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Sein oder Nichtsein – das ist hier die spezielle makedonische Frage

Der sogenannte Namensstreit um den verfassungsmäßigen Namen der Republik Makedonien zwischen dieser und der Hellenischen Republik (Griechenland) ist ein Drama das vor 20 Jahren begann und bisher leider kein Ende gefunden hat. Wann wird in diesem Drama der letzte Vorhang fallen und vor allem: Wie wird es Enden?

Allgemeiner Hintergrund

Am 18.09.1991 erklärte sich die vormals jugoslawische Republik Makedonien unter ihrem verfassungsmäßigen Namen „Republik Makedonien“ zu einem unabhängigen Staat. Bis dahin war die „Republik Makedonien“ ein konstitutiver Bestandteil der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ (SFRJ). Die Hellenische Republik erhob aus historischen und politischen Gründen Einspruch gegen den bisherigen Staatsnamen. In die Vereinten Nationen ist die Republik Makedonien am 08.04.1993 unter dem vorläufigen Namen „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“, abgekürzt „EJRM“, aufgenommen worden. Seitdem wird im multilateralen Verkehr dieser Name verwendet. Die einzelnen Staaten verwenden je nach Standpunkt in ihren bilateralen Beziehung den Namen „Republik Makedonien“ oder „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“. Eine sehr große Mehrheit der Staaten hat die Republik Makedonien allerdings in ihren bilateralen Beziehungen zur ihr unter ihrem verfassungsmäßigen Namen anerkannt. Der Namensstreit belastet die Beziehungen zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik sowie verhindert bisher eine Integration der Republik Makedonien in die EU und NATO. Der Namensstreit ist bis heute nicht gelöst. Verhandlungen zwischen beiden Staaten unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen verliefen bisher ergebnislos. Am 09.02.2011 soll wieder ein bilaterales Treffen zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik zur Lösung des sogenannten Namensstreits im Rahmen der Vereinten Nationen stattfinden. Geleitet werden diese Gespräche im Rahmen der Vereinten Nationen seit 1994 vom VN-Sondervermittler Matthew Nimetz.

Der Beginn

Der baldige Zerfall der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ (SFRJ) zeichnete sich im Jahr 1991 immer deutlicher ab. Die SFRJ bestand bis zu ihrem Zerfall aus sechs „Sozialistischen Republiken“ und aus zwei „Sozialtisch Autonomen Gebietskörperschaften“ im Verband der Sozialistischen Republik Serbien. Proklamiert wurde die SFRJ als „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ am 29.11.1945, gegründet wurde sie auf der zweiten Tagung des „Antifaschistischen Rates zur Volksbefragung Jugoslawiens“ (AVNOJ) im bosnischen Jajce bereits am 29.11.1943. Auf dieser zweiten Tagung sind die ethnischen oder slawischen Makedonier erstmals als Nation und damit gleichberechtigt mit den anderen jugoslawischen Völkern anerkannt worden. Mit dieser Anerkennung war auch die Schaffung der „Volksrepublik Makedonien“ innerhalb der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien verbunden. Mit der ersten Tagung der „Antifaschistischen Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens“ (ASNOM) im makedonischen Kloster Prohor Pčinsk am 02.08.1944 wurde der Schlussakt zur Gründung des makedonischen Staates mit dem Namen „Volksrepublik Makedonien“ eingeleitet“. Am 07.03.1963 wurde eine Änderung der Staatsbezeichnungen Jugoslawiens und Makedoniens beschlossen, die am 07.07.1963 in Kraft trat. Die Föderative Volksrepublik Jugoslawien hieß von nun an „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ und die Volksrepublik Makedonien „Sozialistische Republik Makedonien“. Das Drama mit dem Namensstreit fing im Jahr 1991 an, als sich der baldige Zerfall der SFRJ immer klarer abzeichnete und damit auch die mögliche Unabhängigkeit der Sozialistischen Republik Makedonien. Am 15.04.1991 änderte das makedonische Parlament den Staatsnamen von Sozialistische Republik Makedonien in „Republik Makedonien“ um. Im Mai 1991 kündigte die Hellenische Republik an, die völkerrechtliche Anerkennung der „Republik Makedonien“ unter ihrem verfassungsmäßigen Namen verhindern zu wollen. Damit war der sogenannte Namensstreit geboren und das Drama um den Namen „Makedonien“ begann.

Historischer Hintergrund

Die Begriffe „Makedonien“ und „Makedonier“ entstammen aus der Antike und werden nach der mehrheitlichen Auffassung in der Wissenschaft mit dem antiken Griechenland assoziiert. Die antiken Makedonier waren nach der vorherrschenden Auffassung ein mit Illyriern und wohl auch Thrakern vermischter antiker griechischer Volksstamm. Dieser Volksstamm wanderte nach  1200 v. Chr. in das Gebiet des antiken Makedonien ein. Es gibt auch die Auffassung wonach die antiken Makedonier zunächst als nichtgriechischer Volksstamm eingewandert waren und erst später hellenisiert wurden. Diese These wird jedoch von einer Mehrheit in der Wissenschaft nicht unterstützt. Als gesichert gilt jedoch, dass die antiken Makedonier aufgrund ihrer Randlage sowie thrakischer und illyrischer Einflüsse gegenüber den anderen antiken griechischen Völkern recht eigenständig waren. Desweiteren gilt heute als gesichert, dass die antiken Makedonier ein indogermanischer Volksstamm waren, der heute nicht mehr existiert. Die antiken Makedonier sind restlos mit den anderen antiken griechischen Stämmen und wahrscheinlich auch anderen Völkern in dem Hellenentum der alexandrinischen, römischen und byzantinischen Zeit aufgegangen. Die Sprache der antiken Makedonier ist nur noch aus Personen- und Ortsnamen sowie aus Glossen bekannt. Ob die Sprache der antiken Makedonier ein griechischer Dialekt oder eine eigenständige Sprache war, die mit der griechischen Sprache verwandt war, ist bis heute noch nicht abschließend geklärt. Die bisherigen bekannten Überreste der antiken makedonischen Sprache können sowohl auf einen griechischen Dialekt als auch auf eine eigenständigen Sprache hindeuten, die mit der griechischen Sprache verwandt war. Das geographische Gebiet des antiken Makedonien ist nur zum Teil identisch mit dem geographischen Gebiet des heutigen Makedonien. Schon die römische Provinz „Macedonia“ umschloss Gebiete, die bisher nicht zum antiken Makedonien gehörten. Umgekehrt gingen Teile des bisherigen antiken Makedonien auch in anderen römischen Provinzen auf. Im Laufe der Geschichte änderte sich die materielle geographische Bedeutung des Begriffes Makedonien immer wieder. Als Makedonien im heutigen geographischen Sinne wird in der politisch-geographischen Terminologie ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jene Region bezeichnet, die zu den ersten Gebieten auf europäischem Boden gehörte, die vom Osmanischen Reich erobert worden ist, und die bis 1912 am längsten von allen Teilen des Balkan unter Herrschaft des Osmanischen Reiches blieb, während die Staaten Bulgarien, Montenegro, Serbien und Griechenland spätestens ab dem Jahr 1878 bereits alle ihre Unabhängigkeit erlangt hatten. Auf dieses Gebiet bezog sich ab dem Jahr 1878 die allgemeine makedonische Frage und der Kampf der dortigen Bevölkerung um Autonomie, Unabhängigkeit oder Anschluss an Bulgarien. In diesem Sinne wird das geographische Makedonien auch heute noch völkerrechtlich verstanden. Im Vertrag von Bukarest vom 10.08.1913 wurde das geographische Makedonien (67.313 km²) zwischen den Staaten Bulgarien (Pirin-Makedonien, 6800 km²), Griechenland (Ägäisch-Makedonien, 34.800 km²) und Serbien (Vardar-Makedonien, 25.713 km²) aufgeteilt. Die heutige Republik Makedonien besteht aus dem Gebiet von Vardar-Makedonien und gehört somit zu hundert Prozent zum geographischen Makedonien im heutigen Sinne. Auch die materielle Bedeutung des Begriffes „Makedonier“ hat sich im Laufe der Geschichte geändert. Nach dem die antiken Makedonier weitgehend mit den anderen antiken griechischen Völkern und wohl auch anderen Völkern im allgemeinen Hellenentum aufgegangen waren, wurde diese Bezeichnung ganz allgemein für die Bewohner der geographischen Region Makedonien verwendet. Dies war allerdings zu dieser Zeit weder ein ethnischer Begriff noch eine Nation im heutigen Sinne. Erst durch das Aufkommen der allgemeinen makedonischen Frage im Jahr 1878 bekam der Begriff des „Makedoniers“ wieder eine nachweisbare materielle Bedeutung. Die allgemeine makedonische Frage betraf das Schicksal der Bevölkerung Makedoniens unter der osmanischen Oberhoheit. Diese Frage entstand als die makedonischen Gebiete unter osmanischer Oberhoheit verblieben, während die Staaten Bulgarien, Griechenland, Montenegro und Serbien bis zum Jahr 1878 alle ihre Unabhängigkeit erlangt hatten. Die makedonische Bevölkerung wollte je nach Standpunkt entweder Autonomie innerhalb des osmanischen Reiches, Unabhängigkeit oder einen Anschluss an Bulgarien. Getragen wurden diese verschiedenen Strömungen von der am 23.10.1893 gegründeten „Inneren Makedonischen Revolutionären Organischen“ (IMRO) und ihrer verschiedenen politischen Flügel. Hier kann der Beginn und die Ursache für die Herausbildung einer makedonischen Nation im heutigen Sinne gesehen werden. Allerdings erst die Anerkennung einer makedonischen Nation im Jahr 1943 und die Schaffung eines makedonischen Staates im Jahre 1944 setzte einen Schlusspunkt unter diese Entwicklung. Heute wird mehrheitlich von der Existenz einer makedonischen Nation ausgegangen, wobei die Bezeichnung dieser Nation vor allem in Griechenland umstritten ist.

Heutige Situation

Die heutige makedonische Kulturnation besteht aus ethnischen bzw. slawischen Makedoniern,  die zur Gruppe der südslawischen Ethnien gehören. Die Slawen sind im 6. und 7. Jahrhundert nach Christus in das Gebiet von Makedonien eingewandert. Inwieweit eine direkte Wechselwirkung zwischen Slawen und noch eventuell existierenden antiken Makedoniern stattgefunden haben könnte läßt sich bisher nicht ausreichend wissenschaftlich evaluieren. Die Sprache der slawischen Makedonier wird heute als „Makedonisch“ bezeichnet, wobei diese Bezeichnung umstritten ist. Mit der antiken makedonischen Sprache hat die heutige makedonische Sprache nichts mehr zu tun. Die heutige makedonische Sprache gehört zur Gruppe der südslawischen Sprachen und steht lautlich zwischen der serbischen und der bulgarischen Sprache, wobei sie in der Formlehre mit der bulgarischen Sprache nah verwandt ist und in kyrillischer Schrift geschrieben wird. Seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gab es Bemühungen, aufgrund verschiedener Dialekte eine Schriftsprache aufzubauen, von denen sich schließlich der zentralmakedonische Dialekt durchsetzte, der um die Stadt Skopje (Hauptstadt der Republik Makedonien) herum gesprochen wird und seit 1944 als makedonische Sprache Amtssprache in der Republik Makedonien ist. Die heutige makedonische Kulturnation konzentriert sich wesentlich auf dem Gebiet der Republik Makedonien, nur Minderheiten dieser Nation leben etwa in der griechischen Region Makedonien oder im kleinen bulgarischen Teil von Makedonien. Die griechischen Makedonier sind Bestandteil der hellenischen Kulturnation. Sie sehen sich als direkte Nachfahren der antiken Makedonier an und haben eine sehr ausgeprägte makedonische Regionalidentität entwickelt. Inwieweit die griechischen Makedonier als abgeschlossene Gruppe tatsächlich direkte Nachfahren der antiken Makedonier sind läßt sich ebenfalls nicht im Detail wissenschaftlich evaluieren. Als relativ gesichert gilt nur, dass die antiken Makedonier heute nicht mehr existieren und mit großer Wahrscheinlichkeit im allgemeinen Hellenentum aufgegangen sind. Wir müssen also unterscheiden zwischen dem antiken Makedonien und den antiken Makedoniern sowie dem heutigen Makedonien und den heutigen Makedoniern. Im Falle des heutigen Makedonien müssen wir zwischen der Republik Makedonien als Völkerrechtssubjekt und der griechischen Region Makedonien als völker- und staatsrechtlicher Bestandteil der Hellenischen Republik unterscheiden. Analog müssen wir im Falle der heutigen Makedonier zwischen ethnischen oder slawischen Makedoniern als Nation und griechischen Makedoniern als Bestandteil der hellenischen Nation unterscheiden. Der bulgarische Teil von Makedonien kann bei dieser Betrachtung ausgeklammert werden, da dort der Name Makedonien offiziell nicht verwendet wird und die bulgarischen Makedonier entweder Teil der bulgarischen Nation oder Teil der makedonischen Nation sind.

Der sogenannte Namensstreit – Sein oder Nichtsein

Der sogenannte Namensstreit ist nicht primär ein Streit um geographische Abgrenzungen oder um mögliche Gebietsansprüche von Seiten der Republik Makedonien auf die griechische Region Makedonien. Es geht bei diesem Streit vielmehr um die Frage nach der materiellen Bedeutung der Begriffe „Makedonien“ und „Makedonier“ und damit um die Frage nach der makedonischen Identität der ethnischen oder slawischen Makedonier auf der einen Seite und die der griechischen Makedonier auf der anderen Seite. Primär läßt sich dieser Streit auch nur inhaltlich und nicht durch Äußerlichkeiten lösen. Geographische Namenszusätze zum verfassungsmäßigen Namen der Republik Makedonien lösen das eigentliche Problem um die materielle Bedeutung der Begriffe Makedonien und Makedonier auch nicht. Sicher ist so eine Lösung politisch einfacher zu vertreten oder umzusetzen und nur das kann auch der Grund für ein Festhalten an einer solchen Lösung sein, doch gelöst ist damit das eigentliche Problem nicht. Die Republik Makedonien repräsentiert nur zirka 40 % des geographischen Makedonien. Muss daher der Staat einen Zusatznahmen mit geographischer Spezifizierung tragen? Die internationale Politik und das Völkerrecht liefern einige Präzedenzfälle: Asserbaidschan (Völkerrechtssubjekt und gleichnamige iranische Provinz), Luxemburg (Völkerrechtssubjekt und gleichnamige belgische Provinz) und Kongo (zwei gleichnamige Völkerrechtssubjekte). Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Eine geographische Spezifizierung ist im völkerrechtlichen Verkehr demnach nicht notwendig. Es reichen in der Regel die unterschiedlichen amtlichen Bezeichnungen. Im Falle des Kongo wird z.B. formell unterschieden zwischen „Demokratischer Republik Kongo“ und „Republik Kongo“. Nur informell werden in den Medien oft Bezeichnungen wie Kongo (Kinshasa) oder Kongo (Brazzaville) nach den entsprechenden Hauptstädten der beiden Staaten oder wie zum Beispiel im Falle der beiden koreanischen Staaten die Bezeichnungen „Nord-Korea“ oder „Süd-Korea“ anstelle der offiziellen Bezeichnungen „Demokratische Volksrepublik Korea“ und „Republik Korea“ verwendet. Doch sagen weder die amtlichen Bezeichnungen noch die informellen Bezeichnungen etwas über die materiellen Unterschiede aus. Dies gilt auch für die Republik Makedonien. Aus Sicht der internationalen Politik und dem Völkerrecht stellt die verfassungsmäßige Bezeichnung „Republik Makedonien“ kein Problem dar. Doch wie steht es um die materielle Bedeutung der Begriffe Makedonien und Makedonier? Wenn das antike Makedonien und die antiken Makedonier Teil der antiken griechischen Kultur und Geschichte sind, dürfen dann nichtgriechische Völker die heute im geographischen Makedonien leben die Bezeichnungen Makedonien oder Makedonier verwenden oder wäre dies aus historischen Gründen unzulässig? Dies ist der eigentliche Kern des sogenannten Namensstreites. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass das geographische Gebiet des heutigen Makedonien nur zum Teil identisch mit dem geographischen Gebiet des antiken Makedoniens ist und gerade auch Gebiete der heutigen Republik Makedonien nicht zum Gebiet des antiken Makedonien gehörten. Grundsätzlich gilt in der internationalen Politik und im Völkerrecht: Historische Sachverhalte präjudizieren nicht automatisch und abschließend heutige Sachverhalte. So kann zum Beispiel ein Staat aufgrund seiner historischen Grenzen nicht grundsätzlich und völkerrechtlich erheblich heutige Grenzen eines anderen Staates in Frage stellen. Dies verstößt grundsätzlich gegen das Recht des betroffenen Staates auf seine territoriale Integrität. Der sogenannte Namensstreit ist grundsätzlich mit der speziellen makedonischen Frage assoziiert, die lautet:


  1. Welcher Art war das antike Makedonien und waren die antiken Makedonier?
  2. Welcher Art ist das heutige Makedonien und sind die heutigen Makedonier?
  3. In welchem Verhältnis stehen das antike Makedonien und die antiken Makedonier zum heutigen Makedonien und zu den heutigen Makedoniern?

Die Frage nach der makedonischen Identität der Republik Makedonien und der mit ihr assoziierten makedonischen Nation sowie der griechischen Region Makedonien und der mit ihr assoziierten griechischen Makedonier als Teil der hellenischen Nation berührt die Frage nach der kulturellen Integrität der betroffenen Staaten. Die kulturelle Integrität kann als Unterfall der territorialen Integrität aufgefasst werden und völkerrechtlich analog behandelt werden. Auch im Falle der speziellen makedonischen Frage als Ursache des sogenannten Namensstreits gilt: Die Art des antiken Makedonien und die Art der antiken Makedonier präjudiziert nicht automatisch und abschließend die Art des heutigen Makedonien und die Art der heutigen Makedonier. Vielmehr haben die Begriffe „Makedonien“ und „Makedonier“ zu verschiedenen Zeiten eine unterschiedliche materiellen Bedeutung gehabt und in ihrer materiellen Bedeutung damit eine inhaltliche Entwicklung und Wandlung erfahren. Somit muss bei jeder Lösung des sogenannten Namensstreits vom heutigen Makedonien in seinen heutigen Grenzen und mit seiner heutigen Bevölkerung ausgegangen werden. Das antike Makedonien und die antiken Makedonier lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit der hellenischen Geschichte und Kultur zuordnen, auch wenn es abweichende Auffassungen hiervon gibt. Im Falle des heutigen Makedonien gilt dies jedoch nicht. Dieses wird nach meiner Auffassung sowohl der Republik Makedonien und der mit ihr assozierten makedonischen Nation als auch der griechischen Region Makedonien als Bestandteil der Hellenischen Republik und der mit ihr assozierten griechischen Makedonier als Bestandteil der hellenischen Nation zuzuordnen sein. Das heutige Makedonien hat einen mehrdimensionalen Charakter und jeder dieser Charaktere ist gleichwertig. Die Frage nach dem Sein oder Nichtsein sollte damit beantwortet sein, doch wie kann eine mögliche Lösung des Namensstreits aussehen?

Die Lösung des sogenannten Namensstreits

Im Rahmen eines neutralen und unabhängigen Expertengremiums muss die spezielle makedonische Frage materiell geklärt sowie die daraus folgenden notwendigen historischen Zuordnungen und Abgrenzungskriterien festgelegt werden. Formal umgesetzt werden müssen die Ergebnisse des Expertengremiums im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik oder durch einen Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Materiell umgesetzt wird dieser völkerrechtliche Vertrag oder Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen durch eine entsprechende Bildungspolitik und Informationspolitik der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik. Dadurch wird die Grundlage für freundschaftliche und gut nachbarschaftliche Beziehungen zwischen beiden Staaten gelegt. Gegensätze und Spannungspotential zwischen beiden Staaten werden wirksam abgebaut und keine Seite erhebt Ansprüche auf den jeweiligen Anteil der anderen Seite an der makedonischen Gesamt-Geschichte und Gesamt-Kultur. Damit ist auch jede Form von territorialen Ansprüchen ausgeschlossen. Denn wenn jede Seite weiß was der anderen Seite zugeordnet ist und dies im Rahmen einer entsprechenden Bildungs- und Informationspolitik kommuniziert wird,  dann werden in der Regel auch keine unrechtmäßigen Ansprüche mehr erhoben oder begründet. Eine derartige Lösung wird durch eine entsprechende internationale Informationspolitik der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik auch von der internationalen Staatengemeinschaft effektiv und wirksam wahrgenommen. Zusatzbezeichnungen zum verfassungsmäßigen Namen der Republik Makedonien können nicht nur kontraproduktiv sein, sie sind an sich völlig unnötig. Nur in Fällen, wo eine klare Zuordnung der materiellen Bedeutung der Begriffe „Makedonier“, „Makedonisch“ und „makedonisch“ nicht aus dem Sachzusammenhang ersichtlich ist sollte eine Zusatzbezeichnung in Klammern verwendet werden. Dies gilt jedoch dann für beide Parteien und auch nur in den notwendigen Fällen. Für die völker- und staatsrechtliche Bezeichnung der Republik Makedonien ist eine Zusatzbezeichnung an sich nicht notwendig.

Fazit

Unabhängig von der Art des antiken Makedonien und der Art der antiken Makedonier ist der Charakter des heutigen Makedonien und der heutigen Makedonier mehrdimensional. Es gibt ethnische oder slawische Makedonier die eine Kulturnation bilden und es gibt griechische Makedonier als Bestandteil der hellenischen Nation. Die makedonische Kulturnation bildet mit  Teilen der albanischen Kulturnation (Albaner in Makedonien) und anderen Völkern innerhalb der Republik Makedonien die makedonische Staatsnation. Die Begriffe „Makedonien“, „Makedonier“, „Makedonisch“ und „makedonisch“ sind evolutionär und vielseitig. Diese Vielseitigkeit ist ein Gewinn und sollte nicht durch die Last der Geschichte erdrückt werden. Das antike Makedonien und die antiken Makedonier sind unabhängig von ihrem Charakter die Namensgeber für das heutige Makedonien und die heutigen Makedonier. Sehen wir die Vielseitigkeit des heutigen Makedonien als Gewinn sowohl für die hellenische Geschichte und Kultur als auch für die Geschichte und Kultur der Republik Makedonien an.