In der Berliner Zeitung beschreibt Götz Aly verweist auf einige Sachverhalte in der griechischen Makedonien-Politik, die den heutigen Griechen, aber auch der restlichen Welt nicht mehr in Erinnerung sind.
Auszug aus dem Artikel:
Berlin – Seit Mazedonien 1991 als Staat aus dem zerfallenden Jugoslawien hervorging, wird es von Griechenland drangsaliert und boykottiert. Der Grund: Nur die nordgriechische Provinz Mazedonien mit ihrer Hauptstadt Thessaloniki solle diesen historischen Namen führen dürfen. Nach ewig langer europäischer Moderation fand sich im vergangenen Jahr ein Kompromiss: Mazedonien hat sich in Nord-Mazedonien umbenannt. Aber laut Umfragen reicht das zwei Dritteln der Griechen nicht. Sie finden, die Landschaftsbezeichnung Mazedonien und damit der Rückgriff auf den eroberungssüchtigen Makedonenkönig Alexander den Großen (356–323 v. Chr.) gehöre allein ihnen.
Dagegen spricht einiges. Erstens hat der griechische Nationalstaat mit dem antiken Makedonien gewiss nicht mehr gemein als das heutige Deutschland mit dem Reich von Karl dem Großen. Das zweite Argument wiegt schwerer: Die heutige griechische Provinz Mazedonien gehörte jahrhundertelang zum Osmanischen Reich. Griechenland annektierte diesen Landesteil erst im November 1912. In Athen sprach man von „Neugriechenland“. Da die griechisch sprechenden Einwohner dort eine Minderheit von 25 Prozent bildeten, bestand von Anfang an die Absicht, die Region mit höchst fragwürdigen Mitteln zu „hellenisieren“. Das gelang nur schleppend. Noch 1919, auf der Pariser Friedenskonferenz legte Griechenlands Ministerpräsident Venizelos für den Vertrag von Sèvres, der nur vier Jahre hielt, gefälschte Statistiken vor, um griechische Mehrheiten vorzutäuschen.
Für Thessaloniki, das urbane und wirtschaftliche Zentrum „Neugriechenlands“, stellte sich die Frage der rücksichtslosen ethnischen „Flurbereinigung“ in besonderer Weise. Die Stadt zählte 1912 rund 150.000 Einwohner: 27.000 Griechen, 33.000 Türken, 81.000 Juden und 9000 Andersnationale. Dort veranstalteten die einrückenden griechischen Soldaten und Freikorps (im Selbstverständnis „Freiheitskämpfer“) sofort einen Pogrom, gerichtet gegen Türken und Juden: Raub, Vergewaltigung und Totschlag gehörten dazu. Die veränderte Atmosphäre schilderte Joseph Nechama: „Die Griechen aus unserer Gegend beneiden unsere kaufmännischen Erfolge und wollen uns dauerhaft verdrängen. Sie gehen geradewegs dazu über, die Juden anzugreifen.“
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Berliner Zeitung: https://www.berliner-zeitung.de/politik/meinung/kommentar-verbohrter-griechischer-nationalismus-31913366