Am 27.01.1991 wählte das Parlament der damals noch zur „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ (SFRJ) gehörenden „Sozialistischen Republik Makedonien“ Kiro Gligorov mit 114 Stimmen bei 119 anwesenden Abgeordneten zum makedonischen Staatspräsidenten. Auf den Kandidaten der Reformkommunisten hatten sich am 23.01.1991 alle im Parlament vertretenden Parteien geeinigt, nach dem dieser in einem ersten Wahlgang am 19.01.1991 aufgrund des Widerstandes der VMRO-DPMNE (Innere Makedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die makedonische nationale Einheit / Vnatrešna Makedonska Revolucionarna Organizacija – Demokratska Partija za Makedonsko Nacionalno Edinstvo) die notwendige Zweidrittelmehrheit verfehlte. Am 01.02.1991 wählte das makedonische Parlament Ljupčo Georgijevski von der VMRO-DPMNE zum Vizepräsidenten der SR Makedonien. Dieser trat bereits am 22.10.1991 wieder von diesem Amt zurück. Unter der Präsidentschaft von Kiro Gligorov wurde die Republik Makedonien ein souveräner, unabhängiger, demokratischer und sozialer Staat.
Erste Amtszeit als Präsident
Am 07.03.1991 berief der neugewählte makedonische Staatspräsident Kiro Gligorov den Unabhängigen Nikola Kljušev zum Ministerpräsidenten der SR Makedonien. Sein am 20.03.1991 vom Parlament mit 87 zu 17 Stimmen bei drei Enthaltungen gebilligtes Kabinett bestand überwiegend aus Parteilosen. Zwei Mitglieder der Regierungen gehörten jeweils einer Partei, den Reformkommunisten SRSM (Sojuz na Reformskite Sili na Makedonija) und der VMRO-DPMNE an. Drei Mitglieder der Regierung waren ethnische Albaner. Außenminister wurde der parteilose Denko Malevski. Es konnten sowohl unter der Präsidentschaft von Kiro Gligorov als auch danach immer stabile Regierungen gebildet werden. Unter der Präsidentschaft von Kiro Gligorov beschloss das makedonische Parlament am 15.04.1991 auch die Änderung des Staatsnamens von Sozialistischer Republik Makedonien in „Republik Makedonien“. Der Beginn der Amtszeit von Präsident Kiro Gligorov war geprägt vom Zerfall der SFRJ und dem Kampf um die internationale Anerkennung der Republik Makedonien. Auf seinem politischen Einfluss ist es zurückzuführen, dass die Unabhängigkeit und der Abzug der Jugoslawischen Volksarmee aus der Republik Makedonien ohne Krieg vonstatten ging. Zunächst war Kiro Gligorov ein Gegner der Unabhängigkeit der Republik Makedonien und wollte Jugoslawien als reformierten Bundesstaat erhalten. Schon aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus stellte die mögliche Unabhängigkeit der Republik Makedonien ein großes Problem und die weitere Teilhabe an einem reformierten jugoslawischen Bundesstaat die bessere Option dar. Am 03.06.1991 veröffentlichten Kiro Gligorov und sein Amtskollege aus Bosnien und Herzegowina Alija Izetbegović einen Vorschlag für eine Reform des jugoslawischen Bundesstaates. Dieser Vorschlag versuchte, die Vorstellungen Sloweniens und Kroatiens, die der jugoslawischen Bundesregierung unter Ante Marković und die des serbischen Blocks (Serbien mit seinen zwei autonomen Gebietskörperschaften und Montenegro) unter einem Hut zu bringen. Nach diesem Vorschlag sollte Jugoslawien als loser Staatenverband, der weder eine klassische Föderation noch eine klassische Konföderation sein sollte, seine Souveränität, seine internationale Identität und seine äußeren Grenzen behalten, ein einheitliches Wirtschaftsgebiet mit gemeinsamer Währung, gemeinsamer Armee und Außenpolitik bilden, gleichzeitig sollten aber auch die Mitgliedsstaaten souverän sein und sogar diplomatische Missionen im Ausland unterhalten können. Dieser Vorschlag wurde bei einem Treffen der Präsidenten der sechs jugoslawischen Republiken in Sarajevo am 06.06.1991 auch positiv aufgenommen, doch von der weiteren Entwicklung in Juni 1991 überholt. Nach dem bereits am 18.06.1991 makedonische Spitzenpolitiker den Austritt der Republik Makedonien aus der SFRJ angekündigt hatten, erklärte Präsident Gligorov noch am 30.06.1991 sein Land bleibe der jugoslawischen Idee verbunden und wolle nicht dem Beispiel Sloweniens und Kroatiens folgen. Doch der Krieg in Slowenien und Kroatien und der weitere Zerfall der SFRJ ließen eine weitere politische Lösung im Rahmen eines reformierten jugoslawischen Bundesstaates nicht mehr zu. Die Option mit Serbien und Montenegro ein verkleinertes Jugoslawien zu bilden war auch für Präsident Gligorov nicht mehr annehmbar. In einem Referendum am 08.09.1991 sprachen sich bei einer Wahlbeteiligung von 75 % über 90 % der Abstimmungsberechtigten der Republik Makedonien für die Unabhängigkeit und Souveränität dieser Republik aus, wobei diese das Recht haben sollte, einem neu zu formierenden und später nie gegründeten jugoslawischen Staatsgefügen aus souveränen Staaten beizutreten. Am 18.09.1991 erklärte die Republik Makedonien unter ihrem verfassungsmäßigen Namen „Republik Makedonien“ formell ihre Unabhängigkeit von der SFRJ. Aufgrund der Unabhängigkeit der Republik Makedonien wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet, die am 18.11.1991 vom makedonischen Parlament beschlossen und am 20.11.1991 feierlich während einer Festsitzung des Parlaments proklamiert wurde. Nach den damaligen Worten des Präsidenten Gligorov anlässlich der Proklamation der Verfassung sei das Land damit internationales Subjekt, es strebe die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und in der damaligen Europäischen Gemeinschaft an, sei aber weiterhin zu einer Assoziierung mit den anderen souveränen Republiken Jugoslawiens bereit. Gligorov betonte, Makedonien sei der Staat aller Bürger und definiere sich mit der neuen Verfassung nicht vorrangig als Nationalstaat. Die Einbeziehung der Albaner in jede makedonische Regierung ist ebenfalls auf den Einfluss von Präsident Gligorov zurückzuführen, der mit den bisherigen Unterdrückungsstrategien brach, die die Politik der alten kommunistischen Parteiführung in Makedonien gegenüber den Albanern, ähnlich wie im Kosovo, bestimmt hatten. Am 24.02.1992 einigte sich Präsident Gligorov mit der jugoslawischen Bundesarmee auf ihren Abzug aus der Republik Makedonien bis zum 15.04.1992. Bereits am 26.03.1992 war dieser Abzug ohne Krieg erfolgreich beendet worden, was vor allem auf das Verhandlungsgeschick von Präsident Gligorov zurückzuführen war. Der Kampf um die internationale Anerkennung der Republik Makedonien dauerte noch bis zum April 1993 und brachte bis dahin keine grundsätzliche Anerkennung der Republik Makedonien unter ihrem verfassungsmäßigen Namen. Am 08.04.1993 wurde die Republik Makedonien unter der vorläufigen Bezeichnung „Ehemaligen Jugoslawische Republik Makedonien“ in die Vereinten Nationen aufgenommen. Bis heute ist dieser Namensstreit um den verfassungsmäßigen Namen der Republik Makedonien noch nicht gelöst (siehe dazu auch den weiteren Artikel auf Pelagon.de: „Sein oder Nichtsein – das ist hier die spezielle makedonische Frage“). Mit der Aufnahme der „Ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien“ in die Vereinten Nationen erfolgte auch die bilaterale Anerkennung durch die meisten Staaten, von denen eine große Mehrheit jedoch die „Republik Makedonien“ unter ihrem verfassungsmäßigen Namen anerkannt hat. Nachdem am 10.10.1993 Andreas Papandreou mit seiner Panhellenische Sozialistische Bewegung „PASOK“ die griechischen Parlamentswahlen gewann, brach dieser als neuer griechischen Ministerpräsident bereits am 15.10.1993 den Dialog mit der Republik Makedonien zur Lösung des sogenannten Namensstreit ab. Präsident Gligorov konnte zum Ende seiner ersten Amtszeit zunächst weder den Dialog mit Griechenland wieder herstellen noch das Embargo Griechenlands gegenüber der Republik Makedonien ab dem 16.02.1994 verhindern.
Zweite Amtszeit als Präsident
Gemäß der neuen Verfassung der Republik Makedonien vom November 1991 wird der makedonische Staatspräsident direkt vom Volks für eine Amtszeit von 5 Jahren gewählt. Am 16.10.1994 wählte das Volk Kiro Gligorov mit 52,6 % der abgegebenen Stimmen für eine weitere Amtszeit zum Staatspräsidenten der Republik Makedonien. Auf seinen Herausforderer Ljupčo Georgievski von der VMRO-DPMNE entfielen 14,5 % der abgegebenen Stimmen. In seiner zweiten Amtszeit, die offiziell am 19.11.1994 begann, normalisierten sich die Beziehungen zu Griechenland wieder. Am 13.09.1995 wurde das Abkommen über die Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Republik Makedonien und Griechenland am Sitz der Vereinten Nationen in New York unterzeichnet. Griechenland verpflichtete sich in diesem Abkommen dazu die Wirtschaftsblockade innerhalb von 30 Tagen aufzuheben, was am 14.10.1995 geschah. Die Republik Makedonien verpflichtete sich in diesem Abkommen dazu seine Staatsflagge zu ändern und auf den Sonnenstern von Vergina, einem antiken makedonischen Symbol, zu verzichten. Beide Seiten verpflichteten sich ferner dazu die Namensfrage der Republik Makedonien in bilateralen Gesprächen im Rahmen der Vereinten Nationen zu klären, bis dahin sollte international die Bezeichnung „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ verwendet werden. Am 13.10.1995 wurde in Skopje, der Hauptstadt der Republik Makedonien, eine endgültige Vereinbarung über die Normalisierung der bilateralen Beziehungen und die Einrichtung diplomatischer Vertretungen in beiden Hauptstädten unterzeichnet. Eine endgültige Klärung der Namensfrage erfolgte weder unter der Präsidentschaft von Kiro Gligorov noch später. Am 03.10.1995 wurde Präsident Gligorov bei einem Autobombenattentat schwer verletzt. Während Gligorov ein Auge verlor, wurden sein Fahrer und ein weiterer Passant getötet. Für das Attentat wurde extreme Nationalisten verantwortlich gemacht, doch konnten die Hintergründe zu diesem Attentat bisher nicht aufgeklärt und die Täter bisher nicht ermittel werden. Am 29.01.1996 erfolgte die Ankündigung der damaligen „Bundesrepublik Jugoslawien“ (Serbien und Montenegro) die Republik Makedonien völkerrechtlich anzuerkennen. Ein entsprechendes Abkommen zwischen beiden Seiten wurde am 08.04.1996 in Belgrad unterzeichnet. Zum Ende der Amtszeit von Präsident Kiro Gligorov im Jahr 1999 erfolgte noch die Anerkennung der makedonischen Nation durch Bulgarien. Bulgarien hatte am 16.01.1992 als erster Staat die Republik Makedonien völkerrechtlich anerkannt, betrachtete jedoch die makedonische Kulturnation als Teil der bulgarischen Kulturnation und weigerte sich daher bis 1999 die makedonische Kulturnation anzuerkennen. In November 1999 endete die zweite Amtszeit von Präsident Kiro Gligorov. Zu seinem Nachfolger wurde Boris Trajkovski gewählt. Die Amtszeit von Kiro Gligorov war von einer stabilen und starken demokratischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung der Republik Makedonien geprägt. Der zögerliche Weg in die Unabhängigkeit war nicht nur für Präsident Gligorov eine Erfolgsgeschichte.
Leben und politische Karriere
Kiro Blagoje Gligorov wurde am 03.05.1917 im makedonischen Štip (damals noch „Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen“, heute „Republik Makedonien“) geboren. Nach dem Abitur studierte er von 1935 bis 1939 in Belgrad Jura und schloss sein Studium erfolgreich ab. Bis zum deutsch-italienischen Überfall im Jahr 1941 arbeitete Gligorov als Bankangestellter. Bereits während seiner Studienzeit kam er erstmals mit den politischen Ideen des Kommunismus in Berührung. Im Jahr 1943 schloss sich Gligorov den kommunistischen Partisanen an und trat der Kommunistischen Partei Jugoslawiens (KPJ) bei.
An der Gründung und Formierung der „Antifaschistischen Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens“ (ASNOM) im Jahre 1944 wirkte Gligorov maßgeblich mit. Zunächst war er Sekretär des Initiativkomitees, dass die Gründung der ASNOM vorbereitete. Nach der Gründung der ASNOM am 02.08.1944 wurde er Finanzsekretär im Präsidium der ASNOM und wirkte wesentlich an der Etablierung der makedonischen Nation innerhalb der kommunistischen Partisanenbewegung Jugoslawiens mit. Bis zum Tod von Josip Broz Tito war Gligorov stets ein treuer Gefolgsmann von ihm und sorgte dafür, dass sich die kommunistischen Bewegung auch in Makedonien etablieren konnte. Nach dem Krieg bekleidete Kiro Gligorov verschiedene hohe Ämter in der jugoslawischen Föderation. Er war unter anderen Finanzminister in der jugoslawischen Bundesregierung und später Präsident des Bundesparlaments. In den 60er Jahren gehörte Gligorov zu einer Gruppe von Wirtschaftsreformern, die eine mehr marktwirtschaftlich orientierte Ordnung durchsetzen wollten. Diese Bestrebungen scheiterten vor allem aufgrund von Wiederständen aus den Reihen der jugoslawischen Republiken und führten erst kurz vor dem Zerfall der SFRJ im Jahr 1990 unter dem damaligen jugoslawischen Ministerpräsidenten Ante Markowić zu einem nicht mehr wirksam werdenden Erfolg. Folgerichtig unterstützte Kiro Gligorov ab 1989 die Politik des damaligen jugoslawischen Ministerpräsidenten Ante Marković und befürwortete die Einführung der Marktwirtschaft und des Mehrparteiensystems, was durch eine Änderung der Verfassung der SFRJ am 08.08.1990 erfolgte. Ebenso wie Ante Marković setzte sich Kiro Gligorov für den Erhalt und für eine weitere Reformation des jugoslawischen Bundesstaates ein. Diese Politik scheiterte spätestens in der zweiten Hälfte des Jahres 1991, als die SFRJ endgültig zerfiel und die Republik Makedonien unabhängig wurde.