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Wichtige innen- und außenpolitische Entscheidungen der Republik Makedonien aus Sicht ihrer Verfassung

Die Republik Makedonien musste in den 25 Jahren ihrer Unabhängigkeit einige grundlegende und tiefgreifende politische Entscheidungen treffen und umsetzen. Einige dieser Entscheidungen berührten auch die Verfassung der Republik Makedonien. Zwei grundlegende Bereiche, welche sowohl politisch als auch verfassungsrechtlich geregelt werden mussten, sollen hier hervorgehoben werden. Zum einen die Regelung der Beziehungen zwischen den ethnischen Gemeinschaften in der Republik Makedonien, insbesondere zwischen den ethnischen bzw. slawischen und den albanischen Makedoniern, welche besonders aufgrund des Rahmenabkommens von Ohrid vom 13. August 2001 eine neue verfassungsrechtliche Bewertung bekamen. Zum anderen die Verwendung der provisorischen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ in bestimmten Fällen der auswärtigen Beziehungen mit auswärtigen Staaten und internationalen Organisationen.

 

Teil I – Die Regelung der inner-ethnischen Beziehungen

Die makedonische Staatsnation besteht nach einer Volkszählung aus dem Jahr 2002 zu 64,2 % aus ethnischen bzw. slawischen Makedoniern, zu 25,2 % aus albanischen Makedoniern und zu 10,6 % aus weiteren Minderheiten (Türken: 3,9 %, Roma: 2,6 %, Serben: 1,8 % und Sonstige: 2,3 %). Die Vorstellungen über die verfassungsrechtliche Ausgestaltung dieser Tatsache und der inner-ethnischen Beziehungen wichen jedoch unter den Volksgruppen voneinander ab. Besonders zwischen den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und den Angehörigen der albanischen Gemeinschaft gab es große Meinungsunterschiede, welche in ernsthafte Probleme und Spannungen mündeten. Zwischen Dezember 2000 und August 2001 kam es sogar zu einem bewaffneten Konflikt, welcher jedoch mit dem Rahmenabkommen von Ohrid vom 13. August 2001 beigelegt werden konnte. Dieses Abkommen führte zu tiefgreifende Veränderungen der Verfassung und stellte die inner-ethnischen Beziehungen auf neue Grundlagen.

 

Verfassungsrechtliche Ausgangslage

Die Präambel der Verfassung in der Fassung von 1991 hob das makedonische Volk ausdrücklich hervor und definierte die Republik Makedonien als Nationalstaat dieses Volkes. Mit dieser Definition waren vor allem die Angehörigen der albanischen Gemeinschaft nicht einverstanden. Den Albanern, Türken, Vlachen, Roma und anderen in der Republik Makedonien lebenden Nationalitäten wurden zwar die völlige Gleichberechtigung mit dem makedonischen Volk verfassungsrechtlich garantiert, doch sah die Realität oft anders aus. Als Amtssprache durfte nur die makedonische Sprache im öffentlich-rechtlichen Verkehr und bei offiziellen Anlässen nur die Symbole der Republik Makedonien verwendet werden. Auch im makedonischen Bildungssystem durfte nur diese Amtssprache verwendet werden.

Spannungen bauten sich vor allem zwischen den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern als Mehrheitsbevölkerung und den Angehörigen der albanischen Gemeinschaft als zweitgrößte Volksgruppe in der Republik Makedonien auf. Die Forderungen der albanischen Makedonier reichten von der Anerkennung als zweite konstitutive Volksgruppe, über eine Föderalisierung des Staates bis hin zur Abspaltung der albanischen Siedlungsgebiete von der Republik Makedonien. Im Falle der Föderalisierung gab es sowohl die Forderung nach einem binationalem Bundesstaat als auch nach einer Gliederung in Kantone nach Vorbild der Schweiz.

Artikel 1 der makedonischen Verfassung normiert die Staatsgrundsätze. In Absatz 1 ist geregelt: „Die Republik Makedonien ist ein souveräner, selbständiger, demokratischer und sozialer Staat“. In Absatz 2 wird weiter ausgeführt: „Die Souveränität der Republik Makedonien ist unteilbar, unveräußerlich und unübertragbar“. Demnach ist die Republik Makedonien verfassungsrechtlich kein Bundesstaat, sondern als Einheitsstaat konzipiert. Allerdings ist in Artikel 8 der Verfassung die lokale Selbstverwaltung als Grundwert verankert. Das Recht auf lokale Selbstverwaltung wird in den Artikel 114, 115, 116 und 117 verfassungsrechtlich konkretisiert, wobei näheres per Gesetz zu regeln ist. Die Staatssymbole sind in Artikel 5 und die Amtssprache in Artikel 7 geregelt. Aufgrund der ursprünglichen Fassung der Verfassung von 1991 sowie den damaligen Gesetzen durften keine Symbole der Nationalitäten (Minderheiten) und nur das Makedonische als Amtssprache verwendet werden. Nachfolgend werden zwei besondere Ausdrucksformen der inner-ethnischen Spannungen und deren verfassungsrechtliche Bewertung vorgestellt.

 

Die albanisch-makedonische Universität von Tetovo

Die Staatliche Universität Tetovo wurde auf Initiative von albanisch-makedonischen Intellektuellen, gesellschaftlichen Vereinigungen, bestimmten politischen Parteien und Sponsoren aus dem In- und Ausland im Jahre 1994 gegründet. Die makedonische Regierung betrachtete die Errichtung dieser Universität als illegal, so dass ihre Abschlüsse staatlich nicht anerkannt wurden. Gemäß Artikel 46 Absatz 2 der Verfassung werden die Voraussetzungen der Errichtung, des Betriebs und der Beendigung der Tätigkeit von Universitäten gesetzlich geregelt. Das Gesetz sah albanischsprachige staatliche Universitäten nicht vor. Im Jahr 2000 wurden die Verfassungsbestimmungen zu Artikel 45 (Privatschulen) und 46 (Universitäten) dahingehend gesetzlich konkretisiert, dass private Hochschulen, auch albanischsprachige, gegründet und staatlich anerkannt werden können. Allerdings erfolgte erst nach dem Rahmenabkommen von Ohrid eine grundlegende Novellierung des Hochschulrechts, so dass am 13. Februar 2004 die Universität von Tetovo als staatlich anerkannt wurde. Damit wurde ein wichtiger Schritt getan, der nunmehr verfassungsrechtlich anerkannten ethnischen Vielfalt der makedonischen Bevölkerung angemessen Rechnung zu tragen.

Das Verfassungsgericht bestätigte im Ergebnis die gesetzliche Regelung zur staatlichen Anerkennung der Universität von Tetovo. Ihre Gegner argumentierten, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handele. Diese würde gegen Artikel 8 Absatz 1 – Spiegelstrich 3 – verstoßen, wonach die Herrschaft des Rechts gelte. Auch wäre die nachträglich Legalisierung der Universität von Tetovo nicht mit Artikel 46 Absatz 2 vereinbar, wonach die Errichtung der Universität hätte gesetzlich geregelt werden müssen. Das Verfassungsgericht lehnte die Argumente der Kläger jedoch ab. Die Universität habe ihre Verankerung im geltenden Hochschulgesetz. Des Weiteren sei Sinn und Zweck des Gesetzes auch den bereits eingeschriebenen Studierenden die Beendigung ihres Studiums zu ermöglichen. Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot sah das Verfassungsgericht in der nachträglichen Legalisierung bzw. staatlichen Anerkennung der Universität ebenfalls nicht.

 

Das hissen der albanischen Flagge

Ein weiter Verfassungskonflikt offenbarte sich im Streit um das Hissen der albanischen Flagge mit dem schwarzen doppelköpfigen Adler von Skenderberg auf öffentlichen Gebäuden in Gostivar und Tetovo im Sommer 1997. In Folge kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen albanisch-makedonischen Demonstranten und der Polizei. Dabei wurden drei Personen getötet und mehrere Hundert verletzt.

Das Verfassungsgericht urteilte zuvor, dass das Hissen der albanischen Flagge verfassungswidrig sei und nur die makedonische Flagge gehisst werden dürfe. Dem widersetzten sich die lokalen Bürgermeister. Infolge griffen makedonische Sicherheitskräfte ein und es kam zu den oben beschriebenen Auseinandersetzungen. Die albanische Flagge wurde eingeholt und die makedonische gehisst. Die Mandate der Bürgermeister von Gostivar und Tetovo wurden aufgehoben und sie selbst zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Gemäß Artikel 5 der makedonischen Verfassung wird die Verwendung von staatlichen Symbolen, darunter auch der Flagge, gesetzlich geregelt. Im Jahr 1997 sah das Gesetz nur die Verwendung von makedonischen Staatssymbolen und das Hissen der makedonischen Flagge an öffentlichen Einrichtungen und bei offiziellen Einrichtungen vor. Dies änderte sich erst nach der Umsetzung des Rahmenabkommens von Ohrid ab der zweiten Hälfte des Jahres 2001.

 

Die aktuelle verfassungsrechtliche Situation

Der Rahmenvertrag von Ohrid vom 13. August 2001 führte zu einer umfangreichen Verfassungsnovellierung, welche am 20. November 2001 vom Parlament beschlossen wurde.

 

Unter Vermittlung der Europäischen Union (EU) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) nahmen die zwei größten Parteien der ethnischen-makedonischen Gemeinschaft sowie die zwei größten Parteien der albanisch-makedonischen Gemeinschaft Gespräche zur Lösung der inner-ethnischen Konflikte auf. Auf Seiten der ethnischen bzw. slawischen Makedonier waren dies die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die mazedonische nationale Einheit / IMRO-DPMNE“ (Vnatrešna Makedonska Revolucionarna Organizacija – Demokratska Partija za Makedonsko Nacionalno Edinstvo / VMRO-DPMNE) unter der Führung von Ljubčo Georgijevski sowie die „Sozialdemokratische Union Makedoniens“ (Socijaldemokratski Sojuz na Makedonija / SDSM) unter der Führung von Branko Crvenkovski und auf Seiten der Angehörigen der ethnisch-albanischen Gemeinschaft waren dies die „Albanische Demokratische Partei / DPA“ (Partia Demokratike Shqiptare / DPSH) unter der Führung von Arben Xhaferi sowie die „Partei der demokratische Prosperität“ (Partija za Demokratski Prosperitet / PDP bzw. Partie e Prosperitetit Demokratik) unter der Führung von Imer Imeri. Spezielle Repräsentanten der EU und der USA waren Francois Lëotard und James. W. Pardew. Des Weiteren nahm der damalige makedonische Präsident Boris Trajkovski an den Gesprächen teil. Alle oben genannten Vertreter waren auch Unterzeichner des Rahmenabkommens von Ohrid, das zunächst eine reine politische Vereinbarung war und erst noch staatsrechtlich umgesetzt werden musste.

Durch Änderungen und Ergänzungen der Verfassung und der Gesetze der Republik Makedonien wurde das Rahmenabkommen staatsrechtlich implementiert. In Folge wurden die Rechte und die Situation der ethnischen Gemeinschaften, welche nicht die Bevölkerungsmehrheit repräsentieren, massiv verbessert. Die Republik Makedonien wird seitdem in der Präambel ihrer Verfassung nicht mehr als Nationalstaat, sondern als Staat seiner Bürgerinnen und Bürger definiert, welche aus dem makedonischen Volk und dem Volk der Albaner, Türken, Vlachen, Serben, Roma, Bosnier sowie anderen Völkern bestehen. Ethnische Gemeinschaften mit einem Anteil von mindestens 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung auf Ebene der Republik oder in einer lokalen Gebietskörperschaft bekommen besondere Rechte zugestanden. So ist deren Sprache neben der makedonischen Sprache dann auch Amtssprache. Diese kann z.B. im öffentlich-rechtlichen Verkehr oder bei der Ausstellung von Dokumenten verwendet werden. Des Weiteren haben die ethnischen Gemeinschaften in gesetzlich geregelter Weise ein Recht auf muttersprachlichen Unterricht in den Grund- und Mittelschulen. Im Parlament bedarf es bei Entscheidungen, die in der Verfassung festgelegt sind und die ethnischen Gemeinschaften betreffen, eine doppelte Mehrheit: Einmal die Mehrheit im Parlament und einmal die Mehrheit unter den Abgeordneten der ethnischen Gemeinschaften, welche nicht der Bevölkerungsmehrheit angehören. Im öffentlichen Sektor müssen alle Stellen unter Berücksichtigung der ethnischen Vielfalt der makedonischen Bevölkerung vergeben werden. Des Weiteren dürfen auch die Symbole der ethnischen Gemeinschaften, welcher nicht der Bevölkerungsmehrheit angehören, an öffentlichen Einrichtungen und bei öffentlichen Anlässen verwendet werden. Allerdings immer nur zusammen mit den staatlichen Symbole der Republik Makedonien. Die Republik Makedonien blieb zwar formell ein Einheitsstaat, doch wurde dieser stark dezentralisiert und die lokalen Gebietskörperschaften unter Berücksichtigung der ethnischen Gegebenheiten neu gestaltet. Die lokalen Gebietskörperschaften bekamen mehr Kompetenzen von der Republik übertragen, so dass substanzielle Entscheidungen auch auf lokaler Ebene und unter effektiverer Beteiligung der jeweiligen Ethnien erfolgen können. Aufgrund der lokalen Neugliederung der Republik Makedonien erreichte der Anteil der Albaner in einigen Gemeinden die Mehrheit, so dass sie dort die Bürgermeisterin oder den Bürgermeister stellen, oder das Quorum von 20 Prozent. Letzteres war auch in der makedonischen Hauptstadt Skopje der Fall. Das Quorum von 20 Prozent für besondere verfassungsmäßige und gesetzliche Rechte gilt zwar für alle ethnischen Gemeinschaften, doch wird dieses nur von der albanischen Gemeinschaft erreicht.

Das Verfassungsgericht hatte auch über den Rahmenvertrag von Ohrid zu entscheiden. Die Gegner argumentierten, dass es sich hierbei um einen Kollektivvertrag von privatrechtlich organisierten politischen Parteien handelte. Dieser Vertrag betreffe massiv die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien, da er insbesondere die verfassungsmäßige Ordnung umfangreich ändere. Da dieser Vertrag jedoch außerhalb des öffentlichen Rahmens ausgehandelt und unterzeichnet wurde, sei er verfassungswidrig. Das Verfassungsgericht lehnte jedoch ein konkretes Normenkontrollverfahren ab. Bei diesem Vertrag handele es sich nicht um einen Kollektivvertrag, sondern um ein politisches Dokument der vier wichtigsten politischen Parteien der Republik Makedonien, welches zum Ziel hat eine schwere Krise zwischen den Ethnien zu beenden. Daher könne das Rahmenabkommen auch nicht durch das Verfassungsgericht überprüft werden. Die Änderungen und Ergänzungen der Verfassung und der Gesetze seien jedoch verfassungsgemäß durch das Parlament beschlossen worden. Auch gegen die Änderungen von Gesetzen, welche aufgrund des Rahmenabkommens von Ohrid erfolgten, etwa das Gesetz zur territorialen Neugliederung der Republik Makedonien, wurde vor dem Verfassungsgericht geklagt. In allen Fällen sind nach Auffassung des Verfassungsgerichtes diese Gesetze jedoch verfassungsgemäß zustande gekommen und im Einklang mit der Verfassung, so dass letztendlich alle mit dem Rahmenabkommen verbundenen Gesetzesänderungen bestand haben.

Das Rahmenabkommen von Ohrid sowie die damit verbundenen Änderungen und Ergänzungen der Verfassung und der Gesetze der Republik Makedonien führten zu einer tatsächlichen Verbesserung der Situation der ethnischen Gemeinschaften, wobei insbesondere die albanische Gemeinschaft davon profitierte. Natürlich gibt es immer noch Probleme und Reformbedarf, doch konnten die inner-ethnischen Spannungen merklich abgebaut werden. Heute sind in der Republik Makedonien eher nicht ethnisch bedingte politische Probleme vorherrschend.

 

Teil II – Die Namensfrage der Republik Makedonien

Der verfassungsrechtliche Name des Staates ist „Republik Makedonien“. Aufgrund des Streits um den Namen „Makedonien“ mit Griechenland unterliegt die Anwendung der verfassungsmäßigen Bezeichnung in bestimmten Fällen Einschränkungen. In den Vereinten Nationen ist die Republik Makedonien am 08. April 1993 unter der provisorischen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ Mitglied geworden. Diese Bezeichnung wird auch von einigen anderen internationalen Organisationen und von einigen Staaten in ihren bilateralen Beziehungen zur Republik Makedonien verwendet. Die überwiegende Mehrheit der Staaten verwendet in ihren bilateralen Beziehungen zur Republik Makedonien jedoch die verfassungsmäßige Bezeichnung. Die erzwungene Verwendung der provisorischen Bezeichnung dürfte gegen das Völkerrecht verstoßen. Zur Vertiefung des völkerrechtlichen Aspektes sei folgender Artikel empfohlen: „Die provisorische Bezeichnung der Republik Makedonien im Rahmen der Vereinten Nationen aus Sicht des Völkerrechts

 

Der staatsrechtliche Aspekt der Namensfrage

Der völkerrechtliche Aspekt der Namensfrage ist auch für den staatsrechtlichen Aspekt der Namensfrage sehr wichtig. In Artikel 1 der Verfassung der Republik Makedonien vom 20.11.1991 sind die allgemeinen Staatsgrundsätze festgelegt. In Absatz 1 dieses Artikel heißt es: „Die Republik Makedonien ist ein souveräner, selbstständiger, demokratischer und sozialer Staat“. Absatz 2 ergänzt: „Die Souveränität der Republik Makedonien ist unteilbar, unveräußerlich und unübertragbar“. Dieser Artikel legt ebenso wie die Präambel der Verfassung die staatsrechtliche Bezeichnung „Republik Makedonien“ abschließend fest. Auf völkerrechtlicher Ebene findet jedoch neben der staatsrechtlichen Bezeichnung auch die Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ Anwendung. Unter dieser Bezeichnung ist die Republik Makedonien Mitglied in den Vereinten Nationen und in anderen internationalen Organisationen. Einige Staaten verwenden die provisorische UN-Bezeichnung auch in ihren bilateralen völkerrechtlichen Beziehungen zu ihr. Ohne eine entsprechende Änderung der Verfassung der Republik Makedonien stellt die bloße Akzeptanz des Namens „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ oder jede von der verfassungsgemäßen Bezeichnung „Republik Makedonien“ abweichende Bezeichnung eine Verletzung von Artikel 1 Absatz 1 der makedonischen Verfassung dar. Auch die in dem Interimsabkommen vom 13.09.1995 gewählte Bezeichnung der Vertragsparteien als Erste Partei (Hellenische Republik) und als Zweite Partei (Republik Makedonien) verletzt letztendlich die staatliche Souveränität und das völkerrechtliche Selbstbestimmungsrecht der Republik Makedonien. Letzteres ist auch nicht mit der Unteilbarkeit, der Unverletzlichkeit und der Unübertragbarkeit der Souveränität gemäß Artikel 1 Absatz 2 der makedonischen Verfassung vereinbar. Artikel 2 Absatz 1 „In der Republik Makedonien erwächst die Souveränität aus den Bürgern und gehört den Bürgern“, Artikel 2 Absatz 2 „Die Bürger der Republik Makedonien üben die Staatsgewalt durch demokratisch gewählte Vertreter, durch Volksentscheide und anderer Formen der unmittelbaren Willensäußerungen aus“ und das in Artikel 1 Absatz 1 der makedonischen Verfassung als Staatsgrundsatz festgelegte „Demokratieprinzip“, werden dadurch verletzt, dass der im Referendum vom 08. September 1991 geäußerte Wille der Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien missachtet wird. Nach diesem Willen sollte der makedonische Staat als „Republik Makedonien“ seine Unabhängigkeit und Souveränität erklären. Daraus kann ggf. abgeleitet werden, dass eine Änderung des verfassungsmäßigen Namens der Republik Makedonien, neben einer Änderung der Verfassung der Republik Makedonien gemäß der Artikel 129 bis 131 mit einer Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten im Parlament, auch einer Volksabstimmung bedürfen sollte. Zwingend erforderlich ist diese aufgrund der makedonischen Verfassung jedoch nicht. Die Republik Makedonien hat völkerrechtliche Verträge abgeschlossen, in der sie als Vertragspartner mit der Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ oder als „Zweite Partei“ auftrat. Hier ist die Frage, ob diese völkerrechtlichen Verträge verfassungswidrig sind oder diese der Verfassung im Rang vorgehen. Gemäß Artikel 118 sind völkerrechtliche Verträge Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung und können nicht durch Gesetz geändert werden, wenn sie gemäß der Verfassung ratifiziert worden sind. Völkerrechtliche Verträge stehen dem Rang nach unter der Verfassung und über den Gesetzen. Eine Änderung der Verfassung erfolgt durch völkerrechtliche Verträge nicht. Demnach kann der verfassungsmäßige Name der Republik Makedonien nicht durch einen völkerrechtlichen Vertrag geändert oder ergänzt werden, es bedarf einer formellen Änderung der Verfassung der Republik Makedonien.

Das Verfassungsgericht der Republik Makedonien zur Namensfrage

Das Verfassungsgericht der Republik Makedonien hatte mehrfach die Gelegenheit zu überprüfen, ob die Verwendung der Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ verfassungsgemäß ist. In einem Normenkontrollverfahren war der Rechtsakt der Regierung der Republik Makedonien Gegenstand, mit dem die Aufnahme Makedoniens als „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ in die Vereinten Nationen beschlossen wurde. In einem anderen Fall war der zugehörige bilaterale völkerrechtliche Vertrag mit der Hellenischen Republik Gegenstand eines entsprechenden Normenkontrollverfahrens. Das Verfassungsgericht lehnte es in beiden Fällen ab die Dokumente wegen der provisorischen Bezeichnung für verfassungswidrig zu erklären. Auch in einem weiteren Fall lehnte es das Verfassungsgericht ab entsprechende Dokumente für verfassungswidrig zu erklären. In diesem Fall ging es um ein Normenkontrollverfahren zum Gesetz über die Ratifikation einer völkerrechtlichen Übereinkunft zwischen der Regierung der Republik Makedonien und der Weltbank über die Gewährung von Entwicklungskrediten, in der die Republik Makedonien als Vertragspartner mit der provisorischen Staatsbezeichnung auftrat. Im Falle des Interimsabkommens vom 13.09.1995, in der die Republik Makedonien als Zweite Partei (Vertragspartei) bezeichnet wird, liegt wie weiter oben geschildert ein Verstoß gegen Artikel 1 der makedonischen Verfassung vor. Das makedonische Verfassungsgericht lehnte trotz dieser Sachlage aus formalen Gründen die Überprüfung der völkerrechtlichen Übereinkunft ab und wies den Antrag mit der Begründung zurück, dass nach Artikel 8 Absatz 1 Spiegelstrich 11 der Verfassung der Republik Makedonien die allgemeinen anerkannten Grundsätze des Völkerrechts Grundwerte der verfassungsmäßigen Ordnung seien. Demnach sei es völkerrechtlich anerkannt, dass der Minister für auswärtige Angelegenheiten als Vertreter der Regierung der Republik Makedonien berechtigt sei, die Republik Makedonien international zu vertreten. Darüber hinaus hätte das Verfassungsgericht allenfalls das Gesetz zur Ratifikation der Übereinkunft für verfassungswidrig erklären können. Selbst wenn das Interimsabkommen gemessen an der Verfassung der Republik Makedonien verfassungswidrig zustande gekommen und damit nicht gemäß Artikel 118 der makedonischen Verfassung Teil des makedonischen Rechtssystems geworden sein sollte, muss es aus völkerrechtlicher Sicht gleichwohl beachtet und umgesetzt werden. Auch wenn entsprechende völkerrechtliche Abkommen verfassungswidrig sind, sind sie nach dem Grundsatz „pacta sunt servanda“ („Verträge müssen erfüllt werden“) und dem sogenannten Irrelevanztheorem zwischen Staaten (das Völkerrecht ist blind gegenüber innerstaatlichem Recht) völkerrechtlich wirksam. Das Verfassungsgericht der Republik Makedonien macht mit seinen Entscheidungen deutlich, dass die faktische Situation aufgrund des sogenannten Namensstreit mit der Hellenischen Republik Teil der rechtlichen Realität ist und eine Lösung nur im Rahmen der Politik erfolgen kann.

 

Hinweis /Literatur zur Verfassungsgerichtsbarkeit und zum Verfassungsrecht in Makedonien

Dieser Artikel beruht im Wesentlichen auf dem Buch „Verfassungsgerichtsbarkeit und Verfassungsrechtsentwicklung in Makedonien“ von Goran Čobanov. Neben persönlichen Quellen wurden grundlegende Informationen aus diesem Buch verwendet, das insgesamt eine sehr gute und verständliche Einführung in das makedonische Verfassungsrecht gibt. Neben der historischen und aktuellen Entwicklung des makedonischen Verfassungsrechts, wird auch die makedonische Verfassungsgerichtsbarkeit ausführlich behandelt und dargestellt. „Goran Čobanov gewährt nicht nur einen auch für Nichtjuristen verständlichen Einblick in das makedonische Verfassungsrecht und in die Arbeitsweise und Rechtsprechung des Verfassungsgerichts der Republik Makedonien, sondern setzt sich auch mit den historischen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auseinander.“ (Anmerkung des Verlages) Das Buch ist im Tectum Verlag  (ISBN 978-3-8288-9962-9) erschienen und berücksichtigt alle verfassungsrechtlichen Entwicklungen bis zum Mai 2009.