Bulgarien versucht mit Druck die Eigenständigkeit der makedonischen Nation und Sprache zu unterlaufen. Nach Auffassung Bulgariens seien die ethnischen Makedonier Teil der bulgarischen Kulturnation und die makedonische Sprache ein west-bulgarischer Dialekt.
Eigentlich sollen solche Fragen aufgrund des „Vertrages zur Freundschaft, Guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit“ vom 01. August 2017 durch eine gemeinsame multidisziplinäre Expertenkommission für historische und bildungsrelevante Fragen auf paritätischer Grundlage geklärt werden. So soll die gemeinsame Geschichte bzw. die jeweilige Geschichte der beiden Staaten nach objektiven, authentischen und wissenschaftlichen Kriterien bewertet und der Deutungshoheit durch die Politiker entzogen werden. Historische Ereignisse und Persönlichkeiten sollen aufgrund der vielfältigen Verbindungen zwischen Bulgarien und Makedonien in der Vergangenheit gemeinsam begangen werden und sollen damit als Bestandteile der Geschichte und Kultur von beiden Nationen gelten können. Damit wollten die Republiken Bulgarien und Nord-Makedonien ein neues Kapitel in ihren Beziehungen beginnen und ihre kulturellen Streitigkeiten endgültig beilegen.
Aufgrund der Wahlen in Nord-Makedonien hat diese Kommission seit einigen Monaten nicht gearbeitet. Dies nimmt Bulgarien nun als Anlass mit einer Blockade des Starts von EU-Beitrittsgesprächen mit Nord-Makedonien zu drohen. Den Vertretern Nord-Makedoniens in dieser Kommission wird vorgeworfen das Konzept der gemeinsamen Geschichte in Frage gestellt zu haben, in dem sie von einer „geteilten“ oder „einer miteinander verflochtenen“ Geschichte sprechen würden. Des Weiteren wirft Bulgarien der Republik Nord-Makedonien eine anti-bulgarische Haltung und daraus resultierende Hassreden im Zuge der vorgezogenen Parlamentswahlen vor.
Nach Auffassung des stellvertretenden Ministerpräsidenten der Republik Nord-Makedonien, Nikola Dimitrov, würde die Sprache keiner Anerkennung oder Nichtanerkennung durch andere Staaten unterliegen, da im heutigen Europa das Recht der Völker auf Selbstbestimmung und Selbstidentifikation anerkannt sei. Selbst in Bulgarien gibt es kritische Auffassungen zur Nichtanerkennung der Eigenständigkeit der makedonischen Nation und Sprache. So schrieb der bulgarische Soziologe Ivaljo Dičev für die Deutsche Welle: „Bulgarien würde eigentlich den Vorwurf erheben, dass Nord-Makedonien überhaupt nicht existiert. Und wenn diese neue Nation sich beharrlich weigert, sich selbst abzuschaffen, betrachtet Bulgarien dies als einen Akt der Aggression.“
Das offizielle Bulgarien argumentiert mit dem Schutz vor historischen und sprachlichen Ansprüchen von Seiten der Republik Nord-Makedonien. So verlangt Bulgarien nicht nur die unverzügliche Wiederaufnahme der Arbeit der Kommission, sondern auch konkrete Ergebnisse. Wobei die bulgarische Regierung, welche im Volk derzeit extrem umstritten und Gegenstand von großen Protesten ist, entgegen des Geistes des „Vertrages zur Freundschaft, Guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit“ die Ergebnisse dieser Kommission in Teilen präjudizieren möchte.
Die Regierung von Bulgarien versucht letztendlich die Arbeit der Kommission politisch in ihrem nationalen Sinne zu beeinflussen und die mögliche Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen mit Nord-Makedonien aufgrund vorgeschobener Gründe als Druckmittel zu missbrauchen. Die Geschichte von Bulgarien und Nord-Makedonien ist sicher miteinander verwoben, doch ist sie in entscheidenden Teilen auch getrennt verlaufen. Den genauen Verlauf der Geschichte dieser Region kann nur eine Expertenkommission nach objektiv-wissenschaftlichen Kriterien ermitteln. Die Politik hat sich da herauszuhalten und muss eine objektiv-wissenschaftliche Klärung der Geschichte gewissenhaft unterstützen.