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Bulgarien in der Krise

Das EU-Mitglied Bulgarien steckt seit Monaten in einer schweren politischen Krise. Im Februar dieses Jahres war nach monatelangen Protesten die konservative Vorgängerregierung zurückgetreten. Die daraufhin am 12.05.2013 durchgeführten Parlamentswahlen brachten keine klaren Mehrheiten für die jeweiligen politischen Lager. Zusammen mit der Partei der türkischen Bulgaren „Bewegung für Rechte und Freiheiten“ und mit der Duldung durch die nationalistische   Partei „Ataka“ stellt die „Bulgarische Sozialistische Partei“ unter Ministerpräsident Plamen Orescharski die Regierung. Seit nunmehr 40 Tagen protestieren die Bulgaren gegen die sozialistische Koalitionsregierung. Viele Tausend Bulgaren gehen jeden Abend aus Wut über Korruption, Vetternwirtschaft und Verelendung auf die Straße.

 

Anlass dieser Proteste war die Ernennung des umstrittenen Medienmoguls Dljan Peewski zum Chef des bulgarischen Geheimdienstes am 14.06.2013. Zwar nahm Ministerpräsident Orescharski diese Ernennung wieder zurück, doch die Protestierenden fordern weiterhin den Rücktritt der Regierung. Es geht nicht mehr um die umstrittene Ernennung, sondern um die Politik allgemein. Wie oben genannt sind Korruption, Vetternwirtschaft und wirtschaftliche Probleme die eigentlichen Hintergründe für diese Proteste.

 

Jetzt eskalierten die Proteste. Mehrere hundert Protestierende blockierten am Abend des 23.07.2013 die Ausgänge des Parlaments. Zu dieser Zeit fand gerade eine Parlamentssitzung statt, an der auch verschiedene bulgarische Minister teilnahmen. Die Protestierenden riefen dabei „Mafia, Mafia“ und „Rücktritt“. Dutzende Parlamentarier, drei Minister, Vertreter der Gewerkschaften, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Parlaments und Journalisten konnten das Parlamentsgebäude nicht mehr verlassen. Erst am Morgen des folgenden Tages konnte die Polizei nach und nach alle 109 im Parlament eingeschlossenen Personen in Sicherheit bringen. Zirka 2000 Protestierende hatten das Parlament umringt und blockiert.

 

Der bulgarische Präsident Rossen Plewneliew hatte bereits im Vorfeld der Parlamentssitzung sowohl Protestierende als auch Polizisten aufgefordert Provokationen zu vermeiden. Eine Eskalation der Spannungen und eine Verletzung der öffentlichen Ordnung müsse nach Aussage des bulgarischen Präsidenten verhindert werden. Trotzdem kam es auch zu Ausschreitungen. Nach Augenzeugenberichten wurden mehrere Personen verletzt. Die Anzahl der Verletzten schwankt je nach Quelle zwischen 9 und 18. Unter den Verletzten sollen auch Polizisten sein. Nach Angaben des bulgarischen Innenministeriums warfen die Protestierenden mit Steinen, Flaschen und anderen Gegenständen. Ein Bus, mit dem die Polizei die im Parlament eingeschlossenen Personen wegbringen wollte, wurde von den Protestierenden angegriffen und beschädigt.

 

Durch das Abflauen der Proteste am frühen Morgen konnte die Polizei letztendlich alle Eingeschlossenen aus dem Parlament und damit in Sicherheit bringen. Der bulgarische Innenminister Tswetlin Jowtschew warf den Demonstranten extrem aggressives Verhalten vor, worauf die Polizei angemessen reagiert habe. Parlamentspräsident Michail Mikow hat unterdessen eine für den 24.07.2013 geplante Sitzung des Parlaments abgesagt. Nach seiner Auffassung sei es nicht normal, dass das Leben und die Gesundheit der Abgeordneten in Gefahr gebracht werden.

 

Wie es in Bulgarien politisch und gesellschaftlich weitergehen soll ist im Moment noch offen. Einen Rücktritt der Regierung hat der Ministerpräsident bisher abgelehnt und dies mit seinem Verantwortungsbewusstsein begründet. Allerdings dürfte diese Regierung aufgrund des Vertrauensverlustes  zunehmend handlungsunfähig werden und schwerwiegende Reformen nicht mehr anpacken können. Es wird daher über vorgezogene Neuwahlen nachgedacht. Allerdings sind auch diese kein sicherer Ausweg aus der derzeitigen Krise in Bulgarien.