Mit der Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als eigenständige Ethnie bzw. Nation auf der zweiten Tagung des „Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens“ (AVNOJ) am 29.11.1943 war folgerichtig auch die Schaffung des ersten makedonischen Staatswesens seit der Antike verbunden. Am 02.08.1944 kam der „Antifaschistische Rat der Volksbefreiung Makedoniens“ („Antifaschistische Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens“, ASNOM) im damals von den Besatzern befreiten und heute in Serbien liegenden Klosters Prohor Pčinski erstmals zu einer Sitzung zusammen. Auf seiner konstituierenden Sitzung wurden unter anderem die Staatsstruktur und die Verfassungsgrundsätze für den makedonischen Staat festgelegt. Damit gilt die Eröffnung dieser Sitzung als formeller Gründungsakt des heutigen makedonischen Staates.
Hintergrund
Makedonien 1913 (Quelle: Wikimedia.org)Nach zwei Balkankriegen (1912/13) und dem Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) war das Territorium von Makedonien (67.313 km²) größtenteils zwischen Griechenland (Ägäisch-Makedonien, 34.800 km²) und Serbien (Vardar-Makedonien, 25.713 km²) aufgeteilt worden. Bulgarien erhielt nur einen kleinen Teil von Makedonien (Pirin-Mazedonien, 6.800 km²). Der ethnische Status der makedonischen Bevölkerung blieb zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien umstritten. Einig waren sie sich nur darin, dass es keine makedonische Ethnie geben würde. Allerdings betrachteten sich vor allem im serbischen bzw. jugoslawischen Teil von Makedonien große Teile der makedonischen Bevölkerung weder als bulgarisch noch als serbisch. Diese Entwicklung begünstigte die Herausbildung einer eigenständigen makedonischen Ethnie und wurde von Josip Broz Tito im Rahmen des jugoslawischen Volksbefreiungskampfes aufgegriffen. Eine am 29.11.1943 auf der zweiten Sitzung des „Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens“ (AVNOJ) in Jajce beschlossene Deklaration legte die Souveränität und die völlige Gleichberechtigung der jugoslawischen Völker fest. Namentlich als jugoslawische, souveräne und gleichberechtigte Völker wurden aufgeführt: Die Serben, die Kroaten, die Slowenen, die Makedonier und die Montenegriner. Mit dieser Erklärung wurden die ethnischen bzw. slawischen Makedonier erstmals in ihrer Geschichte offiziell als Volk und Nation anerkannt. Daher kann der 29.11.1943 als die „formelle Geburtsstunde“ der ethnischen bzw. slawischen Makedonier angesehen werden. Jedoch bedeutet diese formelle Geburt natürlich nicht die materielle Geburt der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Volk und Nation. Die makedonische Nationalität ist weder rein künstlich erzeugt noch aus dem Nichts erschaffen worden. Jedoch wurde durch die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Ethnie bzw. als Nation eine bestehende Entwicklung zum Abschluss gebracht, die sich als nachhaltig erweisen sollte. Auf der zweiten Sitzung des AVNOJ wurde auch die künftige Struktur von Jugoslawien nach föderalistischen Gesichtspunkten festgelegt. Demnach bekam jedes jugoslawische Volk auch ein eigenes Staatswesen im Rahmen dieser jugoslawischen Föderation zuerkannt, so auch die ethnischen bzw. slawischen Makedonier. Die makedonisch-kommunistische Parteiorganisation war allerdings aufgrund äußerer und innerer Schwierigkeiten nicht auf der zweiten Sitzung des AVNOJ vertreten. Zunächst waren aufgrund von Krieg und Besatzung die Verbindungswege von Makedonien ins bosnisch-herzegowinische Jajce relativ unsicher. Dann erwies sich die Aufstellung einer Partisanenarmee im bulgarisch besetzten Makedonien als äußert schwierig. Große Teile der makedonischen Bevölkerung betrachteten die bulgarischen Besatzer zunächst als Befreiung von der serbischen Herrschaft. Allerdings erwies sich auch die bulgarische Besatzung aufgrund ihrer Politik der bulgarischen Assimilierung als zunehmend entfremdende Belastung für die makedonische Bevölkerung. Zudem gab es einen Machtkampf zwischen der jugoslawischen und der bulgarischen Kommunistischen Partei (KP) um die Oberhoheit über die makedonische KP. Bei diesem Machtkampf ging es auch um das staatsrechtliche Schicksal des jugoslawischen Teils von Makedonien. Nach Auffassung der jugoslawischen KP sollten die ethnischen bzw. slawischen Makedonier als eigene Ethnie anerkannt werden und im Rahmen einer jugoslawischen Föderation ihr eigenes Staatswesen erhalten. Dem gegenüber sollte es nach Auffassung der bulgarischen KP einen völkerrechtlich unabhängigen Staat Makedonien geben. Allerdings gäbe es nach bulgarischer Auffassung keine eigenständige makedonische Kulturnation. Auch hätte der geplante unabhängige Staat Makedonien wohl unter bulgarischen Einfluss gestanden. Die jugoslawische KP setzte sich jedoch gegenüber der bulgarischen KP durch und verwirklichte ihr Konzept zur Klärung der makedonischen Frage: Eine eigenständige makedonische Ethnie mit einem eigenen Staatswesen im Rahmen der kommunistisch geführten jugoslawischen Föderation.
Die erste Sitzung des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Makedoniens (ASNOM)
Kloster Hl. Prohor Pcinjski (Quelle: Wikimedia.de)Der „Antifaschistische Rat der Volksbefreiung Makedoniens“ (ASNOM) bestand aus 17 Mitgliedern und kam im heute zu Serbien gehörenden Kloster Prohor Pčinski am 02.08.1944 zu seiner ersten Sitzung zusammen. Mit dem Sitzungsdatum sollte historisch an den Beginn des Ilinden-Aufstandes und der Gründung der nur kurzzeitig existierenden „Republik von Kruševo“ am 02.08.1903 angeknüpft werden. Damit erhielt die Sitzung der ASNOM neben seinem kommunistischen auch einen besonderen nationalen Charakter makedonischer Prägung. Der Sitzungsort wurde deshalb gewählt, da er zu dieser Zeit bereits von bulgarischen und deutschen Besatzern geräumt war. Auf der ersten Sitzung des ASNOM wurde die Staatsstruktur und die Grundlagen der Verfassung für den makedonischen Staat festgelegt, der als Gliedstaat mit der Bezeichnung „Volksrepublik Makedonien“ gleichberechtigtes Mitglied der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ sein und eigene Gesetzgebungskompetenzen haben sollte. Des Weiteren wurden auf der ersten Sitzung des ASNOM die Geltung der Menschen- und Bürgerrechte proklamiert, Minderheitenrechte für Ethnien in Makedonien garantiert und die Grundsätze des Wahlrechts festgelegt. Jeder Bürgerin bzw. jedem Bürger wurde das Recht zur Beschwerde gegen staatliche Handlungen gewährt. Der makedonische Staat sollte nach den Beschlüssen des ASNOM nicht zentral verwaltet werden, sondern wurde in Bezirke, Kreise und Gemeinden gegliedert. Auch auf kulturellem Gebiet fasste der ASNOM Beschlüsse. Demnach sollten die makedonischen Dialekte, die um die Stadt Skopje herum gesprochen werden, zu einer Schriftsprache zusammengefasst werden. Diese Schriftsprache sollte eine wichtige Grundlage für die bereits erfolgte Anerkennung der makedonischen Kulturnation und Amtssprache in der Volksrepublik Makedonien sein. Der 02. August wurde als Nationalfeiertag festgelegt. Dieser Tag verkörpert symbolisch die Kontinuität des Freiheitskampfes der makedonischen Bevölkerung gegen alle Besatzer Makedoniens und ist auch heute noch ein wichtiger Feiertag. Außerdem wurde die Errichtung einer makedonischen Volksmiliz beschlossen, die am jugoslawischen Volksbefreiungskampf teilnehmen sollte. In der zweiten Hälfte des Jahres 1944 nahm auch im jugoslawischen Teil von Makedonien der Volksbefreiungskampf an Fahrt auf und war erfolgreich. Bereits am 11.10.1944 verzichtete Bulgarien auf den jugoslawischen Teil von Makedonien. Staatsrechtlich kann die Eröffnung der ersten Sitzung des ASNOM am 02.08.1944 als Gründungsakt für den noch heute existierenden makedonischen Staat angesehen werden. Seit der Antike hat es kein makedonisches Staatswesen mehr gegeben. Das spätere Reich von Samuel (972 bis 1014) hatte zwar seinen Schwerpunkt in Makedonien und einen besonderen Charakter, jedoch kann in diesem Fall nicht ordinär von einem makedonischen Staatswesen gesprochen werden. Allerdings bildet das Reich von Samuel aufgrund seines besonderen Charakters sowohl für Bulgarien als auch für Makedonien eine wichtige historische Basis. Der Gründungsakt für den makedonischen Staat am 02.08.1944 erwies sich als nachhaltig. Am 18.09.1991 erklärte sich dieser unter der Bezeichnung „Republik Makedonien“ von der sich bereits im Zerfall befindenden jugoslawischen Föderation für unabhängig und ist seitdem als Völkerrechtssubjekt Teil der Völkergemeinschaft.
Die Konstituierung des makedonischen Staates
Lazar Kolisevski (Quelle: Wikimedia.org)Der am 02.08.1944 gegründete makedonische Staat wurde am 30.04.1945 als „Volksrepublik Makedonien“ innerhalb der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ proklamiert. Im Mai 1945 trat unter dem Vorsitz von Lazar Koliševski, der auch Vorsitzender der makedonischen KP war, die erste makedonische Regierung ihr Amt an. Am 05.05.1945 erfolgte zunächst die Bekanntgabe des makedonischen Alphabets unter Verwendung der kyrillischen Schrift. Die Vorstellung der ersten makedonischen Rechtschreibregeln folgte dann am 07.06.1945. Vor den weiteren staatsbildenden Schritten in der Volksrepublik Makedonien erfolgte am 29.11.1945 zunächst die Proklamation der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ durch die am 11.11.1945 gewählte jugoslawische Nationalversammlung. Auf Basis der Beschlüsse der zweiten Sitzung des AVNOJ wurde die erste Verfassung der jugoslawischen Föderation ausgearbeitet, welche am 31.01.1946 in Kraft trat. Aufbauend auf die jugoslawische Verfassung vom 31.01.1946 und den Beschlüssen der ersten Sitzung der ASNOM vom 02.08.1944 wurde dann die erste Verfassung für die Volksrepublik Makedonien ausgearbeitet, welche am 31.12.1946 in Kraft trat. Ziel der ersten makedonischen Verfassung war es nach der Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation diese makedonische Nation und deren Sprache sowie die staatlichen Symbole des makedonischen Staates staatsrechtlich bzw. verfassungsrechtlich zu verankern. Die ersten zwei Artikel der Verfassung der Volksrepublik Makedonien vom 31.12.1946 hatten folgenden Wortlaut: „Die Volksrepublik Makedonien ist ein Staat des Volkes mit der Republik als Staatsform“ (Artikel 1) und „Nachdem in einem gemeinsamen Kampf zusammen mit allen Völkern Jugoslawiens die Befreiung und der Nationalstaat errungen worden waren, vereinte sich das Volk von Makedonien im Hinblick auf das Recht aller Nationen auf Selbstbestimmung inklusive des Rechts zur Sezession und zur Vereinigung mit einer anderen Nation, auf Grundlage der Gleichberechtigung mit den anderen Völkern Jugoslawiens und deren Volksrepubliken: der Volksrepublik Serbien, der Volksrepublik Montenegro, der Volksrepublik Bosnien und Herzegowina, der Volksrepublik Kroatien und der Volksrepublik Slowenien, zu einem gemeinsamen Staat – der Föderalen Volksrepublik Jugoslawien“ (Artikel 2). In der ersten makedonischen Verfassung wurde lediglich auf die makedonische Nation als Staatsvolk verwiesen, einen Hinweis auf die anderen innerhalb der Volksrepublik Makedonien lebenden Nationalitäten gab es nicht. Die erste makedonische Verfassung kann als Ausdruck der staatsrechtlichen Lösung der makedonischen Frage innerhalb der jugoslawischen Föderation angesehen werden, bei der es primär um die staatsrechtliche Anerkennung und Etablierung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation ging.
Die weitere staatsrechtliche Entwicklung des makedonischen Staates
Die erste Verfassungsperiode war durch dynamische Veränderungen der Verfassungsinstitutionen geprägt. Nachdem im Jahr 1950 mit dem Grundgesetz über die Arbeiterselbstverwaltung die wirtschaftliche Ordnung konkretisiert und gefestigt wurde, erfolgte im Jahre 1953 die Verabschiedung eines Verfassungsgesetzes, in dem die durch die Verfassung von 1946 vorgesehene politische Ordnung und Funktion der Organe der Staatsgewalt innerhalb der Volksrepublik Makedonien konkretisiert wurde. Diese Zeit, in der der Einfluss der kommunistischen Partei und des Staates auf die wirtschaftliche Entwicklung am größten war, wird auch als „administrativer Sozialismus“ bezeichnet. Andere gängige Bezeichnungen für diese Zeit waren auch „Staat der Avantgarde“ oder „Volksdemokratie“. Mit dem Inkrafttreten der am 12.04.1963 beschlossenen zweiten makedonischen Verfassung am 07.07.1963 begann die zweite Verfassungsperiode im makedonischen Staat, der gemäß dieser Verfassung nicht mehr als „Volksrepublik Makedonien“ sondern als „Sozialistische Republik Makedonien“ bezeichnet wurde. Analog wurde bereits im Vorfeld durch die zweite Verfassung der jugoslawischen Föderation vom 07.03.1963 die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ in „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) umbenannt. Die zweite Verfassungsperiode war gekennzeichnet durch den Beginn der Selbstverwaltung der Betriebe und den Machtverlust der bisherigen Elite in Staat und Gesellschaft. Der sogenannte „Selbstverwaltungssozialismus“ sollte als dritter Weg zwischen den Marktwirtschaften westlicher Prägung und den sozialistischen Gesellschaftssystemen der Ostblockstaaten etabliert werden. In diesem System sollten sich die Betriebe und die mit ihnen verbundene Arbeiterschaft nicht nur formell sondern auch tatsächlich selbst verwalten können. Mit der jugoslawischen Verfassungsrevision vom 21.02.1974 erhielt der makedonische Staat eine sehr weitgehende Autonomie im Rahmen der jugoslawischen Föderation. Von der jugoslawischen Föderation wurden deutlich mehr Kompetenzen auf die Republiken übertragen, so dass an mancher Stelle der Eindruck entstehen konnte, dass die jugoslawische Föderation mehr einer Konföderation gleiche. So erhielt die Sozialistische Republik Makedonien unter anderem auch Kompetenzen in der Außen- und Verteidigungspolitik. Die jugoslawische Verfassung definierte die jugoslawische Föderation als staatliche Gemeinschaft ihrer Sozialistischen Republiken und Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaften (Kosovo und Vojvodina) im Verband der Sozialistischen Republik Serbien und weiterhin als Bundesstaat. Staatsrechtlich kann daher von einem kooperativen Föderalismus und weniger von einer Konföderation gesprochen werden. Aufgrund der jugoslawischen Verfassungsrevision war allerdings auch eine entsprechende makedonische Verfassungsrevision notwendig, welche die dritte Verfassungsperiode in der Geschichte des makedonischen Staates einleitete. Die Verfassung der Sozialistischen Republik Makedonien vom 25.02.1974 definierte den makedonischen Staat als staatliche und gesellschaftspolitische Einheit innerhalb der jugoslawischen Föderation und hob das makedonische Volk ausdrücklich als staatsbildende Nation hervor. Die albanische und die türkische Minderheit wurden namentlich als integraler Bestandteil dieser Nation genannt. Die makedonische Verfassung von 1974 enthielt über ihren formal-juristischen Charakter hinaus auch politische und wirtschaftliche Absichtserklärungen, die den veränderten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung tragen sollten. So enthielt die Verfassung auch individuelle Grundrechte, die allerdings nur im Rahmen des sozialistischen Systems verwirklicht wurden. Nach der jugoslawischen bzw. der makedonischen Verfassungsrevision von 1974 und dem jugoslawischen Gesetz über die assoziierte Arbeit von 1976 waren nicht mehr die Unternehmen sondern die „Grundorganisation der assoziierten Arbeit“ die alleinigen Träger der Selbstverwaltung und ihnen fiel auch das finanzielle Ergebnis ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu. Unternehmen bzw. Betrieben war ein Zusammenschluss dieser politisch und finanziell autonomen Grundorganisationen. Die Grundorganisation der assoziierten Arbeit war ein Zusammenschluss von Arbeiterinnen und Arbeitern. Allerdings stand die zunehmende Föderalisierung in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis zur Einparteienherrschaft in der SFRJ und der SR Makedonien. Die jugoslawischen Republiken drifteten zunächst wirtschaftlich auseinander, dann auch politisch und in nationalen Fragen. Aus einer andauernden Wirtschaftskrise in der SFRJ war eine Systemkrise geworden. Der kooperative Bundesstaat konnte die divergierenden Interessen der jugoslawischen Republiken bzw. der einzelnen jugoslawischen Völker nicht mehr kanalisieren und ausgleichen.
Der Weg des makedonischen Staates in die Unabhängigkeit
Die Republik Makedonien verkündet feiert ihre Unabhängigkeit 1991Die Verfassung der SFRJ wurde am 08.08.1990 in wesentlichen Punkten, die das gesellschaftliche System betrafen, vom jugoslawischen Parlament geändert. Das System der Selbstverwaltung der Arbeiterschaft wurde zugunsten marktwirtschaftlicher Strukturen abgeschafft. Des Weiteren wurde das Mehrparteiensystem eingeführt und so die Einparteienherrschaft durch den Bund der Kommunisten beendet. Zu weiteren Verfassungsreformen kam es danach aufgrund der Gegensätze zwischen den jugoslawischen Republiken nicht mehr. In der SR Makedonien fanden am 11.11.1990 die ersten Mehrparteienwahlen statt, die am 25.11.1990 (Stichwahlen) und am 09.12.1990 (Einzelne Wahlwiederholungen wegen Unregelmäßigkeiten) fortgesetzt wurden. Nach makedonischer Auffassung sollte der jugoslawische Bundesstaat in einen Bund souveräner jugoslawischer Staaten umgewandelt werden. Das erste frei gewählte makedonische Parlament verabschiedete am 25.01.1991 per Akklamation eine Souveränitätserklärung, in der das „Recht auf Selbstbestimmung einschließlich des Rechtes auf Sezession“ von der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ (SFRJ) betont wurde. Ebenfalls durch Parlamentsbeschluss wurde die „Sozialistische Republik Makedonien“ am 15.04.1991 in „Republik Makedonien“ umbenannt. Daraufhin erklärte Griechenland im Mai 1991, dass es eine internationale Anerkennung der Republik Makedonien unter diesem Namen verhindern wolle. Damit war der sogenannte Namensstreit geboren, der an sich ein griechisch-makedonischer Kulturstreit um die Bedeutung und Verwendung der Bezeichnung „Makedonien“ und der damit assoziierten Bezeichnungen für die makedonische Kulturnation und Sprache ist. Nach dem endgültigen Scheitern der jugoslawischen Föderation hatte die Republik Makedonien die Wahl mit den Republiken Serbien und Montenegro eine neue Föderation („Bundesrepublik Jugoslawien“) zu bilden oder die Unabhängigkeit anzustreben. Aufgrund der damaligen aggressiven und nationalistischen serbischen Politik entschied sich die Republik Makedonien für letzteren Weg und ließ darüber am 08.09.1991 ein Referendum abhalten. In diesem Referendum sprachen sich bei einer Abstimmungsbeteiligung von 75 % über 90 % der abstimmenden Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien für die Unabhängigkeit und Souveränität der Republik Makedonien aus, wobei diese das Recht haben sollte, einem neu zu formierenden und später nie gegründeten jugoslawischen Staatsgefüge aus souveränen Staaten beizutreten. Am 18.09.1991 erklärte das makedonische Parlament formell die Unabhängigkeit der Republik Makedonien von der SFRJ. Die bereits im Frühjahr 1991 begonnenen Arbeiten an einer neuen Verfassung konnten nach der Klärung des staatsrechtlichen Status der Republik Makedonien nun zum Abschluss gebracht werden.
Die Republik Makedonien staatsrechtlich betrachtet
Der Entwurf für eine neue makedonische Verfassung war sowohl zwischen den politischen Parteien (konservativ, liberal, sozialistisch) als auch zwischen den ethnischen Parteien (ethnisch- bzw. slawisch-makedonisch und albanisch-makedonisch) umstritten. Im letzteren Fall ging es um den verfassungsrechtlichen Status der albanischen Makedonier und deren Rechte innerhalb der Republik Makedonien. Dieser Konflikt wurde im Wesentlichen erst 10 Jahre später durch das Rahmenabkommen von Ohrid (13.08.2001) beigelegt und verfassungsrechtlich umgesetzt, obgleich es auch heute noch offene Fragen und daraus resultierende Spannungen gibt. Auch im Außenverhältnis zu den unmittelbaren Nachbarstaaten Bulgarien, Griechenland und Jugoslawien (Serbien und Montenegro) war der Prozess, die Unabhängigkeit der Republik Makedonien auch verfassungsrechtlich umzusetzen, mit Schwierigkeiten verbunden. Nach Abschluss der Arbeiten wurde der Entwurf der Verfassung am 18.11.1991 vom makedonischen Parlament mit der erforderlichen Mehrheit gebilligt. Während einer Festsitzung des makedonischen Parlaments proklamierte am 20.11.1991 die Republik Makedonien feierlich die neue Verfassung, wonach die Republik Makedonien ein souveräner, unabhängiger, demokratischer und sozialer Staat ist. Gemäß der bis heute gültigen Verfassung ist die Republik Makedonien eine parlamentarische und rechtsstaatliche Demokratie mit Gewaltenteilung. Die Legislative wird vom Parlament ausgeübt, dessen grundsätzlich 123 Mitglieder (Abgeordneten) in freier, gleicher und geheimer Wahl auf vier Jahre gewählt werden. Die Wahl dieser Abgeordneten erfolgt nach einem gemischten Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Die Exekutive wird vom Staatspräsidenten und von der Regierung ausgeübt. Der Staatspräsident wird auf fünf Jahre in unmittelbarer Wahl durch das Volk bestimmt. Eine Wiederwahl für eine weitere Amtszeit ist nur einmal zulässig. Der Staatspräsident ist Oberbefehlshaber der makedonischen Streitkräfte und ernennt den Regierungschef nach dessen Wahl durch das Parlament. Der Regierungschef wiederum bildet das Kabinett, das neben dem Regierungschef aus den Ministern besteht. Des Weiteren ist der Staatspräsident Präsident des Sicherheitsrates und hat im Gesetzgebungsverfahren ein Einspruchsrecht. Er ist jedoch zur Unterzeichnung eines Gesetzes verpflichtet, wenn dieses Gesetz nach erneuter Beratung mit der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder des Parlaments erneut beschlossen wird. Die Judikative wird durch das Verfassungsgericht und den weiteren Gerichten der Republik Makedonien ausgeübt. Das Verfassungsgericht der Republik Makedonien besteht aus 9 Richtern, die mit qualifizierter Mehrheit vom Parlament für eine Amtszeit von 9 Jahren gewählt werden. Eine anschließende oder spätere Wiederwahl der Richter des Verfassungsgerichtes für eine weitere Amtszeit ist nicht zulässig. Die Republik Makedonien untergliedert sich in Gemeinden, die zum Teil über umfangreiche Selbstverwaltungsrechte verfügen.
Die Republik Makedonien völkerrechtlich betrachtet
Aufgrund des sogenannten Namensstreit wurde die Republik Makedonien zunächst nur von wenigen Staaten völkerrechtlich anerkannt. Erst am 08.04.1993 wurde die Republik Makedonien aufgrund der Resolution 817 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) vom 07.04.1993 von der UN-Vollversammlung per Akklamation unter der vorläufigen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ in die Vereinten Nationen aufgenommen. Mit der Resolution 817 stellte der UN-Sicherheitsrat auch die Existenz des Namensstreits zwischen der Republik Makedonien und Griechenland sowie die Bedeutung der Lösung dieses Streits für den Frieden und die Stabilität in der betroffenen Region fest. Damit war die Republik Makedonien als Völkerrechtssubjekt von der Staatengemeinschaft anerkannt. In Folge erkannten viele Staaten die Republik Makedonien auch bilateral völkerrechtlich an, wobei die überwiegende Anzahl der Staaten die Republik Makedonien bilateral unter ihrer verfassungsmäßigen Bezeichnung anerkennen. In einer weiteren Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Resolution 845) vom 18.06.1993 wurden die Hellenische Republik (amtliche Bezeichnung für Griechenland) und die Republik Makedonien dazu aufgefordert den zwischen ihnen bestehenden Namensstreit im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen zu lösen. Dieser Aufgabe ist seit 1993 ein entsprechender Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen zugewiesen. Von 1994 bis heute hat Matthew Nimetz dieses Amt inne. Alle Gespräche und Vermittlungsversuche im Rahmen der Vereinten Nationen blieben bisher erfolglos. Der bilaterale Umgang zwischen Griechenland und der Republik Makedonien wegen des ungelösten Namensstreit wird in einem Interimsabkommen vom 13.09.1995 geregelt. Gemäß diesem Interimsabkommen müsste Griechenland die Mitgliedschaft der Republik Makedonien in internationalen Organisationen, in der Griechenland selbst Mitglied ist, unterstützen und darf diese nicht verhindern, so lange die Republik Makedonien unter ihrer vorläufigen UN-Bezeichnung beizutreten versucht. Allerdings verstieß Griechenland bereits gegen diese Regelung und wurde wegen der Verhinderung eines möglichen NATO-Beitritts der Republik Makedonien im Jahre 2008 am 05.12.2011 vom Internationalen Gerichtshof (IGH) entsprechend verurteilt. Trotz dieses Urteils konnte die Republik Makedonien bis heute nicht der NATO beitreten. Auch der Beitritt der Republik Makedonien zur Europäischen Union (EU) ist unabhängig von anderen Kriterien aufgrund des bilateralen Streits mit dem EU-Mitglied Griechenland nicht möglich. Seit dem Jahr 2005 ist die Republik Makedonien zwar EU-Beitrittskandidat, jedoch wurde der Beginn von EU-Beitrittsgesprächen bisher von Griechenland blockiert.
Nachbetrachtung
Die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Kulturnation und die Schaffung eines eigenständigen makedonischen Staatswesens war eine sehr positive Antwort auf die bestehende makedonische Frage. Diese Antwort war nachhaltig und wirkte stabilisierend in der betroffenen Region. Mittlerweile ist das makedonische Staatswesen ein Völkerrechtssubjekt, das sich verfassungsrechtlich als souveräner, unabhängiger, demokratischer und sozialer Staat definiert. Der Name des relativ jungen Staates ist antiken Ursprungs. Der Name „Makedonien“ wurde ursprünglich von den antiken Makedoniern abgeleitet, welche nach mehrheitlicher Auffassung in der Wissenschaft ein antiker griechischer Volksstamm waren. Es gibt allerdings auch die Auffassung wonach die antiken Makedonier mit den anderen antiken griechischen Stämmen nur verwandt waren oder als eigenständige Volksgruppe erst nachträglich hellenisiert wurden. Heute gibt es die antiken Makedonier allerdings nicht mehr. Sie dürften zusammen mit den antiken griechischen Stämmen und auch anderen Völkern im allgemeinen Griechentum der alexandrinischen, römischen und byzantinischen Zeit aufgegangen sein. Der Name ihres Siedlungsgebietes ist allerdings bis heute erhalten geblieben und wurde spätestens zwecks Formulierung der makedonischen Frage im 19. Jahrhundert auch politisch wieder verwendet. Die makedonische Frage betraf das Schicksal der nicht-osmanischen (christlichen) makedonischen Bevölkerung im Osmanischen Reich. Entsprechend wird in der politisch-geographischen Terminologie ab etwa der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jene Region als Makedonien bezeichnet, die zu den ersten Gebieten auf europäischem Boden gehörte, die vom Osmanischen Reich erobert worden ist, und die bis 1912 am längsten von allen Teilen des Balkan unter Herrschaft des Osmanischen Reiches blieb. Zum Vergleich: Im Jahre 1878 waren die Staaten Bulgarien, Griechenland, Montenegro und Serbien bereits alle unabhängig vom Osmanischen Reich. Makedonien bildete also einen politischen Rahmen und ein geographisches Gebiet, das nach zwei Balkankriegen im Jahre 1913 zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien aufgeteilt wurde. Besonders im serbischen Teil von Makedonien kam es dann zur Herausbildung einer makedonischen Ethnie, die als Minderheit unter anderem auch in Bulgarien und Griechenland lebt. Richtig entfalten konnte sich die makedonische Kulturnation dann ab dem Jahr 1944 in ihrem Staatswesen. Diese Entwicklung ist fest mit dem Namen Makedonien verbunden und lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Der makedonische Staat trägt daher auch zu Recht die Bezeichnung „Republik Makedonien“. Auch das aus dem Völkerrecht folgende Recht eines Volkes auf Selbstbestimmung schließt die freie Wahl des Staatsnamens mit ein. Die Tatsache, dass das Territorium der Republik Makedonien nur einen Teil der geographischen Region Makedonien ausmacht und auch nur zum Teil identisch mit dem Gebiet des antiken Makedonien ist, steht aus Sicht des Völkerrechts der verfassungsmäßigen Bezeichnung der Republik Makedonien ebenfalls nicht entgegen. Mit ihrer nationalen Auffassung steht Griechenland daher grundsätzlich alleine dar. Die Existenz eines makedonischen Staates ist seit nun mehr 70 Jahre eine unbestreitbare Realität, die uneingeschränkt anerkannt werden sollte.