Zur Aufklärung und Ahndung von Verbrechen durch Funktionsträger des Staates und von Politikern wurde in der Republik Makedonien eine Sonderstaatsanwaltschaft eingerichtet. Ihre Einrichtung beruht auf eine Übereinkunft zwischen den Regierungsparteien und der Opposition in der Republik Makedonien. Sie soll unter anderem mutmaßliche Wahlfälschungen und die illegale Abhörung von rund 20.000 makedonischen Bürgern der Republik Makedonien aufklären und ahnden. Des Weiteren gibt es in der makedonischen Verwaltung und Justiz Fälle von politischer Einflussnahme, Klientelismus und Korruption.
Allerdings wurde die Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft zunächst behindert und durch Regierungsstellen unterlaufen. Auch war sie durchaus politisch und verfassungsrechtlich umstritten. Das Fass zum Überlaufen brachten dann die umstrittenen Begnadigungen von mutmaßlichen Tätern durch den makedonischen Staatspräsidenten, welche die Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft in absurdum geführt hätten. Es kam zu Protesten in der Bevölkerung und zu Druck von außen. Die umstrittenen Begnadigungen wurden wieder zurückgenommen und die Sonderstaatsanwaltschaft ging gestärkt aus der Angelegenheit hervor. Dennoch dürfte die Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft weiterhin schwierig sein.
Nun hat die Sonderstaatsanwaltschaft die ersten beiden Anklagen formuliert. Die erste Anklage richtet sich gegen 14 Personen, die allerdings bisher nicht namentlich durch die Sonderstaatsanwaltschaft genannt wurden. Allerdings soll in diesem Fall auch der ehemalige makedonische Ministerpräsident Nikola Gruevski verwickelt sein, welcher von 2006 bis 2016 regierte und als Vorsitzender der VMRO-DPMNE noch immer die Fäden im Hintergrund ziehen dürfte. Hintergrund der Anklage ist ein Fall aus dem Jahr 2013: Der Amtssitz des neu gewählten Bürgermeisters der Innenstadt von Skopje, Andrej Zernovski, wurde im besagten Jahr von einem Mob angegriffen. Fenster zerbrachen, eine Person wurde verletzt, der Bürgermeister musste evakuiert werden. Aus einem illegalen Telefonmitschnitt soll eine Mitwirkung vom damaligen Ministerpräsidenten Nikola Gruevski hervorgehen. Er soll Transportminister Mile Janakieski aufgefordert haben, Zernovski zu attackieren. So soll Gruevski zu Janakieski gesagt haben: „Ich denke, dass er fünf oder sechs Schläge vor den Kameras am Freitag abbekommen soll“, worauf dieser antwortete: „Wir können so ein Szenario arrangieren“. Die Stimmen können nach Auffassung der Anklage Gruevski und Janakieski zugeordnet werden. Nikola Gruevski weist die Anschuldigungen zurück und sieht die Abhörprotokolle als Fälschung durch ausländische Geheimdienste an.
Die zweite Anklage betrifft die mutmaßliche Zerstörung von Abhörprotokollen bei der makedonischen Geheimpolizei. Insgesamt sind die Verfahren sehr brisant, da im Dezember 2016 vorgezogene Parlamentswahlen in der Republik Makedonien stattfinden. Allerdings ist schon jetzt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger der Republik Makedonien in ihren Staat und zu staatlichen Funktionsträger zerstört. Doch Korruption und Klientelismus sind parteiübergreifend und in der makedonischen Gesellschaft tief verankert. Erst ein Mentalitätswechsel sowie ein klarer personeller und sachlicher Schnitt zur bisherigen Situation könnten hier einen Ausweg bieten.