Im Jahr 2011 gibt es in der Republik Makedonien einige Jubiläen zu feiern: 20 Jahre Unabhängigkeitsreferendum (08.09.1991 / 2011), 20 Jahre Unabhängigkeit (18.09.1991 / 2011), 20 Jahre Verfassung der Republik Makedonien (18.11. / 20.11.1991 / 2011) und 10 Jahre Rahmenabkommen von Ohrid (13.08.2001 / 2011) zur Beilegung des Interessenkonfliktes zwischen ethnischen Makedoniern und ethnischen Albanern über eine angemessene Repräsentation der albanischen Volksgruppe in der Politik und Verwaltung der Republik Makedonien. Leider wird auch der sogenannte Namensstreit zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik 20 Jahre alt. Dies sollte als Ansporn dienen diesen Streit um die inhaltliche Bedeutung der Begriffe „Makedonien“ und „Makedonier“ sehr bald auf rationaler und völkerrechtlicher Basis zu beenden. Die Unabhängigkeit der Republik Makedonien ist auch mit einem anderen Ereignis in dieser Zeit verbunden: Der Zerfall der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ (SFRJ). Der formale Zerfall begann durch die Unabhängigkeitserklärungen der Republiken Kroatien und Slowenien am 25.06.1991. Am 18.09.1991 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung der Republik Makedonien und am 03.03.1992 die der Republik Bosnien und Herzegowina. In allen vier Republiken stimmte die jeweilige Bevölkerung in Referenden mit großer Mehrheit für die Unabhängigkeit. In Bosnien und Herzegowina wurde allerdings das Referendum von der serbischen Volksgruppe größtenteils boykottiert, so dass eine entsprechende Mehrheit nur durch die bosniakische (muslimische) Volksgruppe und die kroatische Volksgruppe zustande kam. Mit der Gründung der „Bundesrepublik Jugoslawien“ durch die Republiken Serbien und Montenegro am 27.04.1992 war der formale Zerfall der SFRJ abgeschlossen. Materiell begann der Zerfallsprozess der SFRJ bereits mit dem Tod des Staatsgründers und Staatspräsidenten Josip Broz Tito am 04.05.1980 und den Unruhen im Kosovo im März 1981. Beschleunigt und deutlich sichtbar wurde der materielle Zerfall der SFRJ ab dem Jahr 1989.
Die Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien (SFRJ)
Gemäß der Verfassung der SFRJ vom 21.04.1974 war die Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien ein Bundesstaat als staatliche Gemeinschaft freiwillig vereinigter Völker und ihrer sozialistischen Republiken sowie der sozialistisch autonomen Gebietskörperschaften Kosovo und Vojvodina, die sich im Verband der Sozialistischen Republik Serbien befanden, gegründet auf die Macht und die Selbstverwaltung der Arbeiterklasse und allen arbeitenden Menschen, sowie eine sozialistisch sich selbstverwaltende demokratische Gemeinschaft der arbeitenden Menschen und Bürger sowie gleichberechtigter Nationen und Nationalitäten. Die SFRJ bildeten: Die Sozialistische Republik Bosnien und Herzegowina, die Sozialistische Republik Kroatien, die Sozialistische Republik Makedonien, die Sozialistische Republik Montenegro, die Sozialistische Republik Serbien sowie die Sozialistisch Autonome Gebietskörperschaft Kosovo und die Sozialistisch Autonome Gebietskörperschaft Vojvodina im Verband der Sozialistischen Republik Serbien und die Sozialistische Republik Slowenien.
Kosovo, das Vorspiel zum späteren Bürgerkrieg und Zerfall der SFRJ
Nach den Tod der jugoslawischen Integrationsfigur und des Präsidenten der SFRJ Josip Broz Tito am 04.05.21980 traten die sich in den siebziger Jahren abzeichneten wirtschaftlichen Probleme immer stärker zu Tage. Diese Probleme führten innerhalb von zehn Jahren zu einer schweren Systemkrise, zum Aufbrechen von nationalen Gegensetzen, zum Bürgerkrieg und zum Zerfall der SFRJ. Bereits ende März 1981 kam es im Kosovo zu einem ersten Vorspiel zum späteren Bürgerkrieg. In diesen Tagen gingen in Priština, der Hauptstadt der autonomen Gebietkörperschaft Kosovo die Studierenden auf die Straße. Was als normale Studierendendemonstration begann, griff Anfang April auch auf andere Teile des Kosovo und seiner Bevölkerung über, die zu 90% aus ethnischen Albanern besteht und insgesamt 2 Millionen Einwohner ausmachen. Da bei diesen Massendemonstrationen auch die Forderung nach einer eigenen Republik Kosovo im Rahmen der SFRJ anstelle einer autonomen Gebietskörperschaft im Rahmen der Sozialistischen Republik Serbien erhoben wurde, griff die Polizei des Kosovo, in der die Serben noch immer das stärkste Kontingent stellten, brutal ein. Die Lage im Kosovo konnte erst unter Kontrolle gebracht werden, nach dem das jugoslawische Staatspräsidium Einheiten der Bundespolizei und der jugoslawischen Streitkräfte einsetzte.
Politische Hintergründe, Widerspruch zwischen Föderalismus und Zentralismus
Nach der Verfassung vom 21.02.1974 bestand die SFRJ aus sechs weitgehend selbständigen sozialistischen Republiken mit eigenen Verfassungen, Parlamenten und Regierungen und zwei autonomen Gebietskörperschaften (Kosovo, Vojvodina) im Rahmen der Sozialistischen Republik Serbien. Serbien sah in den autonomen Gebietskörperschaften eine Beschneidung seiner Staatlichkeit, weil diese den jugoslawischen Republiken faktisch gleichgestellt waren und nur nominell zu Serbien gehörten. Die Bundesorgane wurden praktisch auf Institutionen zurückgeführt, die einen Interessenausgleich und gemeinsame Beschlüsse der jugoslawischen Republiken und Gebietskörperschaften ermöglichen sollten. Diese stark föderative Struktur der SFRJ stand jedoch in einem starken Spannungsverhältnis und in einem Widerspruch zur zentralistischen Lenkung der SFRJ durch den Bund der Kommunisten Jugoslawiens, kurz BKJ. Zwar war auch der BKJ föderativ gegliedert, jedoch führte dies keineswegs zu Pluralismus und zu einer Dezentralisierung der Machtverhältnisse. Anfang 1990 führt dieser Widerspruch zum Zerfall des BKJ und zu unterschiedlichen Entwicklungen in den jugoslawischen Republiken. In den westlich geprägten Republiken Slowenien und Kroatien wurde anstelle des Einparteiensystems das Mehrparteiensystem eingeführt und die ersten freien Wahlen brachten einen Sieg für die antikommunistischen Kräfte. In Folge dessen wurde in diesen Republiken die Marktwirtschaft eingeführt und der Ruf nach noch mehr Autonomie vom jugoslawischen Bundesstaat laut. In Serbien und Montenegro wurden die erste Mehrparteienwahlen von den sozialistischen Nachfolgeparteien des BKJ gewonnen, die für eine Stärkung des jugoslawischen Bundesstaates auf Kosten der bisherigen Autonomie der jugoslawischen Republiken eintraten und an einer bedingten Planwirtschaft festhalten wollten. Dieser Widerspruch in den politischen und wirtschaftlichen Ansichten der Republiken Slowenien und Kroatien auf der einen Seite und von Serbien und Montenegro auf der anderen Seite führte dazu, das Slowenien und Kroatien den jugoslawischen Bundesstaat verlassen wollten und Serbien dies in Verbindung mit Montenegro verhindern wollte. Dieser Widerspruch wurde trotz mehrerer Krisengipfel nie beseitigt. Stattdessen wurde er von nationalen und ideologischen Auseinandersetzungen überlagert. Bereits im Jahr 1989 hob die Republik Serbien in verfassungswidriger Weise die Autonomie des Kosovo und später die der Vojvodina auf. Anfang 1991 kam es zu ersten bürgerkriegsähnlichen Unruhen in den von Serben bewohnten kroatischen Gebieten und zum Einsatz der jugoslawischen Streitkräfte in diesen Gebieten. Nach den Unabhängigkeitserklärungen der Republiken Slowenien und Kroatien am 25.06.1991 brach ein mehrjähriger Bürgerkrieg ganz offen aus, in den auch die am 03.03.1992 unabhängig gewordene Republik Bosnien und Herzegowina mit hineingezogen wurde. Nur die Republik Makedonien, die wirtschaftlich am unterentwickeltesten jugoslawische Republik schaffte es ohne Krieg den jugoslawischen Staatenverband am 18.09.1991 zu verlassen. Serbien und Montenegro schlossen sich am 27.04.1992 zur Bundesrepublik Jugoslawien zusammen, aus der am 04.02.2003 der lockere Staatenbund Serbien und Montenegro hervorging. Mit den Unabhängigkeitserklärungen der Republiken Montenegro am 03.06.2006 bzw. Serbien am 05.06.2006 wurde der Staatenbund Serbien und Montenegro aufgelöst. Am 17.02.2008 erklärte die seit dem 10.06.1999 unter der Verwaltung der Vereinten Nationen stehende serbische Provinz Kosovo ihre Unabhängigkeit. Diese Unabhängigkeit ist bis heute politisch und völkerrechtlich umstritten.
Widerspruch zwischen Selbstverwaltungssozialismus und bürokratischer Zentralismus
Neben der Verfassung von 1974 wurde das System des Selbstverwaltungssozialismus im Jahr 1976 durch das Gesetz über die assoziierte Arbeit, das aus 671 Artikeln sogar die aus über 400 Artikeln bestehende jugoslawische Verfassung weit übertraf , stark ausgebaut. Hauptziel der Verfassung von 1974 in Verbindung mit dem Gesetz über die assoziierte Arbeit von 1976 war es zu verhindern, dass sich in welchen Institutionen auch immer irgendeine von dem BKJ unabhängige politische und wirtschaftliche Macht herausbilden und festsetzen konnte. Deshalb waren jetzt auch nicht mehr die Wirtschaftsunternehmen Träger der Selbstverwaltung, sondern die Grundorganisationen der assoziierten Arbeit. Dies waren kleine, aus Werktätigen und anderen Mitgliedern bestehende Einheiten, denen der finanzielle Ertrag aus ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zufiel. Damit waren diese Wirtschaftsunternehmen ein Zusammenschluss dieser auch finanziell autonomen Einheiten. Ziel war es den Einfluss von Managen und Technokraten in den Selbstverwaltungsgremien zu beschränken. Tatsächlich kam es jedoch zu einer Atomisierung der Selbstverwaltung und zu einer Aufblähung ihrer Bürokratie. Hinzu kam wieder die zentralistische Lenkung durch das BKJ. Dies führte dazu das diese Wirtschaftsunternehmen unwirtschaftlich arbeiteten und die Korruption um sich griff. Bereits 1979 zeigte sich, dass die wirtschaftlichen Probleme immer größer wurden und das sich diese Probleme auch nicht im Rahmen des Systems der SFRJ lösen lassen konnten. Dies führte dann von einer Wirtschaftskrise zu einer Systemkrise der SFRJ, die bereits weiter oben beschrieben worden ist.
Wirtschaftliche Unterschiede zwischen den jugoslawischen Republiken und den autonomen Gebietskörperschaften
Slowenien und Kroatien waren die wohlhabendsten Republiken in der SFRJ. So brachte alleine Slowenien mit einem Anteil von nur 8% an der jugoslawischen Gesamtbevölkerung 23% des Bundeshaushaltes auf. Auch die wirtschaftliche Lage Kroatiens war dank der Deviseneinnahmen durch den Tourismus besonders gut. Der Verdienst der Arbeiter war in diesen Republiken besser, so lag der Durchschnittsverdienst in Slowenien dreimal höher als der jugoslawische Durchschnittsverdienst. Im Gegensatz dazu standen die wirtschaftlich unterentwickelten Republiken Makedonien und Montenegro, das Kosovo und andere unterentwickelte Gebiete in den Republiken Bosnien und Herzegowina und Serbien, die von den wohlhabenden Republiken mitfinanziert werden mussten. Dies war auch ein entscheidender Grund dafür warum die Republiken Slowenien und Kroatien noch mehr Autonomie im Bundesstaat wollten, während die anderen jugoslawischen Republiken an einem starken Bundesstaat festhalten wollten. Denn diese Frage hatte vor allem den finanziellen Hintergrund, wie viel die wohlhabendere Republiken den ärmeren Republiken abgeben mussten. Auch setzten die wohlhabenderen Republiken Slowenien und Kroatien auf eine westlich geprägte Marktwirtschaft in einem demokratischen und pluralistischen politischen System, während die ärmeren Republiken zwar nicht unbedingt das alte System behalten wollten, jedoch eine stark sozialistisch geprägte Marktwirtschaft mit Elementen der Planwirtschaft und einen starken Staat befürworteten. Dieser Widerspruch ließ sich trotz aller Kompromissversuche nicht in einem gemeinsamen Staat auflösen. Das Ergebnis war der Austritt der Republiken Slowenien und Kroatien aus der SFRJ. Bosnien und Herzegowina und Makedonien wollten zwar den jugoslawischen Bundesstaat in anderer Form erhalten, waren jedoch nicht dazu bereit mit Serbien und Montenegro in einem Rumpf-Jugoslawien zu verbleiben. Der Rest ist Geschichte. Die Kosovo-Frage wurde von der Staatengemeinschaft zunächst stiefmütterlich behandelt und führte zu einen weiteren Bürgerkrieg im Jahr 1998 zwischen Albanern und Serben, was zu einem Angriff der NATO-Staaten auf die Bundesrepublik Jugoslawien führte. In der Folge dessen steht das Kosovo seit dem 10.06.1999 unter der Verwaltung der Vereinten Nationen. Am 17.02.2008 erfolgte Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von Serbien. Es ist immer noch umstritten, ob das Kosovo ein Völkerrechtssubjekt oder noch völker- und staatsrechtlicher Bestandteil der Republik Serbien ist.
Fazit
Der gemeinsame Staat der südslawischen Völker als „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ wurde am 01.12.1918 gegründet. Am 03.10.1929 wurde dieser Staat in „Königreich Jugoslawien“ umbenannt. Dieser Staat war serbisch dominiert, zentralistisch organisiert und nahm auf die Besonderheiten der einzelnen jugoslawischen Völker keinerlei Rücksicht. Dies führte vor allem zu Wiederstand bei den nichtserbischen Volksgruppen, wie etwa bei den Kroaten oder den ethnischen Makedoniern. Der ersten jugoslawische Staat (1918 – 1941) zerfiel nicht nur aufgrund des Angriffes der Deutschen Wehrmacht ab dem 06.04.1941 und der anschließenden Zerschlagung des Königreiches Jugoslawien durch die Besatzer, sondern auch von innen her. Die gewaltsame Unterdrückung von nationalen Gegensätzen im Königreich Jugoslawien entfremdete viele Volksgruppen von diesem ersten jugoslawischen Staat. Während des Zweiten Weltkrieges gewannen ab 1943 die kommunistischen Partisanen unter Josip Broz Tito die Oberhand auf dem Gebiet des Königreiches Jugoslawien und ab 1945 die alleinige politische Macht. Die nationale Gegensätze sollten nicht mehr unterdrückt, sondern in einem föderativen System kanalisiert werden. Am 29.11.1945 wurde die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ proklamiert, die am 07.03.1963 in „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ umbenannt wurde. Dem föderativen System stand jedoch ein Einparteiensystem und ein politischer Zentralismus durch den Bund der Kommunisten Jugoslawiens gegenüber. Dies führte in gewissen Sinne zu einer analogen Situation wie im ersten jugoslawischen Staat und zum aufbrechen von nationalen Gegensätzen aufgrund eines in sich widersprüchlichen Systems. Schon der ehemalige amerikanische Präsident Abraham Lincoln (1809 – 1865) stellte fest: „Ein in sich gespaltenes Haus kann keinen Bestand haben“ Auf die jugoslawischen Situation übertragen bedeutet dies: Ein staatliches System kann keinen Bestand haben, wenn es auf Dauer auf der einen Seite extrem föderalistisch organisiert und auf der anderen Seite ohne Pluralismus und zentralistisch organisiert ist. Es wird entweder ganz das eine oder ganz das andere sein oder ganz scheitern. Auch der zweite jugoslawische Staat (1945 – 1991) ist gescheitert. Einen dritten jugoslawischen Staat als Gemeinschaft aller südslawischen Völker wird es wohl mehr nicht geben, wohl aber wird es in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Vereinigung aller südslawischen Völker unter einem Dach kommen: Der Europäischen Union. Es bleibt zu hoffen das bis dahin alle noch vorhandenen Gegensätze behoben sein werden. So müssen vor allem die Kosovo-Frage sowie die staatsrechtliche Organisation von Bosnien und Herzegowina noch abschließend geklärt werden. Die Kosovo-Frage ist mit eingebunden in die allgemeine albanische Frage, die das völker- und staatsrechtliche Schicksal der albanischen Volksgruppe außerhalb des albanischen Staates betrifft. Die betrifft insbesondere auch die Republik Makedonien, in der die albanische Volksgruppe einen Anteil von 23 % an der Gesamtbevölkerung der Republik Makedonien ausmacht. Die Anerkennung der ethnischen oder slawischen Makedonier erfolgte im Jahr 1943 im Rahmen eines föderativen Jugoslawien. Diese Anerkennung und die Etablierung eines makedonischen Staates im Rahmen eines föderativen Jugoslawiens führten zu einer relativ erfolgreichen Klärung der makedonischen Frage auf staatsrechtlicher Ebene. Die unabhängige Republik Makedonien und die Anerkennung einer makedonischen Nation kann auch auf völkerrechtlicher Ebene zu einer endgültigen Klärung der makedonischen Frage führen.