Die Errichtung einer Sonderstaatsanwaltschaft (SJO) im September 2015 beruht auf einem Kompromiss zwischen den Regierungsparteien und den Oppositionsparteien zur Überwindung der schweren Staatskrise in der Republik Makedonien. Aufgabe der Sonderstaatsanwaltschaft ist die Ahndung von Verbrechen im staatlichen und politischen System der Republik Makedonien. So wurden zirka 20.000 makedonische Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien illegal abgehört. Allerdings wurde die Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft von Anfang an durch die größte Regierungspartei IMRO-DPMNE (VMRO-DPMNE) untergraben. Einige ihrer Politiker, darunter der ehemalige makedonische Ministerpräsident Nikola Gruevski oder die ehemalige Innenministerin Gordana Jankulovska, stehen im Verdacht Verbrechen begangen zu haben. Im Falle des Abhörskandals geht es um eine Festplatte mit 546.948 Dateien und sechs Boxen mit Transkripten von Abhörprotokollen. Seit dem Beginn der Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft haben Juristen tausende von Audioprotokolle untersucht.
Konkret geht es bei den Ermittlungen der Sonderstaatsanwaltschaft um systematischen Amtsmissbrauch durch Staatsfunktionäre, Politiker und Beamte. Des Weiteren geht es um Wahlbetrug und Korruption auf staatlicher Ebene. Etwa 45 Prozent der Dateien konnten durch die Sonderstaatsanwaltschaft bisher gesichtet werden. Zum Teil sind deutlich die Stimmen von bekannten Staatsfunktionären und Politikern zu hören, welche zu illegalen Maßnahmen aufrufen und zu Verbrechen anstiften.
Die Sonderstaatsanwaltschaft hat insgesamt 117 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter die drei leitenden Sonderstaatsanwältinnen. Sie stehen permanent unter Druck und werden in ihrer Arbeit behindert. So sind zum Beispiel Zeugen eingeschüchtert und erscheinen nicht zu einer Anhörung. Von 23 beantragten Haftbefehlen wurden durch die Gerichte nur fünf zugelassen, von diesen blieb nach einer Revision nur ein Haftbefehl übrig. Fraglich dürfte sein, ob die unter politischen Einfluss stehenden Gerichte überhaupt Haftbefehle gegen führenden Politiker erlassen würden.
Die demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätze Republik Makedonien sind unter der Regierung Nikola Gruevski längst hingerichtet worden. Mittlerweile ist die Exekutive der Republik Makedonien zu einem autoritären Regime, in einem System aus Klientelismus und Korruption geworden. Dem Einfluss dieser Exekutive unterliegen auch die Medien und die Justiz. Eine juristische Aufarbeitung, wie etwa durch die Sonderstaatsanwaltschaft, ist daher systemfremd geworden. Doch sind Klientelismus und Korruption ein grundsätzliches Problem in der Republik Makedonien und unter allen Parteien ein Problem geblieben, auch im Falle der Oppositionsparteien.
Die Sonderstaatsanwaltschaft arbeitet auch gegen die Zeit. Im Juni 2017 läuft ihre Kompetenz aus Anklagen zu erheben. Durch die systematische Untergrabung ihrer Arbeit ist die Frist für Ermittlungen und Anklageerhebung viel zu kurz. Eine Verlängerung dieser Frist durch das Parlament wird durch die betroffenen Parteien blockiert. Bisher sind die Ermittlungen der Sonderstaatsanwaltschaft hinsichtlich des Wahlbetrugs am meisten fortgeschritten. In diesen Fällen sollen daher Anklagen erhoben werden. Hierbei geht es um die Verletzung des Wahlgesetzes, die Einschränkung der Wahlfreiheit, Bestechung, Vernichtung von Wahlmaterialien und den Missbrauch von Mitteln für die Kampagne. Auch in weiteren zwei oder drei Fällen sollen Anklagen möglich sein.
Es ist zu hoffen, dass die Republik Makedonien wieder zur ihrer verfassungsrechtlichen Basis, also auch zu demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen zurückkehren wird. Nur dieser Weg schützt die Rechte der Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien und schützt sie vor Willkür.