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Die griechische EU-Ratspräsidentschaft und der Westbalkan

 

Griechenland übernahm am 01.01.2014 von Litauen den Vorsitz im Rat der Europäischen Union (EU) und wird diesen bis zum 30.06.2014 inne haben. Am 01.07.2014 wird dann Italien die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Während der griechischen EU-Ratspräsidentschaft werden wichtige EU-Treffen und die Wahlen zum EU-Parlament stattfinden. Vor allem finanz- und wirtschaftspolitische Fragen werden im Vordergrund der griechischen Ratspräsidentschaft stehen. Im Falle der weiteren Integration der Republik Makedonien in die EU dürfte es bei dem bisherigen Stillstand bleiben. Aufgrund des sogenannten Namensstreits zwischen dem EU-Mitglied Griechenland und dem Nicht-EU-Mitglied Republik Makedonien blockiert Griechenland bisher den Beginn von möglichen EU-Beitrittsgesprächen mit der Republik Makedonien. Von allen Staaten des Westbalkans ist die Republik Makedonien am weitesten in ihrer Reformpolitik vorangeschritten. Auch besteht aufgrund des makedonisch-griechischen Interimsabkommens vom 13.09.1995 die Möglichkeit vor einer Lösung des sogenannten Namensstreits die Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der EU zu ermöglichen. Doch sowohl in Griechenland als auch in der Republik Makedonien gibt es innenpolitische Probleme.

 

Die Lage in Griechenland

Die schwere Staats-, Finanz- und Wirtschaftskrise dürfte trotz positiver Tendenzen noch nicht überwunden sein. Die seit dem Jahr 2010 ausgebrochene Krise führte zu massiven Einschnitten im griechischen Haushalt und hatte nachhaltige Folgen für die griechische Bevölkerung. Griechenland benötigte, um zahlungsfähig zu bleiben, Finanzmittel von der Europäischen Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfond (IWF). Die Gewährung dieser Finanzmittel wurde mit strengen Auflagen für Griechenland verbunden. So musste Griechenland vor allem durch Sparmaßnahmen seinen Haushalt sanieren. Im Rahmen dieser Sparmaßnahmen mussten Sozialleistungen, Renten, Pensionen und andere staatliche Dienstleistungen spürbar für die Betroffenen gekürzt werden. Der aufgrund der griechischen Politik des Klientelismus (Vorteilsgewährungen durch die regierenden Parteien für ihre jeweilige Anhängerschaft) personell aufgeblähte öffentliche Sektor musste durch Entlassungen stark abgebaut werden. Auf der anderen Seite mussten die staatlichen Einnahmen, vor allem durch mehr Abgaben und Steuern und durch eine Bekämpfung der weitverbreiteten Korruption, gestärkt werden. Dies führte zu  einer sozialen Verelendung in der griechischen Bevölkerung und rief deren Widerstand gegen diese Reformen hervor. Die etablierten Parteien der Mitte verloren massiv an Zustimmung und haben zusammen seit der letzten Parlamentswahl im Jahre 2012 nur noch eine knappe Mehrheit im Parlament. Vor der Krise wechselten sich die Parteien der Mitte, die Nea Demokratia (ND) und die Panhellenische Sozialistische Bewegung (PASOK), gegenseitig an der Macht ab und regierten jeweils mit absoluten Mehrheiten. Jetzt würden sie nach Meinungsumfragen bei Wahlen nicht einmal mehr zusammen eine Parlamentsmehrheit erreichen. Stattdessen haben die radikalen Parteien aus dem linken und dem rechten Lager nach diesen Meinungsumfragen eine gemeinsame Mehrheit. Allerdings dürften diese Parteien aufgrund ihrer Gegensätzlichkeit zusammen keine stabile Regierung zustande bringen. Vorgezogene Neuwahlen würden nach dieser Sachlage zur unregierbarkeit Griechenlands führen. Die nächsten regulären Wahlen finden erst im Jahre 2016 statt. Bis dahin muss die Reformpolitik zu spürbaren Lösungen führen. Es gibt zumindest eine positive Tendenz, dass die griechische Reformen greifen. Betrug das Haushaltsdefizit im Jahre 2009 noch 16 %, so dürfte es im Jahr 2014 nur noch bei 2,5 % liegen. Allerdings werden einige der bestehenden Verbindlichkeiten in diesem Haushalt nicht berücksichtigt. Mit Billigung der Troika aus EU, EZB und IWF sollen diese Verbindlichkeiten aus den Mitteln des zweiten Hilfsparketts in Höhe von 130 Milliarden Euro beglichen werden. Damit tauchen sie im Haushaltsplan von 2014 nicht auf. Des Weiteren trägt ein staatlich erzwungener Schuldenschnitt in Höhe von 63 % des Bruttosozialproduktes zur Reduzierung des Haushaltsdefizites bei. Bei diesem Schuldenschnitt verzichteten die privaten Gläubiger auf fast zwei Drittel ihrer Gelder, die sie dem griechischen Staat geliehen hatten. Offiziell wird die Reformpolitik von der Troika trotz ihrer Schwächen gelobt. Die bisherigen Reformen haben tatsächlich hohe Opfer von der griechischen Bevölkerung abverlangt und scheinen auch zu greifen. Allerdings wird informell kritisiert, dass Griechenland weiterhin notwendige Reformen zum Teil verschleppt und zu verhindern versucht. Notwendige Reformziele werden teilweise nicht zum vereinbarten Zeitpunkt vollständig erreicht. Insgesamt besteht in die Verlässlichkeit der griechischen Politik kein uneingeschränktes Vertrauen. Außerhalb des Rahmens der EU, der Europäischen Währungsunion und der Hilfen des Internationalen Währungsfonds dürfte Griechenland aus eigener Kraft nicht ohne weiteres aus der noch andauernden Krise herauskommen. Eine Lösung der Krise, zum Teil im europäischen Rahmen und zum Teil im griechischen nationalen Rahmen, dürfte der politisch richtige Weg sein. Eine maßvolle und angemessene Solidarität der europäischen Völker ist eine notwendige Grundlage für eine funktionierende europäische Integration. Trotz aller berechtigter Kritik an der griechischen Reformpolitik. Die Bevölkerung Griechenlands hat zweifellos schwere Opfer bringen müssen. Dies sollte bei den politischen Auseinandersetzungen nicht vergessen werden. Auch ist die Krise in Griechenland zugleich eine europäische Krise und nicht ausschließlich nur von Griechenland zu verantworten. Gerade vor diesem Hintergrund ist die griechische EU-Ratspräsidentschaft zu dieser Zeit ein besonderer Beitrag zur inneren Weiterentwicklung der EU.

 

Die griechische EU-Präsidentschaft und der Westbalkan

Ursprünglich sollte die Integration der Staaten des Westbalkans im Fokus der griechischen EU-Ratspräsidentschaft stehen. Historischer Hintergrund für die Integration dieser Staaten in die EU sollte der Beginn des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 sein, der unter anderem seinen Schwerpunkt auf dem Balkan hatte, dem zwei Balkankriege (1912/1913) vorausgegangen waren und der sich nachhaltig auf die Balkanregion auswirken sollte. Noch heute beeinflussen die Resultate des Ersten und Zweiten Balkankrieges sowie des Ersten Weltkrieges die Außenpolitik der Balkanstaaten. Vor allem der sogenannten Namensstreit, der noch nicht abschließend geklärte Status des Kosovo und die noch offene bosnisch-herzegowinischen Frage sind sichtbare Zeichen dieses nachhaltigen Einflusses. Folgerichtig sollte genau 100 Jahre später mit der Integration der Staaten des Westbalkans in die EU eine nachhaltige Klärung aller offenen Fragen und ein nachhaltiger stabiler Frieden erreicht werden. Symbolisch sollte die Integration der Staaten des Westbalkans in die EU genau 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges ein dauerhaft Frieden und Stabilität stiftendes Gegenstück zu diesem Krieg bilden. Allerdings setzten die realpolitischen Rahmenbedingungen diesem Vorhaben deutliche Grenzen. Mit Montenegro finden bereits seit Juli 2012 EU-Beitrittsverhandlungen statt. Deren Abschluss und die Aufnahme Montenegros in die EU sind allerdings noch nicht abzusehen. Im Falle Serbiens beginnen die Beitrittsverhandlungen voraussichtlich am 21.01.2014. Beschlossen wurde der Beginn der EU-Beitrittsgespräche mit Serbien auf der Tagung des Europäischen Rates am 19./20.12.2013. Der Europäische Rat ist eine Versammlung der Staats- und Regierungschefs und fasst grundsätzliche Beschlüsse zur Weiterentwicklung der EU. Dazu gehört auch der Beginn von Beitrittsgesprächen mit den Beitrittskandidaten der EU, für die allerdings ein einstimmiger Beschluss aller EU-Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat notwendig ist. Aufgrund des sogenannten Namensstreits blockiert allerdings das EU-Mitglied Griechenland den Beginn von EU-Beitrittsgesprächen mit der Republik Makedonien, die seit dem Jahr 2005 Beitrittskandidat ist und ansonsten alle Voraussetzungen für den Beginn von Beitrittsgesprächen erfüllt. Diese Tatsache relativiert das griechische Projekt zur Integration der Staaten des Westbalkans im Jahre 2014 merklich und steht damit deutlich im Widerspruch zur ursprünglichen Intention dieses Projektes. Die Republik Serbien und das Kosovo haben im Rahmen von bilateralen Abkommen, die unter Vermittlung der EU zustande kamen, ein Modus vivendi (vorläufige Regelung) für den gegenseitigen Umgang miteinander gefunden. Offen bleibt allerdings der völkerrechtliche Status des Kosovo aus Sicht Serbiens und von fünf EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Griechenland. Neben der derzeitigen innenpolitischen Lage im Kosovo steht der ungeklärte Status einer weiteren Integration des Kosovo in die EU entgegen. Eine abschließende Klärung des Kosovo-Status ist Voraussetzung für eine Integration des Kosovo in die EU. Eine entsprechende Klärung ist bisher noch in Sicht und dürfte schwierig werden. Albanien hat seit dem Jahr 2011 Kandidatenstatus. Die EU-Beitrittsgespräche mit Albanien haben allerdings noch nicht begonnen. Ebenso wie im Falle der Republik Makedonien soll auf der nächsten Tagung des Europäischen Rates im Juni 2014 über den Beginn von Beitrittsgesprächen mit Albanien entschieden werden. Bosnien und Herzegowina ist aus innenpolitischen Gründen noch nicht reif für eine weitere Integration in die EU. Zunächst müssen sich die drei staatstragenden Völker, die bosniakischen (muslimischen), kroatischen und serbischen Bosnier, auf eine abschließende verfassungsrechtliche Struktur und Organisation ihres gemeinsamen Staates einigen. Die bisherige staatliche Struktur mit zwei weitgehend autonomen Entitäten und einem schwachen Zentralstaat ist ein Resultat des inner-ethnischen Krieges in Bosnien und Herzegowina (1991 bis 1995) und des daraus resultierenden Friedensvertrages. Diese staatlichen Strukturen funktionieren jedoch auf Dauer nicht effektiv genug und sind aufgrund der kompliziert gestalteten Föderation aufgebläht und kostenintensiv. Doch bisher konnten sich die staatstragenden Völker aufgrund ihrer gegensätzlichen Auffassungen nicht auf ein geeignetes staatliches Konzept einigen. Insgesamt bleibt der Weg der Staaten des Westbalkans in die EU noch weit und mühsam. Das griechische Projekt Westbalkan 2014 ist daher illusorisch, könnte jedoch zumindest als Start für die weitere Integration dieser Staaten in die EU dienen. Allerdings müsste Griechenland dann auch als Vorbild vorangehen und den sogenannten Namensstreit mit der Republik Makedonien auf Augenhöhe mit dieser lösen. Vor allem dürfte die weitere Integration der Republik Makedonien in die EU, unabhängig von der Lösung des sogenannten Namensstreits, nicht mehr blockiert werden.

Europäischer Rat im Dezember 2013

Die Prioritäten der EU-Präsidentschaft Griechenlands (01.01. – 30.06.2014)

Aufgrund der schweren Staats-, Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland haben sich die ursprünglichen Prioritäten für die griechische EU-Ratspräsidentschaft geändert. Nicht mehr der Westbalkan steht im Fokus sondern die Finanz- und Wirtschaftspolitik in der EU sowie die dazugehörige europäische Strukturpolitik. Der griechische Außenminister und Vizeministerpräsident Evangelos Venizelos stellte am 07.08.2013 dem griechischen Ministerrat die Prioritäten der griechischen EU-Ratspräsidentschaft vor. Diese wurden durch einstimmen Beschluss des Ministerrates angenommen und lauten:

  • Entwicklung, Beschäftigung und Kohäsion (Zusammenhalt zwischen einzelnen Staaten und Regionen);
  • Vertiefung der EU-Integration der EURO-Zone;
  • Migration, Grenzen und Mobilität;
  • das Meer.

Der griechische Sparkurs findet auch bei der Wahrnehmung der EU-Ratspräsidentschaft Anwendung. Zuvor gab es sogar Kritik, ob sich Griechenland aufgrund seiner Finanzkrise überhaupt diese Präsidentschaft leisten könnte und deren Wahrnehmung für Griechenland sinnvoll sei. Allerdings würde es auch zu weit gehen die Wahrnehmung dieser Präsidentschaft von der finanziellen Lage eines EU-Mitglieds abhängig zu machen. Mit einem Budget von 50 Millionen Euro für die EU-Ratspräsidentschaft leistet sich Griechenland dann auch das kleinste Budget das je ein EU-Mitgliedsstaat für seine Präsidentschaft ausgegeben hat.

Im Rahmen der griechischen EU-Ratspräsidentschaft finden wichtige Treffen und Verhandlungen und im Mai die Wahlen zum EU-Parlament statt. Unter anderem müssen auch wichtigen Posten in der EU neu besetzt werden. An oberste Stelle steht die Reform der Währungsunion. Ihre Schwächen wurden in der Finanzkrise deutlich und müssen jetzt behoben werden. Kernpunkt der voranzutreibenden Reformen ist eine Vollendung der Bankenunion. Dazu gehören vor allem die Einführung einer Bankenaufsicht, von Abwicklungsfonds und einer Einlagensicherung. Besonders die Einlagensicherung ist im EU-Parlament umstritten. Auch die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) sollen wieder aufgenommen werden. Die Verhandlungen lagen wegen der Affäre um die Ausspähung von Daten und Gesprächen der Bürgerinnen und Bürger der EU durch die USA auf Eis. Wegen dieser Affäre muss ebenfalls eine verbindliche Lösung mit den USA gefunden werden, damit in Zukunft die Daten und Gespräche der Bürgerinnen und Bürger der EU grundsätzlich nicht mehr durch die USA ausgespäht werden dürfen. Des Weiteren soll im Rahmen einer sogenannten „Jugendgarantie“ jeder/jedem arbeitslosen EU-Bürgerin/EU-Bürger unter 25 Jahren ein Ausbildungs- und Arbeitsplatz angeboten werden. Auch die EU-Einwanderungspolitik soll durch den Beschluss von neuen Leitrichtlinien novelliert werden. Bei allen diesen bereits feststehenden Aufgaben kann es immer auch zu unvorhergesehenen Ereignissen kommen, die zusätzliche Maßnahmen notwendig machen. Die EU hat viele Baustellen, die sinnvoll koordiniert werden müssen. Griechenland hat aufgrund seiner Krise wertvolle Erfahrungen sammeln können, die es bei der Bewältigung von Problemen auf europäische Ebene einbringen kann. Europa steht vor großen Herausforderungen, muss strukturell reformiert werden und einen angemessenen Platz bei seinen Bürgerinnen und Bürgern und in der Welt finden.

 

Die EU-Ratspräsidentschaft und die Republik Makedonien

Im bilateralen Verhältnis zwischen Griechenland und der Republik Makedonien dürfte die griechische EU-Ratspräsidentschaft nichts ändern. Damit bleibt aufgrund der nationalen Politik Griechenlands gegenüber der Republik Makedonien weiterhin der Weg der Republik Makedonien in die EU versperrt. Aufgrund der noch angespannten politischen, finanziellen und wirtschaftlichen Situation in Griechenland dürften große nationale Kompromisse zurzeit nicht möglich sein. Auch darf in der griechischen Bevölkerung nicht der Eindruck entstehen, dass ein möglicher Kompromiss nur aufgrund des Druckes von Außen zustande kam. Aus diesem Grund hält sich die EU in Sachen mehr Druck auf Griechenland zwecks einer weiteren europäischen Integration der Republik Makedonien wohl auch zurück. Zweifellos befürworten ein Großteil der Staaten der EU und alle relevanten EU-Organe den Beginn von Beitrittsgesprächen mit der Republik Makedonien. Von allen Staaten des Westbalkans ist die Republik Makedonien der geeignetste Beitrittskandidat. Unabhängig davon besteht natürlich auch in der Republik Makedonien ein dringender Reformbedarf. Dieser Reformbedarf betrifft unter anderen auch die Bereiche Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit. Die Auseinandersetzungen der politischen Parteien in der Republik Makedonien lassen zum Teil eine demokratische Streitkultur vermissen. Kritisch zu betrachten ist auch die Verurteilung eines makedonischen Journalisten durch ein makedonisches Gericht im letzten Jahr. Die geplante Novellierung des Presserechtes steht ebenfalls in der Kritik. Vor einem tatsächlichen Beitritt in die EU hat die Republik Makedonien also noch einiges zu leisten. In Griechenland ist mit Andonis Samaras ein Hardliner im sogenannten Namensstreit Ministerpräsident von Griechenland. Dieser lehnt jeden Kompromiss mit der Republik Makedonien in der Namensfrage ab und hat sich bisher auch nicht aktiv für eine Lösungsfindung eingesetzt. Die Gespräche zwischen Griechenland und der Republik Makedonien zur Lösungsfindung im sogenannten Namensstreit finden bis jetzt nur im Rahmen der Vereinten Nationen statt. Eine aktivere Beteiligung der EU an einer Lösungsfindung ist immer wieder angedacht worden und wäre auch sehr sinnvoll. Diese wurde jedoch von Griechenland stets abgelehnt. Aus griechischer Sicht reichen die Gespräche im Rahmen der Vereinten Nationen aus. Aus diesem Grund dürfte sich die EU unter der griechischen EU-Ratspräsidentschaft auch weiterhin nicht aktiv an einer Lösungsfindung beteiligen. Auf der anderen Seite hat die EU im Falle Serbiens und des Kosovos eine deutlich aktivere Rolle eingenommen und konnte damit wahrnehmbare Erfolge erreichen. Allerdings sind weder Serbien noch das Kosovo Mitglieder der EU und konnten daher auf Augenhöhe unter Vermittlung der EU verhandeln. Im Falle des bilateralen Streits zwischen Griechenland und der Republik Makedonien können aufgrund der EU-Mitgliedschaft Griechenlands keine Verhandlungen auf Augenhöhe stattfinden und die EU auch nicht entsprechend aktiv werden. Unabhängig davon besteht aufgrund des makedonisch-griechischen Interimsabkommens vom 13.09.1995 ein Modus vivendi für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Republik Makedonien und deren Beitritt zur EU. Die Republik Makedonien kann nach diesem Interimsabkommen Beitrittsverhandlungen unter ihrer vorläufigen Bezeichnung im Rahmen der Vereinten Nationen „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ mit der EU führen und unter dieser Bezeichnung auch beitreten. Diese Rechtsposition ist überdies durch ein Urteil des Internationalen Gerichtshofes (IGH) vom 05.12.2011 bestätigt worden. Bei diesem Urteil ging es um einen möglichen NATO-Beitritt der Republik Makedonien, der auf dem Bukarester NATO-Gipfel im Jahre 2008 durch Griechenland verhindert wurde. Damit habe Griechenland nach Auffassung des IGH ausdrücklich gegen das Interimsabkommen verstoßen. Das Urteil lässt sich auch auf den EU-Beitrittsprozess der Republik Makedonien übertragen. Es gibt also Wege die EU-Mitgliedschaft der Republik Makedonien auch ohne vorherige Lösung des sogenannten Namensstreits zu ermöglichen. Das EU-Mitglied Griechenland hat sich im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages mit der Republik Makedonien dazu verpflichtet diesem möglichen Weg der Republik Makedonien in die EU zu unterstützen. Die griechische EU-Ratspräsidentschaft könnte sinnvollerweise ein entsprechendes Zeichen setzen und damit ein gewichtiges Hindernis für die weitere Integration der Staaten des Westbalkans in die EU aus dem Wege räumen.