Die grundlegenden Fragen auf dem Balkan sind auch im Jahr 2017 offen geblieben. Diese sind vor allem:
- die bosnisch-herzegowinische Frage,
- die kosovarische Frage im Verhältnis zu Serbien und
- die makedonische Frage bezüglich des Streits um den Namen „Makedonien“.
Diese Auflistung ist nicht abschließend. So gibt es zum Beispiel zwischen Slowenien und Kroatien einen Streit über den Verlauf der gemeinsamen Grenze in der Adria oder zwischen Kroatien und Serbien über die Rechte der kroatischen Minderheit in Serbien. Im Fokus sollen jedoch oben genannte Fragen stehen, da diese existentiell für das zukünftige Schicksal dieser Staaten sind und damit die Ordnung auf dem Balkan betreffen. Die Ausgangslage ist: Slowenien und Kroatien sind Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) und der NATO. Montenegro ist ebenfalls Mitglied in der NATO und führt Beitrittsgespräche mit der EU. Serbien führt diese ebenfalls, strebt allerdings keine Mitgliedschaft in der NATO an. Die ehemalige serbische Provinz bzw. Gebietskörperschaft Kosovo wird zwar von mehr als der Hälfte der Staaten der Welt völkerrechtlich anerkannt, jedoch unter anderen nicht von den Veto-Mächten im UN-Sicherheitsrat China und Russland, von fünf EU-Staaten und von Serbien. Bosnien und Herzegowina hat zwar ein Assoziierungsabkommen mit der EU, ist jedoch aufgrund seiner inneren Zerrissenheit noch weit von möglichen Beitrittsgesprächen mit der EU oder sogar einem EU-Beitritt entfernt. Die Republik Makedonien ist zwar seit Dezember 2005 EU-Beitrittskandidat, jedoch sind die Beitrittsgespräche und eine mögliche Mitgliedschaft der Republik Makedonien in der NATO aufgrund des Streits um den Namen „Makedonien“ durch das EU- und NATO-Mitglied Griechenland blockiert.
Die bosnisch-herzegowinische Frage
Die heutige Staatsstruktur von Bosnien und Herzegowina ist ein Ergebnis des ethnischen Krieges (1992 – 1995) und des daraus resultierenden Friedensvertrages von Dayton (14. Dezember 1995). Demnach besteht Bosnien und Herzegowina staatsrechtlich aus zwei weitgehend autonomen Entitäten, der „Föderation Bosnien und Herzegowina“ (Bosniakisch-Kroatische Föderation) und der „Serbischen Republik“, die durch eine übergeordnete Föderation miteinander verbunden sind. Durch diese Föderation der zwei Entitäten bleibt Bosnien und Herzegowina als Völkerrechtssubjekt erhalten. Die Entität „Föderation Bosnien und Herzegowina“ gliedert sich wiederum in zehn Kantone, die ihrerseits über weitgehende Rechte verfügen. Die faktische Teilung Bosnien und Herzegowinas in zwei Entitäten und die Gliederung der Föderation Bosnien und Herzegowina in zehn Kantone soll die Interessengegensätze der drei staatstragenden Volksgruppen (Bosniaken, Kroaten und Serben) auffangen. Von den 3,79 Millionen Einwohnern bekennen sich nach der letzten Volkszählung von Oktober 2013 50,1 % zu der bosniakischen (muslimischen), 30,8 % zu der serbischen und 15,4 % zu der kroatischen Volksgruppe. Nach einer Volkszählung aus dem Jahr 1991 gab es noch 4,4 Millionen Einwohner in Bosnien und Herzegowina, von denen sich 43,5 zu der bosniakischen (muslimischen), 31,2 % zu der serbischen und 17,4 % zu der kroatischen Volksgruppe bekannten. Es hat also zwischen 1991 und 2013 deutliche Verschiebungen in der Gesamteinwohnerzahl und in den Anteilen für die jeweilige Volksgruppe gegeben. Der Rückgang der Gesamtbevölkerung beträgt 13 %. Rund 850.000 Bürgerinnen und Bürger von Bosnien und Herzegowina verließen seit 1991 den Staat oder wurden im ethnischen Krieg zwischen 1991 und 1995 vertrieben oder getötet.
Die Föderation Bosnien und Herzegowina besteht aus 50 % und die Republika Srpska aus 49 % des bosnisch-herzegowinischen Gesamtterritoriums. Der Distrikt Brčko besteht aus einem Prozent des Territoriums und bildet ein Kondominium (gemeinsame Herrschaft bzw. Verwaltung) beider Entitäten, wobei die Verwaltung im Rahmen des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina erfolgt. Die Organe des Gesamtstaates sind ein Zweikammerparlament, ein Präsidium mit rotierender Präsidentschaft als Staatsoberhaupt, eine Regierung mit einem Ministerpräsidenten an der Spitze, ein Verfassungsgericht und eine Zentralbank. Das Zweikammerparlament setzt sich aus einem Abgeordnetenhaus und einer Völkerkammer zusammen. In der Völkerkammer sind die zwei Entitäten bzw. die drei staatstragenden Ethnien (Bosniaken, Kroaten, Serben) vertreten. Das Präsidium setzt sich aus einem bosniakischen (muslimischen), kroatischen und serbischen Bosnier zusammen. Der Vorsitz im Präsidium rotiert alle acht Monate zwischen den drei Mitgliedern. Hauptstadt des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina ist Sarajevo. Der Gesamtstaat hat klar festgelegte und begrenzte Kompetenzen, darunter in der Außen- und Außenhandelspolitik, im Zoll- und Währungswesen, in Einwanderungsfragen und bei der Kontrolle des Luftraumes. Alles, was nicht in der Kompetenz des Gesamtstaates liegt, gehört in den Zuständigkeitsbereich der Entitäten.
Dieser Staat wird weiterhin nicht vor allen Volksgruppen in gleicher Weise akzeptiert. Die Bosniaken (Muslime) akzeptieren diesen Staat, da es für sie kein weiteres Mutterland auf dem Balkan gibt. Sie wünschen sich jedoch einen stärkeren Bundesstaat und lehnen die faktische Teilung des Staates ab. Die bosnischen Kroatien und Serben haben jeweils Mutterstaaten auf dem Balkan: Kroatien und Serbien. Für beide Volksgruppen wäre ein Aufgehen in ihre Mutterstaaten eine Option. Während sich die bosnischen Kroatien in dieser Frage zurückhaltender geben, streben die bosnischen Serben offen die Abspaltung der „Republika Srpska“ und die Vereinigung mit der Republik Serbien an. Die beiden Mutterstaaten Kroatien und Serbien stehen jedoch wie die internationale Staatengemeinschaft zur Einheit von Bosnien und Herzegowina und lehnen möglichen Separatismus ab.
Hier eine Lösung zu finden, dürfte nicht einfach sein. Die bisherige Situation in Bosnien und Herzegowina verhindert fast jede Form von Prosperität und auch eine mögliche Mitgliedschaft in der EU. Weder die jetzige Staatsstruktur noch eine Aufteilung des Staates wären eine Option. Die Entitäten und ihre Abgrenzungen sind ein Ergebnis des Krieges, nicht der tatsächlichen territorialen Verteilung der Volksgruppen. Allerdings muss der komplizierte Föderalismus zurückgeschraubt werden. Dies kann auf zwei Arten erfolgen: Die Entitäten werden aufgelöst und Bosnien und Herzegowina in mehrere Kantone nach dem Vorbild der Schweiz gegliedert. Auch die Organisation des Gesamtstaates sowie die Kompetenzverteilung zwischen dem Gesamtstaat und den Kantonen könnten nach Vorbild der Schweiz erfolgen. Die zweite Möglichkeit wäre die Auflösung der Föderation Bosnien und Herzegowina sowie die Aufteilung in eine bosniakische und eine kroatische Entität. Demnach würde Bosnien und Herzegowina aus drei Entitäten bestehen. Für die Kompetenzverteilung zwischen dem Gesamtstaat und den Entitäten könnte wiederum die Schweiz als Vorbild dienen.
Die erste Möglichkeit ist allerdings zu bevorzugen. Bei einer möglichen Gliederung von Bosnien und Herzegowina in etwa gleichgroße Kantone würden alle Volksgruppen angemessen repräsentiert sein und der Staat effektiver funktionieren. Für bestimmte Aufgaben, etwa im kulturellen Bereich, könnten die Volksgruppe Verbände mit staatlichen Befugnissen bilden. Eine mögliche Aufteilung von Bosnien und Herzegowina in drei Entitäten entspricht zwar den drei stärksten Volksgruppen, benachteiligt jedoch andere Volksgruppen und fördert Nationalismen und Separatismen.
Doch noch ist Bosnien und Herzegowina weit davon entfernt, einen über-ethnischen staatlichen Konsens zu finden. Das muss von den betreffenden Volksgruppen selbst ausgehen und kann nicht aufgezwungen werden. Vielleicht setzt sich die Erkenntnis durch, dass gemeinsam eine prosperierende Zukunft gestaltet und erreicht werden kann. Dies würde dann im Ergebnis zu einer Willensnation aus Bosniaken, Kroaten und Serben sowie anderen Nationalitäten in Bosnien und Herzegowina führen können. Eine mögliche Willensnation würde auch ihr Staatswesen entsprechend gestalten, damit Sinn und Zweck dieser erreicht werden können.
Die kosovarische Frage
Für mehr als die Hälfte der Staaten der Welt ist die kosovarische Frage beantwortet, in dem sie das Kosovo bilateral völkerrechtlich als Staat anerkannt haben. Allerdings sind entscheidende Staaten nicht darunter, wie Serbien, die UN-Vetomächte China und Russland sowie fünf EU-Staaten (Griechenland, Rumänien, Spanien, Slowakei und Zypern). Aus diesem Grund ist das Kosovo bisher kein Mitglied der Vereinten Nationen. Je nach Rechtsauffassung ist oder war Kosovo eine Provinz Serbiens. Ein ethnischer Krieg im Kosovo führte im Jahr 1999 zu einer völkerrechtlich umstrittenen militärischen Intervention der NATO in diesen Konflikt. Es gab dafür kein Mandat des UN-Sicherheitsrates, wohl aber für das Ergebnis dieser Intervention. Der UN-Sicherheitsrat beschloss am 10. Juni 1999 die Resolution 1244, auf deren Grundlage eine Übergangsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK) implementiert wurde. Unter anderem wurde der UN-Generalsekretär dazu ermächtigt, eine vorübergehende Zivilverwaltung für das Kosovo einzurichten. Ziel dieser Mission war es für das kosovarische Volk eine substantielle Autonomie herzustellen. Gleichzeitig betonte die Resolution in ihrer Präambel auch die territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien (1992 – 2003 bzw. von 2003 – 2006 Serbien und Montenegro), deren Rechtsnachfolgerin die Republik Serbien ist. Über den endgültigen Status des Kosovo trifft die Resolution 1244 keine Festlegungen, dieser sollte im Rahmen von Verhandlungen zwischen den betroffenen Parteien geklärt werden. Formell ist die Resolution 1244 immer noch in Kraft. Allerdings hat mittlerweile die Europäische Union unter der Bezeichnung EULEX faktisch die UN-Mission übernommen. Die EU-Mission EULEX findet jedoch formell im Rahmen der UN-Mission statt. Die Verhandlungen zwischen dem Kosovo und Serbien blieben im Ergebnis erfolglos. Das Kosovo beharrte auf die völlige Unabhängigkeit von Serbien, wobei Serbien bereit war, ein Höchstmaß an Autonomie für das Kosovo zu akzeptieren. Nach dem Scheitern der Verhandlungen erklärte sich das Kosovo am 17. Februar 2008 einseitig für Unabhängig von Serbien.
Der völkerrechtliche Status des Kosovo ist bis heute nicht völlig unumstritten und nicht abschließend geklärt. Bisher hat die Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft das Kosovo bilateral völkerrechtlich anerkannt. Eine Mitgliedschaft des Kosovo in den Vereinten Nationen konnte aufgrund des Widerstands der Russischen Föderation bisher nicht erfolgen. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen kann nur aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Sicherheitsrates neue Mitglieder aufnehmen – den Russland als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates mit seinem Veto verhindert. Fünf (Griechenland, Rumänien, Spanien, Slowakei und Zypern) von 28 Staaten der Europäischen Union (EU) erkennen das Kosovo ebenfalls nicht an, so dass auch der Beginn von EU-Beitrittsgesprächen mit dem Kosovo und eine Aufnahme in die EU bis auf Weiteres nicht möglich sind. Serbien ist bis heute aus politischen und verfassungsrechtlichen Gründen nicht bereit die Unabhängigkeit des Kosovo zu akzeptieren.
Am 8. Oktober 2008 nahm die Vollversammlung der Vereinten Nationen den Antrag der Republik Serbien an, die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo durch ein rechtlich nicht bindendes Gutachten des Internationalen Gerichtshofes (IGH) prüfen zu lassen. Die zu prüfende Frage lautete: „Ist die einseitige Unabhängigkeitserklärung durch die provisorische Institution der Selbstverwaltung des Kosovo im Einklang mit dem Völkerrecht?“ Das IGH musste zunächst entscheiden, ob es sich bei der Auslegung strikt an den Wortlaut der Frage halten oder auch die Folgen der Unabhängigkeitserklärung bewerten sollte. Für das Kosovo und Serbien letztendlich unbefriedigend, hielt sich der IGH bei der Bekanntgabe seines Gutachtens am 22. Juli 2010 eng an die Fragestellung und bewertete nur die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung. Aus Sicht des IGH verbiete weder die Praxis des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen noch das Völkerrecht generell einseitige Unabhängigkeitserklärungen. Des Weiteren ging der IGH auf die Frage ein, ob die Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo entgegenstünde. Es kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass die Unabhängigkeitserklärung nur unter der Voraussetzung unrechtmäßig sei, wenn die in der Resolution 1244 genannten Institutionen der provisorischen Selbstverwaltung diese Erklärung abgegeben hätten. In diesem Fall wäre dies der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen gewesen, der im Rahmen der provisorischen Selbstverwaltung für das Kosovo für auswärtige Angelegenheiten des Kosovo zuständig sei. Wenn hingegen ein anderes Gremien die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo abgegeben habe, so könne ein Verstoß gegen die Resolution 1244 nicht gegeben sein. Nach Auffassung des IGH sei das kosovarische Parlament durch die kosovarischen Bürgerinnen und Bürger legitimiert und kein Teil der provisorischen Selbstverwaltung des Kosovo im Rahmen der Vereinten Nationen.
Diese Auffassung des IGH blieb natürlich unter Völkerrechtlern teilweise umstritten, da auch das kosovarische Parlament als Teil der provisorischen Selbstverwaltung angesehen werden könne. Das wesentliche Problem wurde durch das Gutachten des IGH nicht geklärt: „Ist die Unabhängigkeit des Kosovo als solche mit dem Völkerrecht und der Resolution 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vereinbar?“ Das Völkerrecht schützt grundsätzlich die territoriale Integrität der Staaten und sieht das Recht eines Volkes zur Sezession nur unter außergewöhnlichen Umständen vor. In der Regel soll das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Rahmen der bestehenden Staaten verwirklicht werden, etwa durch geeignete Formen der Autonomie und der Selbstverwaltung. Die Frage, ob eine großzügige Autonomiereglung für das Kosovo ausgereicht hätte oder ob die Umstände doch eine Unabhängigkeit des Kosovo aus Sicht des Völkerrechts rechtfertigten, bliebt offen.
International fällt die Antwort auf diese Frage je nach Standpunkt verschieden aus. Eine Klärung dieser Fragestellung vor dem IGH ist von serbischer Seite durch die Eingrenzung der Frage auf die Unabhängigkeitserklärung als solche verpasst worden. Auch reichte Serbien gegen die Unabhängigkeit des Kosovo und deren Anerkennung durch andere Staaten keine Klage beim IGH ein. Es ist jetzt wieder eine politische Frage. In der internationalen Staatengemeinschaft wird die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien mittlerweile mehrheitlich anerkannt. Damit dürfte nach mehrheitlicher Ansicht die Frage des völkerrechtlichen Status des Kosovo endgültig entschieden sein, auch wenn diese Frage zum Teil noch umstritten bleibt. Demnach wäre das Kosovo als „Republik Kosovo“ ein unabhängiges Völkerrechtssubjekt. Die Republik Serbien erkennt das Kosovo weiterhin formell nicht als Völkerrechtssubjekt an, geht jedoch faktisch von einem unabhängigen Kosovo aus. Mittlerweile haben sich die Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien deutlich entspannt. Es wurden einige bilaterale Abkommen zur Regelung von praktischen Fragen zwischen dem Kosovo und Serbien geschlossen.
Die endgültige Normalisierung des Kosovo-Status als Völkerrechtssubjekt hängt von einer entsprechenden Übereinkunft mit Serbien ab. Die völkerrechtliche Unabhängigkeit des Kosovos von Serbien ist eine Realität, welche nicht mehr zurückgeschraubt werden kann. Die Mehrheit der Staaten der Welt erkennt das Kosovo an, auch wenn einige relevante Staaten dies immer noch nicht tun. Sie würden es wahrscheinlich tun, wenn auch Serbien diesen Schritt vollziehen würde. Die Republik Serbien und das Kosovo haben einander zugesagt, sich bei der angestrebten europäischen Integration nicht gegenseitig zu blockieren. Im Rahmen der EU wären das Kosovo und Serbien wieder unter einem Dach vereint. Dies sollte ein Ziel sein, für das Serbien seine Verfassung entsprechend revidieren und das Kosovo dann auch völkerrechtlich anerkennen könnte. Diese Schritte könnten im Rahmen der europäischen Integration erfolgen. Für serbische Kulturgüter, etwa serbisch-orthodoxe Kirchen im Kosovo, könnte es einen besonderen Status geben, etwa einen exterritorialen, wie er Botschaften zuerkannt wird oder dem Petersdom in Rom, der unter der Souveränität des Vatikanstaates steht. Es gibt Spielraum für eine tragfähige Lösung. Die Chancen dafür sind ebenfalls gegeben und mittelfristig auch wahrscheinlich.
Die makedonische Frage bezüglich des Streits um den Namen „Makedonien“
Im Falle von Kosovo und Serbien hat es in relativ kurzer Zeit schon eine merkliche Annäherung gegeben, auch wenn der Weg bis zu einer endgültigen Lösung noch weit sein dürfte. Im Falle des Kulturstreits um „Makedonien“ zwischen Griechenland und der Republik Makedonien hat sich seit dem Interimsabkommen vom 13. September 1995 kaum etwas bewegt. Sowohl in Griechenland als auch in der Republik Makedonien sind derzeitig große innenpolitische Probleme vorherrschend. Zwar hat sich das bilaterale Verhältnis zwischen beiden Staaten unter der vom Linksbündnis SYRIZA geführten griechischen Regierung gebessert, doch gibt es keine substantiellen Fortschritte im sogenannten Namensstreit. Die offizielle griechische Position nach einem zusammengesetzten Staatsnamen mit geografischer Spezifizierung für den makedonischen Staat, welche dann uneingeschränkt im völkerrechtlichen Verkehr (allgemeiner Gebrauch) zu verwenden ist, hat sich nicht geändert. Ebenso wenig hat sich die Position der Republik Makedonien geändert. Nur für Ausnahmefälle, etwa in den bilateralen Beziehungen mit Griechenland, würde die Republik Makedonien einen von ihrer verfassungsmäßigen Bezeichnung abweichenden Namen akzeptieren. Auch wäre eine geografische Spezifizierung in Klammern hinter der verfassungsmäßigen Bezeichnung aus Sicht der Republik Makedonien eine Option, welche von Griechenland als nicht weitgehend genug abgelehnt wird. Im Ergebnis scheint der Status quo Bestand zu haben und sich keine Lösung des Streits um den Namen „Makedonien“ abzuzeichnen.
Auf die bisher angestrebte Weise lässt sich der Namensstreit nicht lösen, da er nur ein Symptom eines ganz anderen Streits ist, nämlich eines Kulturstreits um „Makedonien“. Griechenland versteht unter dem Begriff Makedonien etwas anderes als etwa Bulgarien oder die Republik Makedonien. Dieser Kulturstreit kann jedoch nur inhaltlich und nicht durch Namensänderungen überwunden werden. Hier müssen sich die Konfliktparteien inhaltlich einigen, was unter dem Begriff Makedonien und der makedonischen Kultur zu verstehen ist. Im Idealfall erkennen sie die Vielseitigkeit und Mehrdeutigkeit der Begriffe an und finden ein Modus vivendi, wie damit umgegangen werden kann. Allerdings führt nur diese Art der Lösungsfindung zum Ziel. Im besten Fall schaffen es die Konfliktparteien selbst sich auf eine entsprechende Lösung zu verständigen. Alternativ könnte auch der UN-Sicherheitsrat durch eine entsprechende Resolution den Rahmen für eine entsprechende Lösungsfindung vorgeben.
Der Kulturstreit zwischen Bulgarien, Griechenland und der Republik Makedonien muss endlich und endgültig gelöst werden. Die inhaltliche Lösung dieses Kulturstreits muss dann in den Bildungssystemen der betreffenden Staaten kommuniziert und Teil einer entsprechenden staatlichen Informationspolitik werden. Mit dieser Lösung erledigt sich der Streit um den Namen „Makedonien“ zwischen Griechenland und der Republik Makedonien von selbst.