Zum Inhalt springen

Offene Fragen auf dem Balkan

Der Balkan ist kulturhistorisch betrachtet eine sehr interessante und einmalige Region in Südosteuropa mit vielseitigem Charakter. Auch von seinen Naturschönheiten her betrachtet ist der Balkan einzigartig. Der Balkan im weitesten Sinne ist allerdings auch für eine Vielzahl von Problemen bekannt, die bis heute fortbestehen und eine Integration von großen Teilen dieser Region in die Europäische Union (EU) bisher verhindern. Die Hinterlassenschaften von zwei Weltkriegen (1914 – 1918 und 1939/1941 – 1945) und zwei Balkankriegen (1912/1913 und 1913) wirken bis heute fort. Besonders schwer wiegen noch heute die Hinterlassenschaften des Ersten Weltkrieges sowie der zwei Balkankriege. Von 1991 bis 1995 kam noch der blutige Nationalitätenkonflikt im zerfallenden Jugoslawien bzw. in einem Teil seiner Nachfolgestaaten hinzu. Dieser Konflikt wurde besonders zwischen den Kroaten, Bosniaken und Serben in den Republiken Kroatien und Bosnien und Herzegowina geführt. Von 1997 bis 1999 brach im Kosovo ein bewaffnete Konflikt zwischen albanischen Kosovaren und Serben aus, der 1999 zu einem Eingreifen der NATO und 2008 im Ergebnis zur völkerrechtlich umstrittenen Abspaltung des Kosovos von Serbien führte. Auch in der Republik Makedonien brach ein bewaffneter Konflikt zwischen ethnischen bzw. slawischen und albanischen Makedoniern aus. Dieser konnte jedoch im Rahmenabkommen von Ohrid vom 13.08.2001, der auch zu einem politisch-staatsrechtlichen Ausgleich zwischen den beteiligten Volksgruppen führte, befriedet werden. Nachfolgend sollen die wichtigsten Brennpunkte auf dem Balkan betrachtet werden.

Makedonien und die makedonische Frage

Die Region Makedonien wurde als Ergebnis von zwei Balkankriegen (1912/1913 und 1913) im Vertrag von Bukarest zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien aufgeteilt. Der serbische Teil gehörte ab 1918 zum Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, das 1929 in Königreich Jugoslawien umbenannt wurde. Eine makedonische Ethnie wurde dabei von keinem der Staaten anerkannt. Eine makedonische Nationalbewegung, die je nach Flügel pro makedonisch oder pro bulgarisch war, wurde vor allem in Bulgarien und Serbien massiv bekämpft. Im griechischen Teil von Makedonien lebte nach dem großen Bevölkerungsaustausch eine deutliche Mehrheit an Griechen und nur noch eine Minderheit von Bulgaren oder ethnischen bzw. slawischen Makedoniern. Viele der nichtgriechischen Volksgruppen wurden zudem durch eine entsprechend aggressive Politik weitgehend assimiliert. Bis auf eine muslimische Minderheit (Türken und Pomaken) im griechischen Thrakien werden bis heute keine anderen Minderheiten in Griechenland anerkannt. Dies gilt insbesondere auch für die ethnischen bzw. slawischen Makedonier in der griechischen Region Makedonien, von denen es dort nach unabhängigen Schätzungen etwa 40 – 45.000 gibt. Im bulgarischen Teil wurde ein Großteil der makedonischen Bevölkerung ebenfalls assimiliert und durch die Ansiedlung von Bulgaren aus Griechenland zusätzlich minorisiert. Die Entwicklung im serbischen bzw. jugoslawischen Teil von Makedonien verlief hingegen anders. Im serbischen bzw. jugoslawischen Teil von Makedonien hatte die Politik der Assimilierung gegenüber der makedonischen Bevölkerung keinen so großen Erfolg. Die dortige Bevölkerung lehnte die serbische Oberhoheit ebenso ab wie die bulgarische während des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Der Antifaschistische Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens unter Führung von Joseph Broz Tito beantwortete die makedonische Frage 1943 dahingehend, dass die Makedonier im jugoslawischen Teil von Makedonien weder Bulgaren noch Serben sondern eigenständige Makedonier und damit eine eigenständige Nation seien. Im Jahre 1944 wurde auf dem Gebiet des jugoslawischen Teils von Makedonien der makedonische Staat gegründet, der sich im Jahre 1991, nach dem Scheitern der jugoslawischen Föderation, für Unabhängig erklärte und heute ein anerkannter Staat ist. Im Rahmen des makedonischen Staates entwickelten sich die ethnischen bzw. slawischen Makedonier dann endgültig zu einer eigenständigen Nation.  Die Existenz der makedonischen Nation hat nachhaltig zu mehr Stabilität in dieser Region geführt, da ein nicht mehr existierendes ethnologisches Vakuum keine gegenseitigen Ansprüche der Nachbarstaaten mehr auslösen konnte. Damit könnte die Geschichte eigentlich zu Ende sein, wenn nicht Bulgarien und Griechenland, die einstigen Hauptakteure des Ersten und Zweiten Balkankrieges, Vorbehalte gegen die Republik Makedonien und die makedonische Nation hätten. Für Bulgarien ist die makedonische Kulturnation nicht eigenständig, sondern Teil der bulgarischen Kulturnation. Bulgarien hegt jedoch heute keine territorialen Ansprüche gegenüber der Republik Makedonien mehr und hat am 16.01.1992 als erster Staat der Welt die Republik Makedonien völkerrechtlich anerkannt. Eine makedonische Nation hat Bulgarien erst 1999 als Ausdruck des freien Selbstbestimmungsrechtes der makedonischen Bevölkerung in der Republik Makedonien anerkannt. Doch die grundsätzliche Position Bulgariens in dieser Frage hat sich damit nicht geändert. Insgesamt ist das Verhältnis zwischen Bulgarien und der Republik Makedonien jedoch weitgehend störungsfrei und unproblematisch. Hingegen ist das Verhältnis zwischen Griechenland und der Republik Makedonien sehr problematisch und verhindert bisher eine Integration der Republik Makedonien in die EU und in die NATO. Griechenland hat weder territoriale Ansprüche gegenüber der Republik Makedonien noch ein Problem mit ihrer eigenständigen Nation, jedoch ein großes Problem mit der Bezeichnung der Republik Makedonien, ihrer Nation und der Sprache dieser Nation. Für Griechenland ist der Begriff „Makedonien“ und alle mit diesem Begriff assoziierten Begriffe, wie etwa der des „Makedoniers“, der Sprache „Makedonisch“ und der Eigenschaft „makedonisch“, Teil des hellenischen kulturellen Erbes. Damit dürfen diese Begriffe nicht durch die Republik Makedonien und ihrer Nation verwendet werden. Anknüpfungspunkt für die griechische Position ist das antike Makedonien, das nach vorherrschender Auffassung als Teil der griechischen Geschichte gilt. Allerdings muss nach mehrheitlicher Ansicht auch zwischen dem antiken Makedonien mit seiner damaligen Bevölkerung und dem heutigen Makedonien mit seiner heutigen Bevölkerung unterschieden werden. Die Existenz der Republik Makedonien und der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Kulturnation ist heute eine Realität. Die makedonische Identität dieser Kulturnation zu verneinen würde im Ergebnis, ob gewollt oder ungewollt, auch zu einer Verneinung der Nation insgesamt führen und damit ein ethologisches Vakuum mit allen negativen Folgen für diese Region begründen.

Die albanische  Volksgruppe und die albanische Frage

Entstanden ist die albanische Frage mit der Proklamation des albanischen Staates am 28.11.1912 während des Ersten Balkankrieges. Zu dieser Zeit existierten bereits die Staaten Griechenland, Bulgarien, Serbien und Montenegro mit ihren Nationen. Der bis 1912 noch zum Osmanischen Reich gehörende Teil von Europa mit Makedonien wurde nach den Balkankriegen und dem Ersten Weltkrieg größtenteils zwischen Griechenland, Serbien bzw. Jugoslawien und Bulgarien aufgeteilt. Für Albanien blieb ein Territorium übrig, das wesentlich kleiner war, als die albanischen Siedlungsgebiete es gewesen sind. So blieb ca. ein Drittel der albanischen Bevölkerung außerhalb Albaniens. Deren staatsrechtliches Schicksal begründet die albanische Frage, die noch bis heute fortbesteht. Der Grund für die Situation Albaniens war die relativ späte albanische Nationalbewegung. Im Osmanischen Reich waren die hauptsächlich muslimischen Albaner gut integriert und gehörten zum Teil auch zur osmanischen Elite. Ihre ersten Forderungen nach Autonomie wurden 1878 erhoben. Die Autonomie und Unabhängigkeitsbestrebungen von Griechenland, Bulgarien, Serbien und Montenegro waren zu dieser Zeit bereits erfolgreich verlaufen und führten zu entsprechenden Staatenbildungen. Doch erst die diktatorische Herrschaft des jungtürkischen Komitees für Einheit und Fortschritt führten im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zu einem Bruch der Albaner mit der osmanischen Oberhoheit. Im Jahre 1910 kam es in der heutigen kosovarischen Hauptstadt Priština zu einem Aufstand der Albaner gegen die osmanische Herrschaft und schon zwei Jahre später erfolgte die Proklamation des albanischen Staates als Fürstentum. Dieser albanische Staat wurde von den europäischen Mächten am 29.07.1913 anerkannt. Die Grenzen Albaniens sind seit dem nicht wesentlich verändert worden, so dass zunächst etwa ein Drittel der Albaner im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenien bzw. dem Königreich Jugoslawien und in Griechenland leben. Vor allem im Kosovo lebt ein Großteil der Albaner außerhalb Albaniens. Für die Serben ist das Kosovo (Amselfeld) vor allem kulturhistorisch sehr wichtig. Die Niederlage der Serben auf dem Amselfeld in einer Schlacht gegen die Osmanen am 28.06.1389 führte zu einer über viele Jahrhunderte andauernden osmanischen Oberhoheit über die Serben und begründete einen Mythos von Einheit, Freundschaft und Verrat, der bis heute bestand hat. Auch viele der ältesten Kirchengüter der Serben befindet sich im Kosovo, das nach Auffassung der Serben als die Wiege des Serbentums gilt. Während der osmanischen Besatzungszeit verließen viele Serben das Kosovo und es bildete sich dort eine Bevölkerungsmehrheit durch die Albaner heraus. Nur während des Zweiten Weltkrieges wurde unter italienischer Herrschaft vorübergehend unter Einschluss der anderen albanischen Siedlungsgebiete ein Großalbanien bzw. ethnisches Albanien geschaffen, das zwischen 1941 und 1944 bestand. Im föderativen Jugoslawien nach 1945 bekam das Kosovo innerhalb der damaligen Volksrepublik Serbien bzw. der Sozialistischen Republik Serbien eine territoriale Autonomie, die aufgrund der jugoslawischen Verfassung von 1974 stark ausgebaut wurde. Während die albanischen Kosovaren bis 1974 eigentlich nur eine formelle Autonomie besaßen, konnte diese ab 1974 auch materiell umgesetzt werden. Ab dieser Zeit war der Status des Kosovo faktisch mit dem einer jugoslawischen Republik vergleichbar, auch wenn das Kosovo noch formell zu Serbien gehörte. Im Jahre 1989 wurde die Autonomie des Kosovo verfassungswidrig von Seiten Serbiens aufgehoben. Die albanischen Kosovaren erklärten das Kosovo für unabhängig von Serbien und bauten, parallel zu den serbischen, eigene  staatliche Strukturen auf, die von Serbien geduldet wurden. Der zunächst passive Widerstand um Ibrahim Rugova ging 1997 in einen bewaffneten Widerstand der kosovarischen Befreiungsarmee UCK über und führte zu gewaltsamen, bewaffneten Gegenmaßnahmen von Seiten Jugoslawiens  bzw. Serbiens. Als der Konflikt Ende 1998 eskalierte und Verhandlungen um eine Lösung des Konfliktes scheiterten, griff die NATO ohne Deckung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den Konflikt ein. Schließlich musste Jugoslawien bzw. Serbien seine Truppen abziehen und stimmte der Präsenz internationaler Truppen im Kosovo zu. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschloss daraufhin am 10.06.1999 die Resolution 1244, nach der das Kosovo unter Beibehaltung der territorialen Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien (Rechtsnachfolger ist die heutige Republik Serbien) zunächst eine zivile Übergangsverwaltung im Rahmen der Vereinten Nationen erhielt (Übergangsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo, UMNIK). Für die Sicherheit im Kosovo ist gemäß der noch immer gültigen Resolution 1244 die von der NATO geführte „Kosovo Truppe“ (Kosovo Force, KFOR) zuständig, deren Einsatz am 12.06.1999 begann. Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo vom 17.08.2008 ist hingegen weiterhin völkerrechtlich umstritten, bis heute haben allerdings 91 Staaten das Kosovo bilateral völkerrechtlich anerkannt. Mit dem Kosovo besteht neben Albanien (rund 3 Millionen Einwohner) faktisch ein zweiter albanischer Staat. Von den insgesamt zirka 1,8 Millionen Einwohnern des Kosovo sind 91 % bzw. 1,64 Millionen ethnische Albaner. Diese Zahlen beruhen auf einer Volkszählung aus dem Jahre 2011. Eine materielle Reintegration des Kosovo in den serbischen Staat ist unwahrscheinlich. In den Staaten Griechenland, Serbien (ohne Kosovo) und Montenegro verfügte die albanische Volksgruppe nie über entsprechende Autonomierechte wie im Kosovo. In den albanischen Siedlungsgebieten Serbiens, Bujanovac, Preševo und Medvedja, leben etwa 80.000 ethnische Albaner. Das dortige Verhältnis zwischen Albanern und Serben gilt als entspannt. Es gibt die Idee, den von Serben bewohnten Nordteil des Kosovo mit diesem Gebiet zwischen Serbien und dem Kosovo auszutauschen. Bisher konnte sie sich allerdings aus verschiedenen Gründen nicht durchsetzen. Das Verhältnis der etwa 50.000 ethnischen Albaner zu den Montenegrinern in Montenegro ist ebenfalls unkompliziert, zumal sie gut im montenegrinischen Staat integriert sind. Gleiches gilt für die zirka 50.000 orthodoxen Albaner im Nordwesten Griechenlands. In der Republik Makedonien besteht die makedonischen Staatsnation mit ihren insgesamt 2.022.547 Angehörigen nach einer Volkszählung aus dem Jahre 2002 zu 64,2 % aus ethnischen bzw. slawischen Makedoniern, zu 25,2 % aus ethnischen Albanern und zu 10,6 % aus anderen Nationalitäten. Im makedonischen Staat innerhalb der jugoslawischen Föderation von 1944 bis 1991 war das Verhältnis zwischen ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und ethnischen Albanern zum Teil ebenfalls sehr Spannungsreich. Als die Republik Makedonien im Jahre 1991 unabhängig wurde und eine neue Verfassung bekam, definierte diese sich als Nationalstaat des makedonischen Volkes und betrachtete die in ihr lebenden Albaner lediglich  als eine Minderheit. Dies wurde von albanischer Seite kritisiert, da sie aufgrund ihrer  Anzahl neben dem makedonischen Volk als weitere konstitutive Volksgruppe mit entsprechend weitergehenden Rechten als die einer Minderheit anerkannt werden wollten. Zwar war in jeder makedonischen Regierung auch eine albanische Partei vertreten, doch blieben die soziologischen Gegensätze zwischen ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und albanischen Makedoniern (ethnischen Albanern) bestehen. Im Jahre 2001 kam es dann zu einem bewaffneten Konflikt zwischen beiden Volksgruppen, der zu einer gefährliche Lage in der Republik Makedonien führte. Sowohl internationaler Druck als auch der Wunsch der Volksgruppen innerhalb der Republik Makedonien nach Frieden führten zu einer Beendigung des Konfliktes und zu einem politisch-staatsrechtlichen Ausgleich. Durch das Rahmenabkommen von Ohrid vom 13.08.2001 wurde der Konflikt formell beendet und der albanischen Volksgruppe faktisch die Rechte einer konstitutiven Volksgruppe gegeben. Auch verfassungsrechtlich wird nicht mehr vorrangig von einem makedonischen Nationalstaat gesprochen, sondern in der Präambel der Verfassung werden neben dem Volk der Makedonier jetzt auch alle in der Republik Makedonien lebenden Völker gleichwertig und namentlich mit aufgezählt. Der Ausgleich zwischen den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern und den albanischen Makedoniern ist insgesamt positiv verlaufen, obgleich es immer noch nicht völlig spannungsfrei ist und durchaus noch zu ethnisch bedingten Zusammenstößen kommt. Doch können auf Basis des Rahmenabkommens von Ohrid bestehende Probleme durchaus überwunden und die Republik Makedonien zu einem erfolgreichen Modell für das Zusammenleben verschiedener Ethnien werden. Die Lösung des Kosovo-Problems hängt an der Klärung des völkerrechtlichen Status des Kosovo. Das Kosovo völkerrechtlich wieder in Serbien zu integrieren ist unwahrscheinlich, selbst wenn es eine sehr weitgehende Autonomie erhalten würde. Das Nordkosovo mit seiner serbischen Bevölkerungsmehrheit könnte im Rahmen einer Übereinkunft zwischen dem Kosovo und Serbien zurück zu Serbien kommen, dafür könnten albanisch-dominierte Bevölkerungsgebiete in Serbien zum Kosovo kommen. Die serbischen Kirchenbesitztümer könnten, vergleichbar mit dem vatikanischen Petersdom im Rom, ebenfalls völkerrechtlich zu Serbien gehören. Vielleicht ist dieser Weg eine Option die albanische Frage final zu lösen.

Die serbische Frage und die bosnische Frage

Angehörige der serbischen Volksgruppe leben vor allem in Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Montenegro. In Serbien (ohne dem Kosovo) leben nach einer Volkszählung von 2011 insgesamt 7.120.666 Personen. Eine ethnische Aufschlüsselung lag für die Volkszählung von 2011 noch nicht vor. Nach der Volkszählung aus dem Jahre 2002 gehören 82,8 % der Gesamtbevölkerung Serbiens (ohne dem Kosovo) der serbischen Volksgruppe an. Im Kosovo leben etwa 120.000 Serben, von denen zirka 50.000 im umstrittenen Nord-Kosovo leben. Bosnien und Herzegowina hat nach der letzten Volkszählung aus dem Jahre 1991 4,55 Millionen Einwohner, von denen sich 43,7 % zu der bosniakischen (muslimischen) Volksgruppe, 31,3 % zu der serbischen und 17,3 % zu der kroatischen Volksgruppe bekennen. Genaue Zahlen liegen nicht vor, sondern nur Schätzungen auf Basis der Volksabstimmung von 1991 und die können variieren. Der Anteil der Serben an der Gesamtbevölkerung Kroatiens ist seit dem kroatischen Sieg im serbisch-kroatischen Krieg im Jahre 1995 gesunken. Von den 4,38 Millionen Einwohnern der Republik Kroatien gehören heute noch 4,5 % der serbischen Volksgruppe an. Dies ist allerdings der Stand aus dem Jahre 2001, aktuellere Zahlen aus der Republik Kroatien liegen zurzeit nicht vor. Montenegro hat nach einer Volkszählung von April 2011 insgesamt 625.000 Einwohner, wovon sich 29 % zur serbischen Volksgruppe bekennen.  Doch auch in den anderen Balkanstaaten leben noch Angehörige des serbischen Volkes. Wie im Falle Albaniens leben bedeutende Teile des serbischen Volkes außerhalb der Republik Serbien. Bis 1991 waren diese weitgehend unter dem Dach des föderativen Jugoslawien vereint. Die Unabhängigkeitserklärungen der Republiken Kroatien und Bosnien und Herzegowina führten zu einer staatsrechtlichen Trennung der dort lebenden Serben von der Republik Serbien, was von den Serben mehrheitlich abgelehnt wurde. Doch überlagert wurde dies auch von einer aggressiven nationalistisch geprägten serbischen Politik unter dem serbischen Präsidenten Slobodan Milošević. Das führte zum kroatisch-serbischen Krieg in Kroatien (1991 bis 1995) und zum bosnisch-serbischen Krieg in Bosnien und Herzegowina (1991 bis 1995). In beiden Fällen kämpfte die dortige serbische Bevölkerung während die Republik Serbien bzw. die Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro, bestand von 1992 bis 2003) offiziell nicht beteiligt war. Informell dürfte Serbien die serbische Volksgruppe in Kroatien und Bosnien und Herzegowina jedoch unterstützt haben, inwieweit und in welchen Formen dies geschah ist teilweise noch Gegenstand von Diskussionen. Sowohl der kroatisch-serbischen Konflikt als auch der bosnisch-serbischen Konflikt wurde im Rahmen der Friedensgespräche auf der US-Luftwaffenbasis Wright-Patterson bei Dayton (Bundesstaat Ohio) und durch den Vertrag von Dayton Ende des Jahres 1995 formell beendet. Erstmals seit Beginn des Krieges auf dem Balkan kamen die Präsidenten von Bosnien und Herzegowina (Alija Izetbegović), Kroatien (Franjo Tuđman) und Serbien (Slobodan Milošević) am 01.11.1995 dort zu Friedensgesprächen zusammen. Zunächst einigten sich die Präsidenten Kroatiens und Serbiens in der Nacht vom 01.11. auf den 02.11.1995 darauf, den kroatisch-serbischen Konflikt in der Republik Kroatien mit friedlichen Mitteln zu lösen. Anschließend verhandelten die Präsidenten von Bosnien und Herzegowina, der Republik Kroatien und der Republik Serbien drei Wochen lang über eine Friedenslösung für Bosnien und Herzegowina und die zukünftige staatsrechtliche Struktur von Bosnien und Herzegowina. Am 21.11.1995 paraphierten die drei Präsidenten in Dayton die erreichte Vereinbarung über Bosnien und Herzegowina. Demnach besteht Bosnien und Herzegowina aus zwei autonomen Entitäten, die durch eine Föderation miteinander verbunden sind. Diese Föderation hat als zentrale Organe eine rotierende Präsidentschaft aus den Vertretern der drei staatstragenden Volksgruppen, ein Zweikammernparlament (Volksvertretung und Vertretung der Entitäten), eine gemeinsame Regierung mit einem Ministerpräsidenten, ein Verfassungsgericht und eine Zentralbank. Auch die territoriale Aufteilung wurde festgelegt: Die Föderation Bosnien und Herzegowina erhielt als Entität 51 % des Territoriums von Bosnien und Herzegowina und die Serbische Republik als Entität 49 %. Die Hauptstadt blieb Sarajevo. Über die Zukunft des Distrikts Brčko (1 % des Territoriums) sollte im Rahmen von Verhandlungen entschieden werden. Heute untersteht der Distrikt Brčko als Kondominium (gemeinsam verwaltetes Territorium) der beiden Entitäten direkt der Verwaltung des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina. Am 14.12.1995 wurde das Friedensabkommen für Bosnien und Herzegowina in Paris feierlich von den Präsidenten von Bosnien und Herzegowina (Alija Izetbegović), der Republik Kroatien (Franjo Tuđman) und der Republik Serbien (Slobodan Milošević) unterzeichnet. Neben dem US-Präsidenten Bill Clinton und dem französischen Präsidenten Jacques Chirac waren noch ein Dutzend andere Staats- und Regierungschefs anwesend. Der Vertrag von Dayton beendete einen furchtbaren Krieg und bildet bis heute die Grundlage für Bosnien und Herzegowina. In Kroatien hat sich die Lage seitdem stabil entwickelt. Bereits im Juli 2013 wird Kroatien der EU beitreten. Aus Bosnien und Herzegowina ist bis heute kein stabiler Staat entstanden. Der Vertrag von Dayton führte faktisch zu einer materiellen Teilung des Staates in zwei Hälfte, die zwar formell zusammengehören, jedoch nur durch schwach ausgebildete föderalen Strukturen und durch internationalen Druck zusammengehalten werden. Die Entität „Föderation Bosnien und Herzegowina“ besteht selbst wieder aus zehn autonomen Kantonen. Insgesamt ist das ganze Staatsgebilde ineffizient und ungeeignet für eine stabile Entwicklung. Ein stabiler Staat kann jedoch nur dann aufgebaut werden, wenn dieser auch von den drei staatstragenden Volksgruppen gewollt ist und getragen wird. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch eine endgültige Aufteilung des Staates ist keine Lösung. Die zwei Entitäten sind als Ergebnis des Krieges und nicht aufgrund der entsprechenden Siedlungsgebiete der Völker gebildet worden. Daher scheint eine Aufteilung noch ausgeschlossener als der bisherige „Status quo“. Eine Reform der Staatsorganisation ist jedoch zukünftig unvermeidlich, damit das politische, soziale und wirtschaftliche Leben in Bosnien und Herzegowina funktionieren kann. Eine Abschaffung der Entitäten zugunsten einer ausgewogenen Gliederung von Bosnien und Herzegowina in Kantone dürfte eine Option für eine zukünftige Lösung sein. Die Kantone könnten sich entsprechend ihrer Mehrheitsbevölkerung  in  staatsrechtliche Verbände (z.B. ein bosnisch-serbischer Verband) zusammenschließen, die zwar übergeordnete Befugnisse wahrnehmen und Verbindungen zu den Nachbarstaaten eingehen können, nicht jedoch auf gesamtstaatlicher Ebene mitwirken. Unterhalb der Ebene des Gesamtstaates sollten ausschließlich die Kantone als Subjekte der Föderation stehen. Doch das wirkliche Zusammenwachsen der bosnischen Bevölkerung kann nur nach einem entsprechenden Wechsel der Mentalitäten erfolgen.

Ausblick

Die spezielle makedonische Frage nach der Identität der ethnischen bzw. slawischen Makedonier findet ihren Ausdruck vor allem in dem sogenannten Namensstreit zwischen Griechenland und der Republik Makedonien. Die allgemeine makedonische Frage nach dem Schicksal der makedonischen Bevölkerung ist durch die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als eigenständige Nation im Jahre 1943 und durch die Schaffung eines makedonischen Staatswesens im Jahre 1944 weitgehend geklärt. Offen bleibt diese Frage nur für den Status von Angehörigen dieser Nation als Minderheit in den Nachbarstaaten Bulgarien und Griechenland. Einer Integration der Republik Makedonien in die EU und der NATO sollte diese spezielle makedonische Frage, die zunächst wissenschaftlich-objektiv und darauf aufbauend politisch geklärt werden sollte, nicht im Wege stehen.

Die albanische Frage hat sich durch die Unabhängigkeit des Kosovo und durch das Rahmenabkommen von Ohrid in der Republik Makedonien auch weitgehend geklärt. Natürlich muss der endgültige völkerrechtliche Status des Kosovo final geklärt werden. Dabei könnten zusätzlich ein Gebietstausch zwischen dem Kosovo und Serbien und ein exterritorialer Status für die serbischen Kirchenbesitztümer im Kosovo hilfreich sein. Im Falle der serbisch-bosnischen Frage ist zunächst eine Änderung der inneren Einstellung der betroffenen Volksgruppen zum bisherigen Zusammenleben und zum bisherigen gemeinsamen Staat Bosnien und Herzegowina notwendig. Die Staatsorganisation von Bosnien und Herzegowina muss zweifellos reformiert werden, damit dieser Staat funktionieren und der EU überhaupt beitreten kann. Im Rahmen der EU finden sowohl die albanische als auch die serbische Frage nach der Einheit ihrer Völker die finale Antwort. Unter dem Dach der EU werden allen Balkanvölker frei von Grenzen vereint sein. In diesem Ziel sollten sich alle Balkanvölker einig sein.