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Plädoyer für die makedonische Nation

Die staatsrechtliche Etablierung einer makedonischen Nation ab dem Jahr 1943, zunächst im Rahmen eines föderativen Jugoslawien (1943 – 1991) und seit 1991 in der völkerrechtlich unabhängigen „Republik Makedonien“, war und ist bisher die beste  Antwort auf die allgemeine makedonische Frage. Dies war bis in das Jahr 1991, als sich eine Unabhängigkeit der Republik Makedonien von der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ (SFRJ) abzeichnete, auf internationaler Ebene weitgehend unproblematisch. Doch im Mai 1991, noch vor der formellen Unabhängigkeitserklärung der Republik Makedonien von der SFRJ, kündigte die Hellenische Republik (Griechenland) an, eine Anerkennung der Republik Makedonien unter ihrem verfassungsmäßigen Namen verhindern zu wollen. Damit war der sogenannte Namensstreit zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik geboren und besteht seit dem fort. Nach der formellen Unabhängigkeitserklärung der Republik Makedonien vom 18.09.1991 beschloss der griechische Ministerrat am 04.12.1991 unter dem damaligen Premierminister Konstantin Mitsotakis folgende Bedingungen für eine völkerrechtliche Anerkennung der Republik Makedonien:

  1. Verzicht auf den Namen „Makedonien“, der einen geographischen Bereich und keine ethnische Einheit bezeichnet;
  2. Erklärung, dass der neue Staat keine Ansprüche gegenüber der Hellenischen Republik erhebt;
  3. Erklärung, dass es keine makedonische Minderheit (ethnische oder slawische Makedonier) in der Hellenischen Republik gibt.

Seit dem 08.04.1993 wird für alle Zwecke im Rahmen der Vereinten Nationen sowie im völkerrechtlichen Verkehr mit der Hellenischen Republik die Bezeichnung „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ verwendet. Diese Bezeichnung wird in der Regel auch im Rahmen von internationalen Organisationen und von einer kleinerer Zahl von Staaten im bilateralen Verkehr mit der Republik Makedonien verwendet. Die Mehrheit der Staaten verwendet im bilateralen Verkehr mit der Republik Makedonien jedoch die verfassungsmäßige Bezeichnung „Republik Makedonien“.

Die Hellenische Republik würde mittlerweile den Namen „Makedonien“ in zusammengesetzter Form mit einer geographischen Spezifizierung, wie zum Beispiel „Republik Nord-Makedonien“ akzeptieren. Dieser Name müsste dann allerdings universell und ohne jede Einschränkung für den völkerrechtlichen Verkehr gelten („erga omnes“). Strittig blieben damit allerdings die Fragen um die zukünftige Bezeichnung der makedonischen Nation und Sprache sowie der makedonischen Staatsbürgerschaft.

Die allgemeine makedonische Frage und der Kampf um ihre Beantwortung

Die bisherige Antwort auf die allgemeine makedonische Frage war und ist die staatsrechtliche Etablierung der makedonischen Nation. Die allgemeine makedonische Frage betraf das Schicksal der nicht osmanischen Bevölkerung des geographischen Makedonien im heutigen Sinne unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches ab etwa der  zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Durch den Wiener Kongress im Jahre 1878 verblieb das geographische Makedonien beim Osmanischen Reich, während Bulgarien seine Unabhängigkeit erlangte. In dieser Zeit waren auch die Staaten Griechenland und Serbien bereits unabhängig, so dass sich im 19. Jahrhundert die modernen Nationen der Bulgaren, der Griechen und der Serbien herausbilden konnten. Für die Bevölkerung in Makedonien begann eine separate Entwicklung, die bis in das Jahr 1912 andauerte. Ende des 19 Jh. entwickelte sich eine überwiegend slawische Befreiungsbewegung, die unter dem Namen „Makedonien“ (Innere Makedonische Revolutionäre Organisation, kurz IMRO) für die Autonomie dieses Gebietes innerhalb des Osmanischen Reiches, für einen Anschluss an Bulgarien oder für die Unabhängigkeit kämpfte. Die IMRO wurde am 23.10.1893 in der Wohnung des Buchhändlers Ivan Nikolov in Thessaloniki von sechs jungen Leuten gegründet. In den Statuen der IMRO wurden folgende Punkte festgelegt:

  1. Die Tätigkeit der Organisation ist geheim und erstreckt sich nur auf Makedonien;
  2. Die Organisation hat eine Autonomie für Makedonien zum Ziel;
  3. Nur in Makedonien geborene oder lebende Personen können Mitglieder in der Organisation werden;
  4. Die Organisation agiert unabhängig von den Staaten Bulgarien, Griechenland und Serbien.

Nach ihrer Gründung bildeten sich innerhalb der IMRO verschiedene Flügel bzw. Richtungen heraus. So trat der probulgarische Flügel für einen Anschluss an Bulgarien ein, während der promakedonische Flügel für ein unabhängiges Makedonien eintrat. Innerhalb der IMRO kam es zu Richtungskämpfen, die zum Teil sehr gewalttätig ausgetragen wurden. Der Kampf der IMRO um Makedonien führte zu keinem wesentlichen Erfolg. Ein Höhepunkt dieses Kampfes war der sogenannten „Ilinden-Aufstand“ am 02.08.1903. Dieser Aufstand führte zur Bildung der kurzzeitigen „Republik von Kruševo“, die nach makedonischen Geschichtsverständnis als Vorläufer des späteren makedonischen Staates gilt. Dieser Aufstand wurde schon nach zwölf Tagen von osmanischen Truppen niedergeschlagen und damit endete auch die Existenz der Republik von Kruševo. Im Ersten Balkankrieg im Jahre 1912 ist das zum Osmanischen Reich gehörende geographische Makedonien von den Staaten Bulgarien, Griechenland und Serbien erobert und besetzt worden. Der Zweite Balkankrieg im Jahre 1913, der im Wesentlichen zwischen Bulgarien auf der einen Seite und Griechenland und Serbien auf der anderen Seite um Makedonien geführt worden ist, führte im Ergebnis zum Vertrag von Bukarest. In diesem Vertrag vom 10.08.1913 wurde das geographische Makedonien zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien aufgeteilt. Die dort festgelegte Aufteilung besteht mit kleineren Änderungen im Wesentlichen heute noch fort. Nach dieser Aufteilung kam es in Makedonien zu großen Bevölkerungsverschiebungen und zu einer Assimilierungspolitik durch die Staaten Bulgarien, Griechenland und Serbien. In Bulgarien und Griechenland hatte diese Politik im wesentlichen Erfolg, so dass sich dort nur noch Minderheiten als ethnische oder slawische Makedonier titulieren. So bezeichnen sich im bulgarischen Teil von Makedonien noch einige Tausend als Makedonier, während es im griechischen Teil von Makedonien nach unabhängigen Schätzungen noch zirka 45.000 ethnische oder slawische Makedonier gibt. Im serbischen bzw. jugoslawischen Teil von Makedonien war die serbische Assimilierungspolitik nicht so erfolgreich. Es gab Wiederstand in der makedonischen Bevölkerung gegen diese serbische Politik, der vor allem von der IMRO organisiert wurde. Auch den Bulgaren gelang es nicht während ihrer Besetzung des jugoslawischen Teils von Makedonien im Zweiten Weltkrieg in den Jahren 1941 bis 1944 die makedonische Bevölkerung für sich zu gewinnen  und zu assimilieren. Die makedonische Bevölkerung im jugoslawischen Teil von Makedonien wollte weder bulgarisch noch serbisch sein. Diese Entwicklung diente dem jugoslawische KP-Führer Josep Broz Tito zur staatsrechtlichen Etablierung einer makedonischen Nation innerhalb einer jugoslawischen Föderation, mit dem Ziel den Volksbefreiungskampf auch im jugoslawischen Teil von Makedonien zu etablieren. Auf der zweiten Sitzung des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens am 29.11.1943 wurden die slawischen Makedonier erstmals als gleichberechtigt mit den übrigen jugoslawischen Völkern und damit als eigenständige Nation anerkannt. Die makedonische Bevölkerung sollte durch ein eigenständiges Nationalbewusstsein den Einflüssen aus Bulgarien und Serbien entzogen werden. Später hat gerade dieses eigenständige Nationalbewusstsein zu mehr Stabilität in dieser Region geführt, da ein nicht mehr existierendes ethnologisches Vakuum keine gegenseitigen Ansprüche der Nachbarstaaten mehr auslösen konnte. Am 02.08.1944 wurde im makedonischen Kloster Prohor Pčinski die erste Tagung der Antifaschistischen Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens eröffnet und damit der Schlussakt zur Gründung des makedonischen Staates innerhalb der jugoslawischen Föderation eingeleitet.  Im Rahmen des makedonischen Staates entwickelten sich die ethnischen oder slawischen Makedonier dann endgültig zu einer eigenständigen Kulturnation, die unabhängig von den Kulturnationen der Bulgaren, der Griechen und der Serben ist. Die zunächst staatsrechtlich etablierte makedonische Kulturnation hat damit auch eine starke ethnologische Komponente bekommen, die heute einen Teil der Realität in dieser Region bildet und dadurch die allgemeine makedonische Frage im wesentlichen beantwortet. Offen bleibt die Frage nach der Anerkennung und dem Status der ethnischen oder slawischen Makedonier in den Nachbarstaaten der Republik Makedonien, vor allem in Bulgarien und Griechenland. Dieser Rest der allgemeinen makedonischen Frage wird jedoch von einer speziellen makedonischen Frage überlagert, die die makedonische Identität der ethnischen oder slawischen Makedonier als Nation betrifft.

Die spezielle makedonische Frage nach der Identität der makedonischen Nation

Die Hellenische Republik lehnt die Bezeichnung „Makedonien“ für die Republik Makedonien grundsätzlich ab, auch wenn sie mittlerweile den Namen Makedonien in zusammengesetzter Form mit einer geographischen Spezifizierung akzeptieren würde. Für die Hellenische Republik und die Hellenen können die ethnischen oder slawischen Makedonier keine Makedonier sein. Nach mehrheitlicher akademischer Auffassung waren die antiken Makedonen (antiken Makedonier) ein antiker griechischer Volksstamm, der Namensgeber für die antike Region Makedonien war. Damit seien die Bezeichnungen Makedonien und Makedonier alleiniger Teil der griechischen Geschichte und Kultur. Auch umfasst der nördliche Teil der geographischen Region Makedonien Gebiete, die nicht zum Territorium des antiken Makedonien gehörten. Große Teile der heutigen Republik Makedonien umfassen daher Gebiete, die nicht zum Territorium des antiken Makedonien gehörten, während die griechische Region Makedonien im Kernbereich des ehemaligen Territoriums des antiken Makedonien liegt. Die antiken Makedonen existieren heute nicht mehr, doch die griechischen Makedonier als Teil der hellenischen Nation sehen sich als ihre kulturellen und legitimen Nachfahren an. Die ethnischen oder slawischen Makedonier haben keinen Bezug zu den antiken Makedoniern, da die Slawen erst um 600 nach Christus in das Gebiet von Makedonien einwanderten. Die antike makedonische Sprache war entweder ein antiker griechischer Dialekt oder eine eigene Sprache gewesen, die mit der antiken griechischen Sprache verwandt war. Die geographische Region Makedonien im heutigen Sinne ist mit dem Territorium des antiken Makedonien nur teilidentisch. Die Hellenische Republik sieht in der Verwendung der Bezeichnungen Makedonien und Makedonier durch die Republik Makedonien und durch die ethnischen oder slawischen Makedonier eine Verletzung ihrer „kulturellen Integrität“, die wir völkerrechtlich als Unterfall der „territorialen Integrität“ betrachten können. Die Hellenische Republik vertritt auch die Auffassung, wonach die Verwendung der verfassungsmäßigen Bezeichnung „Republik Makedonien“ territoriale Ansprüche auf die gleichnamige griechische Region Makedonien impliziere. Nach Auffassung der Republik Makedonien stelle die griechische Forderung nach einer Namensänderung des verfassungsmäßigen Namens ihrerseits einer Verletzung der kulturellen Integrität der Republik Makedonien dar. Der Name der Republik Makedonien sowie ihrer Nation und Sprache leitet sich vom geographischen Makedonien im heutigen Sinne ab. Zu unterschiedlichen Zeiten haben die Begriffe Makedonien und Makedonier auch eine unterschiedliche materielle Bedeutung gehabt. So umfasste schon die römische Provinz „Macedonia“ Gebiete die nie zum antiken Makedonien gehörten, während Gebiete des antiken Makedonien in anderen römischen Provinzen aufgingen.  Die makedonische Identität der Republik Makedonien einschließlich ihrer Nation und Sprache dürfe nicht in Frage gestellt werden. Die makedonische Identität ist das entscheidende Kriterium in dem sogenannten Namensstreit. Die grundlegenden Fragen sind:

  1. Was ist Makedonien?
  2. Was sind die Makedonier?
  3. Was ist die makedonische Sprache?
  4. Was bedeutet die Eigenschaft „makedonisch“?

Um diese Fragen wirklich beantworten zu können muss die spezielle makedonische Frage beantwortet werden, die vor allem aus folgenden drei Teilfragen besteht:

  1. Welcher Art war das antike Makedonien und waren die antiken Makedonier?
  2. Welcher Art ist das heutige Makedonien und sind die heutigen Makedonier?
  3. In welchen Verhältnis stehen das antike Makedonien und die antiken Makedonier zum heutigen Makedonien und zu den heutigen Makedoniern?

Diese Fragen müssen nach objektiven Kriterien beantwortet werden. Dies kann nur im Rahmen eines neutralen und unabhängigen Expertengremiums unter Beteiligung der betroffenen Parteien erfolgen. Auf Basis einer objektiven Klärung der speziellen makedonischen Fragen sollte dann eine politische und völkerrechtlich verbindliche Lösung des sogenannten Namensstreites, der eigentlich ein Streit um die materielle Bedeutung der makedonischen Identität ist, erreicht werden.

Das Plädoyer für die Republik Makedonien und die makedonische Nation

Die Identität einer Nation ist für ihre Existenz nicht weniger wichtig als die Identität und die Unversehrtheit ihrer Angehörigen. Wer die Identität einer Nation in Frage stellt, stellt damit gewollt oder ungewollt auch ihre Existenz in Frage. Die Bildung einer Nation ist immer ein Produkt aus historischen, kulturellen und politischen Faktoren. Die heutige makedonische Nation ist ebenso ein Produkt dieser Faktoren wie auch die hellenische Nation. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an wann diese Faktoren zur Nationenbildung geführt haben und welchen Ursprung der Name dieser Nation ist. Im Falle der makedonischen Nation führten die historischen, kulturellen und politischen Faktoren im Jahre 1943 zur staatsrechtlichen Nationenbildung. Diese Nation ist ebensowenig wie die hellenische Nation ein bloßes staatsrechtliches Konstrukt, sondern auch im kulturellem Sinne eine Nation. Im Falle der heutigen hellenischen Nation führten die historischen, kulturellen und politischen Faktoren ab dem Jahr 1821 zur Nationenbildung. Der „Hellenismus“ selbst ist sehr alt. Der heutige „Makedonismus“ lässt sich bis in das Jahr 1878 relativ sicher zurückverfolgen. Dieser Makedonismus darf jedoch nicht mit dem Makedonismus des antiken Makedonien verwechselt werden. Inwieweit es vor dem Jahr 1878 einen Makedonismus im heutigen Sinne gegeben hat lässt sich leider nicht sicher evaluieren und muss daher Gegenstand der Forschung bleiben. Wichtig bei einer Lösung des Streits um die makedonische Identität ist, dass keine Partei ein Monopol auf die Bezeichnungen Makedonien, Makedonier und Makedonisch sowie auf die Eigenschaft makedonisch hat. Daher müssen wir zunächst folgendes unterscheiden:

  1. Die Art des antiken Makedonien und die Art der antiken Makedonier sowie
  2. die Art des heutigen Makedonien und die Art der heutigen Makedonier.

Dabei ist folgendes zu beachten: Die Art des antiken Makedonien und die Art der antiken Makedonier präjudiziert nicht die Art des heutigen Makedonien und die Art der heutigen Makedonier. So sollten wir im Falle des heutigen Makedonien und der heutigen Makedonier unterscheiden zwischen:

  1. Der Republik Makedonien als Völkerrechtssubjekt und der ethnischen oder slawischen Makedonier als Nation sowie
  2. der griechischen Region Makedonien als völkerrechtlicher und staatsrechtlicher Bestandteil der Hellenischen Republik und der griechischen Makedonier als Bestandteil der hellenischen Nation.

Wichtig ist, dass weder die griechischen Makedonier noch die slawischen oder ethnischen Makedonier eine Abbildung der antiken Makedonier in die heutige Zeit darstellen. Grundsätzlich muss natürlich noch folgendes festgelegt werden:

  1. Der Anteil der Republik Makedonien an der Gesamtgeschichte und Gesamtkultur Makedoniens sowie
  2. der Anteil der Hellenische Republik an der Gesamtgeschichte und Gesamtkultur Makedoniens.

Die Republik Makedonien leitet ihren Namen sowie den Namen ihrer Nation und ihrer Sprache vom geographischen Makedonien im heutigen Sinne ab. Diese Ableitung nach dem Territorialprinzip ist nicht nur rational sondern im völkerrechtlichem Sinne ein Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes eines Volkes und daher völkerrechtlich zulässig. Dabei kommt es nicht auf den Ursprung des Namens selbst an, da dieses Territorium schon vorher als Makedonien bezeichnet wurde. Auch wurde die Bevölkerung in der geographischen Region Makedonien  zum Teil schon vor Bildung einer makedonischen Nation als „Makedonisch im geographischen Sinne“ bezeichnet. So sind alle Einwohner der geographischen Region Makedonier unabhängig von ihrer Abstammung oder ethnischen Zugehörigkeit „Makedonier im geographischen Sinne“. Tatsächlich wird die Bezeichnung Makedonier heute vor allem von zwei Volksgruppen verwendet: Den ethnischen oder slawischen Makedoniern als Nation und von den griechischen Makedoniern als Bestandteil der hellenischen Nation. Beide Volksgruppen haben aufgrund des Territorialprinzips einen Anspruch auf die Bezeichnung Makedonier. Es spielt dabei keine Rolle, dass beide Gruppen sich ethnisch unterscheiden oder nur einen Teil des geographischen Makedonien besiedeln. Das Abstammungsprinzip, also die direkte Abstammung von den antiken Makedoniern, dürfte weder bei den ethnischen oder slawischen Makedoniern noch bei den griechischen Makedoniern eine wesentliche Rolle spielen. Zwar dürften die antiken Makedonier im wesentlichem im Hellenentum aufgegangen sein, doch lassen sich die heutigen griechischen Makedonier nicht als abgeschlossene Gruppe den antiken Makedoniern ausschließlich zurechnen. Auch bei der Frage der Namensgebung spielt es keine Rolle, dass die Republik Makedonien nur einen Teil des geographischen Makedonien ausmacht und ein anderer Teil die griechische Region Makedonien bildet. Es gibt auf internationaler Ebene genügend Beispiele dafür, dass ein Völkerrechtssubjekt nur Teil einer größeren Region gleichen Namens ist bzw. dass eine Völkerrechtssubjekt die gleiche Bezeichnung trägt wie die Region eines anderen Völkerrechtssubjektes. Beispiele hierfür sind: Asserbaidschan (Völkerrechtssubjekt und gleichnamige iranische Provinz), Luxemburg (Völkerrechtssubjekt und gleichnamige belgische Provinz) und Kongo (zwei gleichnamige Völkerrechtssubjekte). Das Völkerrecht verlangt in diesem Fall keine Zusatzbezeichnungen zum verfassungsmäßigen Namen eines Völkerrechtssubjektes. Auch der hellenische Ursprung der Bezeichnung Makedonien rechtfertigt keine Monopolisierung dieser Bezeichnung durch die Hellenische Republik, da diese Bezeichnung heute eine andere materielle Bedeutung hat. Territorialbezeichnungen und auch ethnische Bezeichnungen können einen Ursprung gehabt haben, der nichts mit der heutigen Bevölkerung einer Region zu tun hat. Ein Beispiel hierfür sind die slawischen Bulgaren. Die ursprünglichen Bulgaren waren ein Turkvolk, dass auch ein ganz anderes Siedlungsgebiet hatte. Diese Proto-Bulgaren wanderten in das Gebiet des heutigen Bulgarien ein und wurden dann später von der slawischen Bevölkerung assimiliert. Das heutige Makedonien und die heutigen Makedonier unterscheiden sich wesentlich von dem antiken Makedonien und von den antiken Makedoniern. Innerhalb des heutigen Makedonien (im geographischen Sinne) gibt es ein Völkerrechtssubjekt mit der Bezeichnung „Republik Makedonien“ sowie drei staatsrechtliche Subjekte mit den Bezeichnungen „West-Makedonien“, „Zentral-Makedonien“ und „Ost-Makedonien-Thrakien“  als völkerrechtliche Bestandteile der Hellenischen Republik. Im Falle der heutigen Makedonier gibt es ethnische oder slawische Makedonier, die im wesentlichen in der Republik Makedonien leben und griechische Makedonier als Bestandteil der hellenischen Nation, die im wesentlichen in der Hellenischen Republik (griechische Region Makedonien) leben. In allen Fällen sind die Bezeichnungen Makedonien und Makedonier zulässig und dürfen sowohl völkerrechtlich als auch staatsrechtlich gleichwertig verwendet werden.

Fazit

Die Art des antiken Makedonien und die Art der antiken Makedonier präjudiziert nicht die Art des heutigen Makedonien und die Art der heutigen Makedonier. Das heutige Makedonien und die heutigen Makedonier stellen keine Abbildung des antiken Makedonien und der antiken Makedonier in die heutige Zeit dar. Weder die Republik Makedonien noch die Hellenische Republik haben ein Monopol auf die Bezeichnungen „Makedonien“ und „Makedonier“. Die Bezeichnung für die Republik Makedonien und für ihre Nation leiteten sich vom geographischen Makedonien im heutigen Sinne (Territorialprinzip) ab. Diese Ableitung nach dem Territorialprinzip steht dem Völkerrecht nicht entgegen und ist ein Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes eines Volkes. Dieses völkerrechtliche Prinzip gilt entsprechend auch für die griechische Region Makedonien als Bestandteil der Hellenischen Republik und die griechischen Makedonier als Bestandteil der hellenischen Nation. Eine direkte Ableitung von den antiken Makedoniern (Abstammungsprinzip) ist sowohl für die ethnischen oder slawischen Makedonier als Nation als auch für die griechischen Makedonier als Bestandteil der hellenischen Nation nicht mehr uneingeschränkt möglich. Dies gilt auch dann, wenn die antiken Makedonier im allgemeinen Hellenentum aufgegangen sind. Die ethnischen oder slawischen Makedonier haben sich gemäß dem Selbstbestimmungsrecht eines Volkes frei entschieden, dass sie weder Bulgaren noch Serben und weder Griechen noch Albaner sind. Sie haben sich für den Namen entschieden, auf den ihr Siedlungsgebiet liegt: „Makedonien“. Doch dieses Siedlungsgebiet umfasst nur einen Teil des geographischen Makedonien im heutigen Sinne, ein anderer Teil wird innerhalb der Hellenischen Republik (Region Makedonien) von griechischen Makedoniern bewohnt. Daher sind sowohl die ethnischen oder slawischen Makedonier als Nation als auch die griechischen Makedonier als Bestandteil der hellenischen Nation vollwertige Makedonier und keine Partei hat dabei ein Monopol auf dieses Bezeichnung. Die makedonische Nation mag eine umstrittene Antwort auf die allgemeine makedonische Frage sein, sie ist jedoch nach meiner Auffassung die beste Antwort. Sie hat für Stabilität in einer bis dato umstrittenen Region gesorgt. Sie ist daher nicht nur eine rechtmäßige Antwort im Sinne des Völkerrechtes sondern auch eine gerechte und vernünftige Antwort!

Für Anna Langosch