Zum Inhalt springen

Die Sprachenfrage in der Republik Makedonien

In der Republik Makedonien leben verschiedene ethnische Gemeinschaften, deren Angehörige Bürgerinnen und Bürger dieses Staates sind. Nach einer Volkszählung aus dem Jahre 2002 besteht die makedonische Staatsnation mit ihren 2.022.547 Angehörigen zu 64,2 % aus ethnischen bzw. slawischen Makedoniern, zu 25,2 % aus ethnischen Albanern, zu 3,9 % aus ethnischen Türken, zu 2,7 % aus Roma, zu 1,8 % aus ethnischen Serben, zu 0,85 % aus Bosniaken und zu 0,5 % aus Vlachen / Aromunen (Makedorumänen). Etwa 0,85 % gehören anderen Ethnien an.

 

Alle hier namentlich aufgezählte Ethnien werden auch in der Präambel der makedonischen Verfassung namentlich aufgeführt. Zu jeder hier aufgeführten Ethnie gehört auch eine eigenständige Sprache. In der Praxis dominieren die ethnischen bzw. slawischen Makedonier und die ethnischen Albaner (albanische Makedonier bzw. Angehörige der albanischen Gemeinschaft in der Republik Makedonien). Besonders zwischen ihnen kommt es zu Spannungen. Die Angehörigen der albanischen Gemeinschaft fordern die völlige Gleichstellung mit den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern. Letztere bilden mit einem Anteil von 64,2 % die Mehrheit in der makedonischen Staatsnation. Die Angehörigen der albanischen Gemeinschaft bilden mit einem Anteil von 25,2 % zwar nicht die Mehrheit, jedoch einen bedeutenden Anteil.

 

Die Sprache der Mehrheitsethnie, die makedonische Sprache, ist grundsätzliche Amtssprache in der Republik Makedonien. Ansonsten findet zusätzlich die Sprache einer Ethnie als Amtssprache auf nationaler Ebene und in einer lokalen Gebietskörperschaft Anwendung, wenn diese dort einen Bevölkerungsanteil von mindestens 20 Prozent hat. Im Ergebnis wird dieses Quorum nur von den Angehörigen der albanischen Gemeinschaft erreicht, so dass diese gegenüber den anderen Ethnien, welche nicht der Bevölkerungsmehrheit angehören, privilegiert sind.

 

Die Entwicklung der Sprachfrage

Die als Amtssprache in der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“) anerkannten Sprachen der Nationen (Kroaten, Makedonier, Montenegriner, Muslime, Serben und Slowenen) und der Nationalitäten (Minderheiten, z.B. Albaner) waren auch in der „Sozialistischen Republik Makedonien“ (ab 15. April 1991 „Republik Makedonien“) offizielle Amtssprachen. Dies legte noch ein Verwaltungsgesetz von 1990 fest. Das änderte sich jedoch mit der Unabhängigkeit der Republik Makedonien von der SFRJ und dem Erlass einer neuen Verfassung im Jahre 1991, wobei noch eine Übergangszeit von zwei Jahren für nicht mehr verfassungskonforme Regelungen bestand.

 

Die Verfassung der Republik Makedonien in der Fassung vom 20. November 1991 legte auch die Verwendung der Sprachen im amtlichen Verkehr fest. Nach Artikel 7 der makedonischen Verfassung in der Fassung vom 20. November 1991 war die in kyrillischer Schrift geschriebene makedonische Sprache die Amtssprache in der Republik Makedonien. In Einheiten der lokalen Selbstverwaltung konnte neben dieser Amtssprache im Amtsgebrauch auch die Schrift und Sprache einer Nationalität (Minderheit) Anwendung finden, wenn sie dort die Mehrheit bildet oder in wesentlicher Anzahl dort lebt. Der Gesetzgeber regelte dazu, dass „mehrheitlich“ einen Bevölkerungsanteil von mehr als 50 % und „wesentlich“ einen von mindestens 20 % bedeutet. Damit konnten insbesondere die Angehörigen der albanischen Gemeinschaft ihre Sprache im lokalen Amtsgebrauch verwenden. Auf der Ebene der Republik war die makedonische Sprache die alleinige Amtssprache. Artikel 48 der makedonischen Verfassung ermöglicht bis heute den Unterricht an Grund- und Mittelschulen in der Sprache einer ethnischen Gemeinschaft, welche nicht der Bevölkerungsmehrheit angehört. So gibt es entsprechenden Unterricht z.B. in Albanisch und Türkisch. Allerdings schreibt die Verfassung im selben Artikel vor, dass zusätzlich immer auch die makedonische Sprache zu lehren ist. Ein rein einsprachiger Unterricht, ohne Berücksichtigung der makedonischen Sprache, ist bis heute nicht zulässig. Die Details hierzu werden ebenfalls gesetzlich geregelt.

 

Die Verfassung von 1991 definierte die Republik Makedonien als Nationalstaat des makedonischen Volkes, welches in voller bürgerlicher Gleichberechtigung mit den Albanern, Türken, Vlachen, Roma und sonstigen Nationalitäten in diesem Staat lebt. Die Begriffe „Nation“ und „Nationalität“ wurden aus dem jugoslawischen Verfassungsrecht übernommen. Mit dem Begriff „Nation“ wurde das staatstragende Volk definiert, welches in der Republik Makedonien die ethnischen bzw. slawischen Makedonier waren. Mit dem Begriff „Nationalität“ wurden die Minderheiten bezeichnet.

 

In den Jahren zwischen 1991 und 2001 forderten die Angehörigen der albanischen Gemeinschaft aufgrund ihres wesentlichen Bevölkerungsanteils von rund 25 % die völlige Gleichberechtigung mit den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern als zweite konstitutive Nation. Albanisch sollte neben der makedonischen Sprache gleichberechtigte Amtssprache in der Republik Makedonien werden. Infolge hätten auch alle amtlichen Dokumente zweisprachig verfasst werden müssen. Die makedonische Mehrheitsbevölkerung lehnte dies jedoch ab. So blieb die Situation zwischen ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und den Angehörigen der albanischen Gemeinschaft angespannt.

 

In der Nachwirkung zum Krieg im Kosovo in den Jahren 1998/99 mündeten die Spannungen in der Republik Makedonien im Dezember 2000 in einem bewaffneten Konflikt zwischen ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und Albanern. Zum Teil wurde dieser Konflikt aus dem Kosovo geschürt. Die Bereitschaft der Angehörigen der albanischen Gemeinschaft in der Republik Makedonien an einem bewaffneten Konflikt war nicht so groß wie die der albanischen Kosovaren im Konflikt mit Serbien. Dennoch war die Lage der Albaner in der Republik Makedonien in vieler Hinsicht unbefriedigend. Zu der nicht formellen verfassungsrechtlichen Würdigung als eine Ethnie, welche einen wesentlichen Anteil an der makedonischen Staatsnation hat, kamen auch tatsächliche Benachteiligungen in der Praxis. So waren die Albaner nicht gemäß ihres Anteils in den staatlichen Institutionen vertreten. Des Weiteren waren sie auch wirtschaftlich gegenüber der Mehrheitsbevölkerung benachteiligt. Daran änderte die Tatsache auch nichts, dass an jeder nationalen Regierung eine Partei der Angehörigen der albanischen Gemeinschaft beteiligt war. In der Lebensrealität wurden die Albaner benachteiligt und nicht angemessen an der Staatsgewalt beteiligt. Es gab natürlich auch das andere Extrem. Der Wunsch der Albaner nach Abspaltung und einer möglichen Vereinigung mit dem Kosovo und Albanien. Vor einem möglichen Separatismus hatte wiederum die makedonische Mehrheitsethnie Angst. Allerdings waren entsprechende Wünsche bei den Albanern nie so ausgeprägt wie im Falle der albanischen Kosovaren und wurden nie zu einer ernsthaften politischen Bewegung.

 

Der im Dezember 2000 begonnene bewaffnete Konflikt drohte zu einem Bürgerkrieg auszuarten und die Existenz der Republik Makedonien zu gefährden. Auf Druck der Europäischen Union (EU) und der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) nahmen die zwei größten Parteien der ethnischen bzw. slawischen Makedonier sowie die zwei größten Parteien der Angehörigen der albanischen Gemeinschaft Gespräche zur Lösung des ethnischen Konfliktes auf. Auf Seiten der ethnischen bzw. slawischen Makedonier waren dies die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die makedonische nationale Einheit“ (Vnatrešna Makedonska Revolucionerna Organizacija – Demokratska Partija za Makedonsko Nacionalno Edinstvo / VMRO-DPMNE ) unter der Führung von Ljubčo Georgijevski sowie die „Sozialdemokratische Union Makedoniens“ (Socijaldemokratski Sojuz na Makedonija / SDSM) unter der Führung von Branko Crvenkovski und auf Seiten der Angehörigen der albanischen Gemeinschaft waren dies die „Demokratische Partei Albaniens“ (DPA) unter der Führung von Arben Xhaferi sowie die „Partei der demokratische Prosperität“ (Partija za Demokratski Prosperitet / PDP bzw. Partie e Prosperitetit Demoktatik) unter der Führung von Imer Imeri. Spezielle Repräsentanten der EU und der USA waren Francois Lëotard und James. W. Pardew. Für die Republik Makedonien nahm der damalige Präsident Boris Trajkovski an den Gesprächen teil. Alle oben genannten Vertreter waren auch Unterzeichner des Rahmenabkommens von Ohrid, welches auf Basis der Gespräche ausgehandelt und am 13. August 2001 unterzeichnet wurde. Damit konnte der bewaffnete Konflikt erfolgreich beendet werden.

 

Das Rahmenabkommen von Ohrid war zunächst eine reine politische Absichtserklärung und musste erst noch staatsrechtlich umgesetzt werden, was durch eine umfangreiche Änderung der Verfassung der Republik Makedonien sowie dem Erlass von entsprechenden Gesetzen erfolgte. Das staatsrechtliche Verhältnis der Angehörigen der ethnischen Gemeinschaften zur Republik Makedonien und zur makedonischen Staatsnation sowie zu den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern als Mehrheitsethnie wurde komplett neu justiert. Gleichzeitig wurde die territoriale Integrität und Unteilbarkeit der Republik Makedonien bekräftigt. Die Republik Makedonien definierte sich nun nicht mehr als Nationalstaat des makedonischen Volkes, sondern als Staat seiner Bürgerinnen und Bürger. Allen ethnischen Gemeinschaften wurden besondere Rechte zugestanden. Bei einem Anteil von mindestens 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung kamen erweiterte Rechte hinzu. Dieses Quorum wird allerdings nur von den Angehörigen der albanischen Gemeinschaft erfüllt. Die Rechte erfassen auch die Verwendung der Sprache einer Ethnie als Amtssprache.

Der heutige Stand der Sprachenfrage

Nach dem Rahmenabkommen von Ohrid wurde die Verfassung der Republik Makedonien am 20. November 2001 in den Artikel 7, 8, 19, 48, 56, 69, 77, 78, 84, 86, 104, 109, 114, 115 und 131 geändert. Auf Basis dieser Änderungen wurden auch entsprechende Gesetze und auf Basis dieser entsprechende Verordnungen erlassen. Eine der Änderungen betraf auch Artikel 7, in dem die Verwendung der Sprachen im amtlichen Verkehr grundsätzlich geregelt ist.

Demnach bleibt auf dem ganzen Gebiet der Republik Makedonien die in kyrillischer Schrift geschriebene makedonische Sprache allgemeine Amtssprache. Allerdings ist jetzt ebenso Amtssprache, die Schrift und Sprache einer Ethnie, welche einen Anteil von mindestens 20 % an der makedonischen Staatsnation hat. In diesem Fall werden auch die persönlichen Dokumente einer bzw. eines Angehörigen der betreffenden ethnischen Gemeinschaft zweisprachig verfasst. In der Praxis wird dieses Quorum allerdings nur von Angehörigen der albanischen Gemeinschaft erfüllt, so dass auf nationaler Ebene im amtlichen Verkehr und in den persönlichen Dokumenten neben der makedonischen in diesen Fällen auch die albanische Sprache in lateinischer Schrift verwendet wird. Das Parlament der Republik Makedonien hat seine Geschäftsordnung ebenfalls entsprechend geändert und tagt zweisprachig – Makedonisch und Albanisch. Auch im Gesetzblatt der Republik Makedonien erfolgen die Veröffentlichungen entsprechend zweisprachig. In den Amtsprachen kann mit allen staatlichen Institutionen auf nationaler und lokale Ebene, beim vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen, kommuniziert werden. In diesen Fällen müssen die Institutionen zweisprachig antworten.

Während in Grund- und Mittelschule der Unterricht in der Sprache einer ethnischen Gemeinschaft erfolgen konnte, welche nicht der Bevölkerungsmehrheit angehören, so war das im Bereich der höheren Schulen und Hochschulen nicht der Fall. Die 1994 gegründete Universität von Tetovo (Tetova) verwendete als Lehrsprache hauptsächlich das Albanische und wurde zunächst nicht staatlich anerkannt. Die Anerkennung erfolgte nach längeren Phasen des Streits darüber erst im Jahre 2004, nachdem das Rahmenabkommen von Ohrid verfassungsrechtlich und gesetzlich implementiert wurde. Heute werden in der Staatlichen Universität Tetovo Lehrveranstaltungen in albanischer und makedonischer Sprache angeboten, wobei erstere die dominierende Lehrsprache ist.

Analog, wie auf nationaler Ebene, wird auch in den Einheiten der lokalen Selbstverwaltung verfahren. Neben der makedonischen Sprache ist die Sprache einer ethnischen Gemeinschaft Amtssprache, wenn diese einen Anteil von mindestens 20 Prozent an der Gesamtbevölkerung in dieser Einheit stellt. Die Grenzen der Einheiten der lokalen Selbstverwaltung wurden nach dem Rahmenabkommen von Ohrid und der darauf erfolgten Änderung der Verfassung von 2001 im Jahre 2004 neu gezogen, um eine angemessene Repräsentation der ethnischen Gemeinschaften zu gewährleisten. Dies führte dazu, dass in einigen zusätzlichen Gemeinden die Angehörigen der albanischen Gemeinschaft jetzt die Mehrheit und sogar den Bürgermeister stellen.

Im Falle der ethnischen Gemeinschaften, welche einen Anteil von weniger als 20 % haben, gibt es auf nationaler Ebene keine besonderen Sprachrechte. Sie müssen weiterhin in einer der offiziellen Amtssprache kommunizieren. Im Falle der Einheiten der lokalen Selbstverwaltung können diese selbst entscheiden, wie im Falle der Sprachen von ethnischen Gemeinschaften mit einem Bevölkerungsanteil von unter 20 % zu verfahren ist. D.h., die lokalen Organe können für ihren Zuständigkeitsbereich auch die Sprachen von weiteren Ethnien als Amtssprache zulassen.

Aufgrund des Rahmenabkommens von Ohrid sowie der darauf erfolgten Verfassungsänderungen und erlassenen Gesetze ist die albanische Sprache neben der makedonischen Sprache auf nationaler Ebene und in Einheiten der lokalen Selbstverwaltung, mit einem Anteil der Angehörigen der albanischen Gemeinschaft von mindestens 20 %, Amtssprache. Dennoch bleibt die makedonische Sprache die übergeordnete Amtssprache. Es gibt keine allgemeine Zweisprachigkeit in der Republik Makedonien. So wird zum Beispiel bei Banknoten oder staatlichen Symbolen weiterhin nur die makedonische Sprache verwendet. Auch werden die staatlichen Dokumente nicht generell zweisprachig verfasst, sondern nur im amtlichen Verkehr mit Angehörigen der albanischen Gemeinschaft. Die Sprachen der Ethnien, welche nicht der makedonischen oder der albanischen Gemeinschaft angehören, finden im amtlichen Verkehr weiterhin grundsätzlich keine Anwendung. Ausgenommen in einer Einheit der lokalen Selbstverwaltung, welche neben der makedonischen und der albanischen Sprache auch die Sprache einer weiteren Ethnie zulässt. Im Ergebnis sind die Angehörigen der albanischen Gemeinschaft sprachlich gegenüber den anderen Minderheitenethnien privilegiert, auch wenn sie der makedonischen Mehrheitsgemeinschaft sprachlich nicht völlig gleichgestellt sind. Dennoch spielt die Frage nach einer allgemeinen Zweisprachigkeit für das Selbstverständnis der Republik Makedonien als multiethnischer Staat eine wichtige Rolle. Wenn auch nicht unbedingt aus praktischen Gründen, so doch aus psychologischen Gründen, sollte eine mögliche Mehrsprachigkeit in der Republik Makedonien ausgewogen, offen, parteiübergreifend und zwischen alle Ethnien diskutiert werden. Diese Diskussion sollte auch nicht politisch instrumentalisiert werden. Die Diskussion sollte vielmehr vor den Hintergrund einer generellen Weiterentwicklung der inner-ethnischen Beziehungen stattfinden.

 

Die zukünftige Entwicklung der Sprachenfrage

Die Parteien der albanischen Gemeinschaft in der Republik Makedonien haben sich auf ein Programm verständig, welches unter anderem auch die Weiterentwicklung der Rechte der ethnischen Gemeinschaften vorsieht. So fordern diese Parteien, dass die albanische Sprache generell zweite und mit dem Makedonischen völlig gleichgestellte Amtssprache in der Republik Makedonien wird. In diesem Fall müssten alle staatlichen Dokumente und Symbole zweisprachig verfasst werden. Wenn diese Regelung auch auf anderen Ethnien ausgedehnt wird, dann sogar mehrsprachig. Alles wäre dann uneingeschränkt zweisprachig oder mehrsprachig, z.B. Banknoten, Ausweise und Reisepässe, die Aufschriften auf Behörden und Polizeiwagen, Verkehrsschilder, usw.

Die Frage, ob eine Zwei- oder Mehrsprachigkeit im amtlichen Verkehr eine effektive und sinnvolle Weiterentwicklung der Rechte der Ethnien auf Basis des Rahmenabkommens von Ohrid ist, muss an dieser Stelle offen bleiben und inner-ethnisch diskutiert werden. Im Falle der Angehörigen der albanischen Gemeinschaft wäre es zumindest keine praktische Frage, für andere Ethnien schon. So könnte eine sinnvolle Weiterentwicklung sein, dass alle anerkannten Ethnien im amtlichen Verkehr zumindest in ihren Sprachen kommunizieren können.

Allerdings ist ein multiethnisch definierter Staat mit mehreren Amtssprachen nicht grundsätzlich in seiner territorialen Integrität gefährdet, wie oft behauptet wird. Entscheidend ist hier alleine ein übergeordnetes Gemeinschaftsgefühl der Ethnien, in einem gemeinsamen staatlichen Rahmen eine prosperierende und sichere Zukunft zu haben. Alle Ethnien müssen nicht nur de jure, sondern auch de facto gleich in ihren staatlichen Rechten und Pflichten sein und die gleichen Chancen zur Verwirklichung ihrer persönlichen Lebensziele haben. Dies setzt eine stabile Wirtschaft sowie einen funktionierenden demokratischen und sozialen Rechtsstaat voraus. Dieser Staat muss für alle seine Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen da und ein zu Hause sein, unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit. Wo dies alles gewährleistet ist, spielen Separatismen auch keine Rolle. Dann kann die Frage einer möglichen Zwei- oder Mehrsprachigkeit auch viel gelassener diskutiert werden.

Als Vorbild für einen erfolgreichen multiethnischen Staat kann die Schweiz dienen. So legt Artikel 4 der schweizerischen Verfassung fest: „Die Landessprachen sind Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch.“ So wird Deutsch von 65,6 % der schweizerischen Bevölkerung bzw. von 73,3 Prozent der Schweizer gesprochen, gefolgt von Französisch mit 22,8 % bzw. 23,4 %. Diese Werte sind vergleichbar mit den entsprechenden Anteilen von ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und Angehörigen der albanischen Gemeinschaft in der Republik Makedonien. Italienisch wird von 8,4 % der schweizerischen Bevölkerung bzw. 6,1 % der Schweizer gesprochen. Die vierte Amtssprache Rätoromanisch wird nur von 0,6 % der schweizerischen Bevölkerung bzw. 0,7 % der Schweizer gesprochen. Schweizer im engeren Sinn sind die Deutschschweizer, Schweizer Romands (frankophonen Schweizer), italienischen Schweizer und Rätoromanen. Der schweizerischen Bevölkerung mit Bürgerrecht gehören noch weitere Ethnien an. Die Kantone und Gemeinden sind zum Teil mehrsprachig. Dies richtet sich nach dem prozentualen Anteil der schweizerischen Ethnien und wird von den Kantonen selbst geregelt. Einige Kantone überlassen es auch den Gemeinden autonom über die Verwendung ihrer Amtssprache bzw. Amtssprachen zu entscheiden. In den Kantonen und Gemeinden sind in der Regel nicht alle vier schweizerischen Nationalsprachen ebenfalls auch Amtssprachen. Wer also innerhalb der Schweiz in ein Kanton mit einer anderen Amtssprache zieht, kann seine Sprache unter Umständen nicht im amtlichen Verkehr mit den Behörden verwenden.

Die Einigkeit im Schweizer Volk beruht also überhaupt nicht auf sprachliche Homogenität oder der Dominanz einer Sprache. Vielmehr ist das Schweizer Volk eine Willensnation, die sich von ihren Nachbarstaaten einig in ihren gemeinsamen Interessen abgegrenzt. Diese Entwicklung weist durchaus auch parallelen zur Republik Makedonien auf. Auch hier führten Abgrenzungsprozesse zu den Nachbarstaaten und die historischen Rahmenbedingungen zu Herausbildung des makedonischen Staates mit seinen Bürgerinnen und Bürgern. Die Einheit der makedonischen Staatsnation ist sicher von großem Wert für ihre Angehörigen und für ihre Nachbarschaft. Diese Einheit muss auf Basis der Gleichberechtigung der Ethnien in einem demokratischen und sozialen Rechtsstaat, wie es die makedonische Verfassung auch vorsieht, gewährleistet werden. Eine mögliche allgemeine Zwei- oder Mehrsprachigkeit ist sicher eine Frage einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion, sie ist in einem funktionierenden demokratischen und sozialen Rechtsstaat jedoch überhaupt kein Problem.