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Die spezielle makedonische Frage, der sogenannte Namensstreit und mögliche Lösungsansätze

Die allgemeine makedonische Frage betraf das Schicksal der makedonischen Bevölkerung im Osmanischen Reich nach dem Berliner Kongress im Jahre 1878 und nach der Aufteilung Makedoniens zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien aufgrund des Vertrages von Bukarest im Jahre 1913. Während die makedonische Bevölkerung in Bulgarien und Griechenland weitgehend assimiliert wurde, blieb die makedonische Frage besonders im serbischen bzw. jugoslawischen Teil von Makedonien offen. Erst durch die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als gleichberechtigt mit den anderen jugoslawischen Völkern bzw. als Nation auf der zweiten Sitzung des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens im Jahre 1943 und der Schaffung eines makedonischen Staatswesens im Jahre 1944 konnte die allgemeine makedonische Frage weitgehend beantwortet werden. Offen bleibt allerdings der Status der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Minderheit vor allem in Bulgarien und in Griechenland. An die Stelle der allgemeinen makedonischen Frage ist jedoch eine spezielle makedonische Frage nach der Identität der makedonischen Bevölkerung getreten. Nach bulgarischer Auffassung sind die ethnischen bzw. slawischen Makedonier Teil der bulgarischen Kulturnation und nicht eigenständig. Nach griechischer Auffassung ist der Name Makedonien Teil der hellenischen Identität und dürfe deswegen nicht von den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und ihrem Staatswesen benutzt werden. Dieser sogenannte Namensstreit ist das stärkste Symptom dieser speziellen makedonischen Frage. Er verhindert beispielsweise eine Mitgliedschaft der heutigen Republik Makedonien in der Europäische Union (EU) und der NATO.

Die spezielle makedonische Frage

Die Frage nach der Identität der modernen Makedonier im Allgemeinen und der ethnischen bzw. slawischen Makedonier im Besonderen begründet die spezielle makedonische Frage. Konkret kann sie wie folgt formuliert werden:

  1. Von welcher Art waren das antike Makedonien und die antiken Makedonier?
  2. Von welcher Art sind das heutige Makedonien und die heutigen Makedonier?
  3. In welchem Verhältnis stehen das heutige Makedonien und die heutigen Makedonier zum antiken Makedonien und zu den antiken Makedoniern?

Diese Fragen sind zunächst akademischer Natur und bedürfen deshalb zunächst einer wissenschaftlich-objektiven Klärung. Erst dann kann eine politische Klärung erfolgen. Die wissenschaftliche Klärung sollte zunächst im Rahmen eines neutralen und unabhängigen Gremiums aus Experten unter Beteiligung der betroffenen Parteien stattfinden. Dieses Gremium könnte im Auftrag der Vereinten Nationen bzw. durch Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen oder aufgrund einer entsprechenden völkerrechtlichen Vereinbarung zwischen Griechenland und der Republik Makedonien eingerichtet werden. In diesem Gremium ist die ganze Thematik zur speziellen makedonischen Frage aufzuarbeiten. Es könnten auch Empfehlungen für eine mögliche Lösungsfindung erarbeitet werden. Ob es über eine Empfehlung hinaus auch einen verbindlichen Schiedsspruch geben soll, müssten die betroffenen Parteien selbst festlegen. Doch es sollte eine politische Lösungsfindung im sogenannten Namensstreit auf Basis eines Abschlussberichtes oder der Empfehlungen des Expertengremiums erfolgen.

Der völkerrechtliche Aspekt der Namensfrage

Aufgrund des völkerrechtlich verbrieften Selbstbestimmungsrechtes eines Volkes kann ein jedes Volk den Namen seines Staates, seiner Nation und seiner Sprache grundsätzlich frei wählen. Grenzen werden diesem Recht nur aufgrund des ebenfalls völkerrechtlich verbrieften Rechtes eines anderen Staates auf seine territoriale Integrität gesetzt. Im Falle des sogenannten Namensstreits zwischen Griechenland und der Republik Makedonien muss geklärt werden, ob das Selbstbestimmungsrecht der Republik Makedonien oder das Recht Griechenlands auf seine kulturelle Integrität verletzt wird, was als Unterfall der territorialen Integrität aufgefasst werden kann. Bei der Klärung dieser Frage müssen wir davon ausgehen, dass der Begriff Makedonien zwar einen bestimmten Ursprung hat, in seiner langen Geschichte jedoch zu unterschiedlichen Zeiten eine unterschiedliche materielle Bedeutung gehabt hat. Dies gilt auch für mit diesem Begriff assoziierten Begriffe wie der des „Makedoniers“ oder die Eigenschaft „makedonisch“. In der internationalen Politik hat der Begriff „Makedonien“ eine deutliche Wandlung erfahren, es kann sogar von einer Evolution des Begriffes gesprochen werden. So unterscheidet sich das heutige Makedonien materiell sowohl territorial als auch personell deutlich vom antiken Makedonien. So kann festgehalten werden: Die Art des antiken Makedonien präjudiziert nicht, wie es im heutigen Makedonien ist. Für jede Klärung der Namensfrage der Republik Makedonien muss von einem konkreten materiellen Begriff zu einer bestimmten Zeit bzw. für einen bestimmten Zeitraum ausgegangen werden. Davon hängt ab, ob der Begriff „Makedonien“ der Republik Makedonien überhaupt zurechenbar ist. Wird dem z.B. das geographische Makedonien im heutigen Sinne zugrunde gelegt, liegt das Territorium der Republik Makedonien zu Hundert Prozent auf dem Gebiet des geographischen Makedonien. Wird aber das Gebiet des antiken Makedoniens zugrunde gelegt, gehören die nördlichen Gebiete der Republik Makedonien nicht zu diesem Gebiet. Allerdings muss bei einer völkerrechtlichen Klärung vom letzten und aktuellsten Stand der territorialen Entwicklung des geographischen Makedonien ausgegangen werden. Kein Problem aus Sicht des Völkerrechts ist die Verwendung eines Namens, der zugleich auch als Name eines anderen Staates oder einer Region innerhalb eines anderen Staates verwendet wird. Beispiele hierfür sind die Demokratische Republik Kongo und die Republik Kongo (zwei Völkerrechtssubjekte), das Großherzogtum Luxemburg (Völkerrechtssubjekt) und die belgische Provinz Luxemburg oder auch die Aserbaidschanische Republik (Völkerrechtssubjekt) und die iranische Provinz Aserbaidschan. Dies kommt regelmäßig in den Fällen vor, wo eine historisch gewachsene geographische Region mit einem bestimmten Namen auf mehrere Staaten verteilt ist. Liegt der entsprechende Staat vollständig in dieser Region, kann es auch seine völkerrechtliche bzw. staatsrechtliche Bezeichnung vom Namen dieser Region ableiten (Territorialableitung). Liegen nur Teile eines Staates in einer bestimmten Region, werden die entsprechenden Provinzen dieses Staates nach dieser Region benannt. Im Falle der geographischen Region Makedonien und der an ihr beteiligten Staaten dürfte dies nicht anders gehandhabt werden. Demnach würde die Republik Makedonien aus völkerrechtlicher Sicht zu Recht den Namen Makedonien tragen ohne die völkerrechtlichen Rechte Griechenlands zu verletzten. Zu klären bleibt jedoch, welchen Anteil jeweils Griechenland und die Republik Makedonien an der gesamten Geschichte und Kultur Makedoniens haben. Diese Anteile müssen völkerrechtlich verbindlich voneinander abgegrenzt und zugeordnet werden.  Der Ursprung eines Begriffes begründet aus Sicht des Völkerrechts grundsätzlich keine Monopolisierung dieses Begriffes durch einen bestimmten Staat. Nach mehrheitlicher Auffassung wird das antike Makedonien der griechischen Geschichte und Kultur zugerechnet. Trotzdem wird dadurch aus völkerrechtlicher Sicht keine Monopolisierung des Namens „Makedonien“ nur durch Griechenland gerechtfertigt. Der Begriff „Makedonien“ hat seit der Antike eine materielle Wandlung erfahren, dies muss bei einer völkerrechtlichen Betrachtung des Sachverhaltes immer berücksichtigt werden. Auch territoriale Ansprüche gegenüber einem Staat können heutzutage nicht mehr mit historischen Grenzverläufen gerechtfertigt werden. Dies gilt natürlich auch für die inhaltliche Wertung  historischer Begriffe.

Die Lösungsfindung

Der Rahmen für eine politische Lösungsfindung wird durch inhaltliche Wertungen und durch bestehende Fakten festgelegt. Die inhaltlichen Wertungen müssen im Rahmen eines unabhängigen Expertengremiums unter Beteiligung Griechenlands und der Republik Makedonien zunächst einmal objektiv-wissenschaftlich erarbeitet und in ein politisches Lösungskonzept überführt werden. Im Rahmen eines Lösungskonzeptes muss es zu inhaltlichen Abgrenzungen und Zuordnungen kommen. Das antike Makedonien und die antiken Makedonier sind vom heutigen Makedonien und von den heutigen Makedoniern abzugrenzen. Des Weiteren sind das antike Makedonien und die antiken Makedonier einer bestimmten Geschichte und Kultur zuzuordnen. Wenn die mehrheitliche Auffassung, dass das antike Makedonien und die antiken Makedonier teil der griechischen Kultur und Geschichte sind, verbindlich zugrunde gelegt wird, muss es auch entsprechend zugeordnet werden. Im Falle des heutigen Makedonien gibt es mehrere Abgrenzungs- und Unterscheidungskriterien. Territorial ist zwischen der Republik Makedonien als Völkerrechtssubjekt und der griechischen Region Makedonien als völkerrechtlichem Bestandteil Griechenlands zu unterscheiden. Formell erfolgt dies bereits durch die völkerrechtliche Bezeichnung der Republik Makedonien, eine zusätzliche Bezeichnung zum verfassungsmäßigen Namen der Republik Makedonien ist weder politisch noch aus völkerrechtlicher Sicht notwendig. Materiell sollte diese Unterscheidung noch einmal in einem völkerrechtlichen Vertrag zwischen Griechenland und der Republik Makedonien festgelegt werden, der durch einen Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen noch bestätigt werden könnte. Entsprechend ist auch personell zwischen den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern als Nation und den griechischen Makedoniern als Teil der griechischen Nation völkerrechtlich verbindlich zu unterscheiden. Die Abgrenzung und die Zuordnung des jeweiligen Anteils Griechenlands und der Republik Makedonien an der gesamten Kultur und Geschichte Makedoniens ist ebenfalls in einem völkerrechtlichen Vertrag, der durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen inhaltlich bestätigt werden sollte, verbindlich festzulegen. So muss unter anderem auch zwischen der antiken makedonischen Sprache und der Sprache der ethnischen bzw. slawischen Makedonier unterschieden werden.

Die Umsetzung der gefundenen Lösung

Der völkerrechtliche Vertrag über eine finale verbindliche Klärung der speziellen makedonischen Frage und die Lösung des daraus resultierenden Namensstreits bedarf einer effektiven Wahrnehmung durch die betroffenen Völker und die internationale Staatengemeinschaft. Zusatzbezeichnungen zum verfassungsmäßigen Namen der Republik Makedonien erfüllen diesen Zweck nicht und können deswegen als mögliche Lösung des Problems verworfen werden. In anderen Fällen, z.B. bei der Eigenschaft „makedonisch“, sind Zusatzbezeichnungen nur in dem Fall notwendig, wenn aus dem Zusammenhang keine klare Zuordnung ersichtlich ist. In einem solchen Fall sollte die Zusatzbezeichnung in Klammern hinter dem Wort stehen. Die inhaltliche Vermittlung der gefundenen Klärung der speziellen makedonischen Frage kann nur im Rahmen einer entsprechenden Bildungs- und Informationspolitik durch die betroffenen Staaten selbst erfolgen. Wenn Griechenland und die Republik Makedonien sich auf eine entsprechende, objektive Bildungs- und Informationspolitik einließen, wären alle Probleme um den Namen „Makedonien“ gelöst. Denn der sogenannte Namensstreit ist, wie bereits erwähnt, nur das Symptom eines viel tiefer gehenden Problems, welches nur inhaltlich gelöst werden kann. Inhaltliche Lösungen können lediglich durch eine entsprechende Bildungs- und Informationspolitik effektiv vermittelt und weitergegeben werden. Eine Lösung ist also grundsätzlich möglich, wenn die entsprechenden Wege zu einer Lösungsfindung durch Griechenland und durch die Republik Makedonien gemeinsam gegangen werden. Doch an dieser Stelle sind die betroffenen Politiker und die internationale Gemeinschaft in der Verantwortung, diesen Weg zu finden.

Zusammenfassung

Die materiellen Anforderungen an eine objektive Klärung der speziellen makedonischen Fragen sind:

  1. auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse,
  2. auf Basis des Völkerrechts,
  3. im Rahmen eines neutralen und unabhängigen Expertengremiums unter Beteiligung Griechenlands und der Republik Makedonien.

Die formelle und völkerrechtlich verbindliche Umsetzung der Klärung erfolgt:

  1. im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen den betroffenen Parteien oder durch einen Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen,
  2. im Falle eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen den betroffenen Parteien durch eine zusätzliche Bestätigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Die materielle Umsetzung der Klärung erfolgt mithilfe der entsprechenden Bildungs- und Informationspolitik durch Griechenland und die Republik Makedonien.

Durch die Klärung der speziellen makedonischen Frage ist letztendlich auch die allgemeine makedonische Frage endgültig geklärt. Weitere Informationen zum Thema:

  1. Die erweiterte makedonische Frage als völkerrechtliches Problem
  2. Skizze zu einem möglichen Lösungskonzept / Onepageversion

Persönliches und Danksagungen

Seit 20 Jahren beschäftige ich mich mit dem sogenannten Namensstreit und einer möglichen Lösungsfindung zur Beendigung dieses Streits. Ich wünsche mir sehr, dass er bald gerecht und vernünftig gelöst wird und schließlich der Vergangenheit angehört. Seit 3 Jahren schreibe ich für Pelagon.de und es macht mir eine sehr große Freude. Doch ohne Unterstützung würde mir diese Schreibarbeit schwerer fallen. Mein großer Dank dafür gilt weiterhin Anna Langosch. Sie liest bereits seit April 2012 regelmäßig alle meine großen Artikel professionell Korrektur und trägt damit wesentlich zum Gelingen dieser Artikel bei. Über das reine Korrekturlesen hinaus gibt sie mir wertvolle Tipps und macht wichtige Anmerkungen. Ihre Korrekturen, Anmerkungen und Vorschläge stellen einen großen Wert für mich da. Ich freue mich sehr über die erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihr und bin ihr sehr dankbar dafür! Zu großem Dank bin ich auch Justine Schindler und G.P. verpflichtet! Beide haben in der Vergangenheit viele große Artikel von mir Korrektur gelesen und mich auch technisch unterstützt. Mit G.P. arbeite ich darüber hinaus auch fachlich und an einer Lösungsfindung im sogenannten Namensstreit zusammen. Die Zusammenarbeit mit ihm ist sehr fruchtbar und macht mir ebenfalls eine sehr große Freude. Auch allen namentlich nicht genannten Personen, die mir ebenfalls geholfen haben, möchte ich an dieser Stelle ein großes Dankeschön aussprechen.