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Die makedonische Antwort auf den griechischen Memorandums-Vorschlag

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Anfang Oktober 2012 schlug der griechische Außenminister Dimitris Avramopoulos in einem Brief seinem makedonischem Amtskollegen Nikola Popovski die Unterzeichnung eines Memorandums zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik vor. Dieses Memorandum soll nach Auffassung des griechischen Außenministers zu einer beschleunigten Lösung des sogenannten Namensstreits führen. Am 05.11.2012 schickte der makedonische Außenminister seine Antwort und legte seine Auffassung dar.

Hintergrund

In  seinem Brief von Oktober 2012 schlug der griechische Außenminister Dimitris Avramopoulos vor, dass beide Seiten in einem Memorandum die existierenden Grenzen als unverletzlich anerkennen und die Androhung von Gewalt zur Änderung der bestehenden Grenzen ablehnen sollen. Die territoriale Integrität und die politische Souveränität des jeweils anderen Staates sollen gegenseitig respektiert und garantiert werden. Der endgültige Name der Republik Makedonien solle eine geographische Spezifizierung enthalten, damit keine Verwechslungsgefahr mit der nordgriechischen Region Makedonien bestehe. Das Memorandum soll als Grundlage für eine Lösungsfindung die Resolutionen 817 und 845 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vorsehen. In der Resolution 817 wird die Existenz des Namensstreits zwischen Griechenland und der Republik Makedonien sowie die Bedeutung einer Lösungsfindung für den Frieden und die Stabilität in der betroffenen Region festgestellt. Für alle Zwecke innerhalb der Vereinten Nationen ist gemäß dieser Resolution für die Republik Makedonien bis zu einer Lösung dieses Streits die vorläufige Bezeichnung „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ zu verwenden. In der Resolution 845 wird festgelegt, dass eine Lösungsfindungen in bilateralen Gesprächen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen erfolgen soll.

Bewertung des griechischen Vorschlags

Sinn und Zweck des griechischen Vorschlages nach Unterzeichnung eines Memorandums sind zunächst unklar. Bis auf die Forderung Griechenlands nach einem Namenszusatz mit geographischer Spezifizierung ist alles andere bereits im Interimsabkommen zwischen Griechenland und der Republik Makedonien vom 13.09.1995 verbindlich geregelt. Die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen sowie die territoriale Integrität und Souveränität Griechenlands wird bereits schon jetzt völkerrechtlich verbindlich durch die Republik Makedonien anerkannt. Auch innerstaatlich bzw. staatsrechtlich erkennt die Republik Makedonien dies aufgrund von entsprechenden Bestimmungen in ihrer Verfassung an. Auch die Basis einer Lösungsfindung, nämlich die Resolutionen 817 und 845 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, sind im Interimsabkommen vom 13.09.1995 noch einmal verbindlich bekräftigt. Allerdings präjudiziert das Interimsabkommen im Gegensatz zum vorgeschlagenen Memorandum keine bestimmte Lösung bzw. Teillösung, etwa einen Namenszusatz mit geographischer Spezifizierung. Auch die Resolutionen 817 und 845 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sehen eine solche Lösung nicht vor. Dies dürfte eine Motivation für die griechische Seite nach einem entsprechenden Memorandum sein. Des Weiteren bekräftigt Griechenland außenpolitisch mit seinem Vorschlag scheinbar den Willen nach einer Lösungsfindung im sogenannten Namensstreit. Trotz allem ist der griechische Vorschlag die erste griechische Initiative für eine Lösungsfindung seit langem. Eine Antwort durch den makedonischen Außenminister war daher auch politisch geboten und richtig.

Die Antwort des makedonischen Außenministers

Der makedonische Außenminister Nikola Popovski begrüßt im Prinzip die griechische Initiative als entscheidende Bewegung in den Verhandlungen über den sogenannten Namensstreit. In seinem Brief an seinem griechischen Amtsollegen Dimitris Avramopoulos führt er aus, es sei notwendig, einen ausgewogenen und glaubwürdigen Rahmen für die Position der beiden Seiten und zur Überwindung der bestehenden Differenzen zu haben. Dieser Rahmen sei durch die bilateralen Gespräche im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen, durch ihren Sonderbevollmächtigten Matthew Nimetz, gegeben. Die Republik Makedonien werde auch weiterhin alle sich aus dem Interimsabkommen vom 13.09.1995 ergebenen Verpflichtungen erfüllen. Schon jetzt seien die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen, die Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität anderer Staaten, die Nichtanwendung von Gewalt zur Änderung bestehender Grenzen, die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten von anderen Staaten und die Förderung von guten nachbarschaftlichen Beziehungen Teil der verfassungsmäßigen Ordnung und der Außenpolitik der Republik Makedonien. Im Interimsabkommen vom 13.09.1995 wird dies völkerrechtlich verbindlich auch noch einmal gegenüber Griechenland bekräftigt. Der makedonischen Außenminister erinnert in seinen Brief an seinen griechischen Kollegen auch an das Urteil des Internationalen Gerichtshofes (IGH) vom 05.12.2011, wonach Griechenland das Interimsabkommen verletzt habe, in dem es auf dem NATO-Gipfel von Bukarest im Jahre 2008 den Beginn von Gesprächen über einen möglichen Beitritt der Republik Makedonien zur NATO verhindert habe. Das Urteil des IGH müsse jedoch von allen Beteiligten respektiert werden. Der makedonische Außenminister stimmt in seiner Antwort mit seinem griechischen Amtskollegen überein, dass die Republik Makedonien und Griechenland die Pflicht haben, von ganzem Herzen in langen Gesprächen unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen tätig werden zu müssen. Diese Gespräche sollen konstruktiv, unter Wahrung demokratischer Werte und der Menschenrechte im Rahmen des Völkerrechts geführt werden. Der Brief des makedonischen Außenministers bekräftigt auch noch einmal die Einladung des makedonischen Ministerpräsidenten Nikola Gruevski an seinem griechischen Amtskollegen Andonis Samaras zu einem bilateralen Treffen, zu jeder Zeit und an jedem Ort.

Makedonischer Außenminister Poposki mit seinem griechischen Kollegen Avramopulos bei den Vereinten Nationen in New York (Quelle: mfa.gov.mk)

Die Bewertung der makedonischen Antwort

Der makedonische Außenminister Nikola Popovski orientierte sich bei seiner Antwort an den griechischen Außenminister Dimitris Avramopoulos an das Interimsabkommen vom 13.09.1995, dem Urteil des IGH vom 05.12.2011 und den Resolutionen 817 und 845 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen aus dem Jahre 1993. Dies sind nach gegenwärtigem Stand der Dinge die Rahmenbedingungen für eine Lösungsfindung. Eine Festlegung auf einen bestimmten Rahmen für die Lösung selbst, etwa einen endgültigen Namen mit geographischer Spezifizierung, erfolgte in der makedonischen Antwort nicht. Diese wird nämlich weder im Rahmen der Vereinten Nationen noch durch den Wortlaut des Interimsabkommens gefordert. Doch ist die Republik Makedonien ausdrücklich bereit den Rahmen für bilaterale Gespräche zu erweitern. Dies wird vor allem durch die im Antwortschreiben bekräftigte Bereitschaft des makedonischen Ministerpräsidenten deutlich, sich zu jeder Zeit und an jedem Orte mit seinem griechischen Amtskollegen zu treffen. Auch werden in dem Antwortschreiben die Gemeinsamkeiten bzw. die bestehenden Übereinstimmungen in bestimmten Positionen mit der griechischen Seite hervorgehoben. Die makedonische Antwort ermutigt die griechische Seite den Weg zu einer Lösungsfindung weiterzugehen, die Bemühungen zu intensivieren und sieht in der griechischen Initiative eine entscheidende Bewegung in den Verhandlungen zur Überwindung des Namensstreits. Auch wenn die griechische Initiative nicht überbewertet werden sollte, ist sie die Erste nach längerer Zeit und sollte zumindest als positiver Impuls verstanden werden. Der Weg zu einer Lösung mag weit sein, doch sollte er weitergegangen werden. Ein langer gemeinsamer Weg kann zumindest erst einmal Misstrauen abbauen und Vertrauen aufbauen. Letzteres ist sie für eine erfolgreiche Lösungsfindung unverzichtbar und könnte letztendlich zu einer Lösung im Sinne der Republik Makedonien führen.

Ausblick

Zunächst dürfte sich im bilateralen Verhältnis zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik nicht viel ändern. Im Dezember 2012 wird sich zeigen, ob Griechenland den Beginn von offiziellen Beitrittsgesprächen zwischen der Republik Makedonien und der Europäischen Union (EU) weiterhin blockiert oder unter Auflagen zulassen wird. Diese Auflagen sehen eine Lösungsfindung im sogenannten Namensstreit während der EU-Beitrittsgespräche vor. Ein Beitritt der Republik Makedonien zur EU würde erst nach einer Überwindung des sogenannten Namensstreits erfolgen. Damit würde die EU zwar nicht die Lösungsfindung im Rahmen der Vereinten Nationen ersetzen, jedoch einen viel aktiveren Teil einnehmen. Schon jetzt gibt es zwischen der EU und der Republik Makedonien den sogenannten Dialog auf höchster Ebene. Diesen Dialog kann man sozusagen als informelle Beitrittsgespräche ansehen, zumal es vergleichbares mit keinem anderen EU-Beitrittskandidaten gibt. Eine NATO-Mitgliedschaft der Republik Makedonien ist nach dem gegenwärtigen Stand wohl erst nach einer Überwindung des sogenannten Namensstreits möglich. Die Rahmenbedingungen für eine Lösungsfindung sind aufgrund der schweren Staats- Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland zurzeit eher schlecht. Um dringend benötigte Finanzmittel von der Europäische Union (EU), der Europäische Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) zu erhalten muss Griechenland gewaltige Sparvorhaben umsetzen. Diese führen zu einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensverhältnisse in Griechenland und zu immer mehr Widerstand in der griechischen Bevölkerung. Die Parteien der Regierungskoalition verlieren immer mehr an Zustimmung, während die radikalen Parteien immer mehr an Zustimmung gewinnen. In diesem politischen Klima dürfte Griechenland große nationale Kompromisse eher fürchten, zumal die Kompromissbereitschaft der griechischen Bevölkerung in der Namensfrage noch einmal geringer ist als die der griechischen Regierung. Trotzdem würde eine Lösung dieses Streits auch Griechenland zugute kommen. Denn gute nachbarschaftliche Beziehungen würden Griechenland im Kampf gegen die Krise deutlich stärken.

Schlusswort

Über einen anderen Aspekt einer Lösungsfindung sollte auch nachgedacht werden. Ist die griechische Position im sogenannten Namensstreit überhaupt objektiv begründet bzw. berechtigt. Hätte der verfassungsmäßige Namen der Republik Makedonien objektiv betrachtet tatsächlich eine destabilisierende Wirkung auf die betroffene Balkanregion. Dies könnte im Rahmen der Vereinten Nationen, etwa durch eine vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eingesetzte Kommission, evaluiert werden. An dieser Kommission sollten auch die am Namensstreit beteiligten Parteien teilhaben können. Ziel der Kommission muss eine objektive Klärung des dem Namensstreit zu Grunde liegenden Sachverhaltes sein. Auf Basis des Abschlussberichtes könnte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen neue Maßnahmen beschließen. So könnte die Republik Makedonien ggf. unter Auflagen unter ihrem verfassungsmäßigen Namen anerkannt werden. Entsprechend wäre auch bei der namentlichen Anerkennung der makedonischen Nation und Sprache zu verfahren. Wenn unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine Lösungsfindung im Rahmen von bilateralen Gesprächen zwischen den betroffenen Parteien keine Lösungsfindung möglich ist, dann sollte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen entsprechend aktiv werden. Denn der sogenannte Namensstreit dürfte für den Frieden und die Stabilität in der betroffenen Region eher gefährlich sein als der verfassungsmäßige Name der Republik Makedonien.

Anmerkung

Der Präsident der europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Salzburg/Österreich, Professor Felix Unger, organisiert derzeit eine paritätisch zusammengesetzte Kommission aus griechischen und makedonischen Historikern und Staatsrechtlern. Diese sollen die Hintergründe zum sogenannten Namensstreit evaluieren und eine tragfähige Lösung ausarbeiten. Diese Lösung müsste dann von den handelnden Politikern in der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik umgesetzt werden. Eine Kommission aus entsprechenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dürfte eher geeignet sein, die Hintergründe zum sogenannten Namensstreit objektiv zu ermitteln und eine darauf aufbauende Lösung zu entwickeln, als die verantwortlichen Politiker. Eine erfolgreiche Arbeit ist der Kommission auf jeden Fall zu wünschen. Sobald Ergebnisse vorliegen wird im Rahmen eines Artikels darüber berichtet werden.