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Vor 25 Jahren: Die Republik Makedonien wird in die Vereinten Nationen aufgenommen

Die Republik Makedonien erklärte formell am 18. September 1991 ihre Unabhängigkeit von der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“). Vorausgegangen war am 08. September 1991 ein entsprechendes Referendum, bei dem sich bei einer Abstimmungsbeteiligung von 75 % über 90 % der abstimmenden Bürgerinnen und Bürger für die Unabhängigkeit und Souveränität der Republik Makedonien aussprachen. Doch erst am 08. April 1993 wurde die Republik Makedonien unter der vorläufigen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ in die Vereinten Nationen (UN) aufgenommen. Per Akklamation stimmte die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) einer entsprechenden Empfehlung des Sicherheitsrates der UN vom 07. April 1993 zu. Hintergrund dieser relativ späten Aufnahme der Republik Makedonien in die UN sowie für ihre vorläufigen Bezeichnung im Rahmen der UN war und ist der sogenannte Namensstreit mit der Hellenischen Republik (Griechenland). Nachfolgend eine ausführliche und komplette Bestandsaufnahme zur Mitgliedschaft der Republik Makedonien in den UN unter ihrer vorläufigen Bezeichnung und wie es weiter gehen könnte.

 

Hintergrund

Aufgrund des sogenannten Namensstreits verzögerte sich sowohl die Aufnahme der Republik Makedonien in die UN als auch die bilaterale völkerrechtliche Anerkennung durch die Staaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) und der überwiegenden Staaten der internationalen Gemeinschaft. Zum Vergleich: Die ehemaligen Republiken der SFRJ Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Slowenien erklärten sich zwischen dem 25. Juni 1991 und dem 03. März 1992 für Unabhängig und wurden am 22. Mai 1992 in die Vereinten Nationen aufgenommen. Zu dieser Zeit hatte nur Slowenien nach einem etwa zweiwöchigen Krieg keine inneren und äußeren Probleme mehr. In Bosnien und Herzegowina und in Kroatien herrschte ein blutiger Krieg. Die Republik Makedonien verließ ohne Krieg die SFRJ. Innenpolitisch wurde die Unabhängigkeit durch die Proklamation einer neuen Verfassung am 20. November 1991 auch materiell-rechtlich umgesetzt. Die noch heute gültige Verfassung definiert die Republik Makedonien als souveränen, unabhängigen, demokratische und sozialen Staat und die Herrschaft des Rechts (Rechtsstaatsprinzip) als Grundlage des staatlichen Handelns. Auch das Verhältnis der verschiedenen in der Republik Makedonien lebenden Völker war zu dieser Zeit friedlich und stabil, wenn auch nicht völlig spannungsfrei. Nach den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern mit einem Bevölkerungsanteil von 64,2 % ist die Gemeinschaft der ethnischen Albaner mit einem Bevölkerungsanteil von 25,2 % die größte Volksgruppe und ihre Vertreter wurden seit der Unabhängigkeit der Republik Makedonien an jeder Regierung beteiligt. An sich sprach nichts gegen die völkerrechtliche Anerkennung der Republik Makedonien. Ende 1991 setzte die Europäische Gemeinschaft (EG) eine aus Verfassungsrechtlern bestehende Kommission unter Vorsitz des ehemaligen französischen Justizministers Robert Badinter ein. Diese stellte am 08. Dezember 1991 fest, dass sich die SFRJ rechtlich gesehen im Prozess der Auflösung befinde. Daraufhin beschloss der Ministerrat der EG Mitte Dezember 1991 Richtlinien für die Anerkennung ehemaliger Republiken der SFRJ die ihre Unabhängigkeit erklärt hatten. Sie würden demnach völkerrechtlich anerkannt, wenn sie ihre internationale Anerkennung wünschten und die von der EG gestellten Bedingungen zur Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte und zum Schutz der Minderheiten erfüllen würden. Auf Basis dieser Anforderungen bescheinigte die Badinter-Kommission den Republiken Slowenien und Makedonien die Anerkennungswürdigkeit. Die Republik Kroatien war nicht dabei. Trotzdem wurde die Republik Kroatien zusammen mit der Republik Slowenien am 15. Januar 1992 von allen Staaten der EG anerkannt und die Republik Makedonien nicht. Die Bundesrepublik Deutschland erkannte die Republiken Kroatien und Slowenien sogar bereits am 23. Dezember 1991 völkerrechtlich an, allerdings erst mit Wirkung zum 15. Januar 1992.

 

Griechenland, die Europäische Gemeinschaft (EG) und die Republik Makedonien

Der Ministerrat der Hellenischen Republik unter Vorsitz des damaligen griechischen Ministerpräsidenten Konstantin Mitsotakis forderte am 04. Dezember 1991 von der Republik Makedonien unter anderem den Verzicht auf den Namen „Makedonien“. Nach Auffassung der Hellenischen Republik bezeichne der Name Makedonien einen geographischen Bereich und keine ethnische Einheit. Deshalb forderte die Hellenische Republik von der Republik Makedonien eine Erklärung, wonach es keine ethnisch-makedonische Minderheit in Griechenland gebe. Eine weitere Forderung betraf den Verzicht auf territoriale Ansprüche von Seiten der Republik Makedonien auf Griechenland. Dieser Forderung kam die Republik Makedonien sowohl durch völkerrechtliche Verträge als auch staatsrechtlich durch entsprechende Verfassungszusätze nach. Auf europäischer Ebene befasste sich bereits am 16. Dezember 1991 in Brüssel eine Außenministerkonferenz der Europäischen Gemeinschaft (EG) mit der Frage der Anerkennung der Republik Makedonien. Bei dieser Konferenz der damaligen zwölf Staaten der EG, darunter Griechenland, wurde das weitere gemeinsame Vorgehen gegenüber der Republik Makedonien besprochen. Vor einer Anerkennung durch die EG-Staaten wurden von der Republik Makedonien verfassungsrechtliche und politische Garantien abverlangt, nach denen es keine territorialen Ansprüche gegenüber EG-Nachbarstaaten erheben und keine feindselige Propaganda-Aktivitäten, einschließlich der Benutzung einer Bezeichnung, die territoriale Ansprüche einschließt, betreiben dürfe. Unklar war, ob die Bezeichnung „Makedonien“ solche Ansprüche automatisch mit einschließen würde. Auf einem informellen EG-Außenministertreffen am 01. und 02. Mai 1992 in Guimarães in Portugal kamen die EG-Außenminister überein, die „Republik von Skopje“ anzuerkennen und keine Staatsbezeichnung zu akzeptieren, der Griechenland nicht zustimmen würde. Diese Erklärung wurde von Griechenland und einigen anderen EG-Mitgliedsstaaten so ausgelegt, dass im Namen der „Republik Makedonien“ die Bezeichnung „Makedonien“ nicht enthalten sein dürfe. Andere EG-Mitglieder wandten sich jedoch gegen eine solche Vorgehensweise. Einem Staat, der alle Voraussetzungen für seine Anerkennung erfülle, dürfe kein Name von außen auferlegt werden. Auf einem Gipfeltreffen der EG am 26. und 27. Juni 1992 machten sich die EG-Mitglieder zunächst den griechischen Standpunkt zu eigen, die Republik Makedonien nur unter einen Namen anzuerkennen, der nicht die Bezeichnung „Makedonien“ beinhaltet. Zunächst setzte sich Griechenland durch und bezeichnete das Ergebnis des EG-Gipfels als großen nationalen Erfolg. Doch danach kehrte Ernüchterung ein. Die Republik Makedonien verzichtete nicht auf ihren verfassungsmäßigen Namen, denn einem Staat dürfe aufgrund des Selbstbestimmungsrechtes seines Volkes kein Name von außen auferlegt werden. Einige EG-Mitgliedsstaaten waren nicht mehr bereit den griechischen Standpunkt zu übernehmen und forderten sowohl eine Klärung als auch eine Lösung der Namensfrage der Republik Makedonien. Im Rahmen der gemeinsamen Außenpolitik der EG kam es zu keiner Klärung der Anerkennungsfrage der Republik Makedonien. Eine vorläufige Lösung konnte erst im Rahmen der internationalen Staatengemeinschaft erreicht werden.

 

Die internationale Staatengemeinschaft und die Republik Makedonien

Auch auf der Ebene der internationalen Staatengemeinschaft erfolgte aufgrund des sogenannten Namensstreits zunächst keine flächendeckende bilaterale völkerrechtliche Anerkennung der Republik Makedonien, die bis dato nur von einer Minderheit der Staaten bilateral völkerrechtlich anerkannt wurde. Der sogenannte Namensstreit wurde damit zu einem völkerrechtlichen und internationalen Präzedenzfall. Die internationale Staatengemeinschaft, einschließlich einiger EG-Mitgliedsstaaten, wollte nicht einseitig der griechischen Argumentation folgen und forderte beide Seiten zum Kompromiss auf. Anfang 1993, nach dem klar wurde das ein weiteres kategorisches Ablehnen der Bezeichnung „Makedonien“ Griechenland in der internationalen Staatengemeinschaft isolieren würde, musste Griechenland schließlich einlenken. Auch die Republik Makedonien musste bis auf weiteres auf eine uneingeschränkte Anerkennung ihrer verfassungsmäßigen Bezeichnung verzichten. In der Resolution 817 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) vom 07. April 1993 wurde die Existenz des Namensstreits zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik sowie die Bedeutung einer Lösung dieses Streits für den Frieden und die Stabilität in der betroffenen Region festgestellt. Gemäß dieser Resolution wurde die Republik Makedonien am 08. April 1993 unter der vorläufigen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ in die Vereinten Nationen aufgenommen. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen stimmte dieser Aufnahme per Akklamation zu. In Griechenland und in der Republik Makedonien fand dieser Kompromiss keine große Zustimmung. Im griechischen Parlament erhielt er nur eine knappe Zustimmung von 152 gegen 146 Stimmen. Im makedonischen Parlament beschuldigte die Opposition die Regierung, der Endnationalisierung Makedoniens Vorschub geleistet zu haben. In einer weiteren Resolution des UN-Sicherheitsrates (845) vom 18. Juni 1993 wurden Griechenland und die Republik Makedonien dazu aufgefordert den zwischen ihnen bestehenden Namensstreit im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen zu lösen. Dieser Aufgabe ist seit 1993 ein entsprechender Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen zugewiesen. Von 1994 bis heute hat Matthew Nimetz dieses Amt inne. Alle Gespräche und Vermittlungsversuche im Rahmen der Vereinten Nationen blieben bisher erfolglos. Allerdings haben Griechenland und die Republik Makedonien im Jahr 2018 ihre Bemühungen den Streit beizulegen intensiviert.

Völkerrechtliche Bewertung der UN-Aufnahme der Republik Makedonien

Die Aufnahme der Republik Makedonien unter der provisorischen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ (Englisch: „The Former Yugoslav Republic of Macedonia“, kurz: „FYROM“) in die Vereinten Nationen stellt einen Präzedenzfall dar. Noch niemals in der Geschichte der UN ist ein vergleichbarer Fall vorgekommen. Die Charta der Vereinten Nationen regelt in Artikel 4 Absatz 1 die Aufnahme von neuen Mitgliedern und legt abschließend die Bedingungen dafür fest: „Mitglied der Vereinten Nationen können alle sonstigen Mitglieder (Anmerkung: Neben den 51 Gründungsmitgliedern der UN) werden, welche die Verpflichtungen aus der Charta übernehmen und nach dem Urteil der Organisation fähig und willens sind, diese Verpflichtungen zu erfüllen.“ In Artikel 4 Absatz 2 ist allerdings eine weitere Voraussetzung festgelegt: „Die Aufnahme eines solchen Staates als Mitglied der Vereinten Nationen erfolgt auf Empfehlung des Sicherheitsrats durch Beschluss der Generalversammlung.“ An dieser Stelle muss die Frage gestellt werden, ob der UN-Sicherheitsrat im Rahmen seiner Aufgaben und Befugnisse weitere, über die UN-Charta hinausgehende Bedingungen für die Aufnahme eines neuen Mitglieds durch eine Resolution festlegen und einer Empfehlung für die UN-Generalversammlung zugrunde legen darf. Des Weiteren ist die Frage zu klären, ob die UN-Generalversammlung der Empfehlung des UN-Sicherheitsrates hätte folgen dürfen. Im Ergebnis geht es auch darum, ob die Rechte der Republik Makedonien gemessen am Völkerrecht durch die UN verletzt worden sind und ob dies im Rahmen des Internationalen Gerichtshofes (IGH) überprüfbar bzw. angreifbar ist. Gemäß einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes vom 28. Mai 1948 sind die in Artikel 4 Absatz 1 festgelegten Voraussetzungen für eine UN-Mitgliedschaft abschließend und dürfen nicht durch zusätzliche Bedingungen, etwa aufgrund von politischen Erwägungen, ergänzt werden. Es muss hinzugefügt werden, dass das Gutachten auf einem Mehrheitsbeschluss der Richter am IGH beruht. Eine Minderheit der Richter am IGH vertrat die vom Ergebnis des Gutachtens abweichende Auffassung, wonach die UN-Mitglieder zusätzliche Bedingungen im Vorfeld der UN-Aufnahme eines potentiellen Mitglieds, etwa aufgrund von politischen Erwägungen, festlegen dürfen.

 

Durch Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 08. Dezember 1948 (197/III 1948) wurde das Ergebnis des IGH-Gutachtens vom 28. Mai 1948 für die Aufnahme von neuen UN-Mitgliedern allerdings für alle Mitglieder der Vereinten Nationen als verbindlich anerkannt. Demnach sind die in Artikel 4 der Charta der Vereinten Nationen festgelegten Voraussetzungen für eine UN-Mitgliedschaft abschließend und dürfen nicht ohne formelle Änderung der UN-Charta erweitert werden. Die Republik Makedonien erfüllte die in der UN-Charta festgelegten Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Demnach wären die zusätzlichen Bedingungen, wonach die Republik Makedonien nur unter einer provisorischen Bezeichnung in die UN aufgenommen wurde und mit Griechenland über ihren Staatsnamen verhandeln müsse, Verstöße gegen die Charta der Vereinten Nationen und damit Verstöße gegen das Völkerrecht. Das Gutachten des IGH vom 28. Mai 1948 hat zunächst nur den Charakter einer unverbindlichen Empfehlung und seine Rechtsgrundlage in Artikel 96 der UN-Charta in Verbindung mit Artikel 65 Absatz 1 des Statuts des IGH. Durch Beschluss der UN-Generalversammlung vom 08. Dezember 1948 wurde es von den UN-Mitgliedern jedoch als verbindlich akzeptiert und in anderen Fällen auch entsprechend angewandt. Zum Schluss dieses Abschnitts muss noch erwähnt werden, dass die Entscheidung der UN-Generalversammlung nicht die mehrheitlichen Auffassungen der Mitgliedsstaaten in dieser Angelegenheit wiedergibt. Auch wenn die UN-Mitglieder im Rahmen der UN-Generalversammlung der Empfehlung des UN-Sicherheitsrates gefolgt sind, so erkennt eine große Mehrheit von ihnen die Republik Makedonien bilateral unter ihrer verfassungsmäßigen Bezeichnung „Republik Makedonien“ an.

 

Der Name der Republik Makedonien aus Sicht der UN-Charta und des Völkerrechts

In Artikel 1 Absatz 2 der UN-Charta ist unter anderem als Ziel der Vereinten Nationen festgelegt, die „freundschaftliche, auf Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhenden Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen.“ Das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes beinhaltet auch alle Rechte zur ethnischen Selbstidentifizierung, also auch zur Wahl des Namens für ein auf der Souveränität des Volkes beruhendes Staatswesen. Von diesem Recht hat das makedonische Staatsvolk am 08. September 1991 in einem Referendum Gebrauch gemacht, in dem es für die Unabhängigkeit des makedonischen Staates von der SFRJ unter der Bezeichnung „Republik Makedonien“ mit großer Mehrheit votierte. Aus der UN-Charta oder aus sonstigem Völkerrecht kann überdies kein exklusives Recht Griechenlands an den Namen „Makedonien“ abgeleitet werden. Bei dem Namen des makedonischen Staates einschließlich der Bezeichnungen für die makedonische Nation, Sprache und Staatsbürgerschaft handelt es sich um eine zulässige Territorialableitung. Die „Republik Makedonien“ liegt mit ihrem Territorium vollständig in einer wesentlich größeren geographischen Region mit dem Namen Makedonien, die aufgeteilt ist zwischen Bulgarien, Griechenland und der heutigen Republik Makedonien. In Griechenland wird der Name „Makedonien“ auch für drei Regionen mit Selbstverwaltungskompetenzen verwendet. Des Weiteren sieht sich Griechenland als alleiniger Erbe der antiken makedonischen Geschichte und Kultur, welche heute nicht mehr existiert und Namensgeber für die heutige geographische Region Makedonien war. Weder die UN-Charta noch das sonstige Völkerrecht stehen der verfassungsmäßigen Bezeichnung der Republik Makedonien in dieser Hinsicht entgegen.

 

Aus Sicht Griechenlands dürfe die verfassungsmäßige Bezeichnung der Republik Makedonien nicht anerkannt und verwendet werden, da die Republik Makedonien nur einen Teil der gesamten geographischen Region Makedonien ausmache und der Name Makedonien auch in Griechenland verwendet würde. Aus diesem Grunde dürfe der Name „Makedonien“ in der völkerrechtlichen Bezeichnung des makedonischen Staates nur in zusammengesetzter Form mit einer geographischen Spezifizierung verwendet werden, etwa Republik Nordmakedonien. Dieses Problem besteht allerdings nur aus Sicht Griechenlands. Aus Sicht des Völkerrechts stellt die Verwendung eines Namens, der zugleich auch als Name eines anderen Staates oder einer Region innerhalb eines anderen Staates verwendet wird, kein Problem dar. Beispiele hierfür sind die Demokratische Republik Kongo und die Republik Kongo (zwei Völkerrechtssubjekte), das Großherzogtum Luxemburg (Völkerrechtssubjekt) und die belgische Provinz Luxemburg oder auch die Aserbaidschanische Republik (Völkerrechtssubjekt) und die iranische Provinz Aserbaidschan. Dies kommt regelmäßig in den Fällen vor, wo eine historisch gewachsene geographische Region mit einem bestimmten Namen auf mehrere Staaten verteilt ist. Liegt der entsprechende Staat vollständig in dieser Region, kann es auch seine völkerrechtliche bzw. staatsrechtliche Bezeichnung vom Namen dieser Region ableiten (Territorialableitung). Liegen nur Teile eines Staates in einer bestimmten Region, werden die entsprechenden Provinzen dieses Staates nach dieser Region benannt. Im Falle der geographischen Region Makedonien und der an ihr beteiligten Staaten dürfte dies nicht anders gehandhabt werden. Demnach würde die Republik Makedonien aus völkerrechtlicher Sicht zu Recht den Namen Makedonien tragen ohne die völkerrechtlichen Rechte Griechenlands zu verletzten. Aufgrund des völkerrechtlich verbrieften Selbstbestimmungsrechtes eines Volkes kann ein jedes Volk den Namen seines Staates, seiner Nation und seiner Sprache grundsätzlich frei wählen. Grenzen werden diesem Recht nur aufgrund des ebenfalls völkerrechtlich verbrieften Rechtes eines anderen Staates auf seine territoriale Integrität gesetzt. Allerdings wird die territoriale Integrität Griechenlands durch die verfassungsmäßige Bezeichnung der Republik Makedonien nicht verletzt, auch wenn dies von griechischer Seite unterstellt wird.

 

Verletzt werden die Rechte der Republik Makedonien allerdings auch gemessen an Artikel 2 Absatz 1 der UN-Charta: „Die Organisation (Anmerkung: Die UN) beruht auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.“ Von souveräner Gleichheit kann allerdings im Falle der UN-Mitgliedschaft der Republik Makedonien unter einer provisorischen Bezeichnung nicht gesprochen werden. Tatsächlich wird die Republik Makedonien gegenüber den anderen UN-Mitgliedern nicht gleich behandelt und diskriminiert. Die Souveränität der Republik Makedonien, nämlich ihre innere verfassungsmäßige Ordnung, die auch die vom makedonischen Staatsvolk selbstbestimmte Staatsbezeichnung „Republik Makedonien“ festlegt, wird verletzt. Dies ist wiederum ein Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 7 der UN-Charta: „Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII wird durch diesen Grundsatz nicht berührt.“ Für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen gemäß des Kapitels VII der UN-Charta fehlt, wie im kommenden Abschnitt noch erörtert wird, ebenfalls jede Legitimation. Aus diesem Grunde dürfte im Falle der Republik Makedonien ein eindeutiger Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 7 der UN-Charta vorliegen.

 

Die Kompetenzen des UN-Sicherheitsrates und die UN-Aufnahme der Republik Makedonien

Gemäß Artikel 24 Absatz 1 der UN-Charta ist der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit hauptverantwortlich. Bevor neue Mitglieder durch Beschluss der UN-Generalversammlung aufgenommen werden können, muss der UN-Sicherheitsrat eine entsprechende Empfehlung abgeben. Dies ist in Artikel 4 Absatz 2 der UN-Charta festgelegt. Der UN-Sicherheitsrat entscheidet im Rahmen der UN-Charta, hat also insbesondere die in Artikel 4 Absatz 1 der UN-Charta festgelegten Voraussetzungen für eine UN-Mitgliedschaft zu prüfen. Wenn diese erfüllt sind, kann der UN-Sicherheitsrat eine Empfehlung für die Aufnahme eines neuen UN-Mitglieds abgeben. Die Entscheidung ob ein neues Mitglied in die Vereinten Nationen aufgenommen wird obliegt allerdings der UN-Generalversammlung. Diese kann jedoch nicht ohne die vorausgehende Empfehlung des UN-Sicherheitsrates von sich aus tätig werden.

 

Der UN-Sicherheitsrat beschloss bezüglich der UN-Mitgliedschaft der Republik Makedonien einstimmig am 07. April 1993 die Resolution 817. In ihr ist eindeutig festgehalten, dass die Republik Makedonien die Voraussetzungen für eine UN-Mitgliedschaft gemäß Artikel 4 Absatz 1 der UN-Charta erfüllt. Allerdings stellte der UN-Sicherheitsrat die bestehende Differenz zwischen dem UN-Mitglied Griechenland und der Republik Makedonien bezüglich des Namens der Republik Makedonien fest. Des Weiteren stellte der UN-Sicherheitsrat fest, dass dieser sogenannte Namensstreit im Interesse der Aufrechterhaltung von friedlichen und gut nachbarschaftlichen Beziehungen in der betroffenen Region gelöst werden müsse. Aus diesem Grund empfahl der UN-Sicherheitsrat die Aufnahme der Republik Makedonien unter der provisorischen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ in die Vereinten Nationen. Der provisorische Name soll für alle Zwecke im Rahmen der Vereinten Nationen verwendet werden, bis die Differenz in der Namensfrage behoben wurde. Die vom UN-Sicherheitsrat geforderte Lösung bedeutet im Ergebnis, dass die Republik Makedonien mit Griechenland über ihren Staatsnamen verhandeln muss.

 

Das die Resolution 817 und die daraus resultierende Empfehlung des UN-Sicherheitsrates nicht mit Artikel 4 Absatz 1 der UN-Charta im Einklang stehen dürfte, ist bereits weiter oben ausführlich erörtert worden. Es muss die Frage geklärt werden, ob der UN-Sicherheitsrat durch die Resolution 817 seine Kompetenz überschritten hat. Die Hauptkompetenz des UN-Sicherheitsrates ist die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Der UN-Sicherheitsrat kann gemäß Kapitel VI (Artikel 33 bis 38) der UN-Charta auf eine friedliche Beilegung von Streitigkeiten hinwirken und zwar in jedem Stadium einer Streitigkeit zwischen zwei oder mehreren Staaten. Dies geschieht durch entsprechende Empfehlungen. Zwangsmaßnahmen kann der UN-Sicherheitsrat gemäß Kapitel VII (Artikel 39 bis 51) der UN-Charta erst bei einer Bedrohung oder eines Bruches des Friedens sowie einer Angriffshandlung beschließen. Diese sind dann für alle UN-Mitglieder grundsätzlich verbindlich. Der UN-Sicherheitsrat hätte gemäß der UN-Charta durchaus Empfehlungen zur Streitbeilegung zwischen Griechenland und der Republik Makedonien abgeben dürfen. Allerdings dürfte der UN-Sicherheitsrat seine Kompetenzen überschritten haben, als er die Aufnahme der Republik Makedonien unter einer provisorischen Bezeichnung empfahl. Dies dürfte nicht durch die UN-Charta gedeckt sein. Für verbindliche Zwangsmaßnahmen fehlten im Falle der Republik Makedonien überdies die in Kapitel VII der UN-Charta festgelegten Tatbestandsvoraussetzungen.

 

Die UN-Generalversammlung übernahm die Empfehlung des UN-Sicherheitsrates und nahm durch einen entsprechenden Beschluss vom 08. April 1993 die Republik Makedonien unter einer provisorischen Bezeichnung in die Vereinten Nationen auf. Doch hier dürften die UN-Mitglieder gegen Artikel 25 der UN-Charta verstoßen haben, dort ist festgelegt: „Alle Mitglieder der Vereinten Nationen kommen überein, die Beschlüsse des Sicherheitsrates im Einklang mit dieser Charta (Anmerkung: Die UN-Charta) anzunehmen und durchzuführen.“ Die Resolution 817 des UN-Sicherheitsrates und die daraus resultierende Empfehlung an die UN-Generalversammlung dürften eben nicht völlig im Einklang mit der UN-Charta gewesen sein. Aus diesem Grunde hätten die UN-Mitglieder bei ihrer Abstimmung in der UN-Generalversammlung nur den mit der UN-Charta im Einklang stehenden Teilen der Empfehlung des UN-Sicherheitsrates folgen dürfen. In diesem Fall hätte die Republik Makedonien unter ihrer verfassungsmäßigen Bezeichnung und ohne weitere Bedingungen in die Vereinten Nationen aufgenommen werden müssen. Die nicht mit der UN-Charta im Einklang stehenden Teile der Empfehlung hätten von der UN-Generalversammlung nicht beachtet werden dürfen. Konkret beträfe dies die Empfehlung des UN-Sicherheitsrates, die Republik Makedonien unter einer provisorischen Bezeichnung in die Vereinten aufzunehmen und von ihr im Ergebnis zu verlangen mit Griechenland über ihren Staatsnamen zu verhandeln.

 

Es muss erwähnt werden, dass die Resolution 817 des UN-Sicherheitsrates vom 07. April 1993 unter dem Eindruck des kriegerischen Zerfalls der SFRJ zustande kam. Ziel war es einen möglichen weiteren heißen Konfliktherd auf dem Balkan zu verhindern, auch wenn dies mit völkerrechtswidrigen Maßnahmen geschehen sein dürfte. Allerdings muss kritisch hinterfragt werden ob der Name der Republik Makedonien tatsächlich geeignet ist den Weltfrieden oder die internationale Sicherheit zu gefährden. Nur dann hätte der Sicherheitsrat gemäß der UN-Charta überhaupt verbindliche Maßnahmen in Erwägung ziehen dürfen. Festgestellt hatte der UN-Sicherheitsrat lediglich die Bedeutung der Lösung dieses Namensstreits für den Frieden und den gut nachbarschaftlichen Beziehungen in der betroffenen Region. Das ist natürlich auch wichtig, schließt jedoch gemäß der Kapitel VI und VII der UN-Charta Zwangsmaßnahmen aus. Die Resolution 817 des UN-Sicherheitsrates beinhaltet im Ergebnis zwei Zwangsmaßnahmen für die Republik Makedonien: Die Verwendung der provisorischen Bezeichnung „Die Ehemalige Jugoslawischen Republik Makedonien“ und die aus der Resolution 817 resultierende Pflicht mit Griechenland über ihren Staatsnamen zu verhandeln.

 

Des Weiteren sollte der UN-Sicherheitsrat den Sachverhalt erneut bewerten, ob der Name der Republik Makedonien auch aus heutiger Sicht noch geeignet wäre den Frieden und die gut nachbarschaftlichen Beziehungen in der betroffenen Region zu gefährden. Es ist die Fragen zu klären, ob die Fortdauer dieses Namensstreits geeigneter wäre den Frieden und die gut nachbarschaftlichen Beziehungen in der betroffenen Region zu stören, als der verfassungsmäßige Name der Republik Makedonien.

 

Fazit

Die Aufnahme der Republik Makedonien am 08. April 1993 in die Vereinten Nationen unter einer provisorischen Bezeichnung dürfte vor allem gegen Artikel 2 Absatz 1 und 7 sowie Artikel 4 Absatz 1 der UN-Charta und damit gegen geltendes grundlegendes Völkerrecht verstoßen haben. Nach einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) vom 28. Mai 1948 sind die in Artikel 4 Absatz 1 der UN-Charta definierten Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen abschließend und dürfen ohne eine Änderung der UN-Charta nicht aus politischen Erwägungen heraus erweitert werden. Die UN-Generalversammlung beschloss am 08. Dezember 1948 das Ergebnis des IGH-Gutachtens vom 28. Mai 1948 als verbindlich für die Aufnahmen von Staaten in die Vereinten Nationen anzuerkennen. Der UN-Sicherheitsrat hat mit der Resolution 817 und der daraus resultierenden Empfehlung für die UN-Aufnahme der Republik Makedonien unter einer provisorischen Bezeichnung seine Kompetenzen überschritten, zumal dieser feststellte, dass die Republik Makedonien die in Artikel 4 Absatz 1 der UN-Charta genannten Voraussetzungen für eine UN-Mitgliedschaft erfüllen würde. Die UN-Generalversammlung hätte gemäß Artikel 25 der UN-Charta der Empfehlung des UN-Sicherheitsrates nur im Einklang mit der UN-Charta folgen dürfen und so die „Republik Makedonien“ am 08. April 1993 an sich unter ihrer verfassungsmäßigen Bezeichnung aufnehmen müssen.

 

Die provisorische Bezeichnung der Republik Makedonien im Rahmen der Vereinten Nationen und die auferlegte Pflicht über den Staatsnamen mit Griechenland zu verhandeln verletzen das in Artikel 1 Absatz 2 der UN-Charta verbriefte Recht des makedonischen Staatsvolkes auf Selbstbestimmung, was die ethnische Selbstdefinition und die daraus resultierende Namensgebung für das makedonische Staatswesen mit einschließt. Griechenland kann hingegen aus dem geltenden Völkerrecht keinen exklusiven Anspruch auf den Namen „Makedonien“ ableiten, so dass hier ebenfalls keine Legitimation für die Entscheidungen des UN-Sicherheitsrates und der UN-Generalversammlung hätten abgeleitet werden können. Des Weiteren wurden auch die Bestimmungen der Artikel 2 Absatz 1 und 7 der UN-Charta bezüglich der Aufnahme der Republik Makedonien in die Vereinten Nationen verletzt. Artikel 2 Absatz 1 der UN-Charta normiert die souveräne Gleichheit der UN-Mitglieder im Rahmen der Vereinten Nationen. Von souveräner Gleichheit kann im Falle der Republik Makedonien im Rahmen der Vereinten Nationen aufgrund der ihr auferlegten provisorischen Bezeichnung und Pflicht mit Griechenland über ihren Staatsnamen zu verhandeln nicht gesprochen werden. Außerdem hätte die UN aufgrund von Artikel 2 Absatz 7 der UN-Charta kein Recht gehabt sich in die inneren Angelegenheiten der Republik Makedonien einzumischen. Die verfassungsmäßige Ordnung der Republik Makedonien beinhaltet auch die Bezeichnung des Staates als „Republik Makedonien“ und stellt eine innere Angelegenheit dar. Durch die Maßnahmen der UN wird die verfassungsmäßige Ordnung der Republik Makedonien verletzt.

 

Es gibt im Rahmen der Vereinten Nationen zwei Möglichkeiten die UN-Mitgliedschaft der Republik Makedonien in Einklang mit der UN-Charta und dem sonstigen Völkerrecht zu bringen. Der UN-Sicherheitsrat überprüft den Sachverhalt erneut und beschließt eine Resolution, die im Einklang mit der UN-Charta ist. Die andere Möglichkeit wäre eine entsprechende Klage vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH). Die Republik Makedonien hat zwar in dem Interimsabkommen mit Griechenland vom 13. September 1995 eine Klage vor dem IGH zur Klärung des Namensstreits ausgeschlossen, doch sollte eine mögliche Kündigung dieses Interimsabkommens in Hinblick auf eine Klage vor dem IGH geprüft werden. Die beste Option wäre eine politische Lösung des Kulturstreits um Makedonien durch Gespräche zwischen Griechenland und der Republik Makedonien im Rahmen der Vereinten Nationen. Doch diese Gespräche sind seit über 25 Jahren erfolglos. Die Alternative wäre Entscheidung des IGH, da es sich bei der Frage um die Wahl des Staatsnamens eindeutig um eine Frage des Völkerrechts handelt und jede Frage des Völkerrechts kann dem IGH zur Entscheidung vorgelegt werden.

 

Literaturhinweis

Grundlage der völkerrechtlichen Bewertung der UN-Aufnahme der Republik Makedonien unter einer provisorischen Bezeichnung sind ein Völkerrechtsgutachten von Igor Janev und eigene Bewertungen des Sachverhalts.

Das Völkerrechtsgutachten „ON THE UN´S LEGAL RESPONSIBILITY FOR THE IRREGULAR ADMISSION OF MACEDONIA TO UN“ von Igor Janev (auf Englisch)