Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras erklärte am Abend des 20. August 2015 in einer TV-Ansprache seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten. Damit sollen vorgezogene Parlamentswahlen in Griechenland herbeigeführt werden. Formell wird der griechische Staatspräsident zunächst den Vorsitzenden der stärksten Partei Alexis Tsipras vom Linksbündnis SYRIZA erneut mit der Regierungsbildung beauftragen. Scheitert dieser, bekommt der Vorsitzende der zweitstärksten Partei den Auftrag eine Regierung zu bilden und wenn dieser wiederum scheitert bekommt letztmalig der Vorsitzende der drittstärksten Partei den Auftrag. Allerdings ist eine erfolgreiche Regierungsbildung aufgrund der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Parlament unwahrscheinlich. Nach dem Scheitern der Regierungsbildung sieht die griechische Verfassung die Bildung einer Interimsregierung und die Auflösung des Parlaments mit anschließender Neuwahl vor. Angepeilt wird eine Parlamentsneuwahl am 20. September 2015.
Grund für den Rücktritt des Ministerpräsidenten und vorgezogene Parlamentswahlen sind, dass nicht alle Mitglieder des Linksbündnis SYRIZA vollständig hinter der Regierungspolitik stehen. Der linke Flügel des SYRIZA ist gegen die Reform- und Sparpolitik der von ihr größtenteils getragenen Regierung. Die griechische Regierung konnte das Reform- und Sparpaket (Memorandum III) am frühen Morgen des 14. August 2015 nur mit Hilfe der Opposition durch das Parlament bringen. Zwar haben 222 von 300 Parlamentariern dem Reform- und Sparpaket zugestimmt. Doch von den 149 Abgeordneten des Linksbündnis SYRIA stimmte 32 dagegen, 11 enthielten sich und ein Abgeordneter war nicht anwesend. Die Regierungskoalition aus SYRIZA und den Unabhängigen Griechen (ANEL) verfügt über 162 Sitze im Parlament. Alle 13 Abgeordneten der ANEL stimmten für das Reform- und Sparpaket. Im Ergebnis stimmten nur 118 von 162 Regierungsabgeordneten für das Reform- und Sparpaket im Parlament. Das verfassungsrechtliche Mindestquorum für eine Minderheitenregierung liegt bei 121 Abgeordneten im Parlament, so dass dieses Quorum im Falle der Abstimmung bereits unterschritten war und so auch dauerhaft keine stabile Minderheitenregierung etabliert werden kann.
Das dritte Reform- und Sparpaket wurde mit den internationalen Geldgebern, bestehend aus der Europäischer Union (EU), der Europäischen Zentralbank (EZB), dem Internationalen Währungsfond (IWF) und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), ausgehandelt und war Bedingung für die weiteren notwendigen Finanzhilfen in Höhe von 86 Milliarden Euro an Griechenland. Dieses Reform- und Sparpaket sieht unter anderem die Erhöhung von Steuern in einigen Bereichen und die Kürzung bei bestimmten Rentenleistungen vor. Auch soll Staatseigentum privatisiert und bestimmte Wirtschaftsbereiche liberalisiert werden. Im Ergebnis sollen staatliche Einnahmen erhöht und staatliche Ausgaben verringert werden. Langfristiges Ziel der Haushaltskonsolidierung ist ein Abbau der griechischen Staatsverschuldung und eine effektive Staatsverwaltung. Des Weiteren soll Griechenland in der europäischen Währungsunion gehalten sowie die griechische Wirtschaft wieder aufgebaut und angekurbelt werden. Das Reform- und Sparpaket ist sowohl in Griechenland als auch international umstritten. Für die Betroffenen sind die Einschnitte sehr hart. Zurzeit ist in Griechenland eine stärkere Verarmung und Verelendung der Bevölkerung feststellbar, welche durch weitere Reform- und Sparanstrengungen zunächst noch weiter verstärkt werden könnte. Einige Kritiker sehen in den beschlossenen Reform- und Sparmaßnahmen keine Gewährleistung zur erfolgreichen Bewältigung der Krise in Griechenland. Andere Kritiker halten die beschlossenen Maßnahmen für sinnlos und nicht zielführend. Es ist derzeit auch offen, ob nicht noch weitere Hilfen für Griechenland benötigt werden.
Für Alexis Tsipras sind vorgezogene Neuwahlen derzeit aus taktischen Gründen von Vorteil. Zurzeit ist er trotz seiner Reform- und Sparpolitik, die viele Griechinnen und Griechen für von außen aufgezwungen halten, sehr populär. Das Linksbündnis SYRIZA würde gemäß der Umfragen bei über 30 Prozent der Wählerstimmen liegen und damit wieder stärkste politische Kraft im Parlament werden. Auch eine absolute Mehrheit wäre möglich. Des Weiteren kann so kurzfristig kein Parteitag des SYRIZA stattfinden, so dass Alexis Tsipras bei der Auswahl der Kandidierenden für die Parlamentswahl ein entscheidendes Mitspracherecht hat. Es ist anzunehmen, dass nur Kandidierende aufgestellt werden, welche auch die bisherige Regierungspolitik unterstützen. Entsprechend wird der linke Flügel des SYRIZA zurückgedrängt werden. Offen bleibt, ob diese sich vom SYRIZA abspalten und mit einer eigenen, neugegründeten Partei antreten. Die Zeit für eine erfolgreiche Etablierung einer neuen Partei dürfte allerdings zu kurz sein. Andere Parteien scheinen derzeit ebenfalls keine mögliche Alternative für die Wählerschaft zu sein. Die größte Oppositionspartei Nea Dimokratia verfügt derzeit nur über einen Interimsvorsitz und hat sich noch nicht neu aufgestellt. Die anderen Oppositionsparteien dürften ebenfalls derzeit keine wahrnehmbare Alternative für die Griechinnen und Griechen bieten. Wenn das Reform- und Sparpaket seine Wirkung entfaltet, dann dürften auch Alexis Tsipras und sein Linksbündnis SYRIZA an Popularität verlieren und die Regierungsbildung in Griechenland noch schwieriger werden. So sind vorgezogene Parlamentswahlen im September 2015 taktisch von Vorteil für das Linksbündnis SYRIZA und gleichzeitig eine mögliche neue Legitimation für die bisherige Regierungspolitik von Alexis Tsipras.
Für die Republik Makedonien, in welcher am 24. April 2016 aufgrund einer Krise ebenfalls vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden, dürfte sich im Verhältnis zu Griechenland zunächst nicht viel ändern. Das bilaterale Verhältnis hat sich seit dem Amtsantritt der neuen griechischen Regierung deutlich gebessert und es wurden am 24. Juni 2015 vertrauensbildende Maßnahmen zwischen beiden Staaten vereinbart. Große politische Schritte in Richtung einer endgültigen Überwindung des sogenannten Namensstreits dürften nicht vor den Parlamentswahlen in Griechenland und der Republik Makedonien zu erwarten sein. Vorrangig werden weiterhin zunächst die Krisen in Griechenland und der Republik Makedonien im Fokus der Politik stehen. Allerdings dürfte sich ein Wahlsieg des SYRIZA weiterhin positiv auf das bilaterale Verhältnis zwischen Griechenland und der Republik Makedonien auswirken.