Vor 30 Jahren, am 24.09.1990, wurden demokratische Strukturen und das Mehrparteiensystem in der Sozialistischen Republik Makedonien durch Parlamentsbeschluss formell eingeführt. Festgelegt wurden dabei auch die Termine für den ersten Wahlgang am 11.11.1990 und für die Stichwahlen am 25.11.1990. Damit markiert der Parlamentsbeschluss vom 24.09.1990 den Übergang von der kommunistischen Einparteienherrschaft zu einem demokratischen Mehrparteiensystem in der Sozialistischen Republik Makedonien. Bereits fast genau ein Jahr später erklärte die „Republik Makedonien“ (seit dem 12.02.2019 „Republik Nord-Makedonien“) am 18.09.1991 ihre Unabhängigkeit von der sich in Auflösung befindlichen „Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien“ („SFRJ“). Vorausgegangen war ein entsprechendes Votum in einer Volksabstimmung am 08.09.1991. Nachfolgend wird die Entwicklung der Sozialistischen Republik Makedonien von einem kommunistischen Einparteiensystem zu einem demokratischen Mehrparteiensystem ausführlicher beschrieben.
Die kommunistische Einparteienherrschaft in Jugoslawien und Makedonien (1944 bis 1990)
Nach dem erfolgreichen kommunistisch-jugoslawischen Volksbefreiungskampf (1941 bis 1944) etablierten sich im nunmehr föderal gegliederten Jugoslawien und seinen Föderationssubjekten, darunter der neugegründete Gliedstaat Makedonien, kommunistische Einparteienherrschaften. Der Gesamtstaat Jugoslawien wurde zwar föderalistisch organisiert, blieb jedoch aufgrund der Einparteienherrschaft zentral verwaltet. Auf dem VI. Parteitag der „Kommunistischen Partei Jugoslawiens“ („KPJ“) vom 02. bis zum 07.11.1952 erfolgte die Umwandlung der Partei nach föderalen Gesichtspunkten in den „Bund der Kommunisten Jugoslawiens“ („BdKJ“). Entsprechend wurde die der KPJ unterstehende makedonische Parteiorganisation in „Bund der Kommunisten Makedoniens“ („BKM“) umgewandelt. Die kommunistischen Einparteienherrschaften in der jugoslawischen Föderation und im jugoslawischen Gliedstaat Makedonien sollten bis ins Jahr 1990 Bestand haben.
Die zunehmende Föderalisierung Jugoslawiens, besonders aufgrund einer Verfassungsrevision im Jahre 1974, geriet jedoch zunehmend in Konflikt und Widerspruch zur kommunistischen Einparteienherrschaft. Hinzu kamen große wirtschaftliche Probleme und die divergierenden Interesse der jugoslawischen Republiken. Als in der zweiten Hälfte des Jahres 1989 die kommunistischen Systeme in den Ostblockstaaten begannen zusammenzubrechen, gelangte auch das kommunistisch-staatliche System in der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ sowie seinen „Sozialistischen Republiken“ und „Sozialistisch Autonomen Gebietskörperschaften“ an seinem Ende an. Besonders in den nordwestlichen jugoslawischen Republiken Kroatien und Slowenien war der Drang nach Demokratie, politischem Pluralismus und Marktwirtschaft besonders groß. Entscheidender Wendepunkt für den Übergang von der kommunistischen Einparteienherrschaft zu den Mehrparteiensystemen in der SFRJ und ihren Föderationssubjekten war der 14. außerordentliche Kongress des BdKJ.
Das Ende des Kommunismus in Jugoslawien und Makedonien
Zwischen dem 20. und 22.01.1990 fand der 14. außerordentliche Kongress des „Bundes der Kommunisten Jugoslawiens“ statt. Zur Zeit des Kongresses war aus der Wirtschaftskrise längst eine Systemkrise der „Sozialistisch Föderativen Republik Jugoslawien“ geworden war. Im Mittelpunkt des Kongresses stand eine 18 Punkte umfassende Reformdeklaration, bei der es um eine Neuordnung der jugoslawischen Föderation und der Stellung des BdKJ im staatlichen System ging. Diese Deklaration umfasste langjährige und strittige Themen, die das ganze Gesellschaftssystem der SFRJ betrafen: Die Kompetenzverteilung in der jugoslawischen Föderation, das Herrschaftsmonopol des BdKJ, den demokratischen Zentralismus, die Menschen- und Bürgerrechte als Freiheitsrechte, die Marktwirtschaft und den politischen Pluralismus.
In dieser Hinsicht standen sich vor allem Slowenien und Serbien gegenüber. Slowenien strebte eine neue Verfassung an, gemäß dieser die jugoslawische Föderation in eine Konföderation mit weitgehend selbständigen Republiken und autonomen Gebietskörperschaften umgewandelt werden sollte. Der demokratische Zentralismus und das Herrschaftsmonopol der kommunistischen Partei sollten abgeschafft und Menschen sowie Bürgerrechte als Freiheitsrechte garantiert werden. Des Weiteren sollte es nach den Forderungen Sloweniens in ganz Jugoslawien im April 1990 allgemeine, freie und geheime Wahlen geben. Alle politischen Prozesse der Nachkriegszeit sollten einer Revision unterzogen und das Strafrecht von politischen Straftaten befreit werden. Serbien trat weiterhin für eine starke Föderation und einen starken Staat ein. Kroatien stand an der Seite Sloweniens und Montenegro an der von Serbien. Bosnien und Herzegowina und Makedonien nahmen Positionen zwischen den jeweiligen Extremforderungen ein.
Letztendlich wurde auf dem Kongress nur eine wesentliche Änderung beschlossen: Die Abschaffung des Herrschaftsmonopols des BdKJ und die Einführung des Mehrparteiensystems. Slowenien hatte bereits im Vorfeld angekündigt, den Kongress zu verlassen, wenn es sich nicht mit seinen Forderungen in Gänze durchsetzen könne und tat dies auch. Dem Versuch Serbiens den Kongress ohne Slowenien fortzusetzen widersetzten sich dann die Vertreter aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Makedonien. Auch die Parteiorganisation der Jugoslawischen Volksarmee war nicht bereit unter diesen Umständen weiterhin am Kongress teilzunehmen. Daraufhin wurde der Kongress vertagt.
Die Entwicklung bis zur Fortsetzung des 14. außerordentlichen Kongresses des BdKJ
Unter Bruch der bestehenden verfassungsmäßigen Ordnung der SFRJ wurden in den nordwestlichen jugoslawischen Republiken Slowenien und Kroatien Fakten geschaffen: In Slowenien gingen die politischen Reformen sehr zügig voran. Am 07.03.1990 änderte Slowenien seine Verfassung, führte ein pluralistisches System ein und änderte den Staatsnamen von „Sozialistische Republik Slowenien“ in „Republik Slowenien“ um. Mit Inkrafttreten dieser Verfassungsänderungen am 08.03.1990 war Slowenien formell kein sozialistischer Staat mit Einparteienherrschaft mehr. Am 08.04.1990 fanden dann erstmals allgemeine, freie und geheime Wahlen in einem Mehrparteiensystem statt. Des Weiteren fanden auch Präsidentenwahlen und Wahlen für das slowenische Staatspräsidium statt. Aus den Wahlen ging die „Vereinigte Demokratische Opposition“ (DEMOS), die aus christlich-sozialen, sozialdemokratischen und liberalen Parteien bestand, als Sieger hervor. Die kommunistische Partei, die jetzt „Bund der Kommunisten Sloweniens – Partei der demokratischen Erneuerung“ hieß, kam abgeschlagen auf 17 Prozent der Stimmen und musste in die Opposition gehen. Die kommunistische Einparteienherrschaft in Slowenien war damit zu Ende.
Unmittelbar nach Slowenien folgte Kroatien mit der Einführung eines pluralistischen und demokratischen Mehrparteiensystems. Die ersten freien Wahlen in Kroatien fanden am 22./23.04.1990 statt. Aufgrund des kroatischen Wahlsystems gab es am 06./07.05.1990 noch einmal Stichwahlen. Bei dieser Wahl gewann die national-konservative „Kroatisch Demokratische Union“ (HDZ) mit 196 von 356 Parlamentssitzen die absolute Mehrheit der Stimmen. Die kommunistische Partei, die als „Bund der Kommunisten – Partei des demokratischen Wandels“ antrat, wurde mit 66 erreichten Parlamentssitzen stärkste Oppositionspartei. Mit dieser Wahl war die kommunistische Einparteienherrschaft auch in Kroatien beendet.
Am 17.05.1990 lief die Amtszeit von Milan Pančevski aus der Sozialistischen Republik Makedonien als Präsident des BdKJ ab. Aus diesem Grunde bestellte das Präsidium des BdKJ am 15.05.1990 noch den Montenegriner Miomir Grbović als Koordinator. Die Wahl einer neuen Präsidentin bzw. eines neuen Präsidenten sollte dann auf der Fortsetzung des 14. außerordentlichen Kongresses des BdKJ erfolgen, was jedoch nicht mehr geschah.
Die Fortsetzung / Beendigung des 14. außerordentlichen Kongresses des BdKJ und die Folgen
Am 26./27.05.1990 wurde der 14. außerordentliche Kongress des BdKJ fortgesetzt und beendet. Die Parteiorganisation aus Slowenien, Kroatien und Makedonien waren in diesem Kongress nicht mehr vertreten. Nur noch einzelne Delegierte aus diesen Republiken nahmen teil, unter diesen noch 18 Delegierte aus der Sozialistischen Republik Makedonien. Damit war der Versuch den BdKJ zu reformieren und wiederzubeleben gescheitert.
Auf dem Kongress wurde dann endgültig beschlossen, dass der BdKJ seinen Führungsanspruch in Staat und Gesellschaft aufgibt. Des Weiteren erklärte sich der BdKJ zum gleichberechtigten Wettbewerb mit anderen Parteien im Rahmen einer „demokratisch-sozialistischen Gesellschaft“ bereit. In der weiteren Entwicklung Jugoslawiens spielte der BdKJ keine Rolle mehr. Die kommunistischen Parteiorganisationen in den jugoslawischen Republiken und autonomen Gebietskörperschaften reformierten sich oder gingen in neuen Parteien auf. Die reformierten kommunistischen Parteien waren äußerlich an den Änderungen des bzw. Zusätzen zum ursprünglichen Parteinamens zu erkennen. Der BdKJ hatte nach seinem 14. außerordentlichen Kongress faktisch aufgehört zu existieren. Am 19.11.1990 kam es zur Bildung einer neuen jugoslawischen Kommunistischen Partei. Sie trug die Bezeichnung: „Bund der Kommunisten – Bewegung für Jugoslawien“ und spielte in der weiteren Entwicklung allerdings keine Rolle mehr.
Das formelle Ende des sozialistischen Systems und der kommunistischen Einparteienherrschaft
Die Beschlüsse des 14. außerordentlichen Kongresses des BdKJ wurden dann auch durch eine entsprechende Änderung der Verfassung der SFRJ vom 21.02.1974 umgesetzt. Am 08.08.1990 stimmte das Parlament der SFRJ Änderungen der Verfassung und Gesetzentwürfen zu, womit die faktisch sowieso nicht mehr bestehende, führende Rolle des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens formell abgeschafft und das Mehrparteiensystem eingeführt wurde. Des Weiteren wurde das System der assoziierten Arbeit, die Selbstverwaltung der Arbeiterschaft und ihrer Betriebe, zugunsten marktwirtschaftlicher Strukturen abgeschafft. Zu weiteren Verfassungsänderungen kam es vor allem aufgrund der Gegensätze zwischen Slowenien und Serbien nicht mehr. Mit den jugoslawischen Parlamentsbeschlüssen vom 08.08.1990 war die kommunistische Herrschaft nach rund 45 Jahren offiziell beendet. Mit der Verfassungsänderung vom 08.08.1990 waren auch die formellen Voraussetzungen für Mehrparteienwahlen und die Einführung der Marktwirtschaft in den jugoslawischen Republiken geschaffen worden. In allen jugoslawischen Republiken fanden bis Ende 1990 demokratische Mehrparteienwahlen statt. Auf der Ebene der jugoslawischen Föderation sollte es aufgrund des Zerfalls der SFRJ keine demokratischen Mehrparteienwahlen mehr geben.
Die Entwicklung in der Sozialistischen Republik Makedonien
Die Schwäche des Bundes der Kommunisten in der SFRJ und ihrer Parteiorganisationen in den Sozialistischen Republiken hinterließ ein politisches Vakuum, welches bereits vor der formellen Einführung des Mehrparteiensystems zur Gründung von politischen Parteien führte. Bereits Anfang 1990 entstanden in der Sozialistischen Republik Makedonien Parteien, die einerseits reformkommunistisch, andererseits auch national-konservativ, liberal oder nach ethnischen Gesichtspunkten orientiert waren.
So entstand unter anderem Anfang des Jahres 1990 die „Bewegung für eine allmakedonische Aktion“ („MAAK“). Von dieser spaltete sich die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die makedonische Einheit“ („IMRO-DPMNE“) ab, welche im Juni 1990 erstmals öffentlich auftrat und Mitte Juli 1990 dann auch formell gegründet wurde. Der Bund der Kommunisten Makedoniens reformierte sich und wurde zunächst in „Bund der Kommunisten Makedoniens – Partei für demokratische Umgestaltung“ umbenannt. Unter dieser Bezeichnung trat diese Partei bei den ersten freien Parlamentswahlen in der Sozialistischen Republik Makedonien am 11.11.1990 bzw. 25.11. und 09.12.1990 an. Am 20.04.1991 ging aus dem „Bund der Kommunisten Makedoniens – Partei für demokratische Umgestaltung“ der „Sozialdemokratische Bund Makedoniens“ (SDSM) hervor.
Die IMRO-DPMNE und der SDSM sind bis heute die führenden und tragenden Parteien in der Republik Nord-Makedonien. Von 1992 bis 1998 bzw. von 2002 bis 2006 wurde die makedonische Regierung von dem SDSM angeführt. Die IMRO-DPMNE führte die makedonische Regierung von 1998 bis 2002 und von 2006 bis 2017 an. Seit Juni 2017 wird die Regierung der Republik Nord-Makedonien von dem SDSM angeführt. Sowohl der SDSM als auch die IMRO-DPMNE hatten immer eine Partei der albanischen Gemeinschaft in der Republik Makedonien bzw. Republik Nord-Makedonien als Koalitionspartner, so dass die albanischen Makedonier bisher an jeder Regierung beteiligt waren.
Formell wurden demokratische Strukturen und das Mehrparteiensystem in der Sozialistischen Republik Makedonien durch Parlamentsbeschluss vom 24.09.1990 eingeführt. Festgelegt wurden dabei auch die Termine für den ersten Wahlgang am 11.11.1990 und für die Stichwahlen am 25.11.1990.
Ein ausführlicher Artikel zu den ersten Mehrparteienwahlen wird am 11.11.2020 veröffentlicht werden.