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Zusammenfassung der Anhörung vor dem IGH im Verfahren Republik Makedonien gegen Griechenland

Am 13.08.2008 reichte die Republik Makedonien vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag Klage gegen die Hellenische Republik ein. Hintergrund war der NATO-Gipfel von Bukarest im April 2008. Auf diesem Gipfel sollte über eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO entschieden werden. Die Hellenische Republik war und ist gegen eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO solange der sogenannte Namensstreit nicht gelöst ist. Nach Auffassung der Republik Makedonien hat die Hellenische Republik auf dem NATO-Gipfel von Bukarest ihr Veto gegen eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO eingelegt. Dies wäre ein Verstoß gegen Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens zwischen der „Ersten Partei“ (Hellenischen Republik) und der „Zweiten Partei“ (Republik Makedonien) vom 13.09.1995 gewesen. Dort verpflichtet sich die Hellenische Republik eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien in einer internationalen Organisation, in der sie selbst Mitglied ist, zu unterstützen und nicht zu verhindern, solange die Republik Makedonien gemäß der Resolution 817 des Sicherheitsrates  der Vereinten Nationen  vom 07.04.1993 unter der vorläufigen Bezeichnung „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ die Mitgliedschaft beantragt. Zwischen dem 21.03. und dem 30.03.2011 fand die Anhörung der beiden Parteien vor dem IGH statt. Am 21.03.2011 sowie am 22.03.2011 stellte die Republik Makedonien ihren juristischen Standpunkt dar und am 24.03.2011 sowie am 25.03.2011 die Hellenische Republik den ihrigen. Am 28.03.2011 reagierte die Republik Makedonien auf den juristischen Standpunkt der Hellenischen Republik und am 30.03.2011 erfolgte die Reaktion der Hellenischen Republik auf den juristischen Standpunkt der Republik Makedonien. Innerhalb von 6 Monaten nach der Anhörung wird das Urteil des IGH erwartet. Die wichtigsten Punkte der Anhörung werden nachfolgend zusammengefasst wiedergegeben. Zuvor wird noch einmal auf das Interimsabkommen und die Hintergründe zum Interimsabkommen eingegangen.

Hintergrund: Das Interimsabkommen

Die Republik Makedonien wurde gemäß der Resolution 817 des VN-Sicherheitsrates am 08.04.1993 unter der vorläufigen Bezeichnung „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ in die Vereinten Nationen (VN) aufgenommen. In dieser Resolution wurde die Existenz des Namensstreits zwischen der Republik Makedonien und der Hellenischen Republik sowie die Bedeutung für eine Lösung dieses Streits für den Frieden und die Stabilität in der betroffenen Region festgestellt. In einer weiteren Resolution des VN-Sicherheitsrates (845) vom 18.06.1993 wurden beide Parteien dazu aufgefordert den zwischen ihnen bestehenden Namensstreit im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen zu lösen. Mit dieser Aufgabe ist seit 1994 der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen Matthew Nimetz beauftragt.  Nach dem Wahlsieg der „Panhellenischen Sozialistischen Bewegung“ PASOK bei den griechischen Parlamentswahlen am 10.10.1993 wurde Andreas Papandreou griechischer Premierminister. Dieser trat für eine harte und kompromisslose Linie gegenüber der Republik Makedonien ein und brach den Dialog mit ihr zur Überwindung des Namensstreits ab. Am 16.02.1994 verhängte die Hellenische Republik einseitig ein Embargo gegenüber der Republik Makedonien und verschärfte damit ihren politischen Kurs gegenüber der Republik Makedonien noch weiter. Die Republik Makedonien durfte keinerlei Warenverkehr mehr über den nordgriechischen Hafen Thessaloniki abwickeln, davon ausgenommen waren nur humanitäre Güter. Am 18.02.1994 erweiterte die Hellenische Republik die Handelssperre auf alle Einfuhren aus der Republik Makedonien.

Die diplomatischen Bemühungen und die vorausgehenden 29 Monate andauernden Gespräche zwischen der Hellenischen Republik und der Republik Makedonien führten schließlich erst im September 1995 zu einem Erfolg. Zu dieser Zeit bestand das Embargo bereits seit 19 Monaten und hatte gravierende negative Auswirkungen auf die Wirtschaft der Republik Makedonien. Am 13.09.1995 wurde am Sitz der Vereinten Nationen in New York zwischen der Hellenischen Republik und der Republik Makedonien das Abkommen über die Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen (Interimsabkommen) vom damaligen griechischen Außenminister Karolos Papoulias und dem damaligen Außenminister der Republik Makedonien Stevo Crvenkovski unterzeichnet. Die Hellenische Republik verpflichtete sich gemäß dieses Abkommens dazu innerhalb einer Frist von 30 Tagen das Embargo gegenüber der Republik Makedonien aufzuheben. Die Republik Makedonien verpflichtete sich unter anderem dazu, auf ihre bisherige Flagge mit dem Stern von Vergina zu verzichten. Dieses Symbol wird dem antiken Makedonien zugerechnet, dass nach griechischer Auffassung Teil der griechischen Geschichte und Kultur ist. In diesem Abkommen wird der jeweilige verfassungsmäßige Name der Vertragsparteien nicht genannt. Die Hellenische Republik wird in diesem Abkommen als „Erste Partei“ bezeichnet während die Republik Makedonien als „Zweite Partei“ bezeichnet wird. Jede Partei wird in diesem Abkommen verpflichtet, die territoriale Integrität und Souveränität der jeweils anderen Partei sowie die bestehenden völkerrechtlichen Grenzen zu achten. Die Hellenische Republik wird dazu verpflichtet die Republik Makedonien völkerrechtlich anzuerkennen und normale diplomatische Beziehungen zu ihr aufzunehmen. Die Republik Makedonien wird dazu verpflichtet auf umstrittene Symbole, wie namentlich etwa der Stern von Vergina, zu verzichten. Beide Parteien werden in ihren bilateralen Beziehungen zueinander dazu verpflichtet gut nachbarschaftlich miteinander umzugehen und sich gemäß völkerrechtlicher  Normen  zu verhalten. So hat sich die Hellenische Republik gemäß Artikel 11 Absatz 1 dieses Abkommens dazu verpflichtet die Mitgliedschaft der Republik Makedonien in internationalen Organisationen, in der die Hellenische Republik selbst Mitglied ist, zu fördern und diese nicht zu verhindern. Allerdings hat die Hellenische Republik das Recht Einspruch zu erheben, wenn die Republik Makedonien nicht unter den in Absatz 2 der Resolution 817 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen genannten Namen „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ beizutreten versucht. Artikel 5 des Interimsabkommens verpflichtet beide Parteien den Namensstreit auf Basis der Resolution 845 des VN-Sicherheitsrates im Rahmen und unter Vermittlung der Vereinten Nationen in bilateralen Gesprächen zu lösen. Bis dahin hat jede Partei die Pflicht alles zu unterlassen, was einer friedlichen Lösung des Namensstreits zu wieder läuft (Artikel 7 des Interimsabkommens). Nach Artikel 7 des Interimsabkommens haben beide Parteien jede Propaganda und alle feindlichen Aktivitäten zu unterlassen, die einer friedlichen Lösung des Namensstreits im Wege stehen. Am 14.10.1995 hob die Hellenische Republik das Embargo gegenüber der Republik Makedonien auf. Die Grenze zwischen der Hellenischen Republik und der Republik Makedonien wurde am nächsten Tag für den freien Handelsverkehr wieder geöffnet. Am 13.10.1995 wurde in der makedonischen Hauptstadt Skopje eine endgültige Vereinbarung über die Normalisierung der bilateralen Beziehungen und über die gegenseitige Einrichtung von diplomatischen Vertretungen in beiden Hauptstädten unterzeichnet. Durch das Interimsabkommen normalisierten sich die Beziehungen zwischen der Hellenischen Republik und der Republik Makedonien wieder.

Die Anhörung der Republik Makedonien vor dem IGH

Am 21.03.2011 und am 23.03.2011 fand die Anhörung der Republik Makedonien vor dem IGH statt. Die schriftlichen juristischen Stellungnahmen wurde bereits am 20.07.2009 und am 09.06.2010 eingereicht. Die Republik Makedonien führte in ihrer juristischen Klagebegründung vor dem IGH aus, dass die Hellenische Republik den Beitritt der Republik Makedonien zur NATO vertragswidrig (bezogen auf Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens) verhindert habe und somit die Klage geboten war. Es komme bei dieser Verhinderung nicht auf die Form der Verhinderung an. Gemäß Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens muss die Hellenische Republik den Beitritt der Republik Makedonien zu internationalen Organisationen, in der die Hellenische Republik selbst Mitglied ist, unterstützen und dürfe diesen grundsätzlich nicht verhindern. Die Hellenische Republik habe nur dann ein Recht einen möglichen Beitritt der Republik Makedonien in internationalen Organisationen zu verhindern, insoweit die Republik Makedonien unter einem anderen Namen beizutreten versuchen würde als in der Resolution 817 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen festgelegt worden sei. Das Beitrittsgesuch für eine zukünftige Mitgliedschaft in der NATO sei jedoch unter der geforderten vorläufigen Bezeichnung „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ („EJRM“) erfolgt, so dass weder ein Verstoß gegen das Interimsabkommen von Seiten der Republik Makedonien vorgelegen habe noch eine Berechtigung von Seiten der Hellenischen Republik vorhanden gewesen sei den Beitritt der Republik Makedonien zur NATO zu verhindern. Die Verwendung der verfassungsmäßigen Bezeichnung „Republik Makedonien“ im bilateralen völkerrechtlichen Verkehr stelle ebenfalls kein Verstoß gegen das Interimsabkommen dar. Das Interimsabkommen beziehe sich auf die Resolutionen 817 und 845 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Dort sei festgelegt worden, dass die vorläufige Bezeichnung „EJRM“ nur für alle Zwecke innerhalb der Vereinten Nationen verwendet werden müsse. Das Interimsabkommen fordere die entsprechende vorläufige Bezeichnung auch bei einer möglichen Mitgliedschaft der Republik Makedonien in einer internationalen Organisation. Weder die Resolutionen 817 und 845 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen noch das Interimsabkommen treffe Festlegungen für den bilateralen völkerrechtlichen Verkehr zwischen der Republik Makedonien und anderen Staaten. Die Verwendung der verfassungsmäßigen Bezeichnung „Republik Makedonien“ stelle somit keinen Verstoß gegen das Interimsabkommen dar und rechtfertige damit ebenfalls nicht das Verhalten der Hellenischen Republik. Die Hellenische Republik verhalte sich bei den Verhandlungen zur Lösung des Namensstreits auch nicht konstruktiv und lehne mögliche Kompromissvorschläge regelmäßig ab. So habe die Republik Makedonien Anfang 2008 dem Vorschlag des VN-Sonderbeauftragen Matthew Nimetz für die Namenslösung „Republik Makedonien (Skopje)“ zugestimmt. Dieser Vorschlag sei jedoch ohne Begründung von Seiten der Hellenischen Republik zurückgewiesen worden. Auch stelle die Hellenische Republik die makedonische Identität der Republik Makedonien und der Makedonier (ethnisch oder slawisch) insgesamt in Frage. Die Republik Makedonien habe sich gegenüber der Hellenischen Republik immer konstruktiv verhalten und das Interimsabkommen eingehalten. So habe die Republik Makedonien durch eine Verfassungsänderung eindeutig klargestellt, dass sie gegenüber ihren Nachbarstaaten keine Gebietsansprüche habe und sich nicht in die souveränen Rechte ihrer Nachbarstaaten einmische.  Sie habe auch wie gefordert ihre Nationalflagge geändert und auf das Symbol mit dem Stern von Vergina verzichtet. Die Verwendung des verfassungsmäßigen Namens „Republik Makedonien“ impliziere keine territorialen Ansprüche gegenüber der Hellenische Republik und stelle auch keinen Verstoß gegen die geforderten gutnachbarschaftlichen Beziehungen dar. Auch habe die Hellenische Republik bis zur Unabhängigkeit der Republik Makedonien nie Einspruch gegen die Verwendung der Bezeichnung „Makedonien“ erhoben obwohl dieser Staat bereits seit 1944 bestehen würde.  Die Republik Makedonien fördere gemäß Artikel 7 des Interimsabkommens weder aktiv noch passiv feindliche Aktivitäten oder Propaganda, so dass keine entsprechenden Verstöße gegen das Interimsabkommen vorlegen. Die bloße Verwendung  der verfassungsmäßigen Bezeichnung „Republik Makedonien“ stelle keinen Verstoß gegen Artikel 7 des Interimsabkommens dar. Die endgültige positive Regelung der Namensfrage liege im Interesse der Republik Makedonien. Dies sei für die Sicherheit und Stabilität der Republik Makedonien und der Region dringend geboten.  Daher unterstütze die Republik Makedonien weiterhin aktiv jede Lösungsfindung zur Namensfrage im Rahmen der Vereinten Nationen, wie sie durch das Interimsabkommen gemäß Artikel 5 gefordert werde.

Die Anhörung der Hellenischen Republik vor dem IGH

Am 24.03.2011 und am 25.03.2011 fand die Anhörung der Hellenischen Republik vor dem IGH statt. Die schriftlichen juristischen Stellungnahmen der Hellenischen Republik wurden am 20.01.2010 und am 27.10.2010 eingereicht. Die Hellenische Republik führte in ihrer juristischen Begründung vor dem IGH aus, dass sie keinen Verstoß gegen Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens begangen habe und das Artikel 11 Absatz 1 in diesem Falle auch nicht zum Tragen kommen würde. Die Entscheidung auf dem NATO-Gipfel von Bukarest im April 2008 sei im Konsens mit allen anderen NATO-Mitgliedern gefallen und sei keine rein griechische Entscheidung gewesen sondern eine Entscheidung der NATO-Mitglieder. Für eine Mitgliedschaft der Republik Makedonien komme auch nicht das Interimsabkommen zur Anwendung sondern die rechtlichen Grundsätze der NATO. Damit sei der IGH an sich auch nicht zuständig in der Sache zu entscheiden. Gemäß Artikel 22 des Interimsabkommens sei dieses Abkommen nicht gegen die Rechte und Pflichten aus bereits bestehenden bilateralen und multilateralen Abkommen der Hellenischen Republik mit anderen Staaten und mit internationalen Organisationen gerichtet, so dass in diesem Fall die rechtlichen Grundsätze der NATO zum tragen kommen würden. Nach den rechtlichen Grundsätzen der NATO und nicht aufgrund von Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens sei die Entscheidung erfolgt, dass die Republik Makedonien nicht Mitglied der NATO werden könne. Der IGH könne jedoch nicht über die rechtlichen Grundsätze der NATO entscheiden und das Interimsabkommen komme in diesem Falle nicht zur Anwendung. Die Republik Makedonien verstoße auch ihrerseits gegen das Interimsabkommen. Die Verwendung der verfassungsmäßigen Bezeichnung „Republik Makedonien“ vor Klärung der endgültigen Namensfrage stelle einen Verstoß gegen das Interimsabkommen dar.  Gemäß Artikel 5 des Interimsabkommens sei der endgültige Name der Republik Makedonien gemäß der Resolution 845 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in bilateralen Verhandlungen unter Schirmherrschaft des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zu finden und festzulegen. Das Interimsabkommen gehe ebenso wie die Resolution 817 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen von einer Differenz in der Namensfrage zwischen der Hellenischen Republik und der Republik Makedonien aus, die erst noch behoben werden müsse. Somit sei in allen völkerrechtlichen Beziehungen der Republik Makedonien die vorläufige Bezeichnung gemäß der Resolution 817 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu verwenden und es dürfe daher nicht die verfassungsmäßige Bezeichnung „Republik Makedonien“ verwendet werden. Der Name „Makedonien“ sei griechisch und stelle einen bedeutenden Teil des hellenischen kulturellen Erbes dar. Das antike Makedonien und die antiken Makedonier seien Teil der hellenischen Kultur und Geschichte und nicht Teil der Geschichte und Kultur der Republik Makedonien und der ethnischen oder slawischen Makedonier. So sei jede Bezugnahme auf das antike Makedonien, zum Beispiel durch die Verwendung von antiken makedonischen Symbolen, von Seiten der Republik Makedonien ein Verstoß gegen die kulturelle Integrität der Hellenischen Republik und damit gegen das Interimsabkommen. Die Republik Makedonien benutze auch heute noch vertragswidrig (bezogen auf Artikel 7 Absätze 2 und 3 des Interimsabkommens) antike makedonische Symbole, die Teil des hellenischen kulturellen Erbes seien. So würden bei dem Projekt „Skopje 2014″ in der Hauptstadt der Republik Makedonien antike makedonische Persönlichkeiten als Monumente errichtet oder eine Autobahn (A 1) und der Flughafens von Skopje nach Alexander dem Großen benannt werden. In einem anderen Fall seien zum Beispiel bei einem Basketballspiel der makedonischen Nationalmannschaft makedonische Fahnen mit dem antiken makedonischen Stern von Vergina gezeigt worden. Auch würden sich makedonische Politiker mit antiken makedonischen Symbolen in der Öffentlichkeit zeigen. Das alles führe zu dem Schluss das es in der Republik Makedonien weiterhin irredentistische Bestrebungen gebe. Makedonien sei seit der Antike Teil der hellenischen Kultur und Welt gewesen. Die slawische Bevölkerung in Makedonien würde diese Bezeichnung erst seit 1944 verwenden. Vorher habe die Bezeichnung Makedonien dort keine Anwendung gefunden. Erst durch die Politik von Tito sei die Bezeichnung Makedonien für Süd-Serbien eingeführt und ein makedonischer Staat innerhalb der jugoslawischen Föderation geschaffen worden. Dabei sei es auch um die Schaffung eines sogenannten  „Groß-Makedoniens“ unter jugoslawischer Führung gegangen. Die Verwendung des verfassungsmäßigen Namens „Republik Makedonien“ führe daher zu irredentistischen Bestrebungen und stelle daher eine Gefahr für die Stabilität und den Frieden in der Region dar. Der Name Makedonien als Teil der hellenischen Kultur und Geschichte dürfe daher nicht in der bisherigen verfassungsmäßigen Form im völkerrechtlichen Verkehr Verwendung finden. Die Hellenische Republik sei jedoch immer zu einem Kompromiss bereit gewesen, etwa einen  zusammengesetzten Namen mit geographischer Spezifizierung für den gesamten völkerrechtlichen Verkehr zu akzeptieren.

Die zweite Phase der Anhörung vor dem IGH

In der zweiten Phase der Anhörung vor dem IGH konnte die Republik Makedonien am 28.03.2011 auf die griechischen Argumente reagieren und die Hellenische Republik am 30.03.2011 auf die makedonischen Argumente. Die Republik Makedonien wies alle Argumente der Hellenischen Republik zurück. Die NATO-Mitgliedschaft der Republik Makedonien sei Aufgrund der Intervention der Hellenischen Republik bei den anderen Mitgliedern der NATO verhindert worden und keine davon unabhängige Entscheidung der NATO-Mitglieder gewesen. Damit komme Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens zum Tragen. Artikel 11 Absatz 1 normiere nicht die Art der Verhinderung sondern schließe jede direkte oder indirekte Verhinderung einer Mitgliedschaft der Republik Makedonien unter der vorläufigen Bezeichnung „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ in internationalen Organisationen durch die Hellenische Republik aus. Artikel 22 des Interimsabkommens komme für den vorliegenden Sachverhalt somit nicht zum Tragen. Auch seien  historische Fragen für eine juristische Bewertung des vorliegenden Sachverhaltes nicht von Bedeutung. Die Verwendung der verfassungsmäßigen Bezeichnung „Republik Makedonien“ im bilateralen völkerrechtlichen Verkehr zwischen der Republik Makedonien und anderen Staaten stelle keinen Verstoß gegen das Interimsabkommen dar und stehe auch nicht im Widerspruch zu Artikel 5 des Interimsabkommens. Eine positive Entscheidung des IGH zugunsten der Republik Makedonien würde die Balance zwischen beiden Parteien wahren und sich somit  positiv auf eine gerechte Lösung des Namensstreits  zwischen beiden Parteien auswirken.

Die Hellenische Republik hatte das Schlusswort und bekräftigte ihre Rechtsauffassung. Die Entscheidung auf dem NATO-Gipfel von Bukarest im April 2008, wonach die Republik Makedonien nicht Mitglied in der NATO werden könne, sei eine Entscheidung aller NATO-Mitglieder gewesen. Diese Entscheidung sei nach den rechtlichen Grundsätzen der NATO getroffen worden. Nach Artikel 22 des Interimsabkommens würden alleine die rechtlichen Grundsätze der NATO zum Tragen kommen und nicht Artikel 11 Absatz 1 des Interimsabkommens. Somit könne die Hellenische Republik nicht wegen der Verletzung des Interimsabkommens durch den IGH verklagt werden. Die Republik Makedonien würde ihrerseits durch irredentistische Bestrebungen das Interimsabkommen verletzten. Diese irredentistischen Bestrebungen und sich daraus ergebene territoriale Ansprüche würden den Frieden und die Stabilität in der Region gefährden. So benütze die Republik Makedonien weiterhin vertragswidrig antike griechisch-makedonische Symbole, wie etwa den Stern von Vergina. Desweiteren beziehe sich die Republik Makedonien unrechtmäßig auf das antike griechische Makedonien, in dem es eine Autobahn und den Flughafen nach Alexander dem Großen benannt habe. Der Namen „Makedonien“ sei seit der Antike ein fester Bestandteil des Hellenismus gewesen, auf den die Republik Makedonien in der bisherigen Form keinen Anspruch habe. Die Hellenische Republik bekenne sich weiterhin zu einer Lösungsfindung im Rahmen der Vereinten Nationen, die auch weiterhin in ihrem Interesse liege. Bis dahin müsse jedoch die Republik Makedonien auf alle irredentistischen Bestrebungen verzichten und die vorläufige Bezeichnung „Ehemalige Jugoslawische Republik Makedonien“ verwenden. Eine Entscheidung des IGH zugunsten der Republik Makedonien würde den irredentistischen Bestrebung weiter Vorschub leisten und eine mögliche Lösungsfindung im Namensstreit erschweren.

Fazit

Die Entscheidung des IGH wird innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende der Anhörung erwartet. Mit dem Schlusswort und der Reaktion der Hellenischen Republik auf die juristischen Argumente der Republik Makedonien am 30.03.2011 wurde die Anhörung vor dem IGH beendet. Eine Prognose über einen möglichen Ausgang des Verfahrens soll hier nicht gemacht werden. Es ist in diesem Fall überhaupt sehr schwierig eine Prognose zu erstellen. Selbst die Experten sind sich hier uneinig. Das Verfahren vor dem IGH ersetzt unabhängig von seinem Ausgang nicht die politische Lösungsfindung zum Namensstreit im Rahmen der Vereinten Nationen. Nach meiner Auffassung muss vor jeder politischen Klärung eine akademische Klärung der speziellen makedonischen Frage im Rahmen eines politisch neutralen und unabhängigen Gremiums unter Beteiligung der betroffenen Parteien erfolgen. Die spezielle makedonische Frage betrifft alle Fragen zur Identität des antiken Makedonien und zur Identität des heutigen Makedonien sowie zum Verhältnis des antiken Makedonien zum heutigen Makedonien. Selbstverständlich sind unter dem Begriff „Makedonien“ auch alle damit assozierten Begriffe zu subsumieren, wie etwa die Begriffe „Makedonier“, „Makedonisch“ und  „makedonisch“. Auf Basis dieser akademischen Klärung muss dann eine politische Klärung der Namensfrage erfolgen. Das Verfahren vor dem IGH ersetzt weder die akademische noch die politische Klärung der Namensfrage. Sowohl die Hellenische Republik als auch die Republik Makedonien sind der Auffassung, dass das Verfahren vor dem IGH nicht die Lösungsfindung im Namensstreit im Rahmen der Vereinten Nationen ersetzen kann oder ersetzen wird. Daher sollten wir weiterhin alle Kraft darauf verwenden eine gerechte und vernünftige Lösung im sogenannten Namensstreit herbeizuführen.

Quelle Bilder: IGH