Dr. Sam Vaknin (Associate Editor, Global Politician and Founding Analyst, International Analyst Network) schreibt in regelmäßigen Abständen Artikel und Analysen zum Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland. Sein aktueller Beitrag bezieht sich auf einige Illusionen, die sich in Mazedonien halten, obwohl eine objektivere Sichtweise notwendig wäre… (aus dem englischen „Macedonians in Denial about the Name Issue Dispute with Greece, Dr. Sam Vaknin, 05 Jun 2009)
Konfrontiert mit der noch nie dagewesenen Wahl zwischen deren Identität und deren Zukunft, flüchten die Mazedonier in den klassischen psychologischen Mechanismus: Ablehnung. Griechenland fordert eine Namensänderung der Republik Mazedonien, andernfalls könnten die Mazedonier ihre EU- und NATO-Bestrebungen vergessen. Die Mazedonier reagieren entsetzt auf diese wirklich bisher nie dagewesene Schikane. Außerstande, der Realität ins Auge zu sehen, ziehen sich die Mazedonier zurück in ihre eigene Wunschvorstellungen.
Wunschvorstellung 1: Mazedonien wird nicht gefragt, ihren verfassungsmäßigen Namen zu ändern.
Mazedonische Intellektuelle und Politiker tun so, also ob Griechenland nur die Änderung des Staatsnamens im internationalen Umfeld, in bilateralen Beziehungen und multinationalen Organisationen fordern würde.
Realität: Mazedonien wird gezwungen werden, ihren verfassungsmäßigen Staatsnamen zu ändern.
Wunschvorstellung 2: Mazedonien verhandelt tatsächlich mit Griechenland
Realität: Griechenland verhandelt die Frage mit den USA und teilweise mit bestimmten Mitgliedern der Europäischen Union. Mazedonien ist nicht Teil der Verhandlungen und ist vollständig irrelevant in diesem Kontext. Mazedonien wird wohl eine „Friss oder Stirb“- Lösung präsentiert werden. Falls es die Lösung nicht annehmen wird, könnte sie einen hohen Preis dafür zahlen, intern (interne multiethnische Spannungen) und extern (weiterer Ausschluss aus dem Mainstream der internationalen Staatengemeinschaft wie NATO und EU). […]
Wunschvorstellung 3: Amerika und viele europäische Staaten sind Freunde Mazedoniens und betrachten das griechische Verhalten und die griechischen Forderungen als grauenhaft.
Wirklichkeit: Während die USA und die Mehrheit der Mitgliedsstaaten der EU Griechenlands Verhalten als unentschuldbar und spaltend betrachten, werden sie wohl alle, ohne Ausnahme, auf griechischer Seite gegen Mazedonien stehen – deshalb, weil Griechenland reicher und ein wichtiges NATO-Mitglied an dessen südlicher Grenze ist; ebenfalls ist Griechenland ein wichtiger Handelspartner vieler Ländern. Mazedonien, im Vergleich, ist eher von begrenzter Wichtigkeit. Daher hat es auch wenig Einfluss.
Die einzige Hoffnung für Mazedonien ist der Einfluss auf die amerikanischen Entscheidungsträger durch die Bildung einer internationalen öffentlichen Meinung, sich in multilateralen Institutionen gegen die griechische Position zu stellen.
Wunschvorstellung 4: Auf wenn es in Mazedonien ein Referendum über einen Lösungsvorschlag geben würde, stellt der Westen sicher, dass dieses erfolgreich sein wird.
Realität: Nikola Gruevski und seine Regierung würden niemals öffentlich eine Lösung unterstützen, welche sie (insgeheim) für unakzeptabel halten. Bestenfalls wird Gruevski neutral bleiben und die Entscheidung dem Volk überlassen. Gruevski wird nicht mit der internationalen Staatengemeinschaft zusammenarbeiten und etwas anrichten, was seiner Ansicht eine gezwungene Aufhebung des natürlichen Rechtes des Mazedonischen Volkes ist.
Wunschvorstellung 5: Die Namensfrage ist sehr wichtig für die aktuelle Regierung.
Wirklichkeit: Die Namensfrage ist eine Ablenkung. Gruevski’s Prioritäten liegen im Wirtschaftswachstum und Entwicklung, sowie in der Stärkung des Nationalbewusstseins, welches auf der antiken und neueren Geschichte beruht. Der Namensstreit ist nicht so wichtig für ihn als für einige seiner Gegner. Es ist bereit den Sturm abzuwarten, auch wenn dies bedeutet, dass man sich erst später der NATO und EU anschließt. Es betrachtet den Namensstreit nicht als Versagen und nimmt dies nicht persönlich. Ebenfalls wird er nicht zulassen, dass seine Emotionen seine Politik beeinflussen.
Wunschvorstellung 6: Gruevski nutzt die Namensfrage um politische Punkte zu sammeln.
Wirklichkeit: Gruevski ist sehr tief betroffen und authentisch bzgl. dieser Frage. Als Person reagiert er schwer auf Ungerechtigkeit und Druck. Er hasst es erpresst zu werden. Er wird sehr stur wenn es um Überredungskünste geht. Auf der anderen Seite ist es wahr, dass er übermäßig sensibel bzgl. seines eigenen Ratings und seiner Beliebtheit ist. Er unternimmt alles um die Namensfrage auf Sparflamme zu halten, denn er glaubt dass das Problem nicht gelöst werden kann, ohne schlichtweg unakzeptable Bedingungen für Mazedonien. Er ist ein pragmatischer Mensch, er konzentriert sich auf das hier und jetzt und auf das was in seiner wirtschaftlichen Sphäre erreicht werden kann.
Quelle: http://www.analyst-network.com/article.php?art_id=2966
kommentiert von pelagon.de
In der Tat durchleuchtet Sam Vaknin die mazedonische Seite kritisch und provoziert mit einigen Aussagen. In der Politik hat nicht immer die Wahrheit oder Gerechtigkeit gesiegt, sondern immer diejenige Meinung, die am beliebtesten war und die am meisten Stimmen bekam, häufig durch einflussreiche Lobbyisten, die aktiv für eine Sache gekämpft haben. Dabei ist es unerheblich, ob die Entscheidung rein rechtlich korrekt ist oder nicht – falls nicht, so wird eben eine Ausnahme geschaffen.
Die Tatsache, dass die Forderungen Griechenlands in Mazedonien nicht akzeptiert werden können, lässt für Gruevski eigentlich keine weitere Option zu, als sich intensiv auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu konzentrieren. In der Namensfrage wurde in den letzten 18 Jahren keine Lösung gefunden. Dabei hat dieser Streit dem Land nur geschadet. Wem kann man jedoch die Verantwortung für dieses Problem zuschreiben? Ist es die mazedonische Regierung, die nicht auf die griechischen Forderungen eingeht, und damit quasi ihre eigene Identität aufgibt, ihr Selbstbestimmungsrecht, ihre eigene Sprache und Kultur?
Oder ist es Griechenland, welches aufgrund ihrer falschen Politik der 1980er und 1990er ein Sentiment aufgebaut hat, welches sie nun in eine Sackgasse geführt hat. Griechenlands Forderungen sind absurd, irrational und basieren hauptsächlich auf Emotionen, welche die griechischen Politiker in der Bevölkerung geschaffen haben. Würde Griechenland die Republik Mazedonien unter diesem Namen anerkennen, hätte das im Grunde keine gravierenden Auswirkungen – einzig und allein die griechischen Politiker, die diese Entscheidung treffen würden, wären zwar politisch Tod, brächten die Beziehungen beider Ländern einen wichtigen Schritt vorwärts. Griechenland ist am Zug, eine richtige Entscheidung zu treffen, nicht Mazedonien.
Vaknin behauptet, Mazedonien habe keine Möglichkeit, im Entscheidungsfindungsprozess mitzuwirken, jedoch übersieht er, dass der Streit nun in das 18. Jahr geht. Wäre sich die Internationale Staatengemeinschaft einig über einen neuen Namen, dann hätte sie dieses Problem bereits vor Jahren gelöst. Die Frage ist, wie tiefgreifend sind die griechischen Argumente gegen die Republik Mazedonien, dass eine Lösung so schwer zu erzielen ist.
Klar ist, dass eine schnelle Lösung positiv auf die mazedonischen Integrationsbemühungen in Richtung EU wirken könnte. Der Appell ist klar, Griechenland sollte über ihren eigenen Schatten springen und endlich diesen irrationalen Streit beenden.