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Sepp Kusstatscher (MdEP) im Interview zum Thema Mazedonien

Der italienische Europaparlamentarier Sepp Kusstatscher aus Bozen sitzt für die Grünen im Europaparlament und ist Mitglied der EP- Delegation im Gemischten Parlamentarischen Ausschuss der EU-Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien.

Im Interview mit der mazedonischen Tageszeitung „Nova Makedonija“ skizziert er, wie Griechenland mit der Drohung und Missbrauch von Vetos ihre eigenen Standpunkte in die EU einbringt und somit ihre Standpunkte kategorisch durchsetzt. Die damit griechisch beeinflusste EU-Politik ist nicht mehr in der Lage, subjektiv Entscheidungen zu treffen.

Das Interview wurde geführt von Ivana Kostovska.

Herr Kusstatscher, wie hoch sind die Chancen, dass Mazedonien dieses Jahr ein Startdatum für EU-Beitrittsverhandlungen genannt bekommt?

Auch wenn ich hoffe, dass die Verhandlungen für den Beitritt Mazedoniens in die EU 2009 starten, habe ich seriöse Zweifel, dass sich dieses Ziel nicht verwirklichen lässt. Der Balkan ist eine Priorität der tschechischen Präsidentschaft, jedoch wird immer nur von Kroatien gesprochen, und nicht von Mazedonien. Mit welcher Geschwindigkeit sich dieser Prozess entwickeln wird, hängt stark von den Anstrengungen der mazedonischen Regierung ab.

Die mazedonischen Studenten haben in der letzten Woche in Brüssel für die Abschaffung der EU- Visumpflicht protestiert. Ist es möglich, dass dieses Thema aufgrund der Anstehenden EU-Parlamentswahlen vertagt oder durch Griechenland blockiert wird?

Ich bin überzeugt, dass die Visabefreiung erfolgreich in Kraft treten wird und habe keine Kenntnisse darüber, dass es irgendwelche formellen Hindernisse oder anderen politischen Absprachen gibt. Ich glaube nicht, dass Griechenland diesen Prozess blockieren wird, oder dass die EP-Wahlen in diesen Prozess Einfluss nehmen werden.

Es scheint so, als ob die EU kontinuierlich immer wieder neue Kriterien für Makedonien aufträgt, um vielleicht in einer nächsten Runde die wirklichen Gründe dafür zu geben, warum es bisher noch keinen Verhandlungsbeginn gegeben hat. Gibt es Chancen, dass Mazedonien die Verhandlungen beginnen kann, wenn alle Kriterien erfüllt sind, aber der Name nicht geändert wird?

Ich verneine nicht, dass es einen Druck aus Griechenland bzgl. des Namens gibt, der den gesamten Prozess erschwert, jedoch bin ich überzeugt, dass wenn alle anderen Kriterien erfüllt sind, wird sich die Kommission und das Parlament darauf einigen, ein Datum für den Beginn der Beitrittsverhandlungen anzusetzen. Auch wenn es so aussieht, dass in den Treffen mit den mazedonischen Politikern neue Kriterien eingebracht werden, so bedeutet dies nicht, dass in der Gesamtheit neue Forderungen enthalten sind. Mazedonien hat noch Hausaufgaben zu erledigen, die Teil des EU-Standards sind: Faire Wahlen, Schutz der Minderheiten, Menschenrechte, Gesetze. Die mazedonischen Politiker müssen nicht unberuhigt sein, wenn wir Politiker des EP bspw. auf die Zustände in den Gefängnissen reagieren.

Wie sehen Sie das Problem mit dem Namen zwischen Mazedonien und Griechenland?

Ich habe kein Verständnis für die Standpunkte von Griechenland. Wieso soll Griechenland das „Recht“ haben, einem anderen Land den Namen zu verbieten? Wenn die griechische Region den gleichen Namen trägt, bedeutet dass nicht, dass das Nachbarland diesen Namen nicht tragen darf. Im Gegensatz, Mazedonien müsste Griechenland verbieten, die Region so zu nennen. Vor 1991 existierten auch zwei Makedonien, und dies war kein Problem. Ich selber stamme aus einer Region, in welcher die Menschen bis heute noch sauer und verbittert sind, weil die Namen der Städte und Gemeinden künstlich und willkürlich umbenannt wurden. Deshalb verstehe ich auch die Mazedonier, die für ihren Namen kämpfen. Leider sind die Standpunkte eines Mitgliedslandes über denen der EU, weil dieses durch den Missbrauch der politischen Macht des Vetos die gesamte EU-Politik schwächt.

Wie soll Mazedonien einen Kompromiss mit Griechenland finden, und gleichzeitig nicht ihre Identität verlieren?

Dies ist eine Frage, auf die man nicht antworten kann. Ich gehe davon aus, dass der Namen Mazedonien auch ohne die Erlaubnis Griechenlands weiter erhalten bleiben wird. Die Identität der Mazedonier wird nicht vom Namen des Landes abhängen. Ein mazedonisch sprechender Albaner kann eine andere Identität haben, als ein Roma in Tetovo oder ein Türke in Skopje. Alle Menschen in Mazedonien müssen ihre jeweiligen Unterschiede kennen und sich gegenseitig respektieren, die Verschiedenheit als Chance sehen. Das Motto der EU ist „Vereint in der Verschiedenheit“. Auf diese Weise kann Mazedonien als kleines Europa interpretiert werden, mit allen inneren Kulturen und Unterschieden.

Welche Ereignisse müssen dieses Jahr eintreten, damit die Eurointegration Mazedoniens beschleunigt wird?

Mazedonien muss schrittweise aktiv alle europäischen Direktiven erfüllen, nicht nur über die Gesetzgebung, sondern im täglichen Leben. Wichtig ist, dass sie weiterhin gut mit den Vertretern der EU zusammenarbeiten.

Welche Zukunft prognostizieren Sie dem Balkan?

Um das Jahrhundert der Konflikte zu überwinden und einen langfristigen Frieden auf dem Balkan zu erreichen, eine wirtschaftlich-soziale Politik zu promovieren, die langfristig, durchhaltbar und integrativ ist, muss die gesamte Balkanregion in die EU integriert werden.
Wenn einmal alle Länder Mitglied der EU sind, wird es nicht mehr wichtig sein, von welcher Region oder welchem Land man abstammt. Es wird weniger wichtig sein, ob ein Albaner in Mazedonien, im Kosovo, Albanien oder in Serbien lebt. Diese kleinen Nationalismen müssen in der Vergangenheit bleiben.

Quelle: NM