Zwei Balkankriege (1912/13) und der Erste Weltkrieg (1914 bis 1918) hinterließen auf dem Balkan viele offene Fragen und Probleme, die bis in die heutige Zeit hineinwirken. Symptome dieser offenen Fragen und Probleme sind unter anderem in Bosnien und Herzegowina, im Kosovo und der Republik Makedonien wahrnehmbar. Im Falle von Bosnien und Herzegowina und dem Kosovo stellt die serbische Frage einen bedeutenden Teil des Problems dar. Allerdings ist diese Frage nicht die einzige offene Frage in diesem Zusammenhang. Im Falle des Kosovo spielt neben der serbischen Frage auch die albanische Frage eine große Rolle, die auch für die Republik Makedonien von Bedeutung ist. Bei der serbischen und albanischen Frage geht es vor allem um das Schicksal dieser Völker außerhalb ihrer Nationalstaaten, der Republiken Serbien und Albanien. Im Falle der Republik Makedonien spielt zwar die serbische Frage keine große Rolle, jedoch die spezielle makedonische Frage nach der kulturellen Identität der makedonischen Bevölkerung. Diese Frage ist wiederum ein Streitpunkt zwischen Bulgarien, Griechenland und der Republik Makedonien. Alle diese Fragen müssen geklärt werden, damit Stabilität und Frieden nachhaltig auf dem Balkan herrschen und alle Staaten des Westbalkans Teil der Europäischen Union (EU) werden können.
Historische Entwicklung der offenen Fragen
Die Idee alle offenen Fragen im Rahmen eines gemeinsamen südslawischen Staates zu klären sind gescheitert. Die jugoslawische Idee wurde nach dem Zerfall Österreich-Ungarns vor allem von den Kroaten und Slowenen getragen. Das bereits unabhängige Königreich Serbien wollte primär alle Serben in einem Staat vereinen. Bedeutende Anteile des serbischen Volkes lebten bis dahin außerhalb des Königreiches, vor allem in Kroatien und Bosnien und Herzegowina. Daher sahen die Serben in einem gemeinsamen südslawischen Staat primär die Möglichkeit die Einheit des serbischen Volkes in einem Staat zu ermöglichen. Mit der Proklamation des „Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen“ am 01.12.1918 wurde dieses Ziel erreicht. Damit stellte sich die serbische Frage in anderer Form, nämlich nach dem Verhältnis der Serben zu den anderen südslawischen Völkern und zum gemeinsamen südslawischen Staat. Die zentralistisch eingestellten Serben, die zahlenmäßig das stärkste Volk im Staate waren und auch den König stellten, setzten sich gegenüber den föderalistisch eingestellten Kroaten und Slowenen durch. Ab 1929 etablierte der serbische König Alexander sogar eine Diktatur, in dem er die Verfassung aufhob und den Staat in „Königreich Jugoslawien“ umbenannte. Auf ethnisch bedingte Unterschiede wurde von Staatswegen keine Rücksicht mehr genommen. Stattdessen herrschte ein Polizeiregime und das Königreich Jugoslawien befand sich in eine permanente Staatskrise. Die südslawischen Völker drifteten auseinander und es herrschte gegenseitiges Misstrauen. Der albanischen Volksgruppe erging es im Königreich Jugoslawien nicht anders. Bedeutende Anteile dieser Volksgruppe leben vor allem im Kosovo, welches zum Königreich Jugoslawien gehörte und im jugoslawischen Teil von Makedonien. Ein kroatisch-serbischer Ausgleich im föderalistischen Sinne im Jahre 1939 kam zu spät. Nach dem Angriff der Deutschen am 06.04.1941 kapitulierte das Königreich Jugoslawien am 17.04.1941. Aufgrund seiner inneren Zerrissenheit konnte es keinen merklichen Widerstand mehr leisten. Im zweiten Jugoslawien (1943 bis 1991) sollten die ethnischen Gegensätze im Rahmen eines kooperativen Föderalismus aufgefangen werden, wobei alle südslawischen Völker gleichberechtigt und souverän sein sollten. Explizit Anerkannt wurden als südslawische Völker im Jahre 1943 neben den Slowenen, Kroaten und Serben auch die Makedonier und Montenegriner. Ende der 60er Jahre wurden auch die Muslime (Bosniaken) als eigene südslawische Volksgruppe anerkannt. Die albanische Volksgruppe erhielt im Kosovo eine substantielle Autonomie, hatte spätestens ab 1974 fast die gleichen Rechte wie die südslawischen Völker in ihren jugoslawischen Republiken. War der Föderalismus anfangs nur rein formell gewährt, entwickelte sich spätestens mit der Verfassungsrevision von 1974 auch in tatsächlicher Hinsicht ein stark ausgeprägter kooperativer Föderalismus. Allerdings dominierte in der jugoslawischen Föderation (1945 – 1963 „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ und 1963 – 1992 „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“) die kommunistische Parteiorganisation. Statt einer serbischen Dominanz wie im ersten jugoslawischen Staat gab es jetzt eine kommunistische Einparteienherrschaft. Der aufgrund der Einparteienherrschaft resultierende Zentralismus stand in einem unauflösbaren Spannungsverhältnis zur föderalistischen Staatsstruktur. Auch die unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungen der jugoslawischen Republiken hatten Sprengkraft. Je nach wirtschaftlichem Entwicklungsstand hatten die jugoslawischen Republiken unterschiedliche Bedürfnisse, die im kommunistischen System nicht befriedigt werden konnten. Das Selbstverwaltungssystem der assoziierten Arbeit führte überdies zu einer Aufblähung der Bürokratie und zur Korruption. Zusätzlich trat ab den 80er Jahren auch die serbische Frage wieder merklich in den Vordergrund.
Heutige Ausgangslage für die offenen Fragen
Die Gegensätze zwischen den jugoslawischen Völkern konnten auch in einem sehr weitgehenden kooperativen Föderalismus nicht mehr aufgelöst werden. In Folge dessen Zerfiel die jugoslawische Föderation zwischen dem 25.06.1991 und 27.04.1992. Der Zerfall der Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) war vor allem aufgrund der offenen serbischen Frage mit einem ethnischen Krieg in Kroatien und Bosnien und Herzegowina verbunden. Diese Kriege fanden von 1991 bis 1995 statt und wurden durch Friedensverträge Ende 1995 formell beendet. Allerdings hatten diese Verträge primär das Ziel zunächst die Kriege zu beenden. Die Ursachen für diese Kriege blieben teilweise bestehen. Die damit verbundenen Fragen blieben offen und wurden nicht geklärt. Vor allem für die Situation in Bosnien und Herzegowina erwies sich das als schwere Hypothek. Das Kosovo verlor schrittweise zwischen 1989 und 1990 seine Autonomie. Die albanische Kosovaren entschieden sich in einem Referendum am 26.09.1991 für die Unabhängigkeit des Kosovo, welche völkerrechtlich nicht anerkannt wurde. Der Kosovo-Krieg 1998/99, zunächst zwischen Serbien und den albanischen Kosovaren, dann im Jahre 1999 auch zwischen Serbien und der NATO, führte im Ergebnis zu einem Ende der serbischen Herrschaft im Kosovo. Im Jahre 2006 trennten sich Serbien und Montenegro, die bis dahin in einer Staatenunion miteinander verbunden waren und jetzt unabhängige Staaten sind. Das Kosovo erklärte am 17.02.2008 einseitig seine Unabhängigkeit von Serbien und wird seit dem von über einhundert Staaten völkerrechtlich anerkannt. Allerdings erkennen Serbien, fünf EU-Mitgliedsstaaten sowie die Russische Föderation und die Volksrepublik China das Kosovo nicht als unabhängigen Staat an. Aus diesem Grunde konnte das Kosovo bisher auch nicht den Vereinten Nationen beitreten. Griechenland ist bereits seit dem 01.01.1981 Mitglied in der Europäischen Gemeinschaft (EG) bzw. in der heutigen Europäischen Union (EU). Als erster südslawischer Staat und Nachfolgestaat der SFRJ trat Slowenien am 01.05.2004 der EU bei. Bulgarien trat als zweiter südslawischer Staat am 01.01.2007 der Europäischen Union bei. Als bisher letzter südslawischer Staat wurde Kroatien am 01.07.2013 Mitglied in der EU. Damit sind drei südslawische Staaten bzw. zwei Nachfolgestaaten der SFRJ jetzt Mitgliedsstaaten der EU. Übrig bleiben noch vier südslawische Staaten bzw. Nachfolgestaaten der SFRJ. Mit Serbien und Montenegro finden bereits EU-Beitrittsgespräche statt. Die Republik Makedonien ist bereits seit 2005 EU-Beitrittskandidat, doch finden bisher aufgrund des sogenannten Namensstreits mit dem EU-Mitglied Griechenland keine EU-Beitrittsgespräche statt. Bosnien und Herzegowina ist aufgrund seiner politischen Instabilität bzw. seiner nicht ausreichend funktionierenden staatlichen Strukturen kein EU-Beitrittskandidat. Im Falle des Kosovo verhindert der aus Sicht von fünf EU-Mitgliedsstaaten (Griechenland, Rumänien, Slowakei, Spanien und Zypern) umstrittene völkerrechtliche Status dieser Region die weitere Annäherung an die EU. Nachfolgend sollen vor allem die bestehenden Brennpunkte auf dem Balkan hervorgehoben werden: Bosnien und Herzegowina, das Kosovo und Serbien sowie die Republik Makedonien und Griechenland.
Bosnien und Herzegowina
Die Republik Bosnien und Herzegowina erklärte als vierte jugoslawische Republik nach Slowenien, Kroatien und Makedonien am 03.03.1992 ihre Unabhängigkeit von der SFRJ. Während die kroatischen und die muslimischen (bosniakischen) Bosnier mit großer Mehrheit für die Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina waren, wurde sie von den serbischen Bosniern mit großer Mehrheit strikt abgelehnt. Die Folge war ein brutaler, kriegerischer Konflikt zwischen den drei staatstragenden Volksgruppen von Bosnien und Herzegowina. Erst im November / Dezember 1995 wurde dieser Konflikt zwischen diesen Volksgruppen durch das Abkommen von Dayton formell und materiell beendet. Aufgrund des Krieges zwischen den bosnischen Volksgruppen und des Abkommens von Dayton ist Bosnien und Herzegowina staatsrechtlich in zwei weitgehend autonome Entitäten geteilt, der „Föderation Bosnien und Herzegowina“ (Bosniakisch-Kroatische Föderation) und der „Serbischen Republik“, die durch eine übergeordnete Föderation miteinander verbunden sind. Durch diese Föderation der zwei Entitäten bleibt Bosnien und Herzegowina als Völkerrechtssubjekt erhalten. Die Entität „Föderation Bosnien und Herzegowina“ gliedert sich wiederum in zehn Kantone, die ihrerseits über weitgehende Rechte verfügen. Die faktische Teilung Bosnien und Herzegowinas in zwei Entitäten und die Gliederung der Föderation Bosnien und Herzegowina in zehn Kantone soll die Interessengegensätze der drei staatstragenden Volksgruppen (Bosniaken, Kroaten und Serben) auffangen. Von den 4,55 Millionen Einwohnern bekennen sich nach der letzten Volkszählung im Jahre 1991 43,7 % zu der bosniakischen (muslimischen), 31,3 % zu der serbischen und 17,3 % zu der kroatischen Volksgruppe. Genaue Zahlen liegen nicht vor, sondern nur Schätzungen auf Basis der Volkszählung von 1991, die variieren können. Tatsächlich verhindert dieser komplizierte Föderalismus bis heute einen funktionierenden Staat und die gesamt-gesellschaftliche Entwicklung in Bosnien und Herzegowina. Insgesamt ist das staatliche System ineffektiv, zu teuer, zu bürokratisch und anfällig für Korruption. Das schreckt unter anderem auch mögliche Investoren ab. Die wirtschaftliche Lage ist sehr angespannt, es herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit und große Teile der Bevölkerung sind verarmt. Seit Anfang Februar 2014 führen Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und ein ineffektives Staatswesen zu massiven Protesten der bosnischen Bevölkerung. Bei diesen Protesten kam es zu den größten Ausschreitungen seit dem Ende des Krieges. So wurden unter anderen die Gebäude der Kantonsregierungen von Tuzla und Sarajevo sowie des Staatspräsidiums von Bosnien und Herzegowina in Brand gesteckt. Hauptsächlich betroffen von den Ausschreitungen war die Föderation Bosnien und Herzegowina. Allerdings kam es auch in Banja Luka, dem Sitz der Regierung der Serbischen Republik, zu Protesten. Die Probleme sind hauptsächlich in der Staatsstruktur von Bosnien und Herzegowina begründet, die ein Ergebnis des ethnischen Krieges und kein natürliches Produkt ist. An dieser Stelle muss auch der Ansatz für eine Lösung der Probleme gefunden werden.
Fazit zum bosnisch-herzegowinischen Problem: Jeder Staat, der in sich uneins ist, kann nicht dauerhaft bestehen und zum Wohle seiner Bürger arbeiten. Der Gesamtstaat und seine Institutionen können nicht effektiv funktionieren, wenn ein Teil des Staates für die Auflösung der Föderation und der andere Teil für eine starke Föderation eintritt. Hier muss eine Lösung im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger von Bosnien und Herzegowina gefunden werden. Ein funktionierender und kooperativer Föderalismus wäre eine gute Grundlage für Bosnien und Herzegowina. Allerdings muss die bisherige Staatsorganisation erheblich reformiert werden. Entweder wird Bosnien und Herzegowina in drei Entitäten gegliedert, die sich allerdings dann nicht mehr in Kantone gliedern oder Bosnien und Herzegowina wird anstelle der Entitäten in mehrere Kantone (etwa zehn) gegliedert. Für die Kompetenzverteilung zwischen Gesamtstaat und Entitäten bzw. Kantonen könnte der Schweizer Bundesstaat als Vorbild dienen. Die Regierung könnte ähnlich dem Schweizer Bundesrat (Schweizer Regierung) organisiert werden. Sie würde dann aus gleichberechtigten Mitgliedern bestehen und wäre entsprechend der Bevölkerungsanteile der ethnischen Gruppen an der Gesamtbevölkerung zusammengesetzt. Der Vorsitz dieser Regierung würde jährlich rotieren und die Befugnisse eines Staatsoberhauptes ausüben. Bestehen bliebe ein parlamentarisches Zweikammernsystem, mit Volksvertretung und Vertretung der Entitäten bzw. der Kantone. Ein Verfassungsgericht und ein Oberster Gerichtshof würden weiterhin für eine einheitliche Rechtsprechung sorgen. Hier muss jetzt von allen Verantwortlichen entsprechend gehandelt werden, damit Bosnien und Herzegowina in der Lage ist dem Wohle seiner Bürgerinnen und Bürger gerecht zu werden und den Weg der europäischen Integration zu gehen.
Kosovo und Serbien
Bei der Gründung des albanischen Staates am 28.11.1912 verblieben große Teile des albanischen Volkes außerhalb dieses Staates. Ein bedeutendes albanisches Siedlungsgebiet außerhalb vom Albanien liegt im Kosovo, welches nach zwei Balkankriegen 1913 zu Serbien kam. Für Serbien hat das Kosovo vor allem eine historische und nationale Bedeutung. Die Schlacht auf dem Amselfeld (Kosovo) am 28.06.1389 zwischen serbischen und osmanischen Truppen, die von den Serben verloren wurde, begründete den Kosovo-Mythos der Serben. Nach diesem Mythos war die Schlacht auf dem Amselfeld ein Opfergang, dem fast schon religiöse Bedeutung zukommt. Vor allem sei das Kosovo die Wiege des Serbentums und müsse daher ein integraler Bestandteil Serbiens bleiben. Tatsächlich gibt es im Kosovo einige historische serbische Klöster. Allerdings kämpfte bei der Schlacht auf dem Amselfeld im Jahre 1389 auch ein albanisches Heer an der Seite der Serben mit. Der Kosovo-Mythos ist auch keine objektive Wiedergabe der tatsächlichen historischen Ereignisse, da er von den historischen Fakten abweicht. Im ersten jugoslawischen Staat hatte das Kosovo keinerlei Autonomie, stattdessen wurde es von den Serben restriktiv verwaltet. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Kosovo temporär von den italienischen bzw. deutschen Besatzern mit Albanien vereinigt, doch nach dem Ende des Krieges wurden auch die Vorkriegsgrenzen wieder hergestellt. Im Rahmen der jugoslawischen Föderation unter Josip Broz Tito erhielt das Kosovo den Status einer autonomen Provinz im Rahmen der jugoslawischen Republik Serbien. Bestand diese Autonomie zunächst nur rein formell, wurde sie Ende der 60er Jahre und vor allem aufgrund der Verfassungsrevision von 1974 auch tatsächlich verwirklicht. Aufgrund der jugoslawischen Verfassung von 1974 erhielt das Kosovo als autonome Gebietskörperschaft fast die gleichen Rechte wie eine jugoslawische Republik. Dies wurde aus serbischer Sicht als Beschneidung der Staatlichkeit Serbiens aufgefasst. Auch würden die Serben aufgrund der albanischen Vorherrschaft im Kosovo unterdrückt. Ab 1989 setzte sich unter dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević der Nationalismus durch. In verfassungsrechtlich umstrittener Weise wurde die Autonomie des Kosovos in den Jahren 1989/90 aufgehoben. Das Kosovo erklärte daraufhin am 02.07.1990 im Rahmen der SFRJ seine staatsrechtliche Unabhängigkeit von Serbien. Durch den Beschluss einer entsprechenden Verfassung am 07.09.1990 erklärte sich das Kosovo zu einer jugoslawischen Republik. Seitdem bauten sich parallele staatliche Strukturen im Kosovo auf und die albanischen Kosovaren, die in einem Referendum mit großer Mehrheit am 26.09.1991 für die völkerrechtlichen Unabhängigkeit des Kosovo stimmten, leisteten friedlichen Widerstand. Als sich jedoch keine Verbesserung ihrer Lage abzeichnete ging der friedlichen Widerstand in den Jahren 1996/97 in einen gewaltsamen Widerstand über. Es kam in den Jahren 1998/99 zum Kosovo-Krieg. Zunächst kämpften jugoslawischen und serbische Einheiten auf der einen und die Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) auf der anderen Seite gegeneinander. Dieser Krieg wurde sehr brutal geführt und löste große Flüchtlingsströme aus. In Folge dessen kam es 1999 zur militärischen Intervention der NATO mit Luftangriffen auf die Bundesrepublik Jugoslawien, die allerdings nicht durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen legitimiert waren. Im Ergebnis stimmte die damalige Bundesrepublik Jugoslawien bzw. Serbien der Stationierung einer internationalen, von der NATO geführten Friedenstruppen und einer vorübergehenden UN-Verwaltung für das Kosovo zu. Der endgültige Status des Kosovo sollte durch Verhandlungen geklärt werden. Am 10.06.1999 wurde mit der Resolution 1244 diese Übereinkunft völkerrechtlich verbindlich durch den UN-Sicherheitsrat beschlossen. Diese Resolution bekräftigte allerdings in ihrer Präambel auch die territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien. Die Verhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo brachten allerdings kein Ergebnis. Das Kosovo bestand auf seine Maximalforderung, die völkerrechtliche Unabhängigkeit. Serbien war bereit dem Kosovo eine maximale Autonomie zu gewähren, bis unterhalb der Unabhängigkeit. Nach dem die Verhandlungen keine Lösung brachten, erklärte das Kosovo am 17.02.2008 einseitig seine Unabhängigkeit von Serbien. Seitdem wird es von über einhundert Staaten bilateral völkerrechtlich anerkannt. Allerdings erkennen neben Serbien fünf EU-Mitgliedsstaaten sowie die Russische Föderation und die Volksrepublik China das Kosovo nicht als unabhängigen Staat an. Unter der aktuellen Regierung in Serbien hat sich allerdings eine deutliche Änderung der Politik gegenüber dem Kosovo vollzogen. Nach Jahrzehnten von Krieg, Isolation und Konfrontation mit dem Kosovo, der Europäischen Union (EU), den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und der NATO gibt es insgesamt eine deutliche Kehrtwendung zu mehr Reformen und einer ausgewogenen Außenpolitik. Der Ausbau von demokratischen Strukturen und die Bekämpfung der Korruption werden jetzt wesentlich aktiver betrieben. Unter Druck und Vermittlung der EU kam es Ende 2012 erstmals zu direkten Gesprächen zwischen dem kosovarischen und dem serbischen Ministerpräsidenten. Anfangs war die Gesprächsatmosphäre sehr angespannt, heute sitzen die beiden Ministerpräsidenten bei internationalen Gesprächsrunden nebeneinander und schütteln sich öffentlich die Hände. Das wäre vor einigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen und ist insgesamt eine sehr positive Entwicklung für das serbisch-kosovarische Verhältnis. In mehreren Verhandlungsrunden zwischen dem serbischen Ministerpräsidenten Ivica Dačić und dem kosovarischen Ministerpräsidenten Hashim Thaçi ist eine Annäherung und teilweise eine Normalisierung der Beziehungen erreicht worden. Zwar erkennt Serbien das Kosovo weiterhin völkerrechtlich nicht als unabhängig an, jedoch geht es faktisch von einem unabhängigen Kosovo aus. Nach der aktuellen Auffassung Serbiens sollen sich die serbischen Kosovaren im Nordkosovo jetzt im kosovarischen Staat integrieren. Zuvor hatte Serbien noch die serbischen Parallelstrukturen im Kosovo politisch unterstützt und finanziert. Im Gegenzug dafür ist zwischen dem Kosovo und Serbien eine Autonomie für die serbischen Kosovaren vereinbart worden. Gemäß dieser Vereinbarung können die serbisch-kosovarischen Kommunen einen Verbund mit einem Präsidenten, einem Parlament und exekutiven Befugnissen im Bereich Bildung, Gesundheitswesen, Raumplanung, wirtschaftliche Entwicklung und lokale Medien gründen. Allerdings kann eine endgültige Normalisierung der Beziehungen nur erreicht werden, wenn der Status des Kosovos zwischen Serbien und dem Kosovo abschließend geklärt ist. Faktisch geht Serbien von einem unabhängigen Kosovo aus. Für eine völkerrechtliche Anerkennung müsste allerdings die Verfassung der Republik Serbien geändert werden, wonach das Kosovo integraler Bestandteil der Republik Serbien ist.
Fazit zur Kosovo-Frage: Eine entsprechende Änderung der serbischen Verfassung könnte im Rahmen einer Volksabstimmung herbeigeführt werden. Aufgrund einer endgültigen Übereinkunft könnte Serbien das Kosovo ggf. zunächst staatsrechtlich anerkennen. Das Kosovo könnte im Gegenzug den serbischen Klöstern einen exterritorialen Status zubilligen. Als Beispiel könnte der Petersdom in Rom dienen, der nicht zu Italien sondern zum Vatikan gehört. Insgesamt scheinen Serben und albanische Kosovaren einer Lösung näher zu sein als die Republik Makedonien und Griechenland im Falle des sogenannten Namensstreits.
Die Republik Makedonien und Griechenland
Im Mai 1991 kündigte Griechenland an, die internationale Anerkennung der Republik Makedonien unter ihrem verfassungsmäßigen Namen verhindern zu wollen. Nach griechischer Auffassung sei das antike Makedonien ausschließlich Teil der griechischen Geschichte und Kultur. Demnach dürfe der Name „Makedonien“ und die damit assoziierten Bezeichnungen für die Nation, Kultur und Sprache der ethnischen bzw. slawischen Makedonier nicht durch diese verwendet werden. Auch seien mit dem verfassungsmäßigen Namen der Republik Makedonien territoriale Ansprüche auf die griechische Region Makedonien verbunden. Nachdem die griechische Position zunächst eine völkerrechtliche Anerkennung der Republik Makedonien verhindert hatte, erfolgte 1993 ein Kompromiss: In der Resolution 817 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) vom 07.04.1993 wurde die Existenz des Namensstreits zwischen der Republik Makedonien und Griechenland sowie die Bedeutung einer Lösung dieses Streits für den Frieden und die Stabilität in der betroffenen Region festgestellt. Gemäß dieser Resolution wurde die Republik Makedonien am 08.04.1993 unter der vorläufigen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ in die Vereinten Nationen aufgenommen. Damit erfolgte auch die weltweite bilaterale völkerrechtliche Anerkennung der Republik Makedonien, wobei die große Mehrheit der Staaten die Republik Makedonien in ihrer bilateralen Beziehungen unter ihrem verfassungsmäßigen Namen anerkannten. In einer weiteren Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Resolution 845) vom 18.06.1993 wurden Griechenland und die Republik Makedonien dazu aufgefordert den zwischen ihnen bestehenden Namensstreit im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen zu lösen. Dieser Aufgabe ist seit 1993 ein entsprechender Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen zugewiesen. Von 1994 bis heute hat Matthew Nimetz dieses Amt inne. Alle Gespräche und Vermittlungsversuche im Rahmen der Vereinten Nationen blieben bisher erfolglos. Vom 16.02.1994 bis zum 14.10.1995 verhängte Griechenland ein Handelsembargo gegenüber der Republik Makedonien. Mit diesem Handelsembargo wollte Griechenland die Republik Makedonien zu einer Namensänderung zwingen, was jedoch misslang. Zwischen Griechenland und der Republik Makedonien wurde daraufhin am 13.09.1995 ein Interimsabkommen unterzeichnet, das zu einer Aufhebung des Embargos am 14.10.1995 führte. Die Republik Makedonien verpflichtete sich in diesem Abkommen unter anderem dazu auf seine bisherige Staatsflagge (Stern von Vergina, antikes makedonisches Symbol) zu verzichten und konstruktiv an einer Lösungsfindung mitzuwirken. Griechenland sollte gemäß dieses Interimsabkommens eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in internationale Organisationen unterstützen und darf diese nicht blockieren, unter der Voraussetzung dass die Republik Makedonien unter ihrer vorläufigen Bezeichnung im Rahmen der Vereinten Nationen die Mitgliedschaft beantragt. Im Falle der EU und NATO verhindert Griechenland, welches selbst Mitglied in diesen Organisationen ist, eine entsprechende Mitgliedschaft der Republik Makedonien. Im Falle eines möglichen NATO-Beitritts der Republik Makedonien, der durch Griechenland auf dem Bukarester NATO-Gipfel im Jahre 2008 verhindert wurde, wurde Griechenland am 05.12.2011 wegen Verletzung des Interimsabkommens durch den Internationalen Gerichtshof (IGH) entsprechend verurteilt. Dennoch geht es in Sachen EU- und NATO-Mitgliedschaft bisher nicht für die Republik Makedonien weiter. Im Falle der EU ist die Republik Makedonien seit 2005 EU-Beitrittskandidat. Jedoch konnten aufgrund des sogenannten Namensstreits mit dem EU-Mitglied Griechenland bisher keine EU-Beitrittsgespräche mit der Republik Makedonien beginnen. Auf der kommenden Sitzung des Europäischen Rates, unter griechischer EU-Ratspräsidentschaft, soll im Juni 2014 erneut darüber entschieden werden. Allerdings zeigt Griechenland bisher keine aktive Bereitschaft zur Überwindung des sogenannten Namensstreits. Aufgrund der noch andauernden schweren Staats-, Finanz- und Wirtschaftskrise dürfte keine griechische Regierung bereit sein große nationale Kompromisse einzugehen, die eine große emotionale Wirkung auf das griechische Volk haben dürften. Zudem ist mit Andonis Samaras ein Hardliner in der Namensfrage der Republik Makedonien Ministerpräsident von Griechenland. Er lehnt jeden Kompromiss mit der Republik Makedonien in der Namensfrage ab. Das Beispiel Serbien und Kosovo könnte im Falle von Griechenland und der Republik Makedonien als Vorbild dienen. Allerdings sind weder Serbien noch das Kosovo Mitglieder der EU. In diesem Falle konnte auf Augenhöhe verhandelt werden. Anders der Fall von Griechenland und der Republik Makedonien. Griechenland ist sowohl EU- als auch NATO-Mitglied und kann daher aus einer deutlich besseren Position verhandeln. In diesem Fall ist eine Verhandlung auf Augenhöhe ausgeschlossen. Dennoch wird die EU mehr Verantwortung bei der Überwindung des sogenannten Namensstreits übernehmen müssen. Es reicht nicht mehr aus sich alleine auf die Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen zu verlassen, die seit rund 20 Jahren erfolglos sind. Auch muss überhaupt über die Art der Lösungsfindung nachgedacht werden. Neben der sogenannten Namensfrage ist auch das Verhältnis zwischen den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und den albanischen Makedoniern zu verbessern. Noch immer gibt es ethnisch bedingte Spannungen in der Republik Makedonien. Aufgrund des Rahmenabkommens von Ohrid vom 13.01.2001 bilden alle Ethnien in der Republik Makedonien Gemeinschaften, denen kulturelle Rechte gewährt werden. Ab einem Anteil von 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung stehen den Gemeinschaften dann sehr weitgehende kulturelle Rechte zu. Allerdings wird dieser Anteil nur von der albanischen Gemeinschaft in der Republik Makedonien erreicht. Faktisch stellen die albanischen Makedonier daher neben den ethnischen bzw. slawischen Makedonier eine konstitutive Volksgruppe dar.
Fazit zum sogenannten Namensstreit und zu den inner-ethnischen Beziehungen: Letztendlich ist der sogenannte Namensstreit ein makedonisch-griechischer Kulturstreit darüber was Makedonien und die Makedonier eigentlich sind. Es ist also eine spezielle makedonische Frage nach der makedonischen Identität zu klären. Diese Frage kann allerdings im bisherigen Rahmen nicht geklärt werden, da es dort ausschließlich nur um den Staatsnamen der Republik Makedonien geht. Tatsächlich benötigen wir jedoch eine inhaltliche Klärung nach objektiven Kriterien, die dann in eine politische Lösung überführt wird. Eine objektive Klärung kann im Rahmen eines neutralen und unabhängigen Expertengremiums erfolgen, das durch Vereinbarung der Streitparteien, durch die EU oder durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingesetzt wird. Die Ergebnisse dieses Expertengremiums müssen dann aufgrund einer Vereinbarung zwischen Griechenland und der Republik Makedonien oder/und eines Beschlusses des UN-Sicherheitsrates politisch implementiert werden. Da es sich jedoch um eine inhaltliche Klärung handeln würde, bedarf es grundsätzlich keiner Namenszusätze zum verfassungsmäßigen Namen der Republik Makedonien. Vielmehr soll die Lösung des sogenannten Namensstreits im Rahmen einer verbindlichen Bildungspolitik sowohl in Griechenland als auch in der Republik Makedonien erfolgen. Letztendlich geht der sogenannte Namensstreit auch auf einer falschen bzw. einseitigen Bildungs- und Informationspolitik zurück. Die Existenz der Republik Makedonien und einer eigenständigen makedonischen Ethnie haben im Ergebnis zu mehr Frieden und Stabilität in der betroffenen Region geführt. Dies sollte gefördert werden, vor allem weil eine eigenständige makedonische Ethnie heute eine Realität ist, die nicht mehr negiert werden kann. Des Weiteren muss trotz aller positiven Entwicklung weiter an der Verbesserung der inner-ethnischen Beziehungen gearbeitet werden. Alle Volksgruppen in der Republik Makedonien müssen das gemeinsame Schicksal gerecht teilen, um gemeinsam eine prosperierende Zukunft zu haben. Dieser gemeinsame Weg wird eines Tages auch in die EU und NATO führen.
Schlusswort
Die offenen Fragen können mit gutem Willen aller Beteiligten geklärt werden. Voraussetzung ist die Einsicht, dass nur eine gegenseitige Verständigung den Weg in eine prosperierende Zukunft ebnet. Dieser Weg ist allerdings nur gemeinsam beschreitbar und sollte auch gemeinsam gegangen werden. Alle Völker auf den Balkan sind sich einig, dass sie in die EU wollen. Darüber hinaus wollen alle Völker auf dem Balkan eine friedliche und wirtschaftlich sichere Zukunft. Das begründet eine Schicksalsgemeinschaft, in der sich alle gegenseitig helfen können und müssen. Das gilt für die Völker in Bosnien und Herzegowina, die ihren Staat zwecks Erreichung dieses Ziels entsprechend reformieren müssen. Serbien und das Kosovo begreifen sich trotz allem Trennenden bereits als Schicksalsgemeinschaft auf dem Weg in die EU und in eine gesicherte und friedliche Zukunft. Im kosovarisch-serbischen Verhältnis ist daher schon sehr viel Pragmatismus eingezogen. Auch ist der Umgang zwischen serbischen und kosovarischen Regierungsvertretern wesentlich freundschaftlicher geworden. Natürlich sind auch noch die Wunden des Krieges bei allen Balkanvölkern vorhanden. Es wird wohl Generationen brauchen bis diese verheilt sind. Wahrscheinlich wird für die jetzige Generation das Leben im Rahmen einer notwendigen Verständigung am schwersten werden. Die nachfolgenden Generationen werden dafür um so mehr davon profitieren. Es müssen jetzt mutige und schwierige Entscheidungen getroffen werden, damit nachfolgende Generationen eine friedliche und sichere Zukunft haben werden. Dies gilt auch für Griechenland und die Republik Makedonien. Wir sollten die ethnischen bzw. slawischen Makedonier nun endlich in der Völkergemeinschaft ankommen lassen und ihre aufgrund des freien Selbstbestimmungsrechtes eines Volkes gewählte Identität achten. Im Rahmen der EU werden eines Tages alle südslawischen Völker erstmals in ihrer Geschichte friedlich, souverän und gleichberechtigt unter einem Dach vereint sein. Dies gilt dann auch für das albanische Volk oder andere Völker auf dem Balkan. Die ethnisch bedingten Fragen, besonders die serbische und die albanische, dürften dann ihren Abschluss gefunden haben. Eine gute Perspektive für den Balkan im Jahre 2014, 100 Jahre nach dem Beginn des folgenreichen Ersten Weltkrieges.