darstellung der makedonischen Geschichte aus griechischer Sicht vor allem die antike makedonische Geschichte in den Vordergrund gerückt, während die makedonische Geschichte von der byzantinischen bis in die heutige Zeit nur sehr oberflächlich behandelt wurde. Doch gerade das Verständnis der neueren makedonischen Geschichte ist für die Klärung der makedonischen Frage besonders wichtig.

Die Wahrheitsfindung stand in den Jahren zwischen 1974 bis 1991 weder für Griechenland noch für die anderen beteiligten Akteure im Kulturkampf um Makedonien im Vordergrund. Die griechischen Makedonier sollten durch die Förderung einer griechisch-makedonischen Regionalidentität, die ihre Wurzeln im antiken Makedonien haben sollte, noch stärker für den griechischen Kulturkampf gegen die Slawen und für die griechische Nation gewonnen werden. Vor allem sollte damit jeder Form von „nichtgriechischem Makedonismus“ begegnet werden. Diese Politik war aus griechischer Sicht erfolgreich, sollte jedoch im Ergebnis mit einer gewichtigen Ursache für den Streit um den Namen „Makedonien“ von 1991 bis 2019 sein.

Die folgenreiche Rückkehr der makedonischen Frage im Jahre 1991

Bis zur Rückkehr der makedonischen Frage im Jahre 1991 war diese oder der seit 1944 existierende makedonische Staat in der griechischen Gesellschaft weitgehend kein Thema. Selbst in der griechischen Wissenschaft wurde diesem Thema keine große Aufmerksamkeit geschenkt, was sich ab 1991 als folgenreicher Fehler erweisen sollte. Nur wenige Hardliner, hauptsächlich griechische Makedonier oder Antikommunisten, beschäftigten sich noch mit der makedonischen Frage und thematisierten sie, was in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde.

Die Gruppe um Konstaninos Karamanlis, Christos Sartztakis, Nikolaos Martis, Nikolaos Mertzos und Stelios Papathemelis waren vor allem wegen der Auffassung der Sozialistischen Republik Makedonien in der makedonischen Frage und der Propaganda der makedonischen Diaspora in Übersee sehr besorgt. Sie sahen in einer eigenständigen und nichtgriechischen makedonischen Kultur der ethnischen bzw. slawischen Makedonier eine Gefahr für Griechenland, insbesondere für die griechische Region Makedonien. Aus diesem Grunde wird bis heute auch die Anerkennung der in Griechenland lebenden ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Minderheit durch den griechischen Staat abgelehnt. Unterstützung in ihrer Auffassung fand diese Gruppe in der „Gesellschaft für Makedonische Studien“, dem griechischen „Institut für Balkanstudien“, dem „Zentrum für Emigrierte Makedonier“, der „Panmakedonischen Union“ und der Zeitschrift der griechischen Makedonier in der Diaspora „Makedoniki Zoi“. Hinzu kam die Gruppe der national gesinnten Antikommunisten, welche die Verbindung des kommunistisch-griechischen Kampfes mit der makedonischen Frage noch vor Augen hatte.

Im Jahr 1991 zeichneten sich der Zerfall der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ und eine mögliche Unabhängigkeit der „Sozialistischen Republik Makedonien“ von der SFRJ immer mehr ab. Nach dem sich die Sozialistische Republik Makedonien durch einen entsprechenden Parlamentsbeschluss vom 15.04.1991 in „Republik Makedonien umbenannte, kündigte Griechenland im Mai 1991 an, dass es eine internationale Anerkennung der Republik Makedonien unter ihrem verfassungsmäßigen Namen verhindern wolle. Damit war der sogenannte Namensstreit zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik geboren. Am 18.09.1991 erklärte die Republik Makedonien nach einem entsprechenden Votum der makedonischen Bürgerinnen und Bürger im Referendum vom 08.09.1991 ihre Unabhängigkeit von der Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien und beantragte die internationale Anerkennung. Griechenland forderte die Republik Makedonien im Dezember 1991 zu einem Verzicht auf den Namen „Makedonien“ auf. Des Weiteren forderte Griechenland von der Republik Makedonien eine Erklärung, wonach es in Griechenland keine „makedonische Minderheit“ gäbe.

Mit großer Wucht trat die makedonische Frage wieder in die griechische Öffentlichkeit. Vielen Griechinnen und Griechen war die Existenz eines makedonischen Staates im Rahmen einer jugoslawischen Föderation, in dem ethnische bzw. slawische Makedonier eine eigenständige Kulturnation bildeten, nicht klar gewesen. In der griechischen Bildungspolitik wurde nicht auf die Gliederung der jugoslawischen Föderation und den verschiedenen jugoslawischen Ethnien eingegangen. Eine objektive und differenzierte Thematisierung der makedonischen Frage fand in der Öffentlichkeit und in den griechischen Bildungssystemen ebenfalls nicht statt. Selbst in der griechischen Wissenschaft und Forschung blieb die Thematisierung der makedonischen Frage weitgehend außen vor.

Bezüglich des Wissens über die makedonische Frage gab es innerhalb der griechischen Gesellschaft ein Vakuum, welches von den Hardlinern in dieser Frage ausgefüllt wurde. Diese Hardliner, welche von 1974 bis 1991 weitgehend außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung agierten, übernahmen nun die Deutungshoheit in der makedonischen Frage und kehrten sozusagen aus der Versenkung an die Öffentlichkeit zurück. Ihre Sichtweisen wurden nun der griechischen Öffentlichkeit ungebremst als wahrhafte Erkenntnisse über Makedonien dargeboten. Objektive und differenzierte Erkenntnisse über den Komplex Makedonien standen der griechischen Gesellschaft nicht zur Verfügung. Stattdessen wurde von den neuen alten Hardlinern ein neues altes Feindbild gestiftet, wonach sich die ethnischen bzw. slawischen Makedonier der griechisch-makedonischen Geschichte bemächtigen wollen, um in letzter Konsequenz die griechische Region Makedonien von Griechenland abzuspalten. Differenzierte Sichtweisen und kritische Stimme gab es in Griechenland seinerzeit nur wenige. Vor allem hatte sie in der von den meinungsbildenden Hardlinern geschaffenen griechischen Hysterie um Makedonien kaum Chancen in größerem Umfang wahrgenommen zu werden.

Noch heute ist in der griechischen Bevölkerung größtenteils keine differenzierte und objektive Sicht auf die makedonische Frage vorhanden oder möglich. In dieser Hinsicht hatten die Hardliner ihr Ziel erreicht. Aus diesem Grund war eine Überwindung des sogenannten Namensstreits zwischen Griechenland und der Republik Makedonien kaum möglich, obgleich die Kompromissbereitschaft in Teilen der griechischen Politik etwas größer als die der griechischen Bevölkerung war. Die weitere Entwicklung des sogenannten Namensstreit nach 1991 wird ausführlich in dem Artikel „Die griechisch-makedonische Frage (1991 – 2018)“ dargestellt.