Der Kultur- und Namensstreit mit Griechenland ist offiziell beendet, die Republik Nord-Makedonien ist NATO-Mitglied und auch für den offiziellen Start der Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union (EU) gibt es grünes Licht. Die kulturellen und historischen Streitpunkte sollen im Rahmen von jeweils bilateralen und paritätisch zusammengesetzten Gremien zwischen Bulgarien, Griechenland und Nord-Makedonien geklärt werden.
Trotz dieser günstigen Rahmenbedingungen bleiben genügend Herausforderungen für die Republik Nord-Makedonien bestehen. Gerade mit Bulgarien scheint der Kulturstreit trotz einer formellen Einigung noch nicht überwunden zu sein. So verlangt Bulgarien, dass keine makedonische Sprache, sondern nur eine Amtssprache der Republik Nord-Makedonien anerkannt wird. Für Bulgarien ist die makedonische Sprache ein west-bulgarischer Dialekt. Doch für die makedonische Identität der Mehrheitsbevölkerung in Nord-Makedonien ist die makedonische Sprache, welche mittlerweile auch von Griechenland anerkannt wird, ein wichtiges Fundament. Diese steht aus Sicht der Republik Nord-Makedonien auch nicht zur Disposition. Doch auch die nationale Identität von Goce Delčev sowie die Einordnung der bulgarischen Besatzung im damals jugoslawischen Teil von Makedonien (heute Nord-Makedonien) bleiben gewichtige Streitpunkte zwischen beiden Staaten. Der einzig richtige Weg bleibt hier die wissenschaftlich-objektive Klärung im Rahmen des Gremiums, frei von politischen Erwägungen.
Die Corona-Krise ist eine weitere große Herausforderung für Nord-Makedonien. Die wirtschaftlichen Folgen sind noch nicht abschätzbar. Doch dürfte die Wirtschaft Nord-Makedoniens stark unter der Corona-Krise und den daraus resultierenden Maßnahmen leiden. Ohne weitere finanzielle Hilfen, teilweise sind bereits europäische und internationale Hilfen geflossen, dürfte eine Erholung der Wirtschaft nur schwer vorankommen.
Relativ große Übereinstimmung herrschte zwischen den politischen Parteien die ursprünglich für den 12. April 2020 vorgesehenen vorgezogenen Parlamentswahlen zu verschieben. Aufgrund des ausgerufenen Ausnahmezustandes wurden diese Parlamentswahlen auf unbestimmte Zeit verschoben. Da das bisherige Parlament aufgelöst ist, was das Verfassungsgericht der Republik Nord-Makedonien auch bestätigte, existiert derzeit kein gewähltes Parlament. Diese Situation ist natürlich unbefriedigend, da jetzt sehr viel Macht beim Staatspräsidenten und der Übergangsregierung liegt. Mittlerweile ist eine Diskussion entbrannt, wann gewählt werden soll. Wahrscheinlich ist eine Wahl im Juni oder Juli 2020.
Die politische Stimmungslage spiegelte bisher auch die Spaltung der Gesellschaft wieder, besonders in Befürwortern und Gegnern des Kultur- und Namenskompromisses mit Griechenland. In Umfragen lieferten sich die sozialdemokratische SDSM und die nationalkonservative VMRO-DPMNE ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die konkrete Regierungsbildung dürfte daher auch von anderen Parteien, besonders denen der albanischen Gemeinschaft in Nord-Makedonien abhängen. Wie sich die Corona-Krise und die Maßnahmen der Regierung auf die politische Stimmungslage auswirken ist derzeit noch offen.
Der Weg für die Republik Nord-Makedonien in die Europäische Union (EU) ist freigemacht. Aber das Ziel ist noch nicht erreicht. Bis dahin muss sich Nord-Makedonien den bestehenden Herausforderungen stellen. Das gilt für jede mögliche Regierung und für alle Parteien in Nord-Makedonien.