Der Erste und der Zweite Balkankrieg beendete die Herrschaft des Osmanischen Reiches über die Balkanregion Makedonien und führte im Ergebnis zur Aufteilung Makedoniens zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien. Diese Aufteilung besteht im Wesentlichen auch heute noch fort. Aus dem serbischen Teil ging 1944 der makedonische Staat hervor, der sich im Jahre 1991 als „Republik Makedonien“ für unabhängig erklärte und heute ein anerkannter Staat ist. Umstritten ist mit Griechenland allerdings bis heute die Bezeichnung des Staates als Republik Makedonien. Bulgarien betrachtet hingegen die ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Teil der bulgarischen Kulturnation und nicht als eigenständig. Die Kriegserklärung Montenegros an das Osmanische Reich am 08.12.1912 markiert den Beginn des Ersten Balkankrieges. Nachdem am 16.10.1912 das Osmanische Reich Bulgarien den Krieg erklärte, erklärten am 17.10.1912 Bulgarien, Griechenland und Serbien gemeinsam dem Osmanischen Reich den Krieg. Dem Ende des Ersten Balkankrieges im Mai 1913 folgte direkt einen Monat später der Zweite Balkankrieg.
Vorgeschichte
Die Annexion von Bosnien und Herzegowina im Jahre 1908 durch Österreich-Ungarn führte unter russischer Förderung zur Gründung des Balkanbundes zwischen Bulgarien und Serbien. Zunächst war der Balkanbund primär gegen Österreich-Ungarn gerichtet. Nach dem Beitritt Griechenlands und Montenegros richtete sich der Balkanbund dann primär gegen das Osmanische Reich. Während Bulgarien und Serbien einen Schiedsspruch des russischen Zaren bezüglich der Angliederung vom Osmanischen Reich zurückeroberter europäischer Gebiete bereit waren zu akzeptieren lehnte Griechenland diesen ab. Griechenland favorisierte, mit Unterstützung von Frankreich und des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Irland, eine internationale Konferenz über die Angliederung von neu gewonnenen Territorien. Russland versuchte noch mit einer diplomatischen Note den Status quo auf dem Balkan zu bewahren, was jedoch durch die Entwicklung der Dinge wirkungslos blieb.
Der Erste Balkankrieg
Montenegro erklärte am 08.10.1912 dem Osmanischen Reich den Krieg. Am 16.10.1912 erklärte das Osmanische Reich Bulgarien den Krieg, worauf bereits am 17.10.1912 Bulgarien, Griechenland und Serbien gemeinsam dem Osmanischen Reich den Krieg erklärten. Zusammen verfügten die Staaten des Balkanbundes über eine Armee von etwa 474.000 Mann. Davon stellte Bulgarien ein Kontingent von etwa 233.000 Mann, Serbien 130.000, Montenegro 31.000 und Griechenland 80.000. Zusätzlich steuerte Griechenland noch eine nennenswerte Kriegsmarine bei. Die osmanischen Truppen auf der Balkanhalbinsel waren mit 290.000 zahlenmäßig unterlegen und durch den Italienisch-Türkischen Krieg sowie verschiedene Aufstände auf der Balkanhalbinsel geschwächt. Es zeichnete sich bereits deutlich das Ende der osmanischen Herrschaft in Europa ab. Die griechische Armee schlug bereits am 21.10.1912 die osmanischen Truppen beim Fluss Sarantaporos und marschierte am 24.10.1912 in Kozani (heute griechische Region West-Makedonien) ein. Die Stadt Giannitsa wurde am 01.11.1912 von der griechischen Armee eingenommen, nach dem am Tag zuvor die osmanischen Truppen in der Umgebung der Stadt besiegt wurden. Anschließend marschierte die griechische Armee Richtung Monastir (heute Bitola / Republik Makedonien), änderte jedoch die Richtung ihres Vorstoßes ab und erreichte nur wenige Stunden vor den bulgarischen Truppen am 07.11.1912 Thessaloniki (heute griechische Region Zentral-Makedonien). Das osmanische Oberkommando in Thessaloniki war zwar mit 26.000 Mann vertreten, kapitulierte jedoch kampflos und durfte daher unbehelligt die Stadt verlassen. In Thessaloniki kam es zu ersten Spannungen zwischen den nachrückenden bulgarischen Truppen und den griechischen Truppen. Die Stadt Ioannina (heute griechische Region Epirus) wurde erst nach einer mehrtägigen Schlacht am 21.02.1913 eingenommen. Dabei gingen etwa 33.000 osmanische Soldaten in Gefangenschaft. Am 06.03.1913 erreichten die griechischen Truppen die Hafenstadt Valona (heute Vlora / Albanien) an der Adria. Die griechische Kriegsmarine zwang die osmanische Flotte zum Rückzug in die Dardanellen und schnitt damit die logistische Unterstützung der osmanischen Truppen in Kleinasien ab.
Die serbische Armee besiegte die osmanische Armee am 04.11.1912 in Kumanovo (heute Kumanovo / Republik Makedonien) und rückte am 06.11.1912 in Üsküb, dem heutigen Skopje ein. Es folgten Mitte November die Einnahme der Region Prilep (heute Prilep / Republik Makedonien) und am 29.11.1912 die der Stadt Monastir (heute Stadt Bitola / Republik Makedonien). Später halfen serbische Truppen den montenegrinischen Truppen in der Region Novi Pazar (heute Novi Pazar / Republik Serbien) und nahmen am 03.05.1913 die Stadt Shkodra (heute Shkodra /Albanien) ein. Bereits zuvor hatten sich die dortigen osmanischen Verbände einem internationalen Armeekommando ergeben. Etwa 20.000 osmanische Soldaten verließen die umkämpfte Region Richtung Epirus und suchten dort Anschluss an die gegen die griechische Armee kämpfenden osmanischen Truppen.
Die bulgarische Armee besiegte in der Schlacht von Kirk Kilisse am 21. und 22.10.1912 und in der Schlacht von Lüleburgaz Ende Oktober 1912 die osmanischen Truppen. Auf beiden Seiten wurden jeweils über 20.000 Soldaten getötet, verwundet oder gefangen genommen. Diese Erfolge verunsicherten Russland, das eine bulgarische Kontrolle der Meerengen am Bosporus verhindern wollte und als Reaktion Truppen an den Bosporus entsandte. Doch die Bulgaren schafften die Einnahme von Konstantinopel (heute Istanbul / Türkei) zwischen dem 04. und dem 08.11.1912 nicht und schlossen daraufhin am 20.11.1912 einen separaten Waffenstillstand mit dem Osmanischen Reich. Nach einem Staatsstreich der Jungtürken im osmanischen Konstantinopel unter Ismail Enver begannen die bulgarischen Verbände am 02.02.1913 erneut mit militärischen Maßnahmen und belagerten die Stadt Adrianopel (heute Edirne / Türkei). Mit Hilfe von zwei dazugekommenen serbischen Divisionen nahm die bulgarische Armee am 25.03.1913 die Stadt Adrianopel ein. Dabei gingen insgesamt etwa 65.000 osmanische Soldaten in Gefangenschaft. Die Osmanen erreichten am 01.05.1913 einen erneuten Waffenstillstand, womit die Kampfhandlungen zunächst beendet waren.
Die Nachfolgen des Ersten Balkankrieges
Der am 30.05.1913 geschlossene Londoner Vertrag beendete den Ersten Balkankrieg auch formell. Dieser zwischen den Kriegsbeteiligten geschlossene Vertrag kam unter der Vermittlung der europäische Großmächte zustande und führte zu einem Verzicht der Osmanen auf alle europäischen Gebiete westlich einer Linie zwischen Midia am Schwarzen Meer und Enez an der Ägäisküste. Die Insel Kreta vereinigte sich aufgrund des Vertrages offiziell mit Griechenland. Mit diesem Vertrag endete formell eine mehr als 500 Jahre bestehende osmanische Herrschaft auf der Balkanhalbinsel. Viele Muslime wurde von der Balkanhalbinsel vertrieben oder flüchteten. Die zurückgebliebenen Muslime durften ihre traditionelle Kleidung nicht mehr tragen und waren Diskriminierungen durch die neuen Herrscher ausgesetzt. Moscheen wurden in Kirchen umfunktioniert oder dem Zerfall preisgegeben. Der vor dem Ersten Balkankrieg geschlossene Balkanbund zerfiel, denn es folgte ein Streit zwischen Bulgarien auf der einen und Griechenland und Serbien auf der anderen Seite um die Beute Makedonien. Dieser Streit führte im Ergebnis zum Zweiten Balkankrieg und im Wesentlichen zu der heute noch bestehenden Aufteilung der Balkanregion Makedonien zwischen Bulgarien, Griechenland und Serbien.
Vorspiel zum Zweiten Balkankrieg
Bulgarien war mit seinem territorialen Anteil an Makedonien nicht zufrieden und forderte von Serbien die Abtretung von weiten Gebieten seines Anteils an dieser Region. Dabei überschätzte Bulgarien sowohl die Stärke der eigenen Armee als auch die strategische Lage auf dem Balkan. Bereits vor Unterzeichnung des Londoner Vertrages schlossen Griechenland und Serbien am 19.05.1913 ein Verteidigungsbündnis. Beide Staaten hatten sich den größten Teil der Balkanregion Makedonien einverleibt. Serbien war allerdings damit unzufrieden keinen direkten Zugang zur Adria zu haben, da dieser durch die Existenz des Staates Albanien versperrt war. Für das Osmanische Reich bot sich durch eine Beteiligung an einem erneuten Konflikt die Möglichkeit verlorene Territorien zurückzugewinnen. Hinzu kam ein Kriegseintritt Rumäniens, das selbständig gegen Bulgarien agierte und im Ersten Balkankrieg noch neutral war.
Der Zweite Balkankrieg
Ohne offizielle Kriegserklärung griff am 29.06.1913 Bulgarien die griechischen und serbischen Armeen an. Die Kämpfe konzentrierten sich zwischen Serres und Thessaloniki und endeten mit einem Sieg der vorbereiteten Verteidiger. Griechenland und Serbien erklärten daraufhin am 08.07.1913 Bulgarien den Krieg. Nachdem Rumänien am 09.07.1913 und das Osmanische Reich am 11.07.1913 Bulgarien den Krieg erklärten, wurde Bulgarien von allen Seiten angegriffen. Ohne nennenswerte Gegenwehr durch bulgarische Truppen erreichten rumänische Truppen bereits nach wenigen Tagen die Vororte der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Die osmanischen Truppen marschierten am 21.07.1913 in das nicht verteidigte Adrianopel ein und eroberten so diese Stadt von den Bulgaren wieder zurück. Der überwiegende Teil der bulgarischen Verbände war währenddessen in schwerwiegende Kämpfe mit griechischen Verbänden verwickelt. In dieser Situation musste sich Bulgarien schon innerhalb von wenigen Wochen geschlagen geben. Allerdings zeichneten sich am Ende des Krieges auch noch Auseinandersetzungen zwischen den verbündeten griechischen und serbischen Truppen in der Region Kozani ab. Insgesamt war der Zweite Balkankrieg innerhalb von etwa einem Monat beendet und besiegelte das Schicksal der Region Makedonien. Nur durch den Ersten und den Zweiten Weltkrieg kam es jeweils zu einer temporären Veränderung der Herrschaftsverhältnisse zugunsten Bulgariens.
Der Vertrag von Bukarest
Nach einem Waffenstillstand erfolgte durch den Friedensvertrag von Bukarest vom 10.08.1913 die formelle Beendigung des Zweiten Balkankrieges. Aufgrund dieses Vertrages musste Bulgarien fast alle im Ersten Balkankrieg erzielten territorialen Gewinne wieder abtreten. Der Großteil von Makedonien (67.313 km²) wurde zwischen Griechenland (Ägäisch-Makedonien, 34.800 km²) und Serbien (Vardar-Makedonien, 25.713 km²) aufgeteilt. Bulgarien erhielt nur einen kleinen Teil von Makedonien (Pirin-Mazedonien, 6.800 km²). Diese Aufteilung besteht heute noch fort. Bulgarien musste aufgrund des Vertrages den Süden der Dobrudscha an Rumänien und Ost-Thrakien mit Adrianopel an das Osmanische Reich abtreten. Das Schicksal Makedoniens und seiner Bevölkerung war damit zunächst besiegelt.
Die Folgen für Makedonien als Ganzes
Die Gesamtregion Makedonien mit seiner Bevölkerung bildete aufgrund des Vertrages von Bukarest keine Einheit mehr und ist bis heute im Wesentlichen auf drei Staaten aufgeteilt. Im bulgarischen und im griechischen Teil kam es sowohl zu großen Bevölkerungsverschiebungen als auch zu einer weitergehenden Assimilierung der ursprünglichen Bevölkerung. Nur Minderheiten der ursprünglichen Bevölkerung, etwa der ethnischen bzw. slawischen Makedonier, blieben erhalten. Sie werden jedoch bis heute nicht als Minderheit in diesen Staaten anerkannt und sind daher entsprechenden Diskriminierungen ausgesetzt. Auch im serbischen Teil sollte die makedonische Bevölkerung serbisch assimiliert werden, was jedoch nicht erfolgreich war und zu Widerstand in der makedonischen Bevölkerung führte. Erst durch die Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als gleichberechtigt mit den anderen jugoslawischen Völkern bzw. als Nation auf der zweiten Sitzung des Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung Jugoslawiens am 29.11.1943 und der Schaffung eines makedonischen Staatswesens im Jahre 1944, kam es zu einer grundlegenden Änderung der Situation für die makedonischen Bevölkerung in dem bis dahin serbischen Teil von Makedonien. Nun bildete der makedonische Staat ein eigenes Subjekt im Rahmen einer jugoslawischen Föderation und die ethnischen bzw. slawischen Makedonier konnten sich als Nation frei entwickeln. Im Jahre 1991 scheiterte die jugoslawische Föderation, nicht jedoch der makedonische Staat und seine Nation. Als „Republik Makedonien“ erklärte sich der Staat nach einem entsprechenden Votum seiner Bürgerinnen und Bürger in einem Referendum vom 08.09.1991 am 18.09.1991 für Unabhängig und ist heute ein anerkannter Staat. Griechenland erkennt zwar den Staat und seine Nation grundsätzlich an, spricht ihm jedoch das Recht ab die Bezeichnung „Makedonien“ zu verwenden. Für Griechenland ist der Begriff „Makedonien“ und alle damit assoziierten Begriffe teil der griechischen Geschichte und Kultur. Bulgarien erkennt zwar grundsätzlich den Staat und auch die Bezeichnung des Staates an, nicht jedoch die Eigenständigkeit seiner Nation. Für die Bulgaren sind die ethnischen bzw. slawischen Makedonier Teil der bulgarischen Kulturnation. Auch 100 Jahre nach den Balkankriegen gibt es noch immer Streit um das gemeinsame Erbe „Makedonien“. An die Stelle Serbiens sind jetzt die Republik Makedonien und ihre Nation getreten. Bulgarien und Griechenland mit ihren Nationen sind als Akteure geblieben.