In jedem Konflikt gibt es unterschiedliche Meinungen und Ansichten. Dabei die Wahrheit herauszufiltern und sich selber über ein Thema die Meinung zu bilden ist häufig fast unmöglich. In einer Fragestellung ist aber die Suche nach der wahren Antwort nicht sehr schwer. Die Frage nach der Beziehung zwischen den Griechen, die in Nordgriechenland leben und den antiken Makedoniern. auf Propagandaseiten wird behauptet, dass…
Zitat: „Griechenlands nördliche Provinz trägt den Namen Makedonien und 2,5 Millionen Griechen weltweit führen ihre Abstammung auf den griechischen Stamm der Makedonen.“
Kann diese Aussage stimmen? Ein kurzer Blick auf die Bevölkerungsverteilung des heutigen Griechenlands würde dieser These entsprechen, eine intensivere Betrachtung führt aber zu einer anderen Erkenntnis. Ein Großteil der heutigen Griechen, die sich als Nachfahren der antiken Makedonier sehen, weil sie im griechischen Teil Makedoniens leben, haben aber in Wirklichkeit keine direkte Verbindung zu den antiken Makedoniern.
In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts hatten sich Griechenland und die Türkei geeinigt (Vertrag von Lausanne, 24. Juli 1923), dass man eine groß angelegte Austauschaktion der Bevölkerung durchführt. Über 1,25 Millionen Griechen, die seit Jahrhunderten in der Türkei lebten wurden in das kürzlich eroberte makedonische Gebiet (die neuen Territorien) gebracht. Somit wurde aus einer Minderheit eine Mehrheit. Im Gegenzug wurden ca. 500.000 Menschen muslimischen Glaubens (insb. Türken) aus Makedonien in die Türkei geschickt. Die vorherige ethnische Bevölkerungsstruktur wurde durch diesen Ansturm der anatolischen Griechen auf den Kopf gestellt. Ethnische Makedonier, welche bis dahin die Mehrheit in Makedonien bildeten, wurden ebenso wie die anderen Bewohner (Türken, Bulgaren, Wlachen, etc.) zu Minderheiten.
Dieser Bevölkerungsaustausch war der Beginn einer großen Hellenisierungsaktion Griechenlands mit dem Ziel, die neu eroberten Gebiete zu „gräzisieren“. Makedonier, Bulgaren, gebliebene Türken und andere Minderheiten wurden von einem Tag auf den anderen zu Griechen. Sie mussten griechischen lernen. Makedonisch wurde verboten. Makedonier wurden umbenannt und die neuen griechischen Geistlichen tauften nur Kinder nur, wenn ihnen ein griechischer Name gegeben wurde. Makedonische Namen durften nicht verwendet werden. Ebenfalls wurden die Stadt- und Dorfnamen geändert. Aus Lerin wurde Florina, aus Voden wurde Edessa und aus Kostur wurde Kastoria.
Der Mythos, dass die in den 1920er Jahren nach Ägäis-Makedonien gekommenen anatolischen Griechen Nachfahren der antiken Makedonier sein sollten, beruht demnach auf der Hellenisierungsaktion der damaligen griechischen Machthaber.
Das sich die heutigen Griechen als direkte Nachfahren der antiken Makedonier sehen, ist eher ein Wunsch als eine Tatsache. Zwar haben vereinzelte genetische Tests (iGENEA) nachgewiesen, dass die Bewohner von Bergregionen in Nordgriechenland direkte Nachfahren der antiken Makedonier sind, jedoch hat man einen genauso hohen Anteil auch in der heutigen Republik Makedonien identifiziert. Demnach ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass eher die hellenisierten ethnischen Makedonier in Nordgriechenland diese Verbindung aufweisen, als die Griechen, die erstmalig in den 1920er Jahren makedonisches Gebiet betreten hatten.
Folgende Karten zeigen die Siedlungsgebiete der anatolischen Griechen im Zuge des Bevölkerungsaustausches:
Quelle: „Crossing the Aegean: The Consequences of the 1923 Greek-Turkish Population Exchange“ von Renee Hirschon, 2003, Seite 181.
Quelle: Aus dem Buch „A Concise History of Greece“ von Richard Clogg, 1992, Seite105.