In der Republik Makedonien kommt es seit Ende Januar häufiger zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen jungen Makedoniern und Albanern. Neu an diesem innerethnischen Konflikt ist, dass dieser unorganisiert erfolgt und damit noch schwieriger zu kontrollieren ist. Im Ergebnis kann diese neue Form des inner-ethnischen Konfliktes das bisher weitgehend friedliche, wenn auch nicht unproblematische Zusammenleben zwischen den Makedoniern und der albanischen Minderheit empfindlich stören.
Die Ereignisse im Umfeld von Struga bis Skopje
In einem Dorf im Umfeld von Struga, das im Südwesten der Republik Makedonien liegt, verkleideten sich Makedonier auf einem Karnevalsumzug mit Burkas und machten sich über islamische Kleidervorschriften lustig. Daraufhin kam es in Struga zu einer Demonstration von aufgebrachten Albanern. Auf zwei Kirchen wurden Brandanschläge verübt und Sachschäden hervorgerufen. Die Albaner in Makedonien sind überwiegend Muslime, während die ethnischen Makedonier überwiegend makedonisch-orthodoxe Christen sind. Politiker von beiden Seiten wirkten beruhigend auf die jeweiligen Volksgruppen ein, so dass der Konflikt nicht weiter eskalierte. Doch Ende Februar erschoss ein makedonischer Grenzpolizist in Gostivar außerhalb seiner Dienstzeit zwei unbewaffnete junge Albaner. In Folge protestierten mehrere tausend Albaner gegen diese Tat. Bei diesem Protest warfen randalierende albanische Jugendliche die Schaufensterscheiben von Geschäften der Makedonier ein. Am 07.03. bestiegen in Skopje maskierte und mit Prügeln bewaffnete junge Männer einen Bus, der Schüler ins Zentrum von Skopje brachte. Wortlos schlugen diese Männer auf die Fahrgäste ein, von denen etwa ein Dutzend verletzt wurden. Racheakte in Skopje und Tetovo, mit weiteren verletzten Jugendlichen, waren die Folge. Insgesamt sind in Folge dieser neuen Form von Zusammenstößen 38 Personen verletzt worden, einige davon schwer. Die neue Form der Gewalt stellt die makedonischen Regierungsparteien aus VMRO-DPMNE und DUI vor neuen Herausforderungen und die Koalition vor einer möglichen Zerreißprobe. Sowohl von den Politikern und Funktionsträgern der Republik Makedonien als auch international wurde die neue Form der Gewalt kritisiert. So verurteilte der Ministerpräsident der Republik Makedonien Nikola Gruevski die Gewalttaten und rief die Lehrer und Eltern aller Volksgruppen auf sich für ein friedliches Zusammenleben der Jugendlichen einzusetzen. Doch auch innerhalb der Volksgruppen bildet sich Widerstand gegen diese neue Form der Gewalt.
Der innerethnische Konflikt und die albanische Frage
Die makedonische Staatsnation besteht nach einer Volkszählung aus dem Jahr 2002 zu 64,2 % aus ethnischen Makedoniern, zu 25,2 % aus albanischen Makedoniern (ethnischen Albanern) und zu 10,6 % aus weiteren Minderheiten (Türken: 3,9 %, Roma: 2,6 %, Serben: 1,8 % und Sonstige: 2,3 %). Der Konflikt zwischen den Makedoniern und der albanischen Minderheit hat eine staatsrechtliche und eine soziale Komponente. Seit der Unabhängigkeit der Republik Makedonien im Jahre 1991 setzte sich die albanische Minderheit für eine Anerkennung als konstitutive Volksgruppe mit entsprechenden weitgehenden Rechten ein. Für die Makedonier waren und sind die „albanischen Makedonier“ nur eine große Minderheit, die ausschließlich über entsprechende Minderheitenrechte verfügen sollte. Dieser Konflikt eskalierte im Januar 2001 zu einem bewaffneten Konflikt zwischen beiden Seiten und drohte zu einem größeren Bürgerkrieg auszuarten. Daraufhin besonnen sich die Parteien auf beiden Seiten unter internationaler Vermittlung auf einen Kompromiss und schlossen am 13.08.2001 das Rahmenabkommen von Ohrid. Zwar wurden die albanische Minderheit nicht de jure als konstitutive Volksgruppe anerkannt, jedoch mit den entsprechenden Rechten einer konstitutiven Volksgruppe ausgestattet. Auf Basis des Rahmenabkommens wurden die Verfassung und weitere Gesetze der Republik Makedonien entsprechend geändert und die Verwaltung des Staates dezentralisiert. In Gebietseinheiten mit einem Anteil von Mehr als 20 % an albanischen Makedoniern bestehen besondere Rechte für diese Volksgruppe, so ist dort zum Beispiel neben der makedonischen Sprache auch die albanische Sprache für den amtlichen Gebrauch zugelassen. Im Parlament der Republik Makedonien bedarf es in allen Fällen, die die Minderheiten betreffen, einer doppelten Mehrheit im Parlament. Neben der allgemeinen Mehrheit im Parlament bedarf es auch einer Mehrheit unter den Abgeordneten der Minderheiten. Während staatsrechtlich die Gegensätze stark abgebaut werden konnten, sind sie in der Bevölkerung weiterhin vorhanden. Die Makedonier und die Albaner leben nebeneinander und nicht miteinander. Das Misstrauen zwischen diesen Volksgruppen ist sehr stark, Kontakte untereinander sind eher distanziert und unüblich. Die Makedonier meiden eher die Wohngebiete der Albaner und umgekehrt. Auch entspricht die staatsrechtliche Theorie leider oft nicht der Praxis des Alltages. Es kommt immer wieder zu Diskriminierungen. Gerade hieraus resultiert der ethnische Konflikt zwischen den betroffenen Volksgruppen.
Fazit
Die Makedonier und die Albaner in Makedonien können ihre Gegensätze nur durch einen Wechsel ihrer Mentalitäten überwinden. Sie müssen begreifen, dass die Republik Makedonien ihr gemeinsames Haus ist und sie eine Schicksalsgemeinschaft bilden. Dies geht allerdings nur, wenn die Albaner in Makedonien nicht nur staatsrechtlich, sondern auch sozial als konstitutive Volksgruppe anerkannt werden. Auf der anderen Seite müssen diese sich als Teil der makedonischen Staatsnation stärker mit dem gemeinsamen Haus „Republik Makedonien“ identifizieren. Makedonier und Albaner dürfen nicht nur friedlich nebeneinander leben, sie müssen vor allem auch miteinander leben. Ein Beispiel für solch ein Model bildet die Schweiz. Insofern sollte die Republik Makedonien nicht nur als Nationalstaat sondern vielmehr als auch Willensnation der beteiligten Nationalitäten verstanden werden, die gemeinsam ihr Schicksal bestimmen und gemeinsam ihre Zukunft zum Wohle aller gestalten wollen.
Weitere Infos
Zum Thema des Konfliktes zwischen ethnischen oder slawischen Makedoniern und albanischen Makedoniern ist auch der Artikel „Vor 10 Jahren: Das Rahmenabkommen von Ohrid“ sehr lesenswert. Es enthält viele grundlegende Informationen zum Thema