Die Stichwahl um das serbische Präsidentenamt am 20.05.2012 gewann überraschend Tomislav Nikolić von der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) mit 49,51 % der Stimmen. Der bisherige Amtsinhaber Boris Tadić von der Demokratischen Partei (DS) kam auf 47,35 % der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 46,32 %, wobei 3,15 % der Stimmen ungültig waren. Die Zahlen wurden von der serbischen Wahlkommission bekanntgegeben und stellen das vorläufige Endergebnis dar. Im ersten Wahlgang am 06.05.2012 lag Boris Tadić noch knapp mit 26,8 % der Stimmen vor Tomislav Nikolić, der auf 25,6 % der Stimmen kam. Bereits in den Jahren 2004 und 2008 traten Boris Tadić und Tomislav Nikolić in der Stichwahl um das serbischen Präsidentenamt gegeneinander an, wobei Tomislav Nikolić im ersten Wahlgang jeweils vorne lag und die Stichwahl von Boris Tadić gewonnen wurde. Dieses Mal war es genau umgekehrt. Für Boris Tadić wäre es die dritte Amtszeit als Präsident Serbiens gewesen. Normalerweise sieht die serbische Verfassung maximal zwei Amtszeiten für den serbischen Präsidenten vor. Aufgrund einer Verfassungsneugebung ging die Zählung der Amtszeiten wieder von vorne los, was Tadić eine weitere Amtszeit ermöglicht hätte. Doch dazu kam es diesmal nicht. Bei der serbischen Parlamentswahl am 06.05.2012 lag die SNS von Tomislav Nikolić mit 24,01 % der Stimmen ebenfalls knapp vor der DS von Boris Tadić, die von 38 % auf 22,07 % der Stimmen fiel und damit auch zu den Verlierern der Parlamentswahl zählte. Die SNS, eine Abspaltung der Serbischen Radikalen Partei (SRS) von Vojislav Šešelj, trat erstmals bei einer Parlamentswahl an und wurde mit diesem Ergebnis knapp stärkste Kraft. Die SRS schaffte den Einzug in das Parlament hingegen nicht. Auch die Sozialistische Partei Serbiens (SPS), ein Koalitionspartner der DS, gehörte zu den Gewinnern und verdoppelte ihr Ergebnis. Ihr Vorsitzender Ivica Dacic beanspruchte daher vor der Stichwahl um das Präsidentenamt das Amt des serbischen Ministerpräsidenten in einer zukünftigen Koalitionsregierung mit der DS. Nach der Wahlniederlage von Boris Tadić bei der Präsidentenwahl könnte dieser das Amt des serbischen Ministerpräsidenten auch selbst anstreben. Doch das schloss Tadić zunächst aus. Die DS und die SPS haben sich bereits grundsätzlich auf eine Fortsetzung ihrer Koalition geeinigt. Zusammen mit einer weiteren Partei wollen sie wieder eine Regierung bilden.
Der neue Präsident Serbiens -Tomislav Nikolić
Dreimal trat Tomislav Nikolić in einer Stichwahl gegen Boris Tadić an, zweimal verlor er gegen ihm und erst im dritten Anlauf schaffte er es. Er wird als neuer Präsident Serbiens 5 Jahre an der Spitze des Staates stehen. Geboren wurde Tomislav Nikolić am 15.02.1952 in Kragujevac / Serbien. Bis zu seinem Ausschluss am 12.09.2008 war er Mitglied der Serbischen Radikalen Partei (SRS) von Vojislav Šešelj und ihr Vizevorsitzender. Von 1998 bis 2000 war Nikolić Vizeministerpräsident Serbiens, sowie Ende 1999 auch Vizeministerpräsident der Bundesrepublik Jugoslawien. Bei der Präsidentenwahl um das Amt des Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien am 28.09.2000 trat auch Nikolić an und belegte hinter Slobodan Milošević und Vojislav Koštunica den dritten Platz. Bei den serbischen Präsidentenwahlen in den Jahren 2004 und 2008 unterlag er jeweils in der Stichwahl seinem Kontrahenten Boris Tadić. Nachdem die SRS am 21.01.2007 bei der serbischen Parlamentswahl stärkste Kraft wurde, wurde Nikolić am 08.05.2007 zum serbischen Parlamentspräsidenten gewählt. Nach dem sich die DS von Boris Tadić, die Demokratische Partei Serbiens (DSS) von Vojislav Koštunica und das liberale G17plus auf die Bildung einer Koalitionsregierung ohne die SRS geeinigt hatten, trat Nikolić am 13.05.2007 wieder vom Amt des Parlamentspräsidenten zurück, in das er auch mit den Stimmen der DSS hinein gewählt wurde. Bei der vorgezogenen Parlamentswahlen am 11.05.2008 konnte die SRS ihren Stimmenanteil zwar halten, doch war die DS von Boris Tadić mit 38 % der Stimmen der große Gewinner. Im September 2008 trat Nikolić als Vize- und Fraktionsvorsitzender der SRS zurück und gründete innerhalb der SRS die Plattform „Vorwärts Serbien“. Auslöser war ein Streit um die Zustimmung zum Assoziierungsabkommen Serbiens mit der Europäischen Union. Nikolić und weiterer Mitstreiter innerhalb der SRS waren dafür, Vojislav Šešelj und andere Mitglieder der SRS dagegen. Am 12.09.2008 wurde Nikolić mit 17 weiteren zum Teil hochrangigen Mitgliedern aus der SRS ausgeschlossen, woraufhin er und die aus der SRS ausgeschlossenen am 10.10.2008 die Serbische Fortschrittspartei (SNS) gründeten. Seitdem tritt Tomislav Nikolić deutlich gemäßigter auf und ist Befürworter eines Beitritts Serbiens zur Europäischen Union, wobei er die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien ablehnt. Seine Kritiker hegen Zweifel an seiner geänderten Gesinnung. Bei der serbischen Parlamentswahl am 06.05.2012 wurde die SNS mit 24,01 % der Stimmen knapp vor der DS stärkste Kraft. Im gleichzeitig stattfindenden ersten Wahlgang der Präsidentenwahl lag er mit 25,6 % der Stimmen knapp hinter Boris Tadić, der auf 26,8 % der Stimmen kam. In der Stichwahl siegte jedoch Tomislav Nikolic mit 49,51 % der Stimmen knapp und unerwartet gegen den als Favoriten geltenden Boris Tadić.
Boris Tadić, der unerwartete Wahlverlierer
Boris Tadić wurde erstmals am 27.06.2004 zum Präsidenten der Republik Serbien gewählt. Mit der Ablegung seines Amtseides am 11.07.2004 begann seine Amtszeit. Am 03.02.2008 wurde Boris Tadić wiedergewählt, seine zweite Amtszeit begann am 15.02.2008 und endete mit seinem vorzeitigen Rücktritt am 04.04.2012. Geboren wurde Tadić am 15.01.1958 in Sarajevo, der Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina. Sein Vater Ljubomir Tadić ist Philosoph und Mitglied der Serbischen Akademie der Wissenschaften, seine Mutter Nevenka ist Psychologin. Boris Tadić selbst studierte Sozialpsychologie an der Philosophischen Fakultät der Universität Belgrad. Er war Begründer und erster Direktor des „Zentrums zur Entwicklung von Demokratie und politischen Fähigkeiten“. Im Jahr 1990 trat er der Demokratische Partei (DS) bei und ist seit 2004 ihr Vorsitzender. Vor seiner Präsidentschaft war er im Jahre 2002 zunächst Minister für Telekommunikationswesen in der Regierung der Bundesrepublik Jugoslawien und später Verteidigungsminister des Staatenbundes Serbien-Montenegro. Am 27.06.2004 gewann Boris Tadić die Stichwahl um das serbische Präsidentenamt mit 53,24 % der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 47,7 %. Im Vorfeld dieser Wahl wurde das bisher notwendige Quorum für eine erfolgreiche Wahl von 50 % Wahlbeteiligung abgeschafft, sonst wäre diese Wahl ungültig gewesen. Als erster Präsident Serbiens besuchte Tadić am 06.12.2004 Bosnien und Herzegowina und entschuldigte sich für die von Serben verübten Kriegsverbrechen. Er verlangte allerdings, dass eine entsprechende Entschuldigung auch von der anderen Seite für die gegenüber den Serben verübten Kriegsverbrechen erfolgen müsse. Bei der Stichwahl um das serbische Präsidentenamt am 03.02.2008 wurde Boris Tadić im Amt bestätigt. Am 04.04.2012 trat er vorzeitig zurück, um die Präsidentenwahl zeitgleich mit der Parlamentswahl am 06.05.2012 zu ermöglichen. In der Stichwahl am 20.05.2012 unterlag Boris Tadić jedoch seinem Herausforderer Tomislav Nikolić. Boris Tadić gilt als liberal und pro-westlich eingestellt. Er strebt die Mitgliedschaft Serbiens in der Europäischen Union an, ist jedoch gegen die Anerkennung des Kosovo als von Serbien unabhängigen Staat. Im Innern Serbiens setzt er sich für tiefgreifende Reformen ein.