Außer mit Serbien verhandelt die Europäische Union (EU) noch mit Montenegro über einen EU-Beitritt. Mit der Republik Makedonien finden aufgrund des sogenannten Namensstreits mit dem EU-Mitglied Griechenland bisher keine EU-Beitrittsgespräche statt. Bosnien und Herzegowina ist aufgrund fehlenden innerstaatlicher Reformen weit von einem möglichen Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen entfernt. Kroatien und Slowenien sind als einzige Staaten des ehemaligen Jugoslawien bereits Mitglieder der EU.
Montenegro hat nur 621.000 Einwohner und es gibt dort keine ethnischen Konflikte. Auch im Verhältnis zu seinen Nachbarstaaten bestehen keine Konflikte oder offene Fragen. Damit ist Montenegro an sich ein unkomplizierter Beitrittskandidat. Allerdings scheint die EU derzeit nicht bereit zu sein, bald neue Mitglieder aufzunehmen. So soll es in den kommenden fünf Jahren keine Erweiterung der EU um Staaten des Westbalkans geben. Diese EU-Politik hat allerdings Auswirkungen auf Montenegro. Für einen möglichen EU-Beitritt bedarf es in Montenegro größerer Reformen. Aufgrund der Dauer bis zu einem möglichen EU-Beitritt Montenegros sinkt der Reformbereit der montenegrinischen Bevölkerung. Auch die Reformbereitschaft der montenegrinischen Regierung sinkt, da Anreize fehlen umstrittene Reformen zu beschließen und umzusetzen.
Um dem Problem mit der sinkenden Reformbereitschaft zu begegnen, kann eine sogenannte Ausgleichsklausel aktiviert werden, welche im Falle Montenegros erstmals eingeführt wurde. Diese Ausgleichsklausel sieht vor, dass wenn Montenegro bei dem Verhandlungskapiteln 23 „Rechtsstaatlichkeit“ und 24 „Sicherheit“ im Vergleich zum gesamten Verhandlungsprozess ernsthaft hinterherhinkt, weitere Kapitel solange nicht eröffnet werden. Nach Auffassung der montenegrinischen Regierung gebe es allerdings keine entsprechenden Verzögerungen bei den Verhandlungen, so dass diese Ausgleichsklausel nicht zur Anwendung kommen würde.
In ihrem Fortschrittsbericht von Oktober 2014 kritisierte die EU-Kommission deutlich einen Mangel an Reformen in Montenegro. Der montenegrinische Langzeitministerpräsident Milo Djukanović verwies im Gegenzug auf das Beispiel Islands, wonach die Verhandlungen auch von Seiten eines EU-Kandidaten eingestellt werden könnten. Er forderte von der EU mehr Bereitschaft etwas für Montenegro zu tun, vor allem im Bereich der Infrastruktur. Ministerpräsident Djukanović führte weiter aus: „Ohne, dass man diese Dinge angeht, wird es keine neuen Jobs geben und folglich keine Qualität der Rechtsstaatlichkeit und Entwicklung der Demokratie“
Bisher hat die EU mit Montenegro insgesamt 12 von 35 Verhandlungskapiteln eröffnet und zwei einstweilig abgeschlossen. Zehn weitere Kapitel könnten der EU-Kommission zur Folge eröffnet werden. Fortgeschritten ist Montenegro dabei in den Bereichen Wissenschaft und Forschung, Bildung und Kultur, Konsumenten- und Gesundheitsschutz sowie in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Im Gegensatz zu Serbien unterstützt Montenegro die westlichen Sanktionen gegen Russland wegen der Krise in der Ukraine und strebt auch die Mitgliedschaft in der NATO an. Allerdings erhielt Montenegro bisher keine Einladung der NATO für eine mögliche Mitgliedschaft.
Montenegro ist aufgrund seiner innenpolitischen Situation derzeit allerdings noch nicht EU-Beitrittsreif. Es gibt deutliche Defizite in der Rechtsstaatlichkeit und in der Freiheit der Presse. Eine kritische journalistische Tätigkeit ist gefährlich in Montenegro. Es herrschen dort Korruption und eine Klientelpolitik vor. Die montenegrinische Regierung ist sehr stark an ihrem eigenen Machterhalt interessiert. Auch für Montenegro ist der Weg in die EU noch weit und von der erfolgreichen Umsetzung zahlreicher notwendiger Reformen abhängig.