Wie sich Geschichte im Laufe der Zeit verändert und wie politische Strömungen die Geschichte verfälschen, beschreibt folgender Auszug aus der Zeit. Thema: Makedonien und Griechenland:
[…] Der ideologische Mißbrauch von Geschichte wird häufiger mit Anachronismen als mit Lügen getrieben. Der griechische Nationalismus verweigert der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien sogar das Recht, diesen Namen zu führen, weil angeblich ganz Mazedonien griechisch und Teil eines griechischen Nationalstaats ist, angeblich schon seit der Zeit, als der Vater von Alexander dem Großen, der König von Mazedonien, Herrscher über das gesamte griechische Gebiet auf der Balkanhalbinsel wurde.
Wie alles, was mit Mazedonien zusammenhängt, ist auch das keine rein akademische Frage, aber ein griechischer Intellektueller muß schon sehr viel Mut aufbringen, wenn er sagen will, daß das in historischer Rücksicht der schiere Blödsinn ist. Im vierten vorchristlichen Jahrhundert gab es weder einen griechischen Nationalstaat noch sonst eine politische Einheit für die Griechen; das mazedonische Reich hatte nichts mit dem griechischen oder einem anderen modernen Nationalstaat zu tun, und außerdem ist es ziemlich sicher,daß die alten Griechen die mazedonischen Herrscher ebenso wie später die römischen als Barbaren und nicht als Griechen ansahen, obwohl sie bestimmt zu höflich und zu vorsichtig waren, um das offen auszusprechen.
Mazedonien ist darüber hinaus historisch eine derart unentwirrbare Mischung aus Ethnien – nicht zufällig haben die Franzosen ihren Fruchtsalat danach benannt (macedoine) -, daß jeder Versuch, es mit einer einzigen Nationalität gleichzusetzen, unzulässig wäre. […]
Quelle: DIE ZEIT