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Vor 100 Jahren: Die Proklamation des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen (Jugoslawien I)

Mit der Proklamation des „Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen“ am 01. Dezember 1918 entstand vor 100 Jahren der erste jugoslawische Staat (Jugoslawien I), welche bis zum Einmarsch der Deutschen Wehrmacht im Jahre 1941 existierte. Am 03. Oktober 1929 erfolgte die Umbenennung des Staates in „Königreich Jugoslawien“ und die Etablierung einer Königsdiktatur. Das Königreich stand unter serbischer Vorherrschaft und wurde zentralistisch verwaltet. Diesem standen die föderalistisch eingestellten Kroaten und Slowenen zunehmend ablehnend gegenüber. Auch die anderen südslawischen und nicht-slawischen Völker lehnten diesem Staat zunehmend ab. Die Innenpolitik des Staates war von Gewalt, Instabilität und Unsicherheit geprägt. Ein kroatisch-serbischer Ausgleich im Jahre 1939 konnte keine Wirkung mehr entfalten, so dass der Staat mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 06. April 1941 auch von Innen heraus zerbrach. Am 17. April 1941 kapitulierte das Königreich Jugoslawien, womit der erste Staat der südslawischen Völker endgültig gescheitert war.

 

Vorgeschichte

Nach dem Ersten Weltkrieg (1914 – 1918) brach der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn auseinander. Dies führte auch zur Unabhängigkeit der Slowenen und Kroaten, die sich bereits in einem „Südslawischen Ausschuss“, zunächst mit Sitz in London, organisiert hatten und für einen gemeinsamen Staat aller südslawischen Völker eintraten.

Im Juni und Juli 1917 trafen sich der Vorsitzende dieses Ausschusses, Ante Tumbić, und der Ministerpräsidenten des Königreiches Serbien, Nikola Pašić, auf der griechischen Insel Korfu zu Gesprächen über die Gründung eines gemeinsamen südslawischen Staates. Dort wurde die Ausrufung eines Königreiches des dreinamigen Volkes (Serben, Kroaten und Slowenen) vereinbart und eine entsprechende Deklaration am 20. Juli 1917 unterzeichnet, welches als Geburtsdokument des ersten jugoslawischen Staates bezeichnet werden kann. Die Montenegriner galten nach vorherrschender Auffassung als serbischer Volksstamm und wurden nicht besonders aufgeführt. Die Bosniaken (Muslime) und die ethnischen bzw. slawischen Makedonier wurden im ersten jugoslawischen Staat (1918 – 1941) nicht als eigene Völker anerkannt.

Der zunächst rein formellen Deklaration eines gemeinsamen südslawischen Königreiches wohnte auch eine 24-köpfige Delegation des „Nationalrates der Slowenen, Kroaten und Serben bei“, welche ihren Sitz im damals noch zu Österreich-Ungarn gehörenden Zagreb hatte und unter dem Vorsitz des Slowenen Anton Korošec stand. Dieser Nationalrat war gebildet worden, als sich der Zerfall Österreich-Ungarns immer stärker abzeichnete. Der Name „Jugoslawien“ für den neuen Staat wurde von serbischer Seite abgelehnt, da der Begriff „Königreich Serbien“ im Staatsnahmen des gemeinsamen südslawischen Staates erhalten bleiben sollte.

Der Nationalrat der Slowenen, Kroaten und Serben wurde am 06. Oktober 1918 gegründet. Als Österreich-Ungarn am 27. Oktober 1918 um Frieden bat, erklärte der Nationalrat am 29. Oktober 1918 die Unabhängigkeit der südslawischen Gebiete Österreich-Ungarns unter der Bezeichnung „Staat der Slowenen, Kroaten und Serben“ (kroatisch und serbisch: „Država Slovenaca, Hrvata i Srba “). Ziel dieses Staates war die Vereinigung mit dem Königreich Serbien zu einem gemeinsamen südslawischen Staat. Anfang November 1918 kam es in Genf zu einem Treffen der serbischen Regierung, der Exekutive des Nationalrates und des südslawischen Ausschusses. Es wurde beschlossen: „Die Regierung des Königreiches Serbien und der Nationalrat in Zagreb werden die Abwicklung der Geschäfte auf ordnungsgemäße Weise, derzeit in den einzelnen Bereichen bestehenden Weise, und zwar jedes in seinem inneren rechtlichen und territorialen Wirkungsbereich fortführen, bis die in allgemeiner, gleicher, direkte und geheimer Wahl aller Bürger gewählte Nationalversammlung der vereinigten Serben, Kroaten und Slowenen (Konstituente) durch Verfassung die definitive Gestaltung des Staates bestimmt…“ Damit galt das jeweilige Recht im Staat der Slowenen, Kroaten und Serben und im Königreich Serbien zunächst fort, bis durch eine demokratisch gewählte Nationalversammlung eine gemeinsame Verfassungs- und Rechtsordnung geschaffen wurde. Es wurde festgehalten, dass diese Vereinbarung nur im gegenseitigen Einvernehmen geändert werden kann. Unterzeichnet wurde diese von Ante Tumbić und Nikola Pašić.

Aufgrund der Umstände wurde die Vereinbarung von Genf allerdings nicht mehr umgesetzt. Italien begann nach dem Waffenstillstand sofort die bisher österreichisch-ungarischen Gebiete in Dalmatien, an der kroatischen Küste und in Istrien zu besetzen. Dies führte zu großer Unruhe bei den Kroaten und Slowenen, welche dann einen schnellen Zusammenschluss des Staates der Slowenen, Kroaten und Serben und des Königreiches Serbien anstrebten. Der am 29. Oktober 1918 proklamierte Staat der Slowenen, Kroaten und Serben und das am 06. März 1862 proklamierte Königreich Serbien schlossen sich am 01. Dezember 1918 zum „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“ (kroatisch und serbisch: „Kraljevina Srba, Hrvata i Slovenaca “) zusammen.

Die Nationalversammlung des Königreiches Montenegro hatte zuvor am 26. November 1918 die Absetzung des montenegrinischen Königs Nikita und seiner Dynastie Petrović sowie den Anschluss an das Königreich Serbien beschlossen. Damit trat Montenegro im Rahmen des Königreiches Serbien dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen bei.

 

Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen

Am 01. Dezember 1918 proklamierte Thronfolger Alexander und Sohn von König Peter I. in der bisherigen serbischen Hauptstadt Belgrad das „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“: „Im Namen seiner Majestät König Peters I. proklamiere ich die Vereinigung Serbiens mit den Ländern des unabhängigen Staates der Slowenen, Kroaten und Serben zum einheitlichen Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen.“ Peter I. übergab seinem Sohn krankheitsbedingt die Regentschaft. Zuvor hatte der Nationalrat der Slowenen, Kroaten und Serben eine entsprechende Adresse an Regent Alexander gesandt, in deren Beantwortung die Proklamation des ersten südslawischen Staates erfolgte.

Für die innere Struktur und Organisation des gemeinsamen Staates traf die Deklaration von Korfu allerdings keine Vereinbarung. Diese legte lediglich fest, dass der Staat eine konstitutionelle Monarchie unter der Dynastie des bisherigen serbischen Königshauses Karadjordjes sein sollte, unter vollständiger politischer, kultureller und religiöser Gleichberechtigung der drei staatstragenden Nationen. Hierbei sollte das kyrillische und das lateinische Alphabet ebenfalls gleichberechtigt Anwendung finden. Ansonsten war die Verfassungsfrage nach der inneren Organisation des Staates völlig offen. Die serbische Seite war zentralistisch eingestellt, die slowenische und kroatische Seite föderalistisch.

Bei den ersten Parlamentswahlen am 28. November 1920 gewannen die zentralistisch orientierten Parteien knapp die Mehrheit. Die föderalistisch eingestellte Kroatische Bauernpartei unter Führung des impulsiven Stjepan Radić wurde auf gesamtstaatlicher Ebene nur vierte Kraft, erreichte jedoch in den kroatischen Siedlungsgebieten mehr als die Hälfte der Wählerstimmen. Der Vorsitzende der Bauernpartei interpretierte das Ergebnis als Entscheid des kroatischen Volkes gegen die Vereinigung mit dem Königreich Serbien und als Bekenntnis zu einer kroatischen Republik. Dem Prinzregenten Alexander übermittelte er ein Manifest, mit der die Erklärung des Zentralrates der Slowenen, Kroaten und Serben für ungültig deklariert wurde. Die Partei wurde in „Kroatische Republikanische Bauernpartei“ umbenannt und boykottierte die parlamentarische Arbeit.

Dieser Boykott erwies sich als schwerer taktischer Fehler. Die zentralistisch eingestellten Parteien hatten nun einen entsprechend großen Freiraum, eine Verfassung nach ihren Vorstellungen zu formulieren. Diese wurde mit einer knappen Mehrheit von 27 Stimmen im Parlament am 28. Juni 1921 verabschiedet. Insgesamt waren 169 von 419 Abgeordneten der Abstimmung ferngeblieben. Unter aktiver Beteiligung der Bauernpartei hätte die Verfassung wohl eine andere Form gehabt. Besonders umstritten war die Verwaltungsgliederung des Königreiches in 35 Bezirke („Oblasti“). Bei dieser Gliederung wurde auf die kulturelle und historische Vielfalt der südslawischen Völker überhaupt keine Rücksicht genommen. Des Weiteren hatten diese Bezirke keinerlei Selbstverwaltungsrechte, sondern waren Verwaltungseinheiten der Zentralgewalt. Bereits am Tage der Verkündung dieser Verfassung kam es zu einem erfolglosen Attentatsversuch auf den Prinzregenten Alexander und den nun gesamtstaatlichen Ministerpräsidenten Nikola Pašić. Im August 1921 starb König Peter I., so dass Alexander nun auch formell auf den Thron folgte.

Die balkanische Tradition der Attentate und politischen Morde, welche bereits das Königreich Serbien prägten, übertrugen sich nun auf das südslawische Königreich. Dieses bewegte sich in den 1920er Jahren von einer innenpolitischen Krise zur nächsten. In dieser Zeit amtierten 30 Regierungen, welche die Gegensätze zwischen Föderalisten und Zentrallisten nicht überbrücken konnten. Stattdessen waren Gewalt und Instabilität vorherrschend. Im Sommer 1928 glich die Skupština, das Parlament, mehr einer Balkankneipe, in der die bis auf den Tod verfeindeten Gäste jederzeit drauf und daran waren, sich gegenseitig zu verletzten oder umzubringen. Am 20. Juni 1928 kam es zu einer blutigen Tat im Parlament. Der montenegrinische Abgeordnete Puniša Račić zog während der Parlamentssitzung einen Revolver und erschoss zwei kroatische Abgeordnete. Drei weitere wurden schwer verletzt, darunter der Führer der Kroatischen Bauernpartei (Parteiname der Kroatisch Republikanischen Bauernpartei seit 1925) Stjepan Radić.

Nun schlitterte das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen von einer politischen Dauerkrise in eine Staatskrise. Versuche, die Lage zu entschärfen, wie etwa der Besuch des Königs Alexander am Krankenbett des schwer verletzten Stjepan Radić und die Ernennung des Slowenen Anton Korošec als einzigen Nichtserben zum Ministerpräsidenten, blieben erfolglos. Stjepan Radić erlag am 02. August 1928 seinen schweren Verletzungen. Dem Führer der Slowenischen Volkspartei, Anton Korošec, gelang es als Ministerpräsident nicht, entscheidende Staatsreformen durchzusetzen. Sein Vorschlag, das Königreich in drei Bundesländer zu gliedern, scheiterte an den serbischen Regierungsmitgliedern. Ende 1928 hatte sich die schwere Staatskrise verfestigt. Am 30. Dezember 1928 trat Anton Korošec mit seinem Kabinett zurück.

 

Das „Königreich Jugoslawien“

König Alexander konsultierte am 04./05. Januar 1929 einige Politiker, darunter den neuen Vorsitzenden der Kroatischen Bauernpartei, Vladimir Maček, und den Führer der kroatischen Serben, Svetozar Pribbičević. Beide Politiker verlangten die vollständige Reorganisation des Staates durch Wiederherstellung der historischen und kulturellen Einheiten mit ihren Parlamenten. Vladimir Maček schlug einen Staatenbund unter der Dynastie der Karadjordjes vor, welcher aus Bosnien, Kroatien, Makedonien, Montenegro, Serbien, Slowenien und der Vojvodina bestehen sollte. Die Parlamente dieser autonomen Gebietseinheiten sollten mit Zustimmung des Königs Gesetze erlassen dürfen.

Allerdings wollte König Alexander die zentralistische Staatsstruktur erhalten wissen und die staatliche Macht nicht teilen. Er war ein entschiedener Gegner des Föderalismus. Im Juli 1928 soll König Alexander sogar die staatliche Trennung zwischen den Kroaten und Slowenen auf der einen und den Serben auf der anderen Seite andiskutiert haben. Ihm sei ein solides Königreich Serbien lieber als ein föderalistisches Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gewesen. Dieser Plan wurde jedoch von Führern der Kroaten und Slowenen als Hochverrat abgelehnt.

Am 06. Januar 1929 löste König Alexander das Parlament auf und setzte die Verfassung vom 28. Juni 1921 außer Kraft. Tags darauf wurde dann ein Gesetz verkündet, welches eine Königsdiktatur begründen sollte. Dieses Gesetz über die Machtbefugnisse des Königs machte diesen zum alleinigen Träger der Staatsgewalt. Die Gesetzgebung und die Exekutive waren nun dem König übertragen. Die vom König ernannte Regierung war nur noch ihm gegenüber verantwortlich und nicht mehr unter parlamentarische Kontrolle.

Ein Staatsschutzgesetz löste alle politischen Parteien auf, welche für eine Änderung der bestehenden staatlichen und politischen Ordnung im Königreich eintraten. Auch Parteien mit ethnischen, religiösen und regionalen Hintergrund wurden verboten. Durch einen entsprechend weit gefassten Paragraphen im Staatsgrundgesetz konnten politischen Gegner der bestehenden Ordnung willkürlich unter Anwendung der Strafgesetze ausgeschaltet werden. Im ganzen Königreich galt nun eine Pressezensur. Die schon ohnehin gering ausgeprägten Selbstverwaltungen der Bezirke und Gemeinden wurden aufgelöst. In den Städten Belgrad (serbisch), Zagreb (kroatisch) und Ljubljana (slowenisch) wurden durch königliche Dekrete neue Verwaltungen eingesetzt. Für die anderen Gemeinden und Städte wurden entsprechende Maßnahmen durch das Innenministerium ausgeführt.

Mit diesen Maßnahmen verletzte König Alexander seine feierliche Verpflichtung, welche er bei der Proklamation des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen am 01. Dezember 1918 abgegeben hatte. Nach dieser Verpflichtung hätte er als König der freien Bürger des Staates der Serben, Kroaten und Slowenen den hohen Grundsätzen der Verfassung und der parlamentarischen Demokratie immer treu sein sollen.

Erst am 01. April 1929 setzte König Alexander eine neue Regierung ein. Ministerpräsident und Außenminister wurde Petar Živković, der Kommandant der königlichen Garde mit düsterer Vergangenheit. Im Jahre 1903 hatte er als Leutnant der königlichen Garde der serbischen Terrororganisation „Schwarze Hand“ den Zugang zu den Gemächern von König Alexander Obrenović ermöglicht und war somit an der Ermordung des damaligen Königs beteiligt.

Mit dem Gesetz über die Neueinteilung des Reiches vom 03. Oktober 1929 wurde das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen in „Königreich Jugoslawien“ umbenannt. Die 35 Bezirke wurden aufgelöst und durch neun „Banschaften“ („Banovine“) ersetzt. Bis auf die Küsten-Banschaft wurden alle Banschaften nach Flüssen Jugoslawiens benannt. Die Abgrenzung der Banschaften berücksichtigte die ethnischen und historischen Gegebenheiten überhaupt nicht. So wurden Völker und ihre Gebiete, etwa Bosnien, Kroatien und Slowenien, verwaltungstechnisch durchtrennt. Die Banschaften waren ebenfalls reine Verwaltungseinheiten des Zentralstaates und hatten keine innere Autonomie. Der König wollte mit dem Namen Jugoslawien und der neuen Verwaltungsgliederung des Staates bewusst alle ethnischen und historischen Eigenarten negieren und beseitigen. Um der Königsdiktatur eine rechtliche Grundlage zu geben, wurde am 03. September 1931 eine neue Verfassung proklamiert.

Die Parlamentswahlen am 08. November 1931 waren nicht frei und wurden von fast allen Parteien boykottiert. Hintergrund war, dass die wesentlichen Parteien verboten waren und die Stimmabgabe öffentlich erfolgen musste. Des Weiteren bevorzugte das Wahlgesetz überproportional die serbisch-zentralistischen Parteien. An den Wahlen nahm nur die Liste des königlichen Ministerpräsidenten  Petar Živković teil, so dass diese nach amtlichen Angaben 65 Prozent der Stimmen holte. Die anderen Parteien sprachen hingegen von Wahlbetrug.

Die Königsdiktatur beruhte in der Praxis auf einem reinen Polizeiregime. Die Bürgerrechte existierten zwar auf dem Papier, waren jedoch vollkommen aufgehoben. Durch ein königliches Dekret wurde die Deportierung und Internierung von politisch missliebigen Personen ohne entsprechende richterliche Anordnung ermöglicht. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Justiz wurde beseitigt. Sondergerichte, deren Urteile nicht angefochten werden konnten, urteilten über politische Gegner des Königs. Die Verhörmethoden der Polizei waren unter der jugoslawischen Bevölkerung berüchtigt und gefürchtet. Besonders hart wurden Kommunisten und Gewerkschaftler sowie kroatische und makedonische Nationalisten verfolgt. Doch auch die Führer der bis zur Errichtung der Königsdiktatur legalen Parteien wurden nicht verschont. So wurden unter anderem die bereits erwähnten Politiker Vladimir Maček, Svetozar Pribbičević und Anton Korošec verhaftet, deportiert oder interniert. Staatliche Willkür und staatlicher Terror beherrschten das innenpolitische Leben im Königreich Jugoslawien. Schon Bagatellen konnten ins Gefängnis führen, wobei nicht selten drakonische Strafen verhängt wurden.

In den 1930er Jahren bekämpfte die „Innere Makedonische Revolutionären Organisation“ („IMRO“) mit Gewalt die Herrschaft des jugoslawischen bzw. serbischen Königshauses auf dem Gebiet von Makedonien. Je nach Flügel in der IMRO sollte der jugoslawische Teil von Makedonien entweder Bulgarien angeschlossen oder unabhängig werden. Diese Art des Kampfes haben dann auch die kroatischen Nationalisten übernehmen wollen, um die jugoslawische bzw. serbische Herrschaft in Kroatien zu überwinden. Mit der „Revolutionären Kroatischen Auslandsorganisation“, kurz „Ustascha“, wurde eine entsprechende Organisation geschaffen. Als ihr Anführer sollte sich der Rechtsanwalt Ante Pavelić hervor tun, der während der deutschen Besetzung Jugoslawiens den „Unabhängigen Staat Kroatien“ (1941 – 1944) ausrief und ein brutales Regime errichtete.

Am 09. Oktober 1934 wurden König Alexander bei einem Staatsbesuch in Marseille / Frankreich und der französische Außenminister Louis Barthou ermordet. Der Attentäter, Velicko Kerin, dürfte ein Angehöriger der IMRO gewesen sein. Ob sein Name richtig war, konnte nie mit Sicherheit geklärt werden. IMRO und Ustascha haben bei diesem Attentat zusammengearbeitet. Einige Komplizen bei diesem Attentat wurden gefasst und zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt. Als Anstifter galten Ante Pavelić und zwei seiner Vertrauten. Sie wurden in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Aufgrund des politischen Hintergrundes des Attentates wurden sie jedoch nicht von Österreich und Italien ausgeliefert.

Nach dem Tod von König Alexander hätte Sohn Peter Thronnachfolger werden müssen. Da dieser im Jahre 1934 erst zehn Jahre alt war, sah das Testament des Königs bis zur Volljährigkeit von Peter einen dreiköpfigen Regentschaftsrat vor. An der Spitze diesen Rates stand Prinz Paul (Pavle) Karadjordjević, ein Vetter des Königs. Bis 1941 war er in die bestimmende Persönlichkeit in diesem Rat. Die Königsdiktatur und die innenpolitische Situation blieben zunächst unverändert. Doch ohne König blieb die Königsdiktatur auf Dauer instabil. Es kam zum Streit zwischen Anhängern der Diktatur und der Rückkehr zu einer parlamentarischen Demokratie. Um zu einem Ausgleich zu kommen, wurde das Parlament im Jahre 1935 aufgelöst und am 05. Mai 1935 seine Neuwahl durchgeführt. An dieser Wahl hatte sich auch das Bündnis „Vereinigte Opposition“ beteiligt, welches vom Vorsitzenden der Kroatischen Bauernpartei  Vladimir Maček geschmiedet wurde.

Bei den Wahlen erhielt die Regierungsliste 1,7 Millionen und die Vereinigte Opposition 1,1 Millionen Stimmen. Da allerdings nach dem Wahlgesetz von 1931 gewählt wurde, erhielt die Regierungsliste überproportional 301 und die Opposition nur 67 Sitze. Auf Basis dieses Ergebnisses lehnte die Opposition die Mitarbeit im Parlament ab und boykottierte es.

Nachdem im Laufe der Jahre einige Ministerpräsidenten verschlissen wurden, welche keine nennenswerten Reformen einleiteten, wurde im Jahr 1935 Milan Stojadinović zum jugoslawischen Ministerpräsidenten ernannt. Er amtierte bis Februar 1939 und setzte den autoritären Kurs fort. Allerdings war er ein anerkannter Finanzexperte, welcher die jugoslawische Währung Dinar stabilisierte und Akzente in der Wirtschaftspolitik setzte. In der Außenpolitik setzte er auf ein gutes Verhältnis zum Deutschen Reich sowie zu Frankreich und Italien. Des Weiteren wurde Jugoslawien Teil der sogenannten „Kleinen Entente“, einem Dreierbündnis mit der Tschechoslowakei und Rumänien. Bezüglich des kroatisch-serbischen Problems unternahm er jedoch nichts Wesentliches. Die Kroaten sahen in ihm daher auch ein Vertreter des jugoslawischen Zentralismus und beschuldigten ihn, ein Teil des wirtschaftlichen Potentials von Zagreb (Kroatien) nach Belgrad (Serbien) verlagert zu haben.

 

Der kroatisch-serbische Ausgleich

Anfang Februar 1939 wurde Milan Stojadinović gestürzt. Die Gründe hierfür sind nicht ganz klar. Es könnte daran gelegen haben, dass er sich als unfähig erwies, das kroatisch-serbische Problem zu lösen. Vielleicht befürchtete Prinzregent Paul auch, dass Stojadinović als Ministerpräsident – wie Mussolini in Italien – das Königshaus in den Hintergrund drängen könnte. So wurde Dragiša Cvetković jugoslawischer Ministerpräsident. Dieser nahm unverzüglich Verhandlung mit dem Vorsitzenden der Kroatischen Bauernpartei Vladimir Maček auf, um zu einem kroatisch-serbischen Ausgleich zu kommen. Dafür hatte er die volle Rückendeckung des Prinzregenten. Schon Ministerpräsident  Stojadinović hatte im Auftrag des Prinzregenten Geheimgespräche mit Maček geführt, welche jedoch ergebnislos blieben.

Hintergrund für diese innenpolitischen Maßnahmen zur inneren Stabilisierung Jugoslawiens dürften außenpolitische Erwägungen gewesen sein. Im März 1938 kam es zum Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Als nächstes wurden im Oktober 1938 zunächst die Sudetengebiete unter äußerem Zwang von der Tschechoslowakei an das Deutsche Reich abgetreten. Im März 1939 schließlich löste sich die Slowakei unter deutschem Druck von der Tschechoslowakei, während der tschechische Landesteil von der Deutschen Wehrmacht besetzt und als Protektorat Böhmen und Mähren an das Deutsche Reich angeschlossen wurde. Immer klarer wurde, dass alles auf einen Krieg hinauslaufen würde, welcher dann im September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen begann.

Am 30. April 1939 wurde zwischen Dragiša Cvetković und Vladimir Maček eine grundlegende Übereinkunft erreicht, welche jedoch von Prinzregent Paul abgelehnt wurde. Die Verhandlungen gingen jedoch weiter. Jetzt taktierte der kroatische Verhandlungsführer unter Nutzung seiner guten Kontakte zu Deutschland und Italien. Im Raum standen Szenarien, wie die Abspaltung Kroatiens mit Hilfe des Deutschen Reiches oder die Errichtung eines Protektorates Kroatien. Seit dem Anschluss Österreichs hatten das Deutsche Reich und das Königreich Jugoslawien eine gemeinsame Grenze.

Unter diesen Bedingungen kam es am 23. August 1939 zum Ausgleich zwischen den Kroaten und Serben, dem „Sporazum“ („Ausgleich“ oder „Verständigung“). Am 26. August 1939 wurde die Banschaft Kroatien errichtet. Diese verfügte über einen hohen Grad an Autonomie. Der „Ban“ als höchste Instanz der Banschaft war eine Art Vizekönig und nur dem Träger der jugoslawischen Krone verantwortlich. Zwischen dem Ban und dem König gab es keine zwischengeschaltete Instanz. Die Banschaft verfügte mit dem „Sabor“ über ein eigenes Parlament mit dem Recht zur Gesetzgebung. Der Ban wurde zwar vom König ernannt, jedoch erst nach Anhörung des Präsidenten des Sabor. In die Angelegenheiten der Banschaft konnte der jugoslawische König nur dann eingreifen, wenn seine Verfügungen von Ban gegengezeichnet wurden. Zu den Kompetenzen der Banschaft gehörten Handel, Industrie, Landwirtschaft, Waldwirtschaft, Bergbau, Gesundheit, Kultur und Unterrichtswesen. Hinzu kam eine innere Verwaltung der Banschaft mit eigener Gerichtsbarkeit. Die Banschaft verfügte mit der Gendarmarie auch über eine eigene Polizeiorganisation. Beim jugoslawischen Gesamtstaat verblieben die Außenpolitik, Finanzpolitik, Verkehrspolitik, Staatssicherheit und Verteidigung. Die Banschaft Kroatien umfasste etwa 26,6 Prozent des Territoriums des Königreiches Jugoslawien und hatte 4,4 Millionen Einwohner. Das Königreich Jugoslawien hatte zu dieser Zeit insgesamt 15,5 Millionen Einwohner, so dass die Bevölkerung der Banschaft einen Anteil von 28,6 Prozent an der jugoslawischen Gesamtbevölkerung ausmachte. Eine genaue Grenzziehung der Banschaft sollte erst nach einer Neuorganisation des Königreiches Jugoslawien erfolgen. Hierbei sollten allerdings Gebiete aus der Banschaft Kroatien wieder herausgelöst, welche über keine kroatische Bevölkerungsmehrheit verfügten.

Der kroatisch-serbische Ausgleich war auf beiden Seiten umstritten. Kroatische Nationalisten verlangten eine Banschaft in den historischen Grenzen Kroatiens. Des Weiteren wollten sie auch, dass die Banschaft Kroatien über eigene bewaffnete Streitkräfte verfügen sollte. Die gemäßigten serbischen Kreise störten sich vor allem an den Geheimverhandlungen und den territorialen Umfang der Banschaft. Serbische Nationalisten sahen sogar eine Katastrophe für Serbien heraufziehen. Unzufrieden blieben auch die Slowenen, für welche es keine entsprechende Lösung gab. Hinzu kam der ungeklärte Status für die ethnischen bzw. slawischen Makedonier, Montenegriner und Moslems (Bosniaken).

Der kroatisch-serbische Ausgleich blieb ein Thema bis in die zweite Hälfte des Jahres 1940. Offen blieb, wie die Neuorganisation des Königreiches Jugoslawien aussehen sollte. Es war unklar, ob das Königreich Jugoslawien nach ethnischen Gesichtspunkten föderalisiert und in entsprechende Banschaften gegliedert werden sollte. Der kroatisch-serbische Ausgleich kam zu spät und konnte innerhalb seiner relativ kurzen Existenz bis April 1941 keine nennenswerte Wirkung mehr entfalten.

 

Das Ende des Königreiches Jugoslawiens

Die außenpolitische Situation verdrängte zunehmend die innenpolitischen Themen. Am 28. Oktober 1940 versuchte Italien von Albanien aus in Griechenland einzufallen. Zwar scheiterte dieser Überfall, doch rückte der Balkan damit zunehmend in die Wirren des Zweiten Weltkrieges. Ein Angriff des Deutschen Reiches auf Griechenland wurde immer wahrscheinlicher. Regionale Verbündete der Deutschen waren Bulgarien, Rumänien, die Slowakei und Ungarn. Diese traten auch dem Dreimächtepakt von Deutschland, Italien und Japan bei. Unter diesen Umständen versuchte das Königreich Jugoslawien gute Beziehungen zum Deutschen Reich zu unterhalten. Prinzregent Paul besuchte im Juni 1939 Berlin. Auch Ministerpräsident Dragiša Cvetković und Außenminister Cincar-Marković bemühten sich um gute Beziehungen zu Berlin.

Das Deutsche Reich benötigte Jugoslawien als mögliches Durchzugsgebiet für seinen geplanten Griechenland-Feldzug. Auch wurde Jugoslawien als strategischer Partner bezüglich seiner für die Rüstung wichtigen Rohstoffe benötigt. Aus diesen Gründen wollte der deutsche Führer und Reichskanzler Adolf Hitler Jugoslawien als Unsicherheitsfaktor ausschalten. In Fuschl bei Salzburg und auf dem Berghof in Berchtesgaden fanden im Februar 1941 Gespräche zwischen Adolf Hitler, Dragiša Cvetković und Cincar-Marković statt. Hitler verlangte den Beitritt Jugoslawiens zum Dreimächtepakt. Allerdings zögerte sowohl Prinzregent Paul als auch die jugoslawische Regierung. Als deutsche Truppen von Rumänien über die Donau nach Bulgarien einzumarschieren begannen, erklärte sich der Prinzregent bereit dem Dreimächtebündnis beizutreten, unter der Voraussetzung, dass Jugoslawien die Achsenmächte nicht militärisch unterstützen müsse. Diese Forderung akzeptierte Hitler, so dass Ministerpräsident Dragiša Cvetković und Außenminister Cincar-Marković am 25. März 1941 im Wiener Belvedere den Beitritt zum Dreimächtepakt unterzeichneten. Das Deutsche Reich verpflichtete sich im Beitrittsprotokoll die territoriale Integrität des Königreiches Jugoslawien zu akzeptieren, keine Truppen und kein Kriegsmaterial durch das Königreich zu transportieren und keinen Beitrag von Jugoslawien zu Kriegshandlungen zu verlangen.

Der Beitritt zum Dreimächtepakt war kein freiwilliger Akt des Königreiches Jugoslawien. Vielmehr wollten Prinzregent Paul und die jugoslawische Regierung das Königreich aus dem Krieg heraushalten. Am 27. März 1941, zwei Tage nach der Unterzeichnung des Dreimächtepaktes, kam es in Belgrad zu einem Putsch durch serbische Generäle. Der Prinzregent und die jugoslawische Regierung unter Ministerpräsident Dragiša Cvetković wurden gestürzt. Angeführt wurde der Putsch vom Befehlshaber der Luftwaffe Dušan Simović, welcher eine Regierung unter seiner Leitung bildete. Die Hintergründe für den Putsch sind bis heute nicht restlos geklärt. Die Putschisten reagierten dilettantisch, als sie den Dreimächtepakt aufkündigten und erklärten, das Jugoslawien seine internationalen Verpflichtungen erfüllen wolle. Es hätte klar sein müssen, dass dadurch Jugoslawien in den Krieg mit hineingezogen würde. Allerdings hatten sowohl das Vereinigte Königreich als auch die damaligen Sowjetunion durchaus ein Interesse an eine Ausweitung des Krieges auf Jugoslawien. Wahrscheinlich hatte das Vereinigte Königreich über Agenten an dem Putsch mitgewirkt. Das Vereinigte Königreich war an einer Schwächung der deutschen Armee interessiert und die Sowjetunion hoffte darauf, dass damit ein möglicher deutscher Angriff auf die Sowjetunion verhindert würde. Die Putschisten versuchten sogar noch am 05. April 1941 einen Freundschafts- und Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion abzuschließen. Doch die Hoffnungen des Vereinigten Königreiches und der Sowjetunion wurden nicht erfüllt. Die deutsche Armee blieb zunächst stark und griff am 22. Juni 1941 die Sowjetunion an. Doch auch das Königreich Jugoslawien blieb nicht verschont.

Am 06. April 1941 griff das Deutsche Reich ohne Kriegserklärung das Königreich Jugoslawien an. Es begann mit der Bombardierung der jugoslawischen Hauptstadt Belgrad und dem Einmarsch von deutschen Truppen. Sie erreichten fast kampflos am 10. April 1941 Zagreb und am 15. April 1941 Sarajevo. Am 17. April 1941 kapitulierte die 750.000 Mann starke jugoslawische Armee bedingungslos, womit der Vielvölkerstaat Jugoslawien wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel. Das Königreich Jugoslawien hatte damit faktisch aufgehört zu bestehen. Beim deutschen Feldzug vom 06. bis zum 17.04.1941 gab es 151 Tote, 392 Verletzte und 15 Vermisste. Das Königreich Jugoslawien bildete in London eine Exilregierung. Insgesamt kamen aufgrund des Krieges, der Besatzung und eines Bürgerkrieges zwischen den jugoslawischen Völkern von 1941 bis 1945 rund 1,7 Millionen Menschen ums leben.

Jugoslawien wurde von den Besatzungsmächten Bulgarien, Deutschland und Italien aufgeteilt. Slowenien wurde zwischen dem Deutschen Reich und Italien aufgeteilt. Kroatien als Verbündeter des Deutschen Reiches wurde zum „Unabhängigen Staat Kroatien“. Dieser Staat umfasste neben dem kroatischen Territorium fast ganz Bosnien und Herzegowina und die Provinz Srem. Unter Führung von Ante Pavelić, welcher sich als Führer bezeichnete, wurde Kroatien zu einem faschistischen Staat. Die Deutschen hätte lieber den Führer der Kroatischen Bauernpartei Vladimir Maček an der Spitze des kroatischen Staates gesehen, doch der lehnte ab. Dalmatien wurde von Italien annektiert. Serbien wurde zerstückelt und der Rest auf eine Größe reduziert, welche Serbien im 19. Jahrhundert hatte. Dieses verkleinerte Serbien hatte eine Kollaborationsregierung und stand unter deutscher Militärverwaltung. Die Vojvodina kam zum Teil unter ungarischer und zum Teil unter deutscher Verwaltung. Das Kosovo wurde von Italien aus Serbien herausgelöst und mit Albanien zu einem Großalbanien vereinigt. Der jugoslawische Teil von Makedonien kam unter bulgarischer Besatzung und Verwaltung. Der albanisch besiedelte westliche Teil Makedoniens wurde ebenfalls dem Großalbanien zugeschlagen. Montenegro stand unter italienischer Herrschaft. Zunächst versuchte Italien Montenegro als Königreich zu installieren. Da die montenegrinische Krone jedoch keinen Rückhalt in der Bevölkerung hatte, wurde dieser Plan wieder aufgegeben.

 

Nachbetrachtung

Der erste jugoslawische Staat scheiterte vor allem aufgrund seiner inneren Gegensätze. Ein jugoslawisches Gemeinschaftsgefühl hatte sich nicht herausgebildet um den gemeinsamen Staat zu verteidigen. Die jugoslawischen Völker trennte schon vor Gründung des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen im Jahre 1918 eine unterschiedliche historische und kulturelle Entwicklung, was im Ergebnis auch zu unterschiedlichen Traditionen und Vorstellungen über den gemeinsamen Staat führte.

Die Serben, Montenegriner und ethnischen bzw. slawischen Makedonier standen fast 500 Jahre unter osmanischer Herrschaft oder zumindest unter osmanischem Einfluss. Hierbei galten die Montenegriner trotz ihrer relativen Selbstständigkeit als Teil des serbischen Volkes. Die ethnischen bzw. slawischen Makedonier waren ebenfalls nicht als eigenes Volk anerkannt. Ihre nationale Zugehörigkeit war zwischen Bulgaren, Griechen und Serben umstritten. Die Slowenen und Kroaten standen in ihrer überwiegenden Mehrheit nie unter osmanischer Oberhoheit, sondern waren in Österreich und Ungarn mit einbezogen und mitteleuropäisch geprägt. Kroatien war zwischen 925 und 1102 ein Königreich. Ab dem Jahr 1102 geriet es in eine Personalunion mit Ungarn und war bis zum Ende des Kaiserreiches Österreich-Ungarn im Jahre 1918 bis auf Dalmatien Bestandteil des Königreiches Ungarn. Dalmatien gehörte ebenso wie Slowenien zu Österreich. Die Slowenen hatten bis 1945 nie einen eigenen Staat, konnten jedoch über die Jahrhunderte ihre kulturelle Geschlossenheit wahren. Das Königreich Serbien wurde im Jahre 1862 proklamiert, die südslawischen Gebiete Österreich-Ungarns mit Slowenien und Kroatien wurden erst 1918 unabhängig. Allerdings bildeten weder die Kroaten, noch die Serben absolut geschlossene Siedlungsgebiete, so dass es auch innerhalb dieser Völker kulturelle Unterschiede gibt.

Bosnien und Herzegowina nimmt eine Zwischenstellung ein. Zunächst war es unter osmanischer Herrschaft, dann kam es unter die Hoheit von Österreich-Ungarn. Dort leben Muslime (Bosniaken), Kroaten und Serben. Die Muslime hatten im Laufe der Geschichte ein eigenes Nationalbewusstsein entwickelt. Als eigene Ethnie wurde sie erst im Jahre 1968 im Rahmen der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ anerkannt. Zuvor wurden sie den Kroaten oder Serben zugerechnet. Darüber hinaus zählten von den rund 12 Millionen Einwohnern des Königreiches im Jahre 1918 nur etwa 10 Millionen zu den Serben, Kroaten und Slowenen. Bei den übrigen rund zwei Millionen Einwohnern handelte es sich um Nichtslawen: Deutsche (505.000), Ungarn (467.000), Albaner (439.000) und Rumänen (231.000).

Die unterschiedlichen Prägungen, aufgrund ihrer separaten geschichtlichen und kulturellen Entwicklung, ließen sich in einem gemeinsamen Staat nicht ausgleichen. Die Serben waren stark zentralistisch eingestellt und beanspruchten die Vorherrschaft im gemeinsamen Staat der Südslawen. Vorrangiges Ziel war die Vereinigung aller Serben in einem Staat. Die Kroaten und Slowenen wollten die vollständige Gleichberechtigung mit den Serben, strebten eine Machtteilung an und waren föderalistisch eingestellt. Bei den anderen, noch nicht anerkannten südslawischen Völkern kam es zu eigenständigen nationalen Entwicklungen. Des Weiteren fehlte im südslawischen Königreich eine demokratische Kultur, stattdessen herrschte Unfreiheit, Unterdrückung und Terror.

Im Jahre 1941 begann der kommunistisch-jugoslawische Partisanenkampf unter Führung von Josip Broz Tito. Dieser Kampf war erfolgreich und führte bereits während des Kampfes am 29. November 1943 zur Gründung einer kommunistisch-jugoslawischen Föderation unter Gleichberechtigung der jugoslawischen Völker, welche jeweils einen jugoslawischen Gliedstaat zugesprochen bekamen. Am 29. November 1945 wurde die „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ proklamiert, welche im Jahre 1963 in „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) umbenannt wurde. Mit dieser Proklamation endete formell das Königreich Jugoslawien. Auch der zweite jugoslawische Staat scheiterte. In den Jahren 1991/92 brach dieser aufgrund seiner inneren Gegensätze auseinander.

Das Scheitern von beiden jugoslawischen Staaten (1918 – 1941 und 1943 – 1991) ist natürlich komplex, doch hatten beide vergleichbare Konstruktionsfehler. Beide Male fehlte eine demokratische und pluralistische Kultur und die Staatsorganisation basierte auf einer Hegemonie: zunächst einer national-serbischen und dann einer ideologisch-kommunistischen. Die innere Struktur der jugoslawischen Staaten ließ die Idee eines gemeinsamen südslawischen Staates scheitern. Heute leben die südslawischen Völker jeweils in ihren eigenen Staaten, welche aus dem Zerfall der SFRJ hervorgingen. Doch der Traum einer Gemeinschaft der südslawischen Völker unter einem Dach ist dennoch nicht endgültig gescheitert. Eines Tages dürften alle südslawischen Völker unter dem Dach der Europäischen Union (EU) vereint sein.