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Rück- und Ausblick: 1946 und 1991 – Zwei Schicksalsjahre für Makedonien

Vor 75 Jahren: Im März 1946 begann der Bürgerkrieg in Griechenland zwischen der kommunistischen Volksfront sowie ihrer „Demokratischen Armee Griechenlands“ („DSE“) und der konservativen Regierung der griechischen Monarchie, welche überwiegend als die legitime Regierung Griechenlands anerkannt wurde. Die kommunistisch-griechische Volksfront bekam zunächst logistische und politische Unterstützung von der „Sozialistischen Volksrepublik Albanien“ und der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“. Die makedonische Frage wurde in diesem Bürgerkrieg, der seinen Schwerpunkt in der griechischen Region Makedonien hatte, ebenfalls thematisiert. Die ethnischen bzw. slawischen Makedonier in Griechenland kämpften zu großen Teilen mit ihrer Organisation „NOF“ („Narodno Osloboditelen Front“) im Rahmen der DSE auf Seiten der kommunistisch-griechischen Volksfront. Der kommunistisch-griechische Sender „Freies Griechenland“ hatte seinen Sitz sogar in der jugoslawischen Volksrepublik Makedonien.

Vor 30 Jahren: Im Mai 1991 sollte das durch eine entsprechende griechische Bildungs- und Geschichtspolitik geförderte Selbstverständnis Griechenlands über den Bürgerkrieg als Abwehrkampf gegen kommunistisch-slawische Einfälle aus dem Norden und Verteidigung der hellenischen Kultur in der griechischen Region Makedonien zu einer gewichtigen Ursache für den sogenannten Namensstreit werden. Auf diese Weise haben die Ereignisse aus dem Jahr 1991 einen Bezug zu den Vorkommnissen im Jahr 1946.

Vor 75 Jahren: Am 31.12.1946 trat die erste makedonische Verfassung in Kraft. Damit bekam der am 02.08.1944 gegründete makedonische Staat, welcher im Rahmen der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ am 30.04.1945 als „Volksrepublik Makedonien“ proklamiert wurde, seine verfassungsmäßige Ordnung und die materiell-rechtliche Implementierung.

Vor 30 Jahren: Das makedonische Parlament beschloss mit der erforderlichen Mehrheit am 18.11.1991 die Verfassung der souveränen, selbstständigen, demokratischen und sozialen Republik Makedonien, welche am 20.11.1991 durch das Parlament proklamiert wurde und damit in Kraft trat. Das Jahr 1946 markiert den Start der makedonischen Verfassungsentwicklung im Rahmen einer kommunistisch-jugoslawischen Föderation, welche im Jahr 1991 ihren Abschluss fand. Mit der letzten und derzeitigen Verfassung aus dem Jahr 1991 trat der makedonische Staat sein Schicksal als demokratisch organisiertes Völkerrechtssubjekt an.

Vor 30 Jahren: Innerhalb von neun Monaten wurde die Sozialistischen Republik Makedonien als „Republik Makedonien“ souverän und unabhängig. Das makedonische Parlament beschloss am 25.01.1991 zunächst die Souveränitätserklärung und am 15.04.1991 die Umbenennung des Staatsnamens von „Sozialistische Republik Makedonien“ in „Republik Makedonien“. Im Mai 1991 begann der Kultur- und Namensstreit mit Griechenland, welcher die weitere Entwicklung überlagerte. Am 08.09.1991 fand ein Referendum statt, bei dem über 90 Prozent der abstimmenden makedonischen Bürgerinnen und Bürger bei einer Abstimmungsbeteiligung von 75 Prozent für die Unabhängigkeit der Republik Makedonien votierten. Daraufhin erklärte das makedonische Parlament am 18.09.1991 die Unabhängigkeit der Republik Makedonien von der sich auflösenden „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“).

Das Jahr 2021 wird bezüglich der Jahre 1946 und 1991 ein Jahr der runden Jubiläen. Die Ereignisse der Jahre 1946 und 1991 stehen teilweise in Beziehung zueinander. Im Jahr 2019, rund 70 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges in Griechenland, wurde der Kulturstreit um Makedonien und der daraus resultierende Namensstreit zwischen Griechenland und der Republik Makedonien überwunden. Seit dem 12.02.2019 heißt die Republik Makedonien im völker- und staatsrechtlichen Verkehr nun Republik Nord-Makedonien.

Vor 75 Jahren: Der Beginn des Bürgerkrieges in Griechenland

Mit dem Angriff einer linken Partisanengruppe auf eine Polizeistation in Nordgriechenland im März 1946 begann die dritte Phase des Bürgerkrieges in Griechenland. Diese Phase zwischen März 1946 und Oktober 1949 gilt oft auch als der eigentliche Bürgerkrieg in Griechenland. Die Konfliktparteien waren die linke Volksfront und ihre „Demokratische Armee Griechenlands“ („DSE“) auf der einen und die konservative Regierung der griechischen Monarchie auf der anderen Seite. Logistische Unterstützung bekam die DSE von der „Sozialtischen Volksrepublik Albanien“ und der „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“. Die konservative griechische Regierung wurde zunächst vom Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, anschließend von den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) im Rahmen ihrer Truman-Doktrin unterstützt. Mit der Truman-Doktrin standen die USA nach ihrem Selbstverständnis freien Völkern bei, die sich einer angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzten. Im Ergebnis sollte mit Hilfe dieser außenpolitischen Doktrin der Kommunismus in der Welt eingedämmt werden.

Der griechische Bürgerkrieg war die Fortsetzung eines Konfliktes zwischen der griechischen Volksfront (sogenannten „Linken“) und den griechischen Konservativen und Monarchisten (sogenannten „Rechten“), welcher bereits seit 1943 schwelte. Dieser Konflikt überlagerte auch den griechischen Widerstand gegen die Besetzung Griechenlands durch die deutsche Wehrmacht (1941 – 1944) und ihre Verbündeten. Als entscheidend für den Ausgang des Bürgerkrieges in Griechenland sollte sich das Zerwürfnis zwischen Stalin und Tito im Sommer 1948 erweisen, in Folge dessen die Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ) am 28.06.1948 aus dem Komintern ausgeschlossen wurde. Die Kommunistische Partei Griechenlands (KPG) bestand einerseits überwiegend aus Anhängern Stalins und war andererseits auf die Unterstützung aus Jugoslawien unter Tito angewiesen. Ein Aspekt in diesem Bürgerkrieg, der seinen Schwerpunkt in der griechischen Region Makedonien hatte, war auch die sogenannte makedonische Frage. Im Verhältnis zur Föderativen Volksrepublik Jugoslawien bzw. Volksrepublik Makedonien war auch die makedonische Frage ein Problem für die KPG. Letztendlich geriet der Vorsitzende der KPG Zachariadis zwischen die Fronten und versuchte erfolglos zu lavieren. Im Sommer 1949 ließ Tito die Grenze zwischen Griechenland und Jugoslawien schließen. Damit verloren die kommunistischen Partisanen Griechenlands ihren Nachschub aus und ihrer Rückzugsmöglichkeiten nach Jugoslawien. Bei einem Generalangriff der royalistisch-griechischen Armee im August 1949 wurden die Partisanen vernichtend geschlagen. In Folge der Niederlage flohen etwa 100.000 Partisanenkämpfer mit ihren Familien nach Albanien, Jugoslawien und in andere Staaten mit kommunistischer bzw. sozialistischer Herrschaftsform. Das Zentralkomitee der KPG beschloss daraufhin am 09.10.1949 die vorübergehende Einstellung der Kampfhandlungen, welche sich im Nachhinein als endgültig erwies. Am 16.10.1949 gab dann der Partisanensender „Radio Freies Griechenland“ das Ende der Kampfhandlungen bekannt.

Der griechische Bürgerkrieg und die makedonische Frage (1946 – 1949)

Bereits im Rahmen des kommunistisch-jugoslawischen Volksbefreiungskampfes (1941 – 1944) kam es auch zu einer Kooperation mit den griechischen Kommunisten, die sowohl gegen die militärischen Besatzer in Griechenland als auch gegen ihre konservativen Gegner kämpften. In den ethnisch- bzw. slawisch-makedonisch besiedelten Gebieten wurde die „Slawisch-Makedonische Nationale Befreiungsfront“ („Slavjano-Makedonski Narodno Osloboditelen Front“, kurz: „SNOF“) geschaffen, deren Einheiten im Rahmen der kommunistisch-griechischen „Nationalen Befreiungsarmee“ („ELAS“) operierten. Gegenstand von historischer Forschung wird sein müssen, inwieweit ethnische bzw. slawische Makedonier aus Bulgarien oder Jugoslawien Einfluss auf die Führung der SNOF hatten. Dies ist derzeit noch ungeklärt. An der Spitze der SNOF stand mit Gocev jedenfalls ein ethnischer bzw. slawischer Makedonier, der aus der griechischen Region Makedonien zu stammen schien. Allerdings versuchten die jugoslawischen Kommunisten über die SNOF Einfluss auf die ELAS zu nehmen, was das ohnehin angespannte Verhältnis mit den griechischen Kommunisten weiter verschlechterte. Des Weiteren kam es zu direkten Kontakten zwischen den jugoslawischen Kommunisten und den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern in Griechenland. Nach dem Abzug der Deutschen aus Griechenland im Herbst 1944 rief Gocev die Selbständigkeit von Westmakedonien aus, was von der griechischen KP jedoch widerrufen wurde. Daraufhin zog sich Gocev mit seinen Leuten nach Jugoslawien zurück. Im Gegensatz zum erfolgreichen kommunistisch-jugoslawischen Volksbefreiungskampf konnte sich die kommunistisch-griechische Bewegung nach der Befreiung Griechenlands nicht durchsetzen und die Macht ergreifen.

Während des griechischen Bürgerkrieges von 1946 bis 1949 kam es erneut zu einer Kooperation zwischen den griechischen und den jugoslawischen Kommunisten. Anführer des kommunistischen Aufstandes in Griechenland war Markos Wafiadis, genannt „General Markos“. Dieser galt als pro-jugoslawisch und war ein Grieche aus Kleinasien. Unter seiner Führung wurde am 24.12.1947 die „Provisorische demokratische Regierung“ proklamiert. Im Falle der nun mehr „Föderativen Volksrepublik Jugoslawien“ und der „Volksrepublik Makedonien“ als eines ihrer Gliedstaaten war die kommunistische Machtergreifung im Rahmen des Volksbefreiungskampfes und die Festigung ihrer Macht nach diesem Kampf erfolgreich. Den Schwerpunkt hatte der griechische Bürgerkrieg zwischen den Kommunisten und der konservativ-royalistischen griechischen Regierung in Nordgriechenland bzw. der griechischen Region Makedonien, also in geografischer Nähe zu Jugoslawien. Aus diesen Gründen war Jugoslawien für die griechischen Kommunisten ein strategisch wichtiger Partner, obwohl diese dem sowjetischen Kommunismus unter Stalin näher standen. Den Höhepunkt erreichte der griechische Bürgerkrieg um die Jahreswende 1947/48, danach zeichnete sich aufgrund der Entwicklung zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion bereits der Niedergang des kommunistischen Aufstandes ab.

Die makedonische Frage war in diesem Bürgerkrieg ebenfalls ein Thema. So wurde unter anderem die SNOF unter der Bezeichnung „NOF“ („Narodno Osloboditelen Front“) wiederbelebt und auch Gocev schien erneut in der griechischen Region Makedonien aufzutauchen. Der kommunistisch-griechische Sender „Freies Griechenland“ hatte seinen Sitz sogar in der jugoslawischen Volksrepublik Makedonien. Im Ergebnis führte dies zu einem starken Einfluss der jugoslawischen Kommunisten auf die kommunistisch-griechische Bürgerkriegspartei. Im Nachhinein förderte das die verbreitete Wahrnehmung in Griechenland, wonach es im griechischen Bürgerkrieg auch um die Bekämpfung von slawischen Einfällen nach Griechenland ging und so der Bürgerkrieg eine internationale Komponente bekam. Zwischen Bulgarien und Jugoslawien gab es zwischen August 1947 und Juni 1948 zunächst eine Übereinkunft über den bulgarischen und jugoslawischen Teil von Makedonien. Im Rahmen einer Föderation zwischen Bulgarien und Jugoslawien sollten beide Teile Makedoniens im Rahmen der Volksrepublik Makedonien vereint werden. Bis zur Gründung dieser Föderation bekamen die ethnischen bzw. slawischen Makedonier im bulgarischen Teil von Makedonien eine kulturelle Autonomie zugestanden. Auch wenn es keine Hinweise auf eine konkrete Einbeziehung des griechischen Teils von Makedonien in diese Föderation gibt, so war dennoch klar, dass ein solches Modell die Unterstützung der jugoslawischen und der makedonischen Kommunisten hatte. Der Bruch zwischen Stalin und Tito im Juni 1948 machte das Projekt einer bulgarisch-jugoslawischen Föderation mit einem vereinten Makedonien als Bestandteil obsolet. Die kulturelle Autonomie der ethnischen bzw. slawischen Makedonier in Bulgarien wurde wieder zurückgenommen.

Nach dem Bruch zwischen Stalin und Tito kam es zu einem Machtkampf innerhalb der griechischen KP um ihre politische Ausrichtung. Einerseits bestand eine große Abhängigkeit von Jugoslawien, andererseits gab es eine viel größere Affinität zur sowjetischen Ideologie des Kommunismus. Ende Januar 1949 war der Machtkampf zugunsten der sowjetischen Ideologie entschieden. Die kommunistischen Parteien des Ostblocks hatten sich ohnehin schon auf Seiten der Sowjetunion gestellt. Am 30. und 31.01.1949 tagte das fünfte Plenum des Zentralkomitees der KPG und traf folgenreiche Entscheidungen: Der pro-jugoslawische General Markos wurde aller Parteiarbeit enthoben und musste als Chef der provisorischen Demokratischen Regierung Griechenlands zurücktreten. Direkt nach dem Ende dieses Machtkampfes bezog die griechische KP auch zur makedonischen Frage Stellung: Dem makedonischen Volk wurde zugesagt, dass es nach der Befreiung seine nationale Restauration erhalten würde, sofern es dies wünsche. Weiter wurde ausgeführt, dass die Einheit zwischen dem slawo-makedonischen und dem griechischen Volk erhalten bleibt, sorgfältig gehütet und ständig gestärkt werden müsste, obwohl verschiedene Elemente diese Einheit zerstören wollten.

Konkret wurden unter anderem in der Stellungnahme vom fünften Plenum des ZK der KPG zur makedonischen Frage ausgeführt: „In Nordgriechenland hat das makedonische Volk bis jetzt sein Bestmögliches zum Kampf beigetragen und kämpft mit grenzenloser und bewundernswerter Tapferkeit und Selbstaufopferung weiter. Zweifellos kann nur die nationale Rekonstitutierung des makedonischen Volkes die Konsequenz des Sieges der DSE und der Volksrevolution sein, für die es bis heute sein Blut vergießt. Dies entspricht auch seinen eigenen Wünschen“. Was genau mit nationaler Restauration gemeint war, wurde in der Stellungnahme nicht ausgeführt. Jedoch verstanden alle am Bürgerkrieg beteiligten Akteure darunter entweder die Abspaltung und Unabhängigkeit oder zumindest die Autonomie der griechischen Region Makedonien. Dies wurde in der griechischen Bevölkerung und bei den Gegnern des Kommunismus überwiegend als Verrat aufgefasst. Selbst bei den griechischen Kommunisten war eine mögliche Autonomie oder Abspaltung der griechischen Region Makedonien sehr umstritten.

Die NOF kündigte etwa im selben Zeitraum an, dass sie ein vereinigtes, demokratisches und gleichberechtigtes Makedonien innerhalb einer volksdemokratischen Union der Balkanvölker proklamieren wolle. Auf einer für den März 1949 vorgesehenen zweiten Konferenz der NOF wurden die ethnischen bzw. slawischen Makedonier in Griechenland dazu aufgerufen, sich am Kampf gegen die konservativ-royalistische griechische Regierung und ihre US-amerikanischen Unterstützer zu beteiligen. Diese Beteiligung sollte mit dem Ziel erfolgen, das makedonische Volk zu befreien und für eine Volksdemokratie Makedonien zu kämpfen.

In Jugoslawien wurde die Erklärung der NOF auf die bulgarische KP zurückgeführt, die ein von Jugoslawien unabhängiges Makedonien unter bulgarischer Kontrolle schaffen wolle. Doch auch die griechischen KP kam in Verdacht hinter dieser Erklärung zu stehen, da diese von „Radio Freies Griechenland“ verbreitet wurde. Allerdings dementierte das die griechische KP. Daraufhin schwächte die NOF ihre Erklärung wieder ab und distanzierte sich von dem Ziel einen makedonischen Staat im Rahmen einer Balkanföderation zu schaffen.

Auf der zweiten Konferenz der NOF wurde hingegen wieder verlautbart, wonach der griechische Kommunist Karagiorgis im Namen der Provisorischen Demokratischen Regierung Griechenlands erklärte, die ethnischen bzw. slawischen Makedonier hätten ein Recht auf Freiheit. Dieses Recht würde sich in der Einbeziehung der NOF in die oberste Führung der ELAS manifestieren. In diesem Zusammenhang gab es Gerüchte, wonach im Rahmen der griechischen KP eine eigenständige Parteiorganisation im griechischen Teil von Makedonien gebildet werden sollte.

Letztendlich bleibt unklar, ob die griechischen Kommunisten den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern eine Autonomie für ihren Kampf im Rahmen der ELAS anboten. Schon dies dürfte für viele in Griechenland unannehmbar gewesen und als Verrat aufgefasst worden sein. Aufgrund der Zielsetzungen der griechischen KP in der makedonischen Frage, die grundsätzlich eine Autonomie oder Abspaltung der griechischen Region Makedonien ausschlossen, lag es im Interesse der griechischen Kommunisten den Einfluss der jugoslawischen Kommunisten zurückzudrängen. Hinzu kam die ideologische Orientierung an die Sowjetunion. Unter diesen Umständen schien eine Kooperation mit den griechischen Kommunisten aus jugoslawischer Sicht nicht mehr zielführend zu sein und so schloss die Föderative Volksrepublik Jugoslawien im Sommer 1949 die Grenze zu Griechenland. Ohne Nachschub aus Jugoslawien hatte die kommunistisch-griechische Bürgerkriegspartei keine Chance mehr. Im August 1949 wurde ihr von Seiten der royalistischen Armee Griechenlands eine entscheidende Niederlage zugeführt, von der sich die ELAS nicht mehr erholen konnte. Im Oktober 1949 gab sie den Kampf auf und der Bürgerkrieg in Griechenland war damit beendet.

Vor 30 Jahren: Der Kulturkampf um Makedonien bricht wieder aus

Nach dem Bürgerkrieg wurde die makedonische Frage aus außenpolitischen Gründen bis zum Zerfall der jugoslawischen Föderation im Jahre 1991 eingefroren. Die Föderative Volksrepublik Jugoslawien stand nun zwischen den Staaten des Westens und des Ostblocks. Griechenland wurde im Jahr 1952 Mitglied der NATO und Bulgarien wurde Mitglied im 1955 gegründeten Warschauer Pakt. Aus diesen Gründen konnte sich die Föderative Volksrepublik Jugoslawien keine Konflikte mit seinen Nachbarstaaten leisten. Wichtiger waren jetzt aus sicherheits- und wirtschaftspolitischen Gründen die Normalisierung und der Ausbau der Beziehungen zu Griechenland und zum Westen. Die jugoslawische Volksrepublik Makedonien musste sich den außenpolitischen Interessen Jugoslawiens unterordnen. Im Jahr 1954 kam es dann auch zu einer Annäherung zwischen Griechenland und Jugoslawien.

In der griechischen Öffentlichkeit war die makedonische Frage während und nach dem Bürgerkrieg sehr präsent. Sie wurde seinerzeit häufig in den Medien thematisiert. Im kollektiven Bewusstsein der griechischen Bevölkerung hat sich daher bis heute eingeprägt, dass Griechenland im Bürgerkrieg zum Spielball von ausländischen Mächten und die makedonische Frage als Hebel benutzt wurden. So führte vor allem die Unterstützung der griechischen Kommunisten durch die damalige Föderative Volksrepublik Jugoslawien dazu, dass der griechische Bürgerkrieg eine internationale Komponente bekam. Die griechischen Kommunisten galten teilweise als Erfüllungsgehilfen der Slawen, die in Griechenland einfallen wollten. Nach dieser Sichtweise galt der griechische Bürgerkrieg auch als Abwehrkampf gegen die slawischen Einfälle aus dem Norden.

Die konservativen Politiker in Griechenland vertraten zunehmend einen hellenisch-makedonischen Nationalismus, der die Verbindung der griechischen Region Makedonien zum antiken Makedonien in den Vordergrund stellte. Demnach wurden im griechischen Bürgerkrieg auch der hellenische Charakter Makedoniens und seine territoriale Zugehörigkeit zu Griechenland verteidigt. Jede Form von nicht-griechischem „Makedonismus“ wird aus diesem Bewusstsein heraus mit einer antigriechischen Haltung assoziiert, die im Ergebnis die Zerstörung und Aufteilung Griechenlands zum Ziel haben könnte. Hierbei wird insbesondere eine erzwungene Abspaltung der griechischen Region Makedonien von Griechenland befürchtet. Die Gefahr wird dabei nicht immer zwangsläufig bei den ethnischen bzw. slawischen Makedoniern selbst gesehen, sondern auch bei ausländischen Mächten.

Im Jahr 1991 zeichnete sich die Auflösung von Jugoslawien und der Sowjetunion deutlich ab. Damit war klar, dass auch die jugoslawische „Sozialistische Republik Makedonien“ unabhängig werden würde. Bereits bei den ersten freien Mehrparteienwahlen in der Sozialistischen Republik Makedonien im November 1990 gewann die national-konservative „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die nationale makedonische Einheit“ („IMRO – DPMNE“ bzw. „VMRO-DPMNE“) 37 Sitze von 120 Sitzen im makedonischen Parlament und wurde damit stärkste Kraft. Die Reformkommunisten erhielten 31 Sitze, blieben jedoch mit weiteren Koalitionspartnern an der Macht und verdrängten die IMRO-DPMNE in die Opposition. Es war jedoch die IMRO-DPMNE, welche das umstrittene antike makedonische Symbol, den Stern von Vergina, als Nationalflagge durchsetzen sollte.

Am 25.01.1991 verabschiedete das makedonische Parlament eine Souveränitätserklärung, in der das „Recht auf Selbstbestimmung einschließlich des Rechts auf Abtrennung“ von der SFRJ betont wurde. Ebenfalls durch Beschluss des Parlaments erfolgte am 15.04.1991 die staatsrechtliche Umbenennung der Sozialistischen Republik Makedonien in die bis heute gültige und aus griechischer Sicht umstrittene Bezeichnung „Republik Makedonien“. Seit dem 12.02.2019 ist die noch heute gültige offizielle Staatsbezeichnung „Republik Nord-Makedonien“.

Im Mai 1991 kündigte Griechenland an, dass es eine internationale Anerkennung unter den Namen „Republik Makedonien“ verhindern wolle. Hintergrund war ein nationalistischer griechischer Reflex, welcher seine Ursache zum Teil im griechischen Bürgerkrieg und der danach erfolgten griechischen Geschichtspolitik hatte. Die alten griechisch-konservativen Meinungsführer übernahmen wieder die Deutungshoheit in der makedonischen Kulturfrage. Eine objektiv-wissenschaftliche Betrachtung der makedonischen Frage fand seit dem griechischen Bürgerkrieg und auch im seit 1974 demokratischen Griechenland weitgehend nicht statt. Es bestand diesbezüglich ein Vakuum, das von den national-konservativen Meinungsführern voll ausgefüllt wurde und damit Eingang in die griechische Politik fand. Doch auch auf Seiten der Republik Makedonien gab es zum Teil Nationalismus und revisionistische Auffassungen. Der Kulturstreit um Makedonien, welcher einen Höhepunkt im griechischen Bürgerkrieg (1946 – 1949) hatte und nur durch die aufgrund des kalten Krieges bestehenden geopolitischen Rahmenbedingungen bis 1991 eingefroren war, ging unvermindert weiter. So verbinden sich die Schicksalsjahre 1946 und 1991 für die Region Makedonien und den in einem Teil dieser Region bestehenden makedonischen Staat. 

Vor 75 Jahren: Der Beginn der  makedonischen Verfassungsrechtsentwicklung

Der kommunistisch-jugoslawische Volksbefreiungskampf in Jugoslawien und im jugoslawischen Teil von Makedonien (1941 – 1944) war erfolgreich. Auf der Zweiten Sitzung des „Antifaschistischen Rates der Nationalen Befreiung Jugoslawiens“ („AVNOJ“) im bosnischen Jajce am 29.11.1943 wurde eine föderative Ordnung für Jugoslawien beschlossen. Die Demokratische bzw. Föderative Volksrepublik Jugoslawien sollte demnach aus sechs Volksrepubliken bestehen. Des Weiteren wurden die ethnischen bzw. slawischen Makedonier erstmals als gleichberechtigt mit den anderen jugoslawischen Völkern, den Serben, Kroaten, Slowenen und Montenegrinern anerkannt (Anmerkung: Die Anerkennung der bosnischen Muslime bzw. Bosniaken als Nation erfolgte erst im Jahr 1968). Aufgrund dieser Anerkennung traten die ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation erstmals offiziell in die neuere makedonische Geschichte ein und erhielten einen eigenen jugoslawischen Gliedstaat, die Volksrepublik Makedonien, zugesprochen.

Nach dem der Volksbefreiungskampf in Jugoslawien und Makedonien erfolgreich abgeschlossen war, wurden die Beschlüsse der Zweiten Sitzung des AVNOJ entsprechend umgesetzt. In Folge wurde mit der Eröffnung der ersten Tagung der „Antifaschistischen Sobranje der Volksbefreiung Makedoniens“ („ASNOM“) im Kloster Prohor Pčinski am 02.08.1944 auf dem Gebiet des jugoslawischen Teils von Makedonien der bis heute existierende makedonische Staat gegründet. Auf dieser Sitzung wurden auch die Grundzüge für die Verfassung der „Volksrepublik Makedonien“ festgelegt. Sie sollte ein gleichberechtigtes Mitglied der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien mit eigenen staatlichen Kompetenzen werden. Des Weiteren wurden die Geltung der Menschen- und Bürgerrechte proklamiert sowie Minderheitenrechte garantiert. Dies beinhaltete auch das Recht einer jeder Bürgerin bzw. eines jeden Bürgers zur Beschwerde gegen staatliche Handlungen. Die Volksrepublik Makedonien wurde in Bezirke, Kreise und Gemeinden gegliedert und erhielt damit eine dezentralisierte Verteilung der staatlichen Kompetenzen. Weiter wurden die Grundzüge des Wahlrechts ausgearbeitet und die makedonische Schriftsprache definiert.

Vor der Verabschiedung der ersten makedonischen Verfassung musste erst die Verfassung der jugoslawischen Föderation abgewartet werden, die den rechtlichen Rahmen vorgab. Nach der Proklamation der „Föderative Volksrepublik Jugoslawien“ am 29.11.1945 wurde am 31.01.1946 die erste jugoslawische Verfassung nach dem Zweiten Weltkrieg verabschiedet. Sie orientierte sich materiell noch an die sowjetische Verfassung von 1936, der sogenannten Stalin-Verfassung. Kern des sowjetischen Sozialismusmodells war eine Zentralverwaltungswirtschaft. Nach dem Bruch zwischen dem jugoslawischen Führer Josip Broz Tito und dem sowjetischen Führer Joseph Stalin im Jahre 1948 wurde am 14.01.1953 eine Revision der jugoslawischen Verfassung von 1946 beschlossen, bei der die zentrale Wirtschaftsplanung abgebaut und die kommunale Selbstverwaltung eingeführt wurde. Jugoslawien und seine Gliedstaaten gingen fortan ihren eigenen Weg im Sozialismus.

In den Jahren 1963 und 1974 wurden jeweils neue Verfassungen für die nunmehr „Sozialistisch Föderative Republik Jugoslawien“ verabschiedet. Im Rahmen der jugoslawischen Verfassungsrechtsentwicklung zwischen 1946 und 1990 wurde der Föderalismus stark ausgebaut. Des Weiteren wurde eine autonome Wirtschaftsordnung eingeführt und weiterentwickelt. Deren Kern war die Selbstverwaltung der Arbeiterschaft und ihrer Betriebe. Am 08.08.1990 erfolgte eine verfassungsrechtliche Zäsur. Durch eine entsprechende Änderung der jugoslawischen Verfassung von 1974 wurde der Selbstverwaltungssozialismus zugunsten von marktwirtschaftlichen Strukturen abgeschafft und das Mehrparteiensystem eingeführt. Die makedonische Verfassungsrechtsentwicklung zwischen 1946 und 1991 verlief entsprechend.

Die makedonische Verfassung von 1946

Hauptanliegen der ersten makedonischen Verfassung war es nach der Anerkennung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation, diese makedonische Nation und deren Sprache sowie die staatlichen Symbole des makedonischen Staates staatsrechtlich bzw. verfassungsrechtlich zu verankern.

Die ersten zwei Artikel der Verfassung der Volksrepublik Makedonien vom 31.12.1946 hatten folgenden Wortlaut: „Die Volksrepublik Makedonien ist ein Staat des Volkes mit der Republik als Staatsform“ (Artikel 1) und „Nachdem in einem gemeinsamen Kampf zusammen mit allen Völkern Jugoslawiens die Befreiung und der Nationalstaat errungen worden waren, vereinte sich das Volk von Makedonien im Hinblick auf das Recht aller Nationen auf Selbstbestimmung inklusive des Rechts zur Sezession und zur Vereinigung mit einer anderen Nation, auf Grundlage der Gleichberechtigung mit den anderen Völkern Jugoslawiens und deren Volksrepubliken: der Volksrepublik Serbien, der Volksrepublik Montenegro, der Volksrepublik Bosnien und Herzegowina, der Volksrepublik Kroatien und der Volksrepublik Slowenien, zu einem gemeinsamen Staat – der Föderalen Volksrepublik Jugoslawien“ (Artikel 2). In der ersten makedonischen Verfassung wurde lediglich auf die makedonische Nation als Staatsvolk verwiesen, einen Hinweis auf die anderen innerhalb der Volksrepublik Makedonien lebenden Nationalitäten gab es nicht. Die erste makedonische Verfassung kann als Ausdruck der staatsrechtlichen Lösung der makedonischen Frage innerhalb der jugoslawischen Föderation angesehen werden, bei der es primär um die staatsrechtliche Anerkennung und Etablierung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als Nation ging. Die erste Verfassungsperiode war durch dynamische Veränderungen der Verfassungsinstitutionen geprägt.

Nachdem im Jahr 1950 mit dem Grundgesetz über die Arbeiterselbstverwaltung die wirtschaftliche Ordnung konkretisiert und gefestigt wurde, erfolgte im Jahre 1953 die Verabschiedung eines Verfassungsgesetzes, in dem die durch die Verfassung von 1946 vorgesehene politische Ordnung und Funktion der Organe der Staatsgewalt innerhalb der Volksrepublik Makedonien konkretisiert wurden. Diese Zeit, in der der Einfluss der kommunistischen Partei und des Staates auf die wirtschaftliche Entwicklung am größten war, wird auch als „administrativer Sozialismus“ bezeichnet. Andere gängige Bezeichnungen für diese Zeit waren auch „Staat der Avantgarde“ oder „Volksdemokratie“.

Bis zum Jahr 1991 werden drei Verfassungsperioden in der makedonischen Verfassungsrechtsentwicklung unterschieden, deren Beginn jeweils die Verabschiedung einer neuen Verfassung war. Der Verfassung der Volksrepublik Makedonien aus dem Jahr 1946 folgten die Verfassungen der „Sozialistischen Republik Makedonien“ der Jahre 1963 und 1974. Beide waren geprägt von einer zunehmenden Verlagerung der staatlichen Kompetenzen von der jugoslawischen Föderation auf ihre Gliedstaaten sowie von einem Ausbau des autonomen und dezentralen Selbstverwaltungssozialismus.

Im Jahr 1990 erfolgten die Abschaffung des Selbstverwaltungssozialismus zugunsten der Einführung der Marktwirtschaft und die Einführung eines demokratischen Mehrparteiensystems. In Folge dessen wurde die „Sozialistische Republik Makedonien“ durch Parlamentsbeschluss am 15.04.1991 in „Republik Makedonien“ umbenannt. In den Jahren 1991/1992 löste sich die jugoslawische Föderation begleitet von einem Krieg auf, von dem nur die Republik Makedonien verschont wurde. Diese Entwicklung führte im Jahr 1991 zur Unabhängigkeit der Republik Makedonien (heute Republik Nord-Makedonien) und zu ihrer noch heute gültigen Verfassung.

Die Unabhängigkeit und die Verfassung der Republik (Nord-)Makedonien ab dem Jahr 1991

Die Verfassung der Republik (Nord-)Makedonien vom 20.11.1991 war die verfassungsrechtliche Konsequenz aus dem Zerfall der jugoslawischen Föderation, dem Scheitern aller Versuche zur Reform oder Neuorganisation dieser jugoslawischen Föderation als Verbund von souveränen Staaten und der daraus folgenden Unabhängigkeitserklärung der Republik Makedonien am 18.09.1991.

Der erste Schritt in Richtung formelle Unabhängigkeit der Republik Makedonien erfolgte am 25.01.1991 durch die „Souveränitätserklärung“ des makedonischen Parlaments. Per Akklamation stimmte das Sobranje für diese Souveränitätserklärung, in der das „Recht auf Selbstbestimmung einschließlich des Rechtes auf Sezession“ von der Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) betont wurde. Nach dem Scheitern der jugoslawischen Föderation hatte die Republik Makedonien die Wahl mit den Republiken Serbien und Montenegro eine neue Föderation („Bundesrepublik Jugoslawien“) zu bilden oder die Unabhängigkeit anzustreben. Aufgrund der damaligen aggressiven und nationalistischen serbischen Politik entschied sich die Republik Makedonien für letzteren Weg und ließ darüber am 08.09.1991 ein Referendum abhalten. In diesem Referendum sprachen sich bei einer Abstimmungsbeteiligung von 75 % über 90 % der makedonischen Bürgerinnen und Bürger für die Unabhängigkeit und Souveränität der Republik aus, wobei diese das Recht haben sollte, einem neu zu formierenden und später nie gegründeten jugoslawischen Staatsgefüge aus souveränen Staaten beizutreten.

Bereits im Frühjahr 1991 wurde die Ausarbeitung einer neuen Verfassung beschlossen. Diese Ausarbeitung konnte jedoch erst nach der Bekanntmachung des Ergebnisses des Unabhängigkeitsreferendums am 08.09.1991 beginnen. Der Entwurf der Verfassung von 1991 wurde unter Mitwirkung des deutschen Verfassungsjuristen Roman Herzog (ehemaliger Präsident des deutschen Bundesverfassungsgerichtes und ehemaliger deutscher Bundespräsident) und des ehemaligen französischen Justizministers Georges Badinter erstellt. Dafür erhielten beide im Jahr 2009 die höchste Auszeichnung der Republik Makedonien („Achter September“). Die Inhalte des Verfassungsentwurfs waren sowohl zwischen den politischen Parteien (liberal, sozialistisch, konservativ) als auch zwischen den ethnischen Parteien (ethnisch- bzw. slawisch-makedonisch und albanisch-makedonisch) umstritten. Im letzteren Fall ging es um den verfassungsrechtlichen Status der albanischen Makedonier und deren Rechte innerhalb der Republik Makedonien. Dieser Konflikt wurde im Wesentlichen erst zehn Jahre später durch das Rahmenabkommen von Ohrid (13.08.2001) beigelegt, obgleich es auch heute noch offene Fragen und daraus resultierende Spannungen gibt. Auch im Außenverhältnis zu den unmittelbaren Nachbarstaaten Bulgarien, Griechenland und Serbien war der Prozess der Verfassungsgebung mit Schwierigkeiten verbunden. Nach Abschluss der Arbeiten wurde der Entwurf der Verfassung am 18.11.1991 vom makedonischen Parlament mit der erforderlichen Mehrheit gebilligt. Während einer Festsitzung des makedonischen Parlaments proklamierte am 20.11.1991 die Republik Makedonien feierlich die neue Verfassung für den souveränen unabhängigen, demokratischen und sozialen Staat „Republik Makedonien“ bzw. „Republik Nord-Makedonien“.

Schlussfolgerungen

Die Jahre 1946 und 1991 sind Schicksalsjahre für den Staat Makedonien bzw. Nord-Makedonien, die miteinander in Verbindung stehen. Der Bürgerkrieg in Griechenland, welcher im Jahr 1946 begann und 1949 endete, war eine wesentliche Ursache für den Beginn des sogenannten Namensstreits im Jahre 1991. Allerdings war und ist dieser Streit um den Namen „Makedonien“ nur ein Symptom für einen Kulturstreit um Makedonien, der bereits während und nach dem Bürgerkrieg in Griechenland forciert wurde. So führte die Wahrnehmung des griechischen Bürgerkrieges bei den konservativen Siegern dieses Krieges sowohl zu einem kommunistischen als auch zu einem slawisch-makedonischen Trauma. Infolgedessen war die Kommunistische Partei Griechenlands bis zur Wiederherstellung der Demokratie im Jahre 1974 verboten. Die griechischen Kommunisten versuchten während des Zweiten Weltkrieges, kurz nach dem Ende dieses Krieges und im Bürgerkrieg die Macht in Griechenland zu bekommen. Befürchtet wurde daher ein vierter Versuch der griechischen Kommunisten die Macht zu ergreifen. Dem sollte durch eine repressive Politik gegen jede Form des Kommunismus und seinen Organisationsformen entgegengewirkt werden. Des Weiteren war Griechenland Teil der westlichen Einflusssphäre, so dass dieser antikommunistische Kurs auch von den Westmächten, besonders der USA, toleriert oder sogar unterstützt wurde.

Allerdings wurde der griechische Kommunismus auch mit einer slawisch-makedonischen Bewegung in Verbindung gebracht, was bis in die heutige Zeit hineinwirken sollte und eines der Ursachen für den sogenannten Namensstreit zwischen Griechenland und der Republik Makedonien war. Die Angst vor dem Kommunismus und möglichen slawisch-makedonischen Einfällen wurde bewusst durch die konservativen Sieger des griechischen Bürgerkrieges kultiviert. Es wurde damit zu einem Bestandteil der griechischen Politik und des politischen Establishments. Das slawisch-makedonische Trauma der Sieger des griechischen Bürgerkrieges hatte seine Ursache in der Befürchtung, dass die slawisch bzw. makedonisch sprechende Bevölkerung in der griechischen Region Makedonien, besonders im Städtedreieck Florina, Kastoria und Edessa, durch die kommunistisch-slawischen Nachbarstaaten (Bulgarien und Jugoslawien) zu einem weiteren makedonischen Kampf motiviert werden könnten. Zum Teil wurde diese Befürchtung auch durch die Propaganda von Organisationen der ethnischen bzw. slawischen Makedonier in Nordamerika und Australien geschürt.

In der damals kommunistisch regierten Föderativen Volksrepublik Jugoslawien und ihres entsprechend regierten Gliedstaates Volksrepublik Makedonien waren die politischen Verantwortlichen viel zurückhaltender. Nach dem Bruch Titos mit Stalin und dem Ostblock war Jugoslawien auf ein gutes Verhältnis zum Westen angewiesen. In der makedonischen Frage hielten sich daher die jugoslawischen und makedonischen Kommunisten zurück. Im Jahre 1954 kam es sogar zu einer Annäherung zwischen Jugoslawien und Griechenland. Die makedonische Frage wurde daher vor allem aufgrund des kalten Krieges zunächst eingefroren und im Rahmen der jugoslawischen Außenpolitik sehr zurückhaltend verfolgt. Innenpolitisch blieb die makedonische Frage sowohl in Jugoslawien bzw. der Volksrepublik Makedonien als auch in Griechenland ein Thema. Die jugoslawische bzw. jugoslawisch-makedonische Politik setzte dabei primär auf die Anerkennung und Etablierung der ethnischen bzw. slawischen Makedonier als eigenständige Kulturnation.

In Griechenland wurde vor allem auf die antiken Makedonier als Teil der griechischen Geschichte und Kultur gesetzt. Für Griechenland war damals und ist heute jede Form von „Makedonismus“ ausschließlich Teil des Hellenismus. Jede Form von nicht-griechischen Makedonismus entstammt aus Sicht Griechenlands hingegen aus einer anti-griechischen Haltung oder Politik, die besonders in den Nachbarstaaten kultiviert wird. Sie hätte das Ziel Griechenland in seiner bisherigen Form zu zerstören, in dem unter anderem die griechische Region Makedonien aus Griechenland herausgetrennt werden sollte. Im Rahmen der griechischen Bildungs- und Kulturpolitik wurde nach dem griechischen Bürgerkrieg ein entsprechendes Geschichtsbild vermittelt, welches bis heute wirken sollte. Dieses Geschichtsbild wurde unter anderem durch das Aufstellen von entsprechenden Denkmälern, die antike makedonische Helden zeigen und die Benennung von öffentlichen Einrichtungen nach diesen Helden zusätzlich forciert.

Aufgrund der sich abzeichnenden Unabhängigkeit der Republik Makedonien und dem Ende des kalten Krieges im Jahre 1991 kam der makedonische Kulturkampf wieder aus der Versenkung hervor. Die Deutungshoheit in der makedonischen Frage wurde von den konservativen Meinungsmachern der Vergangenheit übernommen. Eine ausreichende kritische oder wissenschaftliche Beschäftigung mit der makedonischen Frage fand in Griechenland nicht statt, so dass ein Vakuum besteht, welches die Meinungsmacher ausfüllen konnten. Das griechische Bildungssystem vermittelte nur eine politisch gefärbte und von den konservativen Meinungsmachern geprägte Sicht der makedonischen Frage. Allerdings war dies in der Republik Makedonien nicht anders.

Trotz aller Probleme schaffte die Republik Makedonien ihren steinigen Weg in die Unabhängigkeit und gewährleistet dadurch bis heute Frieden und Stabilität in dieser Region, die bis zur Gründung des makedonischen Staates im Jahre 1944 instabil und von Gewalt sowie von den Begehrlichkeiten ihren Nachbarstaaten geprägt war. Die Stabilität des makedonischen Staates ist eingebettet in einer erfolgreichen Entwicklung des makedonischen Verfassungsrechts, welche im Jahre 1946 begann und ihren Höhepunkt im Jahre 1991 mit der Verabschiedung der vierten Verfassung für die nunmehr unabhängige Republik Makedonien fand.

Das aktuelle Schicksal Makedoniens

Aufgrund von Krisen, insbesondere dem neuen Ost-West-Konflikt, neuerer Formen von Terrorismus und der Flüchtlingsproblematik, war und ist schon aus strategischen Gründen eine Integration der Republik Makedonien bzw. Republik Nord-Makedonien in die EU und NATO wichtig. Doch selbst für den Frieden und die Stabilität auf dem Balkan ist die Integration aller Westbalkanstaaten notwendig. Gerade bezüglich der europäischen Integration ist ein neues Band zwischen den Westbalkanstaaten entstanden, selbst zwischen ursprünglich verfeindeten Staaten wie Albanien, dem Kosovo und Serbien. Nach über 25 Jahren Namensstreit und Unabhängigkeit der Republik Makedonien war eine endgültig Beendigung des Kulturstreits um Makedonien nicht nur mehr als überfällig, sondern strategisch und geopolitisch notwendig. Die Schicksalsjahre 1946 und 1991 mussten zwingend zu einer friedlichen, positiven, prosperierenden und stabilisierenden Entwicklung in der Region Makedonien führen.

Vor einer Einigung mit Griechenland kam es im Jahr 2017 zunächst zu einer formellen Beendigung des Kulturstreits um Makedonien mit Bulgarien. Am 01.08.2017 wurde zwischen Bulgarien und der Republik Makedonien der „Vertrag zur Freundschaft, Guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit“ unterzeichnet. Auch wenn dieser nicht unumstritten ist, besonders unter den Nationalisten, so dürfte er doch ein Meilenstein und Vorbild für das spätere Prespa-Abkommen mit Griechenland gewesen sein. In diesem Vertrag wurde eine gemeinsame multidisziplinäre Expertenkommission für historische und bildungsrelevante Fragen auf paritätischer Grundlage vereinbart. Die gemeinsame Geschichte soll nach objektiven, authentischen und wissenschaftlichen Kriterien bewertet und der Deutungshoheit durch die Politiker entzogen werden. Historische Ereignisse und Persönlichkeiten sollen aufgrund der vielfältigen Verbindungen zwischen Bulgarien und Makedonien in der Vergangenheit gemeinsam begangen werden und gelten damit als Bestandteile der Geschichte und Kultur von beiden Nationen. Damit wollten die Republiken Bulgarien und Makedonien ein neues Kapitel in ihren Beziehungen beginnen und ihre kulturellen Streitigkeiten endgültig beilegen.

In Griechenland kam im Jahre 2015 mit dem Linksbündnis SYRIZA eine linke Regierung an die Macht, die moderater in der makedonischen Frage agierte. Im Jahre 2017 kam mit der Sozialdemokratischen Union Makedoniens (SDSM) in der Republik Makedonien auch eine linke Regierung an die Macht, die ebenfalls moderater in der makedonischen Frage auftrat. Bereits ab Januar 2018 verhandelten Griechenland und die Republik Makedonien mit dem festen Ziel den Kultur- und Namensstreit zu überwinden. Sie waren schwierig und standen zeitweise vor dem Scheitern. Der Durchbruch kam am 12.06.2018, als die Ministerpräsidenten Griechenlands (Alexis Tsipras) und der Republik Makedonien (Zoran Zaev) eine Einigung erzielten. Mit der Unterzeichnung des sogenannten Abkommens von Prespa, benannt nach dem Ort der Unterzeichnung, am 17.06.2018 durch den griechischen Außenminister Nikos Kotzias und den makedonischen Außenminister Nikola Dimitrov wurde diese Einigung durch einen völkerrechtlichen Vertrag formell bekräftigt.

Der Prespa-Vertrag wurde durch eine Änderung der makedonischen Verfassung vom 11.01.2019 und durch die Ratifikation im griechischen Parlament am 25.01.2019 völkerrechtlich wirksam implementiert. Der Verfassungsänderung in der Republik Makedonien stimmten 81 von 120 Abgeordneten zu, womit die notwendige Zweidrittelmehrheit erreicht wurde. Im griechischen Parlament stimmten 153 von 300 Abgeordneten dem Prespa-Vertrag zu, womit auch dort die notwendige absolute Mehrheit erreicht wurde.

Aufgrund dieses nun völkerrechtswirksamen Vertrages heißt die Republik Makedonien im völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Verkehr seit dem 12.02.2019 uneingeschränkt („erga omnes“) „Republik Nord-Makedonien“. Die makedonische Nationalität und Sprache wird als „Makedonisch“ anerkannt. Im Vertrag wird die Verwendung der Bezeichnungen „Makedonien“, „Makedonier“, „Makedonisch“ und „makedonisch“ durch die Vertragspartner geregelt. Gegenseitig anerkannt wird, dass hinter diesen Begriffen verschiedene kulturelle und historische Kontexte stehen. So hat der „Makedonismus“ für Griechenland einen anderen kulturellen und historischen Kontext, als der der Republik Makedonien. Ein gemeinsamer, interdisziplinärer Sachverständigenausschuss für Geschichts-, Archäologie- und Bildungsfragen wurde eingerichtet, um die objektiv-wissenschaftliche Interpretation historischer Ereignisse durchzuführen, basierend auf authentischen, evidenzbasierten und wissenschaftlich fundierten Quellen und archäologischen Funden.

70 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges in Griechenland, bei dem auch die makedonische Frage eine Rolle spielte, wurde der Kulturstreit um Makedonien zwischen Griechenland und der Republik (Nord-)Makedonien politisch und rechtlich beendet. Die weitere Klärung der makedonischen Frage soll objektiv-wissenschaftlich im Rahmen eines paritätisch zusammengesetzten Expertengremiums erfolgen. Die Resultate dieser objektiv-wissenschaftlichen Klärung sollen durch eine entsprechende Bildungs-, Kultur- und Informationspolitik in beiden Staaten umgesetzt werden.

Im Jahr 2020 wurde die Republik Nord-Makedonien in die NATO aufgenommen und der offizielle Start der EU-Beitrittsverhandlungen mit ihr durch den Europäischen Rat beschlossen. Der Kulturstreit um „Makedonien“ zwischen Bulgarien und Nord-Makedonien ist allerdings in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 wieder aufgeflammt. Bulgarien verlangt von Nord-Makedonien die Anerkennung, dass die makedonische Nation und Sprache bulgarische Wurzeln haben. Tatsächlich gibt es historische Schnittmengen zwischen Bulgarien und Nord-Makedonien, was diese Thematik komplex macht. Für Nord-Makedonien ist dies gemeinsame bulgarisch-makedonische Geschichte. Für Bulgarien ist diese gemeinsame Geschichte eine rein bulgarische Geschichte. Dies wird derzeit von der bulgarischen Regierung offensiv vertreten, was gegen den Sinn und Zweck des Abkommens zur „Freundschaft, Guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit“ vom 01.08.2017 und der Arbeit der gemeinsamen Expertenkommission verstößt. Bulgarien hat sogar ein Veto gegen den Beginn der EU-Beitrittsgespräche mit Nord-Makedonien eingelegt. Dennoch könnte es hier im Jahr 2021 zu einer Lösung kommen. Weder die Republik Bulgarien noch die Republik Nord-Makedonien dürften ein Interesse an einem heißen Kulturkampf um Makedonien haben. Die regionalen und geopolitischen Herausforderungen dürften eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten erforderlich machen. Dies dürfte strategisch schwerer wiegen als aus taktischen Gründen einen Kulturkampf zu führen.

Fazit

Durch den „Vertrag zur Freundschaft, Guten Nachbarschaft und Zusammenarbeit“ zwischen Bulgarien und der Republik (Nord-)Makedonien vom 01.08.2017 und dem „Prespa-Vertrag“ zwischen Griechenland und der Republik (Nord-)Makedonien vom 17.06.2018 wurde eine geeignete Grundlage für die Beendigung des Kulturstreits um Makedonien geschaffen. Bei einer erfolgreichen Umsetzung dieser Verträge würde dieser Kulturkampf auf längerer Sicht der Vergangenheit angehören. Wandel durch Annäherung und Klärung nach objektiven Kriterien dürfte auch hier der Weg zu einem Erfolg sein auf längerer Sicht sein.

An diesem historischen Ziel müssen die beteiligten Akteure gewissenhaft und intensiv arbeiten. Beide Verträge können als historisch und mutig bezeichnet werden. Sie sind nicht unumstritten und dennoch würde ihre erfolgreiche Umsetzung zu einem historischen Frieden in Makedonien führen: Der jahrhundertelange Kulturkampf um Makedonien würde beendet. Anstelle eines Kampfes stünden dann die gemeinsamen Anstrengungen der ursprünglichen Gegner für eine prosperierende Zukunft aller Einwohner von Makedonien. Diese gemeinsamen Anstrengungen würden unter Achtung der kulturellen Vielseitigkeit Makedoniens und seiner Bevölkerung stattfinden und damit die Kulturlandschaft Makedonien als kulturellen Beitrag für Europa prägen. Am Ende könnte eine europäische Kulturregion „Makedonien“ entstehen, als verbindender Faktor zwischen Bulgarien, Griechenland und der Republik Nord-Makedonien. Diese europäische Kulturregion Makedonien unter dem Dach der Europäischen Union (EU) sollte eines der Resultate aus dem Ende des Kulturkampfes sein. In dieser Kulturregion wären Bulgarien, Griechenland und die Republik Nord-Makedonien nicht mehr Konkurrenten um eine bestimmte kulturelle Ausrichtung Makedoniens, sondern Förderer und Teilhaber der vielseitigen makedonischen Kultur. 

Der Kulturkampf um Makedonien prägte über Jahrhunderte die Region. Die Jahre 1946 und 1991 waren zwei Schicksalsjahre in diesem Kulturkampf. Nun wurden sinnvolle und zweckmäßige Mechanismen zwischen den Kampfparteien vertraglich vereinbart, welchen diesen überwinden können. Wissenschaft und Bildungspolitik sind sehr geeignete Methoden einem nationalistisch induzierten Kulturkampf die Grundlage zu entziehen. Überhaupt sind Wissenschaft und Bildung geeignete Waffen zur Bekämpfung von Nationalismus und Irredentismus. Nicht sofort, doch auf längerer Sicht wird der Kulturkampf um Makedonien so der Vergangenheit angehören.

In Liebe und Dankbarkeit ist dieser Artikel meiner Oma Margarete Schwarz (28.06.1925 – 21.01.2021) gewidmet. Sie hat meinen Weg und damit im Ergebnis auch meinen Einsatz für Makedonien immer unterstützt.