Nach intensiven Verhandlungen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien zur Lösung des Streits um den Namen „Makedonien“ im Verlauf des Jahres 2018, wurde am 12. Juni 2018 vom griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras und dem makedonischen Ministerpräsidenten Zoran Zaev ein Abkommen zur Lösung dieses seit 27 Jahren andauernden Streits ausgehandelt. Die vereinbarte Lösung sieht unter anderem die Umbenennung der Republik Makedonien in „Republik Nord-Makedonien“ für den allgemeinen und uneingeschränkten Gebrauch („erga omnes“) sowie die Anerkennung der makedonischen Nationalität und Sprache als „Makedonisch“ vor. In der Vereinbarung wird die Verwendung der Bezeichnungen „Makedonien“ und „Makedonier“ durch die Vertragspartner geregelt. Anerkannt wird, dass hinter diesen Begriffen verschiedene kulturelle und historische Kontexte stehen. So hat der „Makedonismus“ für Griechenland einen anderen kulturellen und historischen Kontext als der der Republik Makedonien.
Am 17. Juni 2018 ist das ausgehandelte Abkommen im griechischen Dorf Pserades am Prespasee in einem eigens dafür aufgestellten Zelt vom griechischen Außenminister Nikos Kotzias und vom makedonischen Außenminister Nikola Dimitrov unterzeichnet worden. Anwesend bei der Unterzeichnung waren auch die Ministerpräsidenten beider Staaten, die stellvertretende Generalsekretärin der Vereinten Nationen (UN) Rosemary DiCarlo, der langjährige Sonderbeauftragte im Namensstreit Matthew Nimetz (welcher am 17. Juni 2018 Geburtstag hatte und 79 Jahre alt wurde), die Außenbeauftragte der Europäischen Union (EU) Federica Mogherini und EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Am 20. Juni 2018 wurde der Vertrag zur Beilegung des Streits um den Namen „Makedonien“ vom Parlament der Republik Makedonien ratifiziert. Im September oder Oktober 2018 werden die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien im Rahmen einer Volksabstimmung über die vorliegende Lösung entscheiden. Im Falle einer Annahme durch den Volksentscheid muss die Lösung verfassungsrechtlich durch eine Änderung der Verfassung der Republik Makedonien implementiert werden. Für eine Verfassungsänderung ist eine Zweidrittelmehrheit unter allen Mitgliedern des makedonischen Parlaments erforderlich. Erst danach wird der Vertrag vom griechischen Parlament ratifiziert werden, wofür eine Mehrheit unter allen Abgeordneten erforderlich ist.
Dieses Abkommen dient der Klärung und Lösung des Kulturstreits um „Makedonien“ und des daraus resultierenden Namensstreits als dessen größtes Symptom. Nach meiner Auffassung hat dieses Abkommen zwar Schwächen und bringt auch Nachteile mit sich, doch in seinen wesentlichen Punkten ist es geeignet, den Kulturstreit um Makedonien zu beenden. Des Weiteren kann der angestrebte Kompromiss als Basis für eine weiter entwickelte Lösung dienen. Nachfolgend sollen wesentliche Aspekte der Lösung dargestellt und bewertet werden.
Der Staatsname
Nach dem vereinbarten Kompromiss würde der neue Staatsname auf Englisch „Republic of North Macedonia“ und in der Kurzschreibweise „North Macedonia“ für den allgemeinen und uneingeschränkten Gebrauch („erga omnes“) lauten. Übersetzt ins Deutsche würde der Staatsname „Republik Nord-Makedonien“ bzw. „Nord-Makedonien“ oder „Republik Nordmakedonien“ bzw. „Nordmakedonien“ lauten. Im Griechischen lautet der neue Name „Δημοκρατία της Βόρειας Μακεδονίας” („Dimokratía tis Vóreias Makedonías“) bzw. „Βόρεια Μακεδονία” („Vóreia Makedonía“) und im Makedonischen „Република Северна Македонија“ („Republika Severna Makedonija“) bzw. „Северна Македонија“ („Severna Makedonija“). Dieser Staatsname würde die bisherige verfassungsmäßige Bezeichnung „Republik Makedonien“ und die provisorische UN-Bezeichnung „Die Ehemaligen Jugoslawische Republik Makedonien“ komplett ersetzen. Die bisherigen Länderkennungen „MK“ und „MKD“ bleiben jedoch bestehen. Nur auf den Kraftfahrzeugkennzeichen muss diese durch „NM“ oder „NMK“ ersetzt werden.
Nachfolgend soll auf die Hintergründe zum Namen „Republik Nord-Makedonien“ eingegangen werden. Aus Sicht Griechenlands dürfe die bisherige verfassungsmäßige Bezeichnung der „Republik Makedonien“ nicht anerkannt und verwendet werden, da die Republik Makedonien nur einen Teil der gesamten geografischen Region Makedonien ausmache und der Name Makedonien auch in Griechenland verwendet würde. Des Weiteren sei Makedonien Teil der griechische Geschichte und Kultur. In der jetzigen Form sei die Bezeichnung der Republik Makedonien irredentistisch und eine Gefahr für die Stabilität der Region. Aus diesem Grunde dürfe der Name „Makedonien“ in der völkerrechtlichen Bezeichnung des makedonischen Staates nur in zusammengesetzter Form mit einer geografischen Spezifizierung verwendet werden: „Republik Nord-Makedonien“.
Es ist nach meiner Auffassung nicht ersichtlich, warum ein zusammengesetzter Name mit geografischer Spezifizierung den Kulturstreit um Makedonien klären oder überhaupt hilfreich sein sollte. Schon jetzt ist eine Abgrenzung möglich. Auf der einen Seite die „Republik Makedonien“ als einziges Völkerrechtssubjekt, auf der anderen Seite die griechischen Regionen „Westmakedonien“, „Zentralmakedonien“ und „Ostmakedonien-Thrakien“ als völkerrechtliche Bestandteile Griechenlands. Eine geografische Spezifizierung, wie zum Beispiel Republik Nord-Makedonien, würde eher zu mehr als zu weniger Missverständnissen in der makedonischen Frage führen. Denn es würde in diesem Fall noch mehr der Eindruck eines geteilten Ganzen entstehen. Hingegen wären die kulturellen Unterschiede zwischen der griechischen Region Makedonien bzw. den griechischen Makedoniern und der Republik Makedonien bzw. den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern aus dem Staatsnamen erst recht nicht mehr ersichtlich.
Aus Sicht des Völkerrechts stellt die Verwendung eines Namens, der zugleich auch als Name eines anderen Staates oder einer Region innerhalb eines anderen Staates verwendet wird, kein Problem dar. Beispiele hierfür sind die Demokratische Republik Kongo und die Republik Kongo (zwei Völkerrechtssubjekte), das Großherzogtum Luxemburg (Völkerrechtssubjekt) und die belgische Provinz Luxemburg oder auch die Aserbaidschanische Republik (Völkerrechtssubjekt) und die iranische Provinz Aserbaidschan. Dies kommt regelmäßig in den Fällen vor, wo eine historisch gewachsene geografische Region mit einem bestimmten Namen auf mehrere Staaten verteilt ist. Liegt der entsprechende Staat vollständig in dieser Region, kann es auch seine völkerrechtliche bzw. staatsrechtliche Bezeichnung vom Namen dieser Region ableiten (Territorialableitung). Liegen nur Teile eines Staates in einer bestimmten Region, werden die entsprechenden Provinzen dieses Staates nach dieser Region benannt. Im Falle der geografischen Region Makedonien und der an ihr beteiligten Staaten dürfte dies nicht anders gehandhabt werden. Demnach würde die Republik Makedonien aus völkerrechtlicher Sicht zu Recht den Namen Makedonien tragen, ohne die völkerrechtlichen Rechte Griechenlands zu verletzten.
Der neue Name „Republik Nord-Makedonien“ ist tatsächlich Symbolpolitik für Griechenland. Besonders aus innenpolitischen Gründen konnte Griechenland der Bezeichnung „Republik Makedonien“ nicht zustimmen. Seit dem Ende des Bürgerkrieges in Griechenland im Jahre 1949 wurde jeder nichtgriechische „Makedonismus“ als Angriff auf die griechische Kultur und Geschichte sowie als Grundlage für Eingriffe in die Souveränität und territoriale Integrität Griechenlands dargestellt. Auch wenn es entsprechende Bestrebungen während der beiden Weltkriege und im griechischen Bürgerkrieg gab, von nationalistischen Gruppen solche Interessen auch heute noch vertreten werden, so ist es dennoch vollkommen falsch den nichtgriechischen Makedonismus darauf zu reduzieren. Im Gegenteil: Die Existenz eines makedonischen Staates und einer makedonischen Kulturnation hat zu mehr Stabilität in einer zuvor umkämpften Region geführt, da ein nicht mehr existierendes ethnologisches Vakuum keine gegenseitigen Ansprüche der Nachbarstaaten mehr auslösen konnte. Des Weiteren verfolgte die Republik Makedonien niemals eine Politik der territorialen Ansprüche gegenüber Griechenland und bekräftigte dies in einem Verfassungszusatz vom 06. Januar 1992 auch. Der verfassungsmäßige Name „Republik Makedonien“ ist eindeutig nicht irredentistisch und revisionistisch.
Nach meiner Auffassung ist die zusätzlich geografische Spezifizierung daher überflüssig und eher auch nachteilig für Griechenland. Natürlich ist der Name geografisch betrachtet nicht falsch. Das Abkommen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien sollte an dieser Frage nicht scheitern. Bei einer erfolgreichen Umsetzung des gesamten Abkommens wird möglicher Irredentismus auf beiden Seiten wirksam bekämpft und ein gesteigertes gegenseitiges Vertrauen aufgebaut, welches zwangsläufig auch zu einer tiefen Freundschaft zwischen Griechenland und der Republik Makedonien führen wird. In dieser Atmosphäre kann zwischen beiden Parteien auch wieder und viel gelassener über den Name – von dann „Republik Nord-Makedonien“ an – gesprochen werden. Es ist durchaus möglich, dass Griechenland die geografische Spezifizierung in Zukunft ebenfalls als überflüssig betrachtet und einer Rückbenennung in „Republik Makedonien“ zustimmen würde. Vielleicht ist der Weg über dieses Abkommen besser geeignet, einvernehmlich den bisherigen verfassungsmäßigen Namen „Republik Makedonien“ mit Wirkung für die Zukunft zu erhalten, als vornherein darauf zu bestehen. Vor diesem Hintergrund sollte das Abkommen auch bewertet werden.
Die makedonische Nation und Sprache
Griechenland akzeptiert die Selbstidentifikation des makedonischen Volkes als Ausdruck seines Selbstbestimmungsrechtes. Damit erkennt Griechenland zwar nicht explizit, jedoch implizit die Bezeichnung der Nation der Republik Makedonien als „Makedonisch“ an. Das bezieht sich sowohl auf die makedonische Kulturnation als auch auf die makedonische Staatsnation. Eine vergleichbare Regelung besteht auch zwischen Bulgarien und der Republik Makedonien. Im Ergebnis erkennt Griechenland eine makedonische Kulturnation an, auch wenn diese Anerkennung nur implizit ist. In amtlichen Dokumenten bzw. im amtlichen Verkehr muss die staatsrechtliche Nationalität „Makedonisch“ allerdings noch mit der Bezeichnung „Bürger der Republik Nord-Makedonien“ ergänzt werden, so dass die Gesamtbezeichnung der staatsrechtlichen Nationalität „Makedonisch / Bürger der Republik Nord-Makedonien“ lautet. Hier geht es also um die Bezeichnung der makedonischen Staatsbürgerschaft. Als ethnische Selbstidentifikation können sich die ethnischen bzw. slawischen Makedonier als „Makedonisch“ ohne Zusatz bezeichnen. Aus der makedonischen Ethnie werden keine Nord-Makedonierinnen und Nord-Makedonier. Zwischen dem ethnischen und dem staatsrechtlichen Begriff „Makedonisch“ ist also zu unterscheiden. Aufgrund des Abkommens erkennen Griechenland und die Republik Makedonien jedoch an, dass unter diesem Begriff in beiden Staaten jeweils ein unterschiedlicher kultureller und historischer Kontext zu verstehen ist und dass die Republik Makedonien keinen Bezug zum griechischen Teil dieses Kontextes nehmen darf.
Die Bezeichnung der makedonischen Amtssprache als „Makedonisch“ wird von Griechenland anerkannt, wie sie bereits auf der Dritten Konferenz der Vereinten Nationen über die Standardisierung geografischer Namen in Athen im Jahr 1977 anerkannt wurde. Allerdings wird in dem Abkommen festgehalten, dass es sich hierbei um eine südslawische Sprache handelt, welche nichts mit der antiken makedonischen Sprache zu tun hat.
Erstmals erkennt Griechenland damit eine makedonische Nation, Nationalität und Sprache an. Bisher hatte Griechenland sich hier strikt geweigert. Auch wenn die Anerkennung der Eigenschaft „Makedonisch“ für die Nation der Republik Makedonien und ihrer Mehrheitsbevölkerung nur implizit erfolgt, nicht explizit, so ist diese doch eindeutig. Gerade gegen diese Anerkennung richtet sich ja auch der größte Protest in der griechischen Gesellschaft und Politik. Schon daran kann gemessen werden, dass es sich im Ergebnis um die Anerkennung einer makedonischen Nation und Sprache handelt.
Für die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Minderheit in Griechenland kann die oben skizzierte Entwicklung langfristig von Vorteil sein, auch wenn dies aktuell noch illusorisch ist. Noch weigert sich Griechenland eine entsprechende Minderheit anzuerkennen. Doch ist zumindest die Akzeptanz einer makedonische Nation und Sprache ein erster kleiner Schritt. Wenn der Prozess der Verständigung zwischen Griechenland und der Republik Makedonien erfolgreich weitergeführt wird, dann wird sich auch ein freundschaftliches und vertrauensvolles bilaterales Verhältnis herausbilden. Wenn dieses dann noch eingebettet ist in eine objektiv-wissenschaftliche Klärung von historischen Sachverhalten, werden beide Vertragsparteien eines Tages unter viel besseren Rahmenbedingungen als heute auch über die strittige Frage einer makedonisch sprechenden ethnischen Minderheit in Griechenland sprechen können. Gleiches gilt natürlich auch umgekehrt für eine mögliche griechische Minderheit in der Republik Makedonien.
Die Anerkennung der makedonischen Nation und Sprache ist aufgrund der bestehenden Realitäten folgerichtig und notwendig. Ebenfalls sinnvoll und zweckmäßig ist, dass zwischen den verschiedenen kulturellen und historischen Kontexten zur Eigenschaft „makedonisch“ unterschieden wird. Beide Seiten erkennen an, dass die Eigenschaft „makedonisch“ für die griechischen Region und ihre Bevölkerung einen anderen kulturellen und geschichtlichen Hintergrund hat, als für die Nation und Sprache der Republik Makedonien und das keine gegenseitige Bezugnahme auf die Kultur und Geschichte des jeweils anderen erfolgen darf.
Die Bedeutung und die Bewertung der Begriffe „Makedonien und Makedonisch“
Griechenland und die Republik Makedonien erkennen an, dass ihr jeweiliges Verständnis der Begriffe „Makedonien“ und „Makedonisch“ sich auf einen anderen historischen Kontext und ein anderes kulturelles Erbe beziehen. Im Abkommen wird festgehalten, dass wenn auf Griechenland Bezug genommen wird, diese Begriffe nicht nur das Gebiet und die Bevölkerung der griechischen Region Makedonien bezeichnen, sondern auch deren Zuordnung zur Kultur, Geschichte und dem Erbe der Hellenischen Zivilisation dieser Region von der Antike zum heutigen Tag erfolgt. Wenn auf die Republik Makedonien Bezug genommen wird, bezeichnen diese Begriffe ihr Gebiet, ihre Sprache, ihre Bevölkerung und ihre Eigenschaften mit ihrer eigenen Kultur, Geschichte und ihrem Erbe, die sich deutlich von der griechisch-makedonische Kultur und Geschichte unterscheiden. Damit werden bestimmte Bereiche der makedonischen Kultur und Geschichte jeweils exklusiv der Kultur und Geschichte Griechenlands oder der Republik Makedonien zugeordnet.
Im Ergebnis dürften das antike Makedonien und die antiken Makedonier der Kultur und Geschichte Griechenlands zugeordnet werden. Hierbei sind die heutigen griechischen Makedonier Teil der griechischen Kulturnation. Die ethnischen bzw. slawischen Makedonier haben ihre eigene Kultur und Geschichte, welche sich von der Griechenlands und der griechischen Region Makedonien unterscheiden.
Bereits innerhalb eines Monats nach Unterzeichnung des Abkommens zur Beilegung des Kulturstreits um Makedonien und des daraus resultierenden Namensstreits legen die Vertragsparteien paritätisch durch Austausch diplomatischer Noten einen gemeinsamen, interdisziplinären Sachverständigenausschuss für Geschichts-, Archäologie- und Bildungsfragen fest, um die objektiv-wissenschaftliche Interpretation historischer Ereignisse durchzuführen, basierend auf authentischen, evidenzbasierten und wissenschaftlich fundierten Quellen und archäologischen Funden. Die Arbeit dieses Sachverständigenausschusses wird von den Außenministerien Griechenlands und der Republik Makedonien in Zusammenarbeit mit anderen zuständigen nationalen Behörden überwacht. Der Ausschuss prüft nach eigenem Ermessen alle Schulbücher und Schulhilfsmittel, wie Karten, historische Atlanten, Lehrpläne (nachfolgend zusammengefasst als Lehrmittel bezeichnet), welche im Gebrauch der Vertragsparteien sind. Diese Überprüfung erfolgt in Übereinstimmung mit den Prinzipien und Zielen der UNESCO und des Europarates. Zu diesem Zweck legt der Ausschuss einen genauen Zeitplan fest, um den Vertragsparteien zu übermitteln, welche Lehrmittel, die ein Jahr nach der Unterzeichnung dieses Abkommens in Gebrauch sind, irredentistische oder revisionistische Verweise enthalten. Hierbei werden auch neue Ausgaben von Lehrmitteln geprüft. Der Sachverständigenausschuss wird regelmäßig, mindestens jedoch zweimal jährlich einberufen, spricht Empfehlungen aus und erstellt einen jährlichen Tätigkeitsbericht.
Diese Punkte sind nach meiner Auffassung die wichtigsten Ansätze zur Lösung des Kulturstreits um Makedonien und des daraus resultierenden Namensstreits. Denn dieser Streit kann nur inhaltlich nach objektiv-wissenschaftlichen Kriterien und mit entsprechenden Methoden geklärt werden. Diese Klärung muss dann in den Bildungssystemen Griechenlands und der Republik Makedonien umgesetzt werden. Dies ist der beste Weg zur Bekämpfung und Verhinderung von Irredentismus und Revisionismus.
Die Änderung der makedonischen Verfassung
Nach dem Abkommen müssen der vereinbarte Staatsname „Republik Nord-Makedonien“ bzw. „Nord-Makedonien“ sowie alle vereinbarten offiziellen Bezeichnungen in die makedonische Verfassung aufgenommen werden. Damit wird der verfassungsmäßige Name des Staates zu „Republik Nord-Makedonien“ geändert. In allen offiziellen Dokumenten und Veröffentlichungen muss dann dieser Name verwendet werden. Alle sich aus dem Abkommen ergebenen Änderungen der makedonischen Verfassung sollen im Rahmen eines Verfassungszusatzes zusammengefasst und verabschiedet werden.
Neben der verfassungsrechtlichen Verankerung des Staatsnamens und aller sich daraus ergebenen staatlichen Bezeichnungen sollen auch die Präambel, Artikel 3 (Veränderung der Grenzen) und Artikel 49 (Angehörige des makedonischen Volkes im Ausland) geändert werden. Hier liegen allerdings noch keine konkreten Formulierungen vor, so dass auf die Hintergründe grundsätzlich eingegangen werden soll.
Nach ihrer Präambel steht die Republik Makedonien in der Tradition der „Republik von Kruševo“ und den Entscheidungen des „Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Makedoniens“ („ASNOM“).
Der Freiheitskampf der Bevölkerung, der unter der Herrschaft des Osmanischen Reiches stehenden Region Makedonien im geografischen Sinne, begann am Ende des 19. Jahrhunderts. Mit der Gründung der „Inneren Makedonischen Revolutionären Organisation“, kurz „IMRO“, am 23. Oktober 1893 kam ein neuer und entscheidender Faktor in die Auseinandersetzung um die makedonischen Frage und das Schicksal Makedoniens hinzu. Die IMRO (makedonisch: VMRO, Vnatreshna Makedonska Revolucijonerna Organizacija) sollte den „Brennpunkt Makedonien“ bis in die Mitte der 1930er Jahre prägen, versank anschließend jedoch weitgehend in der Bedeutungslosigkeit. Der Freiheitskampf der IMRO bezog sich auf die gesamte geografische Region Makedonien und ihre Bevölkerung. Diese Region sollte von der Herrschaft des Osmanischen Reiches befreit werden. Etwas später wurde auch die Region Thrakien und ihre Bevölkerung miteinbezogen. Für die Zukunft Makedoniens gab es unterschiedliche Konzepte: Autonomie innerhalb des Osmanischen Reiches, Anschluss an Bulgarien oder völlige Unabhängigkeit. Umstritten blieb seinerzeit auch die Frage, ob die ethnischen bzw. slawischen Makedonier Teil der bulgarischen Kulturnation oder ein eigenständiges Volk sind. Am 02. August 1903 kam es zum sogenannten Ilinden-Aufstand sowohl in Makedonien als auch in Thrakien. Unter anderem wurde dabei am 02. August 1903 die „Republik von Kruševo“ ausgerufen, welche allerdings nur zwölf Tage bestand. Bereits nach rund einem Monat wurde der Aufstand vom Osmanischen Reich niedergeschlagen. Die Republik Makedonien sieht sich staatsrechtlich in der Tradition der Republik von Kruševo.
In der Tradition der „Republik von Kruševo“ sollte ursprünglich das gesamte Makedonien im geografischen Sinne vom Osmanischen Reich befreit und unabhängig werden. Zu dieser Zeit war das ganze Makedonien im geografischen Sinne völkerrechtlich noch Teil des Osmanischen Reiches und noch nicht zwischen den Staaten Bulgarien, Griechenland und Serbien bzw. Jugoslawien aufgeteilt.
Nach zwei Balkankriegen 1912/13 wurde die osmanische Herrschaft über Makedonien beendet und die Region zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien aufgeteilt. In allen Gebieten war die makedonische Bevölkerung einer intensiven Politik der Assimilierung ausgesetzt. In Bulgarien und Griechenland war diese Politik relativ erfolgreich, so dass dort heute nur noch Minderheiten von ethnischen bzw. slawischen Makedoniern leben. Im serbischen bzw. jugoslawischen Teil war die Politik der Assimilierung nicht erfolgreich. Aufgrund der politischen Rahmenbedingungen im jugoslawischen Teil Makedoniens, auch während der bulgarischen Besetzung im Zweiten Weltkrieg, sah sich die dortige Bevölkerung zunehmend weder als bulgarisch noch als serbisch an. Diese Situation nutzte der jugoslawische Partisanenführer Josip Broz Tito, um die makedonische Bevölkerung für den kommunistisch-jugoslawischen Volksbefreiungskampf zu gewinnen. Auf der zweiten Sitzung des „Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens“ am 29. November 1943 wurden die ethnischen bzw. slawischen Makedonier erstmals als gleichberechtigt mit den übrigen jugoslawischen Völkern und damit als eigenständiges Volk anerkannt. Folgerichtig sollte es zur Bildung des „Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Makedoniens“ („Antifaschistische Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens“, kurz: „ASNOM“) kommen und damit die Grundlage zur Schaffung des bis heute existierenden makedonischen Staates gelegt werden.
Der ASNOM bestand aus 17 Mitgliedern und kam im heute zu Serbien gehörenden Kloster Prohor Pčinski am 02. August 1944 zu seiner ersten Sitzung zusammen. Mit dem Sitzungsdatum sollte wiederum historisch an den Beginn des Ilinden-Aufstandes und der Gründung der nur kurzzeitig existierenden „Republik von Kruševo“ am 02. August 1903 angeknüpft werden. Damit erhielt die Sitzung der ASNOM neben seinem kommunistischen auch einen besonderen nationalen Charakter makedonischer Prägung. So forderte das Zentralkomitee der makedonischen Kommunistischen Partei die Vereinigung aller Teile Makedoniens, welche als Ergebnis der Balkankriege (1912/13) und des Ersten Weltkrieges (1914 – 1918) aufgrund entsprechender Verträge 1913 und 1919 Bulgarien und Griechenland zugesprochen wurden.
Aufgrund dieser Hintergründe sieht Griechenland die entsprechenden Bezüge in der Präambel der makedonischen Verfassung sehr kritisch bzw. als irredentistisch und revisionistisch an. Daran ändert auch ein Verfassungszusatz zu Artikel 3 nichts, wonach die Republik Makedonien keine Gebietsansprüche gegenüber ihren Nachbarstaaten hat.
Eine Änderung der makedonischen Verfassung erfordert in diesem Punkt sehr viel Fingerspitzengefühl. Zum einem steht die Republik Makedonien, deren Gründungsdokument die Entscheidungen des ASNOM sind, in der Tradition der Republik von Kruševo. Dies kann natürlich nicht geleugnet und aus der Verfassung gestrichen werden. Zum anderen erhebt die Republik Makedonien jedoch keine Gebietsansprüche oder keinen Anspruch auf die Vereinigung aller Teile des geografischen Makedoniens. Das kann in der Präambel klar zum Ausdruck gebracht werden. Es kann in der Präambel aufgeführt werden, dass der Freiheitskampf des makedonischen Volkes mit dessen Anerkennung im Jahre 1943 und der Gründung des makedonischen Staates im Jahre 1944 in seinen seitdem bestehenden Grenzen vollkommen und unwiderruflich abgeschlossen ist. Eine entsprechende Formulierung sollte sowohl im Sinne Griechenlands auch als der Republik Makedonien sein.
In Artikel 3 Absatz 3 ist festgelegt: „Die Grenze der Republik Makedonien kann nur in Übereinstimmung mit der Verfassung geändert werden“. Diese Formulierung weckte in Griechenland Befürchtungen vor möglichen Gebietsansprüchen und führte zu entsprechendem Protest. Durch einen Verfassungszusatz vom 06. Januar 1992 wurde jedoch klar gestellt: „Die Republik Makedonien hat keine Gebietsansprüche gegenüber ihren Nachbarstaaten“. Weiter wurden in diesem Verfassungszusatz festgelegt: „Die Grenze der Republik Makedonien kann nur in Übereinstimmung mit der Verfassung, aufgrund des Prinzips der Freiwilligkeit und in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten internationalen Normen geändert werden“.
Nach meiner Auffassung lassen sich aus dieser Formulierung überhaupt keine Gebietsansprüche ableiten. Allerdings halte ich die Streichung von Absatz 3 auch nicht für problematisch, da diese Regelung aufgrund anderer Bestimmungen in der makedonischen Verfassung und des Völkerrechts redundant ist.
Kritischer ist jedoch eine mögliche Änderung von Artikel 49 zu betrachten. In Absatz 1 dieses Artikels ist normiert: „Die Republik Makedonien kümmert sich um die Stellung und die Rechte der Angehörigen des makedonischen Volkes in den Nachbarstaaten und für die Aussiedler aus der Republik Makedonien, unterstützt ihre kulturelle Entwicklung und fördert die Beziehungen zu ihnen.“ Des Weiteren ist in Absatz 2 aufgeführt: „Die Republik Makedonien sorgt für die kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Bürgerinnen und Bürger der Republik im Ausland.“
Aufgrund von Protest aus Griechenland fügte die Republik Makedonien am 06. Januar 1992 nachfolgenden Verfassungszusatz ein: „Die Republik Makedonien wird sich dabei nicht in die souveränen Rechte anderer Staaten und in deren inneren Angelegenheiten einmischen“
Nach meiner Auffassung ist Artikel 49 in Verbindung mit seinem Verfassungszusatz vollkommen unkritisch für Griechenland. Allerdings lebt in Griechenland eine Minderheit von ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und diese wird dort staatlicherseits nicht anerkannt und auch diskriminiert. Hintergrund für diese Entwicklung ist der Bürgerkrieg in Griechenland zwischen Kommunisten und konservativen Royalisten. Dieser Bürgerkrieg begann schon im Jahre 1943 während Griechenland im Zweiten Weltkrieg von Bulgaren, Deutschen und Italienern besetzt war. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zwischen 1946 bis 1949 zu einer Fortsetzung dieses Bürgerkrieges. Die Kommunisten in Griechenland wurden von den kommunistischen Bewegungen in Bulgarien und Jugoslawien unterstützt. Die ethnischen bzw. slawischen Makedonier in Griechenland kämpften mit einer eigenen Organisation unter dem Dach der kommunistisch-griechischen Volksbefreiungsfront. Hinzu kam auch die Thematisierung der makedonischen Frage von den Kommunisten, besonders aus Bulgarien und Jugoslawien. Die Vorstellungen reichten von einer Autonomie der griechischen Region Makedonien innerhalb Griechenlands bis hin zu dessen Abspaltung und Vereinigung mit den anderen Teilen Makedoniens. Zwar gewannen die Royalisten den Bürgerkrieg, doch hat die Entwicklung um Makedonien zu einem Trauma in Griechenland geführt, welches bis heute anhält und jede Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Minderheit verhindert. Nach dem Bürgerkrieg wurde in Griechenland die Ansicht kultiviert, dass es sich bei diesem um eine Bekämpfung von slawischen Einfällen aus dem Norden und zur Verteidigung der territorialen Integrität Griechenlands gehandelt hätte. So bekam der griechische Bürgerkrieg eine über seine innenpolitische Bedeutung hinausgehende internationale Komponente. Die griechischen Kommunisten und die ethnischen bzw. slawischen Makedonier wurden als Kollaborateure der Bulgaren und Jugoslawen gebrandmarkt. Vor diesem Hintergrund ist die griechische Reaktion auf Artikel 49 der makedonischen Verfassung zu verstehen.
Als möglicher Vorschlag für eine Alternativregelung gilt die entsprechende Regelung in Artikel 108 der griechischen Verfassung: „Der Staat sorgt für das Griechentum im Ausland und die Aufrechterhaltung der Verbindung zum Mutterland. Er sorgt auch für die Bildung und die gesellschaftliche und berufliche Förderung der im Ausland arbeitenden Griechen.“ Dieser Artikel wurde am 16. April 2001 durch einen zweiten Absatz ergänzt: „Ein Gesetz regelt das Nähere bezüglich der Organisation, der Funktion und der Zuständigkeiten des griechischen Auswanderungsrates, der die Vertretung aller im Ausland lebenden Griechen zum Auftrag hat.“
Auf die Republik Makedonien übertragen würde der Artikel dann entsprechend lauten: „Die Republik sorgt für die Angehörigen des makedonischen Volkes im Ausland und die Aufrechterhaltung der Verbindung zum Mutterland. Sie sorgt auch für die Bildung und die gesellschaftliche und berufliche Förderung der im Ausland arbeitenden Angehörigen des makedonischen Volkes.“ Auch hier könnte in der Verfassung aufgeführt werden, dass ein Gesetz näheres regeln kann.
Mit einer entsprechenden Änderung der makedonischen Verfassung würde die Republik Makedonien den Einsatz für die Rechte der Angehörigen des makedonischen Volkes (ethnische bzw. slawische Makedonier) ja nicht aufgeben. Strategisch wäre die Umsetzung des Abkommens sogar besser geeignet, die Rechte der ethnischen bzw. slawischen Makedonier langfristig zu sichern. In der augenblicklichen Situation ist eine Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Minderheit in Griechenland illusorisch. Doch in der Zukunft wird die Generation aus der Zeit des Bürgerkrieges verstorben sein. Des Weiteren kann sich aufgrund des Abkommens, z.B. der objektiv-wissenschaftlichen Klärung von strittigen Sachverhalten, vieles ändern. Vor allem kann sich ein freundschaftliches und vertrauensvolles Verhältnis zwischen Griechenland und der Republik Makedonien bzw. Republik Nord-Makedonien entwickeln. Dann findet sich auch eine viel geeignetere Atmosphäre, um die letzten kritischen Punkte, etwa die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Minderheit in Griechenland, zu besprechen.
Das Referendum in der Republik Makedonien und der weitere Weg
Die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien sollen im September oder Oktober 2018 über die mit Griechenland vereinbarte Lösung abstimmen. Verfassungsrechtlich ist ein Referendum auch in diesem Fall nicht vorgeschrieben, doch aufgrund der Tragweite zwingend geboten. Maßstab für ein solches Referendum ist Artikel 73 der makedonischen Verfassung. Demnach kann das Parlament über einzelne Fragen aus seinem Zuständigkeitsbereich mit der Mehrheit seiner Abgeordneten ein Referendum ansetzen. Eine Entscheidung in einem Referendum ist angenommen, wenn die Mehrheit der Hälfte der an der Abstimmung teilnehmenden Wählerinnen und Wähler dafür gestimmt hat, sofern mehr als die Hälfte der Gesamtzahl der Wählerinnen und Wähler an der Abstimmung teilgenommen hat. In diesem Fall ist die in einem Referendum getroffene Entscheidung verbindlich.
Die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien haben das letzte Wort und das ist in dem Abkommen mit Griechenland auch festgelegt. Das Votum des makedonischen Volkes ist sowohl von den Organen, staatlichen Funktionsträgern, Parteien und Politikern der Republik Makedonien als auch von Griechenland und der internationalen Gemeinschaft zu respektieren. Für die Abstimmung wäre ein eindeutiges Ergebnis besser geeignet, eine gesellschaftliche Spaltung in Befürworter und Gegner der ausgehandelten Lösung zu vermeiden. Daher sollten sich alle Beteiligten und Verantwortlichen sachlich mit der Thematik auseinandersetzen, um eine klare Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger in einer für sie sehr wichtigen nationalen Angelegenheit zu ermöglichen.
Bei einer verbindlichen Annahme der mit Griechenland ausgehandelten Lösung in einem Referendum muss in einem letzten Schritt durch einen Verfassungszusatz die Verfassung der Republik Makedonien entsprechend geändert und die Lösung verfassungsrechtlich implementiert werden. Dafür ist eine Mehrheit von Zweidritteln aller Abgeordneten im makedonischen Parlament erforderlich. Erst danach wird Griechenland mit der Mehrheit aller Abgeordneten des Parlaments das Abkommen ratifizieren. Bei einer Annahme der ausgehandelten Lösung durch die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien wird Griechenland eine Ratifizierung des Abkommens nicht verweigern können.
Mit dieser Lösung ist der Weg frei für den offiziellen Start der Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union (EU) und der Republik Makedonien sowie für eine NATO-Mitgliedschaft der Republik Makedonien. Mit der Aufnahme der Republik Makedonien in die EU wird das ganze geografische Makedonien unter dem Dach der EU vereint sein. Staatliche Grenzen werden dann keine Bedeutung und trennende Wirkung mehr haben.
Fazit
Die zwischen Griechenland und der Republik Makedonien ausgehandelte Lösung ist ein Kompromiss. Für einen Unbeteiligten von außen betrachtet, sieht der Kompromiss sehr ausgewogen aus. Für die betroffenen Parteien sieht das natürlich anders aus. Für beide Seiten ist der Kompromiss mit schmerzlichen Zugeständnissen verbunden. In der Republik Makedonien ist vor allem der neue Name „Republik Nord-Makedonien“ für den allgemeinen und uneingeschränkten Gebrauch („erga omnes“) sehr umstritten. Die Republik Makedonien strebte höchsten einen eingeschränkte Variante dieser Lösung an, also dass nur in bestimmten Fällen ein von der bisherigen verfassungsmäßigen Bezeichnung abweichender Name verwendet werden sollte. Doch dazu war Griechenland nicht bereit. Auch die notwendigen Änderungen der makedonischen Verfassung gelten in der Republik Makedonien als kritisch, wobei es hier auf die konkreten Änderungen selbst ankommt. Hier besteht Spielraum. In Griechenland steht die Anerkennung der makedonischen Nation, Nationalität und Sprache als „Makedonisch“ stark in der Kritik. Auch wenn Griechenland nur implizit, nicht jedoch explizit, eine makedonische Nation, Nationalität und Sprache anerkannt hat und dies auch immer wieder betont, im Ergebnis wird durch Griechenland dennoch eine makedonische Nation und Sprache anerkannt. Die Macht des Faktischen sollte in diesem Fall nicht unterschätzt werden. Sowohl Bulgarien (Vertrag von 01. August 2017) als auch Griechenland akzeptieren als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechtes eines Volkes die Selbstidentifikation des makedonischen Volkes und damit dessen Existenz. Hiermit ist ein sehr wichtiger Schritt zur Beendigung des Kulturstreits um Makedonien erreicht worden.
Mit dem Abkommen wird explizit anerkannt, dass unter den Begriffen „Makedonien“ und „Makedonisch“ verschiedene kulturelle und historische Kontexte stehen. So hat der „Makedonismus“ für Griechenland einen anderen kulturellen und historischen Kontext als der der Republik Makedonien. Das ist absolut richtig. Durch einen paritätisch zusammengesetzten gemeinsamen, interdisziplinären Sachverständigenausschuss für Geschichts-, Archäologie- und Bildungsfragen wird eine objektiv-wissenschaftliche Interpretation historischer Ereignisse angestrebt. Diese objektiv-wissenschaftliche Interpretation soll auf authentische, evidenzbasierte und wissenschaftlich fundierte Quellen und archäologische Funde beruhen. Des Weiteren soll die objektiv-wissenschaftliche Interpretation von historischen Ereignissen durch eine entsprechende Überarbeitung der Lehrmittel Eingang in die Bildungssysteme von Griechenland und der Republik Makedonien finden. In allen offiziellen Verlautbarungen der beiden Parteien wird auf die objektiv-wissenschaftliche Interpretation Bezug genommen. Jede Form von Propaganda hat von beiden Seiten aus zu unterbleiben. Damit wird jeder Form von Irredentismus und Revisionismus am effektivsten bekämpft.
Das hier im letzten Abschnitt beschriebene, wird sowohl in meinen als auch in den von Goran Popcanovski und mir erstellten Vorschlägen als zentraler Punkt einer Lösung angesehen. Entsprechende Lösungsvorschläge von mir bzw. uns wurden bereits in den Jahren 2008/2009 erstellt. Die inhaltliche Differenzierung der Begriffe „Makedonien“, „Makedonier“ und „Makedonisch“ nach den verschiedenen kulturellen und historischen Kontexten, einschließlich der Zuordnung zu der Kultur und Geschichte der jeweiligen Parteien, ist Teil meiner bzw. unserer Lösungskonzepte. Diese Differenzierung und Zuordnung ist sinnvoll und zweckmäßig. Daher ist eine objektiv-wissenschaftliche Interpretation von historischen Sachverhalten durch ein Expertengremium ebenfalls ein wichtiger Aspekt meiner bzw. unserer Lösungsvorschläge. Ebenso die Umsetzung dieser Interpretation in der offiziellen Bildungs- und Informationspolitik von Griechenland und der Republik Makedonien. Sowohl zu meinen als auch unseren Lösungsvorschlägen gehörte immer die Anerkennung der makedonischen Nation und Sprache. Eine geografische Spezifizierung des Staatsnamens „Makedonien“ hielten wir allerdings für nicht sinnvoll und zweckmäßig und daher auch für nicht erforderlich. Durch eine erfolgreiche Lösung wird eines Tages die gesamte geografische Region Makedonien unter dem Dach der EU vereint sein. Dann könnte von Bulgarien, Griechenland und der Republik Makedonien gemeinsam die europäische Kulturregion Makedonien gegründet werden, welche ein Gewinn für die an ihr beteiligten Staaten und ganz Europa wäre.
Strategisch betrachtet ist das vorliegende Abkommen geeignet den Kulturstreit um „Makedonien“ zu beenden und hat trotz schmerzlicher Kompromisse sehr viele Vorteile. Vor allem ist dieses Abkommen eine gute Basis für die Entwicklung der Beziehungen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien. Mit der objektiv-wissenschaftlichen Klärung von historischen Sachverhalten und deren Umsetzung in den Bildungssystemen von beiden Parteien werden nicht nur der Irredentismus und der Revisionismus erfolgreich bekämpft, es wird vor allem Vertrauen aufgebaut. Infolge kann sich auch eine tiefe Freundschaft zwischen Griechenland und der Republik Makedonien entwickeln. Dann dürfte die Existenz einer makedonischen Nation und Sprache für Bulgarien und Griechenland eine Selbstverständlichkeit sein. Die Rahmenbedingungen dürften dann viel geeigneter sein, nochmals über den Staatsnamen der Republik Makedonien und den Status der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Minderheit in Bulgarien und Griechenland zu sprechen.
Nach meiner Auffassung ist die ausgehandelte Lösung nicht perfekt, doch ist sie im Ergebnis gut und dürfte kaum bessere Alternativen haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Seite vollständig oder weitgehend mit ihren Ansichten durchsetzen könnte dürfte gering sein. Die Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien haben jetzt das letzte Wort. Sie sollten das Für und Wider der ausgehandelten Lösung und die Folgen ihrer Entscheidung sachlich abwägen. Es ist sehr zu wünschen, dass zum Ende des Jahres 2018 der Grundstein für die Klärung und Beendigung des Kulturstreits um „Makedonien“ gelegt sein wird!
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