Der MDR zeigte im Frühjahr 2006 eine Reportage über den Ohrid-See und dessen aktuelle Situation. Anbei der Bericht:
Millionengrab Ohridsee
Manuskript des Beitrages vom 09.04.2006 von Thomas Kasper
Er ist der älteste See Europas, sein Ökosystem einzigartig: Der Ohridsee. Doch die starke Verschmutzung, vor allem auf albanischer Seite, erregt weltweit Besorgnis.
Ein Felsenkloster auf den Klippen des Ohridsees. Hier sind wir mit Mimoza Stavreva, einer jungen Wasserbauingenieurin verabredet. Seit vier Jahren arbeitet die 24-Jährige in Projekten zur Rettung ihres Sees mit. Der Ohridsee ist UNESCO-Weltnaturerbe und für Mimoza Stavreva der schönste Platz der Welt.
O-Ton: Mimoza Stavreva
„Ich bin hier geboren, lebe hier, habe studiert und ich arbeite hier. Es ist perfekt, ich kann mir nicht vorstellen, dass es einen schöneren Platz auf der Welt gibt.“
Wir sind am mazedonischen Ufer des Ohridsees. Auf der anderen Seite liegt Albanien. Der Ohridsee ist der älteste See Europas. Er ist Lebensraum für Pflanzen und Tierarten, die es nirgendwo auf der Welt ein zweites Mal gibt. Um dieses einzigartige Gewässer zu schützen, spendiert die internationale Staatengemeinschaft seit Jahren viele Millionen Euro. Mazedonien baute mit diesem Geld Abwasserleitungen und Pumpstationen. Das Ingenieurbüro, in dem Mimoza arbeitet, leitet das ambitionierte Projekt. Hier in Struga wird das Abwasser gereinigt. Wenn es am Ende das Klärwerk wieder verlässt, hat es Trinkwasserqualität.
Wir fahren von Mazedonien um den See herum. Auch das Nachbarland Albanien erhielt mehrere Millionen Euro. Internationale Hilfen, die für die Reinerhaltung des Ohridsees bestimmt waren. Als wir am Strand von Pogradec, der größten Stadt am albanischen Ufer, den See erblicken, trauen wir unseren Augen kaum. Derselbe See, das gleiche Wasser. Die Weltbank, die Schweiz und Deutschland stellten seit 1998 rund 7 Millionen Euro für Schutzprogramme auf der albanischen Seite des Ohridsees zur Verfügung. Ohne für uns sichtbaren Erfolg. Aus diesem Rohr sprudelt das Abwasser der 20.000 Einwohner-Stadt Pogradec ungefiltert in den See. Als im Dezember 2005 eine Durchfall-Epidemie in Pogradec ausbrach, waren fast alle Kinder der Stadt und viele alte Menschen davon betroffen. Die Ursache: Kolibakterienverseuchtes Trinkwasser. Selbst das Abwasser des Krankenhauses von Pogradec fließt ungefiltert in den Ohridsee. Wir fahren in die albanische Hauptstadt. In Tirana wollen wir vom Umweltminister des Landes wissen, wo die Hilfsgelder geblieben sind.
O-Ton: Lufter Xhuveli, Umweltminister von Albanien:
„Ich weiß nicht… Ich denke es ist nicht meine Aufgabe Ihnen Auskunft über das Geld zu geben, dass zu jener Zeit ausgegeben wurde. Ich kann sie darüber informieren, mit meiner ganzen Verantwortung als Mitglied der Regierung, dass die Dinge in den letzten Jahren in Bewegung gekommen sind, speziell jetzt. Ich bin nun verantwortlich dafür und kann sagen, dass sich die Situation am Ohridsee schnell verbessern wird.“
Neben der Wasserverschmutzung ist die Überfischung das größte Problem. In Mazedonien ist daher das Fischen nahezu verboten. Hier in Albanien offiziell auch. Doch überall an den Straßen trifft man Fischverkäufer. Allein in Pogradec sind eintausend Fischer registriert. Wie viele illegal fischen, ist nicht bekannt.
Zurück in Mazedonien. Am Abend treffen wir Mimoza Stavreva wieder. Sie nimmt uns mit in das Wintertrainingszentrum von Milutin Sekuloski. Er ist Berufstaucher und Unterwasserfilmer. Milutin Sekuloski will uns Bilder zeigen, wie sie so noch nie im Fernsehen zu sehen waren. Bilder von den geheimnisvollen unterirdischen Quellen. Der Ohridsee hat keinen überirdischen Zufluss. Der See erhält sein Wasser vom 20 Kilometer entfernten, höher gelegenen Prespasee, erklärt uns der Taucher. Durch ein gewaltiges Kalkmassiv sucht sich das Wasser seinen Weg zum Ohridsee. So auf natürliche Weise gefiltert, sprudelt das Wasser aus diesen unterirdischen Quellen. Das Wasser ist heute glasklar – das war nicht immer so. Auch Mazedonien entsorgte früher sein Schmutzwasser in den Ohridsee. Doch die Mazedonier haben die Dramatik der Situation erkannt und die internationalen Hilfsgelder zielgerichtet eingesetzt.
O-Ton: Milutin Sekuloski
„Man kann jetzt auf unserer Seite unter Wasser bis zu hundert Meter weit sehen. Das sind Sichtweiten, wie man sie sonst nur im sehr reinen Salzwasser einiger Meere finden kann, aber in keinem Süßwassersee.“
Zu den albanischen Umweltsünden wollen sie sich vor der Kamera nicht äußern. Der See ist groß und tief genug, um den Schmutzwasserzugang noch zu verkraften. Doch die Zeit drängt. Mimoza erklärt uns, dass durch die Isolation des drei Millionen Jahre alten Ohridsees hier Tier- und Pflanzenarten leben, die es anderswo auf der Welt nur noch als Fossilien gibt. Würde dem See nicht schnell und umfassend geholfen, wären diese Taucher vielleicht die letzten, die diese Tiere aus der Urzeit filmen konnten.
Quelle: http://www.mdr.de/windrose/2685997.html