Die Republik Zypern führt zwischen dem 01.07. und 31.12.2012 den Vorsitz im Rat der Europäischen Union (EU), kurz auch EU-Ratspräsidentschaft genannt. Die Republik Zypern ist seit dem 01.05.2004 Mitglied der EU und seit dem 01.01.2008 auch Mitglied in der europäischen Währungsunion. Mit Zypern tritt die EU-Ratspräsidentschaft in eine besondere Phase, denn ca. 36 % ihres nördlichen Territoriums ist völkerrechtlich betrachtet türkisch besetzt. Zwischen der EU und der Türkei finden zur Zeit EU-Beitrittsgespräche statt. Doch die Türkei erkennt die Republik Zypern diplomatisch nicht an und dafür aber – als einziger Staat der Welt – die „Türkische Republik Nordzypern“, die auf dem türkisch besetzten Territorium von Zypern ausgerufen worden ist. Damit sind Konflikte im Verhältnis EU – Türkei und bei der Überwindung des Zypern-Problems vorprogrammiert. Das Zypern-Problem selbst ist ein Resultat des griechisch-türkischen Gegensatzes, der einen wichtigen Teil der griechischen Außenpolitik bestimmt und damit indirekt auch einen Einfluss auf die sogenannte Namensfrage der Republik Makedonien hat.
Ziele der EU-Ratspräsidentschaft Zyperns
Die zyprische bzw. zypriotische Ratspräsidentschaft wird hauptsächlich im Zeichen der Finanzkrise und der damit verbundenen Krise der europäischen Währungsunion stehen. Durch Effizienz und Solidarität soll die Wettbewerbsfähigkeit der EU gestärkt und ihre Rolle als Global Player ausgebaut werden. Die geplante Fiskalunion zwischen den EU-Staaten der europäischen Währungsunion soll weiter vorangetrieben, sowie der Weg für eine gemeinsame Flüchtlings- und Migrationspolitik bereitet werden. Themen, die bereits durch die beiden vorherigen Ratspräsidentschaften Polen und Dänemark zur Sprache gebracht wurden, sollen weiter verfolgt und vorangebracht werden. Vor allem dürfte hierbei der Schwerpunkt in der Energiepolitik liegen. Die EU-Erweiterung hingegen dürfte während der EU-Ratspräsidentschaft Zyperns keine herausragende Rolle spielen. Die Republik Zypern dürfte die Position Griechenlands in der Namensfrage der Republik Makedonien unterstützen.
Die Republik Zypern
Völkerrechtlich betrachtet besteht die seit dem 16.08.1960 unabhängige Republik Zypern auf dem ganzen Territorium der Insel Zypern. Faktisch besteht sie nur auf 59 % des zypriotischen Territoriums, 36 % sind türkisch besetzt, 3 % unterstehen als Pufferzone der Verwaltung der Vereinten Nationen (VN) und 2 % im Süden der Insel gehören zu den souveränen Militärbasen des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland. Die staatstragenden Völker der Republik Zypern sind die griechischen und türkischen Zyprer bzw. Zyprioten. Nach einer Volkszählung vom Dezember 2011 leben in der Republik Zypern ohne die türkisch besetzten Gebiete 838.897 Personen, davon sind 179.547 Ausländer. Im türkisch besetzten Teil der Republik Zypern bzw. in der völkerrechtlich nicht anerkannten Türkischen Republik Nordzypern leben insgesamt 294.906 Personen. Allerdings werden hiervon von der Republik Zypern nur 135.000 als echte türkische Zyprer anerkannt. Bei den anderen handelt es sich in der Regel um Türken aus der Türkei, die nach der türkischen Besetzung im Jahre 1974 in den Nordteil der Insel kamen. Zusätzlich sind im besetzten Teil der Republik Zypern bzw. in der Türkischen Republik Nordzypern noch türkische Soldaten stationiert. Formell ist ganz Zypern Mitglied der EU, faktisch besteht diese Mitgliedschaft jedoch nicht im türkisch besetzten Teil von Zypern. Nachfolgende Daten gelten jeweils für die Republik Zypern ohne die besetzten Gebiete. Zypern ist mit seinen 838.897 Einwohnern eines der kleinsten Volkswirtschaften in der europäischen Währungsunion. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug im Jahre 2011 17,8 Milliarden Euro, das Pro-Kopf-Einkommen lag bei 24.000 Euro. Die Arbeitslosenquote liegt bei 7,2 %. Zum Ende des Jahres 2011 lag die Staatsverschuldung bei 64,9 % des BIP, wobei die Inflationsrate im Jahr 2011 bei 3,3 % lag. Für das Jahr 2012 wird eine Staatsverschuldung von 68,4 % vorausgesagt. Die Finanzkrise hat den Bankensektor Zyperns stark getroffen, da die zyprischen Finanzinstitute eine große Anzahl von griechischen Anleihen halten. Die US-Ratingagentur Moody`s stufte die Kreditwürdigkeit Zyperns im März 2012 auf „Ramschniveau“ herab. Zusätzlich zu der Finanzkrise leidet die zyprische Wirtschaft auch an einer Exportschwäche. Im Jahre 2011 standen Importen in Höhe von 6,26 Milliarden Euro nur Ausfuhren in Höhe von 1,4 Milliarden Euro gegenüber. Haupthandelspartner Zyperns ist Griechenland, das selbst noch viel stärker in einer Finanz- und Wirtschaftskrise steckt. Der wichtigste Wirtschaftszweig Zyperns ist der Tourismus und trotz Krise ist Zypern immer noch ein beliebtes Reiseziel.
Das Zypern-Problem bzw. der Zypernkonflikt
Der Zypernkonflikt über seine Staatsgewalt besteht sowohl zwischen Griechenland und der Türkei als auch zwischen den griechischen und türkischen Zyprern. Die griechischen Zyprer sind ethnische Griechen und die türkischen Zyprer ethnische Türken. Beide Volksgruppen streben eine möglichst enge Verbindung zu ihrer Mutternation an. Das Problem begann mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches, zu dessen Herrschaftsgebiet Zypern zwischen 1570 und 1878 gehörte. Im Jahre 1878 wurde Zypern zunächst britisches Protektorat, 1914 wurde es annektiert und ab 1925 war es bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahre 1960 britische Kronkolonie. Die Herausbildung der modernen griechischen und türkischen Nationen im 19. und 20. Jahrhundert führten bei den Zyprern zu Anschlussbewegungen der jeweiligen Entitäten an ihre Mutternation. Die griechischen Zyprer wollten sich Griechenland anschließen und die türkischen wieder der Türkei, oder zumindest an dem Kolonialstatus von Zypern festhalten. Die türkischen Zyprer befürchteten, in einem griechisch-zypriotisch dominierten Zypern, das gar unter der Herrschaft Griechenlands stehen könnte, unterdrückt zu werden. Es brach ein bewaffneter Konflikt zwischen den Volksgruppen auf Zypern über den staatsrechtlichen Status ihrer Insel aus, der selbst von der britischen Herrschaft nicht wirksam überwunden werden konnte. Die bewaffnete griechisch-zypriotische Bewegung wurde dabei von Griechenland unterstützt und kämpfte für einen Anschluss Zyperns an Griechenland („Enosis“, griechisch für „Vereinigung“). Die bewaffnete türkisch-zypriotische Bewegung kämpfte für eine Teilung Zyperns nach ethnischen Gesichtspunkten („Taksim“, türkisch für „teilen“). Zwar verzichtete die junge Republik Türkei 1923 auf ihren Herrschaftsanspruch über Zypern, unterstützte jedoch die bewaffnete Taksim-Bewegung. Da aufgrund des Zypern-Konfliktes Ende der 50er Jahre ein Krieg zwischen Griechenland und der Türkei drohte, versuchten nun die Vereinigten Staaten zu schlichten. Der Vertreter der griechischen Zyprer, der zyprische Erzbischof Makarios, eine Symbolfigur der Enosis-Bewegung, erklärte sich bereit auf einen Anschluss an Griechenland zu verzichten. Auch der Vertreter der türkischen Zyprer, Fazil Kücük, setzte sich für eine Unabhängigkeit Zyperns mit klar definierten und umfangreichen Rechten für seine Volksgruppe ein. Die Verhandlungen zwischen Griechenland, der Türkei, den Zyprern und den Briten führten zu den aus mehreren Verträgen bestehenden Züricher und Londoner Abkommen. Dort wurde vereinbart, dass Zypern ein unabhängiger Staat werden sollte. Auf einen Anschluss Zyperns an Griechenland (Enosis) oder eine Teilung der Insel (Taksim) wurde verzichtet. Die Staatsgewalt wurde zwischen griechischen und türkischen Zyprern aufgeteilt, wobei die türkischen Zyprer überproportional berücksichtigt wurden. In einem Garantievertrag wurde zusätzlich vereinbart, die Unabhängigkeit Zyperns zu achten und zu garantieren und jegliche Angliederungs- und Teilungsbestrebungen zu verhindern. Bereits vor der formellen Unabhängigkeit der Insel wurden im Dezember 1959 der Erstbischof Makarios zum Präsidenten der Republik Zypern und Fazil Kücük zu seinem Stellvertreter gewählt.
Von der Unabhängigkeit bis zur Teilung Zyperns
Am 16.08.1960 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung Zyperns als „Republik Zypern“. An der Spitze der Republik Zypern steht ein griechisch-zypriotischer Staatspräsident. Bis zur Teilung Zyperns war sein Stellvertreter ein türkischer Zyprer. Sie wurden jeweils von ihrer eigenen Volksgruppe gewählt. Im Parlament und in der Regierung der Republik Zypern waren die türkischen Zyprer überproportional vertreten (Verhältnis 7:3). Dieses Verhältnis galt auch bei der Besetzung von öffentlichen Stellen. In allen wichtigen Fragen stand den Volksgruppen ein Veto-Recht zu, das durch den Präsidenten Zyperns und seinen Stellvertreter ausgeübt werden konnte. Dieses Recht wurde von der griechisch-zypriotischen Seite als störend für die gemeinsame Verwaltung der Insel empfunden. So konnten z.B. aufgrund von Vetos keine gemeinsamen Streitkräfte oder gemeinsame kommunale Verwaltungen aufgebaut werden. Bestrebungen von griechisch-zypriotischer Seite, die Verfassung zu Ungunsten der türkischen Zyprer zu ändern, führte zu einem gewaltsamen Konflikt zwischen beiden Volksgruppen, bei dem es zu Massakern kam. Daraufhin entsandte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im Dezember 1963 eine Friedenstruppe („Blauhelme“) nach Zypern, die heute noch dort stationiert ist. Es setzte eine Trennung und Umsiedlung der Volksgruppen ein, indem türkische Zyprer in Enklaven im Norden der Insel zogen. Sie zogen sich auch aus der gemeinsamen Verwaltung der Insel zurück. Es kam immer wieder zu Konflikten oder Zusammenstößen zwischen griechischen und türkischen Zyprern. Als im Jahre 1967 in Griechenland ein Militärputsch stattfand und eine Militär-Junta an die Macht kam, entsagte der griechisch-zypriotische Staatspräsident Makarios endgültig der Enosis-Bewegung. Die Junta in Griechenland unterstützte daraufhin seine Gegner, die weiter für einen Anschluss Zyperns an Griechenland eintraten. Am 15.07.1974 putschte die griechisch-zypriotische Nationalgarde gegen den zyprischen Staatspräsident Makarios. Es drohte ein Anschluss Zyperns an Griechenland, was die Türkei unter Berufung auf den Garantievertrag dazu veranlasste, am 20.07.1974 im Rahmen einer militärischen Operation 36 % des Territoriums der Republik Zypern zu besetzen. Bereits am 23.07.1974 brach die Militär-Diktatur in Griechenland zusammen. Im Dezember 1974 war auch die alte Regierung unter Staatspräsident Makarios wieder voll im Amt, doch die Besetzung und die Teilung der Insel blieb bestehen.
Das Zypern-Problem heute
In einigen Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen seit 1974 wird die Unabhängigkeit und die territoriale Integrität der Republik Zypern bekräftigt und die weitere Besetzung durch die türkische Truppen als unrechtmäßig erachtet. Erste Übereinkünfte zwischen griechischen und türkischen Zyprern brachten zwar eine Beendigung des bewaffneten Konfliktes und einen Bevölkerungsaustausch, jedoch bis heute keine staatsrechtliche Lösung des Zypern-Problems. Im türkisch besetzten Teil wurde am 13.02.1975 zunächst der türkisch-zypriotische Bundesstaat ausgerufen, der Teil eines föderal organisierten zypriotischen Gesamtstaates sein sollte. Dies wurde von griechisch-zypriotischer Seite und den Vereinten Nationen zunächst abgelehnt. Als die Generalversammlung der Vereinten Nationen im Mai 1983 im wesentlichen die griechisch-zypriotische Auffassung unterstütze, wurde dies von türkisch-zypriotischer Seite als Hirnrichtungsbefehl aufgefasst. Die Folge war die Ausrufung des unabhängigen Staates „Türkischen Republik Nordzypern“ am 15.11.1983. Dieser Staat wird völkerrechtlich nur von der Türkei anerkannt und durch einen Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen für unrechtmäßig erklärt. Rauf Denktaş, Präsident des türkisch-zypriotischen Bundesstaates, wurde Staatspräsident der Türkischen Republik Nordzypern. Im Jahre 1985 trat eine eigene Verfassung für die Türkische Republik Nordzypern in Kraft. Völkerrechtlich betrachtet, besteht die Republik Zypern auf dem ganzen Territorium der Insel Zypern. Das Gebiet der faktisch bestehenden Türkischen Republik Nordzypern gilt völkerrechtlich als durch die Türkei besetztes Gebiet. Mehrere Anläufe, die Teilung Zyperns durch eine föderale Lösung zu überwinden, blieben erfolglos. Hauptstreitpunkte sind die Verteilung der Staatsgewalt zwischen dem Zentralstaat und den Teilstaaten, die Aufteilung des Territoriums, Eigentumsfragen, die Anwesenheit von türkischen Truppen auf Zypern und der Status der türkischen Einwanderer nach 1974. Die griechisch-zypriotische Seite strebt einen starken Bundesstaat an, während die türkisch-zypriotische Seite hingegen nur eine lockere Vereinigung von zwei möglichst unabhängigen Staaten auf Zypern als Ziel hat. Der Plan der Vereinten Nationen zur Wiedervereinigung Zyperns aus dem Jahre 2004 ist an diesen Gegensätzen gescheitert. In einer Volksabstimmung vom 24.04.2004, kurz vor dem EU-Beitritt Zyperns, wurde er mit großer Mehrheit von den türkischen Zyprern angenommen, von den griechischen allerdings abgelehnt. Aus griechisch-zypriotischer Sicht waren die Zugeständnisse an die türkischen Zyprer zu groß. Auch weitere Versuche, die Teilung der Insel zu überwinden, blieben bisher aufgrund dieser Gegensätze erfolglos. Doch hat in der Zwischenzeit auch eine schrittweise Öffnung der bisher gegenseitig stark abgeschotteten Inselteile stattgefunden.
Schlusswort
Eine staatsrechtliche Lösung für Zypern muss noch herbeigeführt werden. Dabei müssen bestehende Realitäten ebenso anerkannt werden wie völkerrechtliche Grundsätze. So könnte im Rahmen einer Lösung beispielsweise vereinbart werden, dass die türkischen Siedler auf Zypern bleiben dürfen und dafür die türkische Armee abziehen muss. Anstelle der drei Garantiemächte (Griechenland, Türkei und Vereinigtes Königreich) könnte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Aufgabe übernehmen, die Unabhängigkeit Zyperns zu garantieren. Nur wenn der Sicherheitsrat untätig bliebe, würden die drei Garantiemächte wieder ihre Befugnisse ausüben. Eigentumsfragen könnten je nach örtlicher und sachlicher Situation sowohl durch Rückgabe als auch durch Entschädigung geregelt werden. Für alle Zyprer sollte grundsätzliche Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit auf dem gesamten Territorium von Zypern bestehen. Die Verteilung der Befugnisse zwischen dem angestrebten Bundesstaat und seinen Teilstaaten sollte dem Subsidiaritätsprinzip folgen und nach objektiven Kriterien festgelegt werden. Zypern könnte als starke Gemeinschaft von griechischen und türkischen Zyprern ein Vorbild für die Überwindung des griechisch-türkischen Gegensatzes werden und Zypern auch insgesamt stärken. Wie auch immer eine Lösung für Zypern letztendlich aussehen mag, sie kann nur von den Zyprern selbst herbeigeführt werden.