Eine grundlegende politischen Reform in Bosnien und Herzegowina ist dringend erforderlich und seit langem überfällig. Jedoch aufgrund der aus dem Friedensvertrag von Dayton resultierenden komplizierten Staatsstruktur von Bosnien und Herzegowina und den politischen Gegensätzen zwischen den drei staatstragenden Volksgruppen, den Bosniaken (Muslimen), Kroaten und Serben, sind grundlegende Reformen bisher nicht in Angriff genommen worden.
Nun haben sich vierzehn Parteivorsitzende in einer Willenserklärung auf Reformen verständig. Diese wurden von Seiten der Europäischen Union (EU) immer wieder eingefordert und zur Bedingung für die mögliche Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Bosnien-Herzegowinas gemacht. Auch der Präsident der Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina und Vorsitzende der SNSD Milorad Dodik schließt sich dieser Willenserklärung an, nach dem er zuvor noch gezögert hatte und institutionelle Garantien für die Republika Srpska verlangte. Erfolgen sollen die Unterschriften in den kommenden Tagen. Auf Seiten der EU ist noch ein formeller Beschluss des Rates der Europäischen Union notwendig.
Kernstück der Willenserklärung ist eine Reform des Arbeitsmarktes und der Verwaltung. So soll es klare Zuständigkeiten für die Genehmigung von Unternehmen geben. Die derzeitigen Regeln berühren verschiedene staatliche Ebenen, sind daher intransparent und kompliziert. Des Weiteren soll das Sozialsystem reformiert werden. Bisher knüpfen soziale Leistungen nicht an Bedürftigkeit sondern an konkrete Rechtsansprüche an. Dies führt unter anderem dazu, dass ein Großteil der finanziellen Ressourcen in die Versorgung von Kriegsveteranen fließen. Viele bedürftige Bosnier gehen jedoch leer aus und müssen Kredite aufnehmen, um ihren notwendigen Lebensunterhalt zu finanzieren. Zukünftig sollen Sozialleistungen nach Bedürftigkeit verteilt werden. Ein wichtiger Teil der Reformen soll das Arbeitsrecht betreffen. Derzeit liegt die Arbeitslosenquote in Bosnien und Herzegowina offiziell bei 31,7 Prozent. Die Dunkelziffer dürfte allerdings deutlich höher liegen. Ebenfalls reformiert werden soll das Steuersystem. Dieses belastet derzeit kleinere Betriebe, etwa Handwerksbetriebe, sehr hoch. Die Folge ist das abdriften in die Schwarzarbeit.
Die Umsetzung der Willenserklärung durch die Politik dürfte eine Herausforderung werden. Einiges, wie etwa der Abbau von öffentlichen Stellen, ist unpopulär. Des Weiteren gibt die Erklärung nur einen Rahmen, jedoch keine Details vor. Noch sind daher die notwendigen Reformen nicht in trockenen Tüchern. Letztendlich wird man auch nicht an eine grundlegende Staatsreform vorbeikommen. Zurzeit besteht Bosnien und Herzegowina aus zwei autonome Entitäten, der Föderation Bosnien und Herzegowina (Bosniakisch-Kroatische Föderation) und der Republika Srpska. Die Föderation Bosnien und Herzegowina gliedert sich wiederum in 10 Kantone. Der kompliziere Föderalismus, als Relikt des ethnischen Krieges von 1992 bis 1995, ist ineffektiv und hemmt mögliche Reformen.