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Vor 5 Jahren: Das Urteil des IGH im Verfahren der Republik Makedonien gegen die Hellenische Republik

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Vor 5 Jahren, am 05.12.2011, um 10 Uhr MEZ, fällte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag das Urteil im Klageverfahren der Republik Makedonien gegen die Hellenische Republik. Der mit 16 Richtern (16 Stimmen) besetzte IGH stellte in seinem Urteil fest:

  1.  Der IGH sei in dieser Angelegenheit (Klage der Republik Makedonien gegen die Hellenische Republik wegen Verletzung des Interimsabkommens) zuständig. Alle entsprechenden Anträge seien in zulässiger Weise eingereicht worden. (14 zu 2 Stimmen)
  2. Die Hellenische Republik habe gegen Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens vom 13.09.1995 verstoßen, in dem es den Beginn von Gesprächen über eine mögliche Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO auf dem Bukarester NATO-Gipfel im April 2008 verhindert habe. (15 zu 1 Stimmen)
  3. Alle weiteren Anträge von Seiten der Republik Makedonien im Zusammenhang mit dem Klageverfahren würden abgelehnt. (15 zu 1 Stimmen)

 

Der Sachverhalt

Am 17.11.2008 reichte die Republik Makedonien vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Klage gegen die Hellenische Republik ein. Hintergrund war der NATO-Gipfel von Bukarest im April 2008. Auf diesem Gipfel sollte über eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO entschieden werden. Die Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO sollte unter der vorläufigen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ erfolgen und wurde von ihr auch entsprechend beantragt. Die Hellenische Republik war und ist gegen eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO solange der Streit um den Namen „Makedonien“ nicht gelöst ist.

Nach Auffassung der Republik Makedonien hätte die Hellenische Republik auf dem NATO-Gipfel von Bukarest ihr Veto gegen eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO eingelegt. Dies wäre ein Verstoß gegen Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens zwischen der „Ersten Partei“ (Hellenischen Republik) und der „Zweiten Partei“ (Republik Makedonien) vom 13.09.1995 gewesen. Dort verpflichtet sich die Hellenische Republik eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in einer internationalen Organisation, in der sie selbst Mitglied ist, zu unterstützen und nicht zu verhindern, solange die Republik Makedonien gemäß der Resolution 817 des Sicherheitsrate der Vereinten Nationen vom 07.04.1993 unter der vorläufigen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ die Mitgliedschaft anstreben würde.

Nach Auffassung der Hellenischen Republik sei die Entscheidung auf dem NATO-Gipfel von Bukarest im April 2008 im Konsens mit allen anderen NATO-Mitgliedern gefallen und sei damit keine rein griechische Entscheidung gewesen. Vielmehr habe es sich um eine Entscheidung der NATO-Mitglieder gehandelt. Für eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien kommen daher auch nicht die Regelungen des Interimsabkommens zur Anwendung sondern die rechtlichen Grundsätze der NATO. Damit sei der IGH an sich auch nicht zuständig in der Sache zu entscheiden. Gemäß Artikel 22 des Interimsabkommens sei dieses Abkommen nicht gegen die Rechte und Pflichten aus bereits bestehenden bilateralen und multilateralen Abkommen der Hellenischen Republik mit anderen Staaten und internationalen Organisationen gerichtet, so dass in diesem Fall die rechtlichen Grundsätze der NATO zum tragen kommen würden. Somit könne auch kein Verstoß gegen Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens vorliegen. Des Weiteren machte die Hellenische Republik auch geltend, dass die Republik Makedonien ihrerseits gegen das Interimsabkommen verstoßen würde. Vor allem der Bezug der Republik Makedonien auf das antike Makedonien durch die Verwendung antiker makedonische Symbole, etwa die Aufstellung einer Statue von Alexander dem Großen in Skopje oder die Verwendung des Sterns von Vergina bei offiziellen Anlässen, sei ein Verstoß gegen Artikel 7 des Interimsabkommens. Ebenfalls sei auch die Verwendung der Bezeichnung „Republik Makedonien“ ein Verstoß gegen Artikel 5 des Interimsabkommens, solange auf Basis der Resolution 845 des UN-Sicherheitsrates keine endgültige Klärung der Namensfrage erreicht worden sei.

Zwischen dem 21.03. und dem 30.03.2011 fand die Anhörung der beiden Parteien vor dem IGH statt. Am 21.03.2011 sowie am 22.03.2011 stellte die Republik Makedonien ihren juristischen Standpunkt dar und am 24.03.2011 sowie am 25.03.2011 die Hellenische Republik den ihrigen. Am 28.03.2011 reagierte die Republik Makedonien auf den juristischen Standpunkt der Hellenischen Republik und am 30.03.2011 erfolgte die Reaktion der Hellenischen Republik auf den juristischen Standpunkt der Republik Makedonien. In der Regel erfolgen die Urteile des IGH innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach der Anhörung. Diese Regel ist jedoch nicht als verbindliche Norm in den Statuten des IGH festgelegt. Im Falle des Verfahrens der Republik Makedonien gegen die Hellenische Republik wurde von dieser Regel abgewichen und das Urteil erst rund 8 Monaten nach der Anhörung am 05.12.2011 verkündet.

Nachbetrachtung

Das Urteil war eindeutet: Die Hellenische Republik hat gegen das Interimsabkommen mit der Republik Makedonien vom 13.09.1995 verstoßen, als sie im April 2008 einen möglichen Beitritt der Republik Makedonien zur NATO verhindert hatte. Auch fünf Jahre nach dem Urteil hat sich nichts geändert. Noch immer ist die Republik Makedonien kein NATO-Mitglied. Im Falle der angestrebten Mitgliedschaft in der Europäischen Union (EU) ist bisher ebenfalls nichts passiert, obwohl die Republik Makedonien seit der Flüchtlingskrise faktisch die EU-Außengrenzen schützt und bereits seit Dezember 2005 EU-Beitrittskandidat ist. Das Interimsabkommen wird in beiden Fällen weiterhin durch Griechenland verletzt, ohne dass dies substantielle Konsequenzen hat.