Hans Lothar Steppan veröffentlichte mehrere, die Historie Mazedoniens analysierende Artikel, um so die Tiefe des aktuellen Streites mit Griechenland bzgl. des Namens zu zeigen. Leider ist vielen Menschen der Hintergrund des Streits noch nicht vollkommen klar. Steppan ist Autor des Buches „Der mazedonische Knoten“, welches sehr umfangreiche Informationen bzgl. der Republik Mazedonien liefert. Artikel ist aus dem Jahr 2005, hat jedoch nicht an Aktualität verloren.
Die Europäische Union sollte endlich den griechisch-mazedonischen Namensstreit ausräumen, der mit ihrer Hilfe entstanden ist.
Als die griechische Regierung am 26.06.1992 im Europäischen Rat bei Lissabon und am 08.04.1993 in der UNO – unter Ausnutzung der Unkenntnis der anderen Mitglieder über den wirklichen Geschichtsablauf – den absurden Namen „FYROM“ für die Republik Mazedonien durchsetzte, hieß es, diese Lösung solle lediglich „provisorisch“ sein. Inzwischen besteht der Schwebezustand bereits über 14 Jahre und niemand hat die damals vorgeschobenen Gründe der griechischen Regierung in erkennbarer Weise auf ihre Stichhaltigkeit überprüft. Andernfalls hätte der Beschluss unter dem Druck der historischen Fakten längst aufgehoben werden müssen, und alle Mitgliedstaaten der EU und der UNO würden seitdem die Republik Mazedonien mit ihrem legalen Staatsnamen benennen – vielleicht mit Ausnahme Griechenlands.
Der anhaltende Schwebezustand hat nicht nur eine negative Auswirkung auf die innenpolitische Konstellation in Mazedonien, er verhindert auch Fortschritte bei der endgültigen Regelung der Mitgliedschaft der Republik Mazedonien in der Europäischen Union und in der NATO. Damit wird die gesamte Entwicklung Mazedoniens erheblich beeinträchtigt und – schlimmer noch – die Sicherheitslage auf dem südlichen Balkan zusätzlich geschwächt. Die Untätigkeit der EU-Kommission gegenüber der Hinhaltepolitik Griechenlands hat zur Folge, dass den Mazedoniern allmählich die Existenzgrundlage entzogen wird. Ohne Initiative der EU ist zu befürchten, dass Griechenland – und bald auch Bulgarien – den Weg Mazedoniens „nach Europa“ durch ihr Veto so lange hinauszögern werden, bis Mazedonien gezwungen sein wird (man erinnere sich an die völlig unbegründete Änderung der mazedonischen Staatsfahne), die durch nichts zu rechtfertigenden Forderungen seiner Nachbarn unter dem Druck der USA und der EU akzeptieren zu müssen. Auf dieselbe Weise sind den Mazedoniern auch Bedingungen in Bezug auf die albanische Minderheit aufgezwungen worden, die keineswegs alle zu gerechten Lösungen geführt haben.
Unmittelbar nach der Wende 1989/90 konnte niemand von den Vertretern der Europäischen Union erwarten, dass sie vor der verhängnisvollen Namensentscheidung alle Details über die historische Entwicklung auf dem Balkan während der vergangenen 100-125 Jahre genau so präsent hatten wie die Nachbarn Mazedoniens selbst; sonst wäre die Fehlentscheidung niemals zustande gekommen. So aber war es der griechischen Regierung ein Leichtes, ihre Interessenpolitik durchzusetzen, ohne den betroffenen Mazedoniern auch nur die geringste Chance einzuräumen, den wahren Ablauf der historischen Vorgänge darstellen zu können. Genau dies sollte offenbar verhindert werden. Mit Erfolg, denn die EU-Kommission hält sich auch heute noch daran.
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Inzwischen ist jedoch der Informationsstand über den Balkan in allen Ländern längst aktualisiert. Die Kommission, wie auch die Einzelstaaten können sich ein vollständiges und objektives Bild über die Geschichte Mazedoniens und somit über die historischen Hintergründe der heutigen politischen Konstellation auf dem Balkan verschaffen.
Dennoch mag dem einen oder anderen Leser daran gelegen sein, einen kurzen Rückblick auf die mazedonische Geschichte zu werfen. (Die Zitate stammen aus den Archivakten des Auswärtigen Amts, die im Buch „Der mazedonische Knoten“ verwendet wurden.) Die mazedonische Geschichte begann, in der Phase der Nationalstaatsbildung im 19. Jh. in ein akutes Stadium zu treten. Zuvor ist jedoch ein Blick auf die slawisch-mazedonische Vorgeschichte erforderlich: nicht nur aus Gründen der Chronologie, sondern auch wegen des griechischen Vorwurfs, die neue Republik Mazedonien habe das „kulturelle Erbe Griechenlands“ gestohlen und maße sich an, neben dem Namen Mazedonien auch ein altes „griechisches Symbol“, den Stern von Vergina, für seine (inzwischen erzwungenermaßen geänderte) Fahne zu benutzen. Diese Vorwürfe sind sowohl historisch, als auch archäologisch unhaltbar.
Nach dem Germanensturm auf das Zentrum des Römischen Reiches wurden bekanntlich sämtliche römischen Truppen aus dem Imperium – und folglich auch vom Balkan – zur Verteidigung der Grenzen Italiens zurückgerufen. Da auch das oströmische Reich kein ausreichendes Gegengewicht mehr auf dem Balkan bildete, strömten während der Völkerwanderungszeit im 6. und 7. Jh. slawische Stämme (wie die Geschichtsschreiber berichten: „in unübersehbaren Mengen“) ins Land und besiedelten den gesamten Balkan bis zum Peloponnes, bis Kreta und Anatolien. Die slawischen Einwanderer haben ihren neuen Siedlungsgebieten üblicherweise ihre eigenen, alten Stammesnamen gegeben (wie z. B. die Slowenen und Serben). Selbst die ca. fünf Generationen später auf dem Ost-Balkan einwandernden türkischen Ur-Bulgaren behielten ihren ursprünglichen Namen aus dem Altai-Gebirge bei, obwohl sie im Laufe der Zeit von den von ihnen besiegten Slawen assimiliert wurden und die slawische Sprache übernahmen. Lediglich diejenigen slawischen Einwanderer, die sich auf den Gebieten des antiken Mazedoniens und Thraziens niederließen, die ebenfalls von den Römern verlassen worden waren, übernahmen von der dort verbliebenen, bereits christianisierten Restbevölkerung den Namen „Mazedonien“, bzw. „Thrazien“, – und die neue Religion.
(Was die vor dem Ansturm der Slawen geflüchteten Griechen betrifft, so gelang ihnen erst im 9. Jh. die allmähliche Rückkehr aus den Bergen, aus den befestigten Küstenstädten und von den Inseln in ihre Heimat Griechenland. Sie vermischten sich mit den inzwischen dort lebenden Slawen und setzten sogar ihr Griechentum, in erster Linie ihre Sprache und das Christentum, durch.)
Anders, als die heutigen Griechen behaupten – und mit diesem falschen Argument so manchen internationalen Beobachter gegen die Mazedonier einnehmen -, erhebt die Republik Mazedonien keineswegs Anspruch auf den Hellenismus und die hellenistische Tradition, und nur in Ansätzen auf die Geschichte und die Kultur des antiken Mazedoniens , – obwohl sie dazu dasselbe Recht hat, wie die Bulgaren, die sich unbestritten auf die vor-bulgarischen, d. h. thrazischen Einwohner beziehen, und wie die Rumänen, die ebenso unbestritten die vor-rumänische Geschichte der Daker für sich einfordern. Was die slawischen Mazedonier aber mit Fug und Recht beanspruchen, ist die Verwendung des Namens „Mazedonien“, den sie ununterbrochen seit rd. 1500 Jahren benutzen, — ohne dass ihnen dieses Recht jemals bestritten wurde. Erst das moderne Hellas kapriziert sich auf diese unberechtigte Forderung, obwohl Griechenland seit der Antike niemals mazedonisches Territorium (nicht einmal Saloniki) besessen hat, — außer (erstmalig) nach den Balkankriegen 1912/13. Aber auch dann bezeichneten die Griechen ihre eroberte und völkerrechtswidrig annektierte mazedonische Provinz als „Nordgriechenland“ und die zuständige Behörde in Athen „Ministerium für Nordgriechenland“, – wahrscheinlich in der trügerischen Hoffnung, im Laufe der Zeit jede Erinnerung an diesen Raub mit Hilfe rigoroser Gräzisierungsmaßnahmen auslöschen zu können. Erst in den Jahren kurz vor der Wende 1989 hielten sie es offenbar für angebracht, „ihr“ mazedonisches Gebiet in „Mazedonien“ zurückzubenennen, – nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.
Griechenland scheint zu befürchten, dass die (anders, als die jugoslawische Teilrepublik Mazedonien) nunmehr wirklich souveräne und – auch nach Beurteilung der Badinter-Kommission der EU – demokratisch legitimierte Republik Mazedonien Rechte für die mazedonische Minderheit im Norden Griechenlands oder womöglich Gebietsrückerstattungen fordern könnte. Selbst der verfassungsrechtlich verankerte Verzicht der Republik Mazedonien auf Grenzänderungen konnte solche – offensichtlich aufgebauschten – Bedenken in Athen nicht zerstreuen. Die daraus folgende Politik der Verweigerung legt nach Ansicht des Verfassers den Verdacht nahe, dass Griechenland das Thema der Annexion erst gar nicht auf die Tagesordnung internationaler Organisationen gelangen lassen möchte. Vielmehr scheinen die Griechen sich statt dessen noch die Chance für weitere territoriale Erwerbungen offen halten zu wollen, wie es seinerzeit angeblich in mehreren Treffen zwischen Min.Präs. Mitsotakis und Präsident Miloševic abgesprochen worden sein soll.
Daher unternimmt Griechenland enorme Anstrengungen, um die wahren Geschichtsabläufe um Mazedonien zu tabuisieren. Wollte Athen diesen fatalen Eindruck für immer entkräften, wäre dies mit einem Federstrich durch Anerkennung des legalen Staatsnamens der Republik Mazedonien möglich. Andernfalls sollte sich wenigstens die übrige Welt an die historischen Fakten halten.
Nach dem letzten der vielen russisch-türkischen Kriege im Jahre 1877 hatte Russland sich dazu verstiegen, nach seinem teuer erkauften Sieg über das Osmanische Reich im berühmten Vertrag von San Stefano dem befreiten Bulgarien auch noch sämtliche zusätzlich von den Türken befreiten Gebiete: Mazedonien, Thrazien und Nord-Epirus, zu überlassen. Im Gefolge dieses vertragswidrigen Verhaltens haben Großbritannien und Österreich-Ungarn mit Hilfe von Kriegsdrohungen durchgesetzt, dass Russland seine Entscheidung auf dem Berliner Kongress zur Disposition stellen musste.
Das erste böse Anzeichen für die Mazedonier und Thrazier war, dass sie zum Kongress nicht zugelassen wurden, vermutlich mit der Begründung, dass sie – ebenso wenig, wie nach den zahllosen gescheiterten Befreiungskämpfen in den vergangenen Jahrhunderten – noch keine anerkannte Regierung vorweisen konnten. Hieran waren sie u. a. deswegen gescheitert, weil ihnen als den einzigen Völkern auf dem Balkan in der Mitte des 19. Jh.s die ausländische, d. h. in erster Linie russische, Unterstützung versagt worden war (z. B. gegenüber Berovski in St. Petersburg, der dort bereits zwei Jahre vor dem Berliner Kongress, wie schon so viele andere erfolgreiche Bittsteller, um Hilfe gebeten hatte), – obwohl auch die postantiken, also slawischen Mazedonier und Thrazier, genau so, wie die anderen slawischen Balkanvölker, eine eigene Identität besaßen und zur Verteidigung dieser Identität zahlreiche eigene Aufstände gegen die türkischen Muslime gewagt hatten.
Dann folgte auf dem Kongress ein Donnerschlag, dessen demoralisierende Wirkung auf die betroffenen Völker man sich heute nur noch schwer vorstellen kann: In einem unerhörten Akt nach imperialistischer Manier setzten sich England und Russland, unterstützt aber auch von den übrigen europäischen Großmächten, über die Sehnsucht auch derjenigen Völker nach Freiheit und Unabhängigkeit hinweg, die als unmittelbare Nachbarn des Osmanischen Reiches ohnehin am längsten auf ihre Befreiung hatten warten müssen, und stießen die christlich-orthodoxen Provinzen Mazedonien und Thrazien wieder in die türkische Sklaverei zurück.
Als Begründung gab England an, es müsse ein Groß-Bulgarien verhindert werden, um Russland nicht über Bulgarien den lange ersehnten Zugang ins Mittelmeer zu eröffnen. Dagegen lässt sich einwenden, dass Mazedonien und Thrazien nach ihrer Befreiung im Falle ihrer Unabhängigkeit oder Autonomie eine sicherere Barriere gegen Russland hätten bilden können, denn als türkische oder bulgarische Provinzen. In Anbetracht der in den folgenden Jahrzehnten zu verzeichnenden intensiven Bemühungen des griechischen Königs, Georgs I., Griechenlands Machtbasis durch Territorialexpansion zu erweitern, ist den Akten zu entnehmen, dass die Entscheidungen des Berliner Kongresses gegen Mazedonien und Thrazien als Gefälligkeit des englischen Königs und des russischen Zaren gegenüber dem (dänischen) Griechenkönig, ihrem Schwager, auf Grund der verwandtschaftlichen Beziehungen zustande kamen.
Es hat den Anschein, als ob diese Kräfte am Werk waren, um die Selbständigkeit Mazedoniens und Thraziens von vornherein zu verhindern und deren ungeklärten völkerrechtlichen Status aus eigensüchtigen Motiven in der Schwebe zu halten. (Genau so wie heute!) Denn von diesem Moment an wurden diese Länder und Völker wieder zu „Freiwild“, an dem sich die anderen orthodoxen Christen des Balkans willkürlich bedienten.
Am Ende des russisch-türkischen Krieges erklärte Griechenland am 1. Februar 1878, vier Tage nach der türkischen Kapitulation, dem Osmanischen Reich den Krieg. Als Folge dessen konnte die griechische Regierung auf dem Berliner Kongress als „Siegermacht“ auftreten. Dennoch haben die Griechen bei der Vertretung ihrer Gebietsansprüche auf Thessalien und Süd-Epirus während des Kongresses in Berlin nicht ein einziges Wort über Mazedonien verloren. Selbst auf der Folgekonferenz, die eigens für die Durchsetzung der bis dahin nicht befolgten Beschlüsse des Kongresses durch die Türkei zur endgültigen Abtretung der erwähnten Gebiete für den 16. Juni 1880 ebenfalls nach Berlin einberufen werden musste, auf der also ausschließlich die griechischen Ansprüche an das Osmanische Reich auf der Tagesordnung standen, hat die Athener Regierung „Mazedonien“ mit keiner Silbe erwähnt. In Anbetracht der geradezu einmaligen Gelegenheit der persönlichen Anwesenheit griechischer Delegationen auf zwei internationalen Konferenzen der europäischen Großmächte über den Balkan wäre dies undenkbar gewesen, wenn Griechenland auch nur im entferntesten den Hauch einer Anspruchsgrundlage auf mazedonisches Territorium hätte geltend machen können.
Auch dies ist einer von zahllosen Beweisen dafür, dass es sich bei der später, 1912/13, realisierten griechischen (sowie serbischen und bulgarischen) Eroberung und Annexion Mazedoniens und Thraziens um einen Fall puren Imperialismus‘ handelte.
Bei einem der regelmäßigen Besuche des griechischen Königs Anfang der 80‘er Jahre des 19. Jh.s in den Hauptstädten der europäischen Großmächte, u. a. in Wien, hatte Georg I. den österreichischen Reichskanzler und Außenminister, Graf Kalnoky, offenbar um einen Gefallen im Interesse Griechenlands gebeten, denn es ist die Antwort auf Georgs Ansinnen überliefert: Die Griechen könnten doch unmöglich vom Wiener Kabinett verlangen, in Mazedonien Propaganda für Griechenland zu machen! Diese Reaktion ist insofern besonders aufschlussreich, als es mit der griechischen Bevölkerung in Mazedonien folglich nicht weit her gewesen sein kann, obwohl Athen auch damals schon gelegentlich mit dieser falschen Behauptung auftrat. 1890 musste Georg gegenüber Kalnoky sogar zugeben, „daß es in Mazedonien nur sehr wenige Griechen gäbe“.
Im Jahre 1887 hat die griechische Regierung in Bukarest beklagt, dass Rumänien seine Stammesgenossen, die wallachische Minderheit in Mazedonien, kulturell unterstütze, denn diese Aktivitäten würden in Athen als „Hinderniß der späteren Gräcisierung“ angesehen. Griechenland erkannte also völlig ungeniert an, dass es in Mazedonien keine oder kaum Griechen gab, plante aber schon damals, nach der erhofften Eroberung Mazedoniens die dortige Bevölkerung zu gräzisieren, – weswegen es sich bereits im Vorfeld seine „chasse gardée“ vorbehalten wollte. Dies geschah genau 25 Jahre vor dem Ausbruch des 1. Balkankriegs. Long range planning !
1903 beklagte Georg I. sich in Wien, dass die Bulgaren den Anschein erweckten, ihnen allein stünde ein Anspruch auf Mazedonien zu, und obwohl Athen immer behauptet hatte, ganz Mazedonien sei von Griechen bewohnt, räumte der griechische König nun ein, dass das „griechische Element“ nur „in den Küstengebieten und in einigen Städten“, z. B. in Monastir, vorherrschend sei. Damit kam Griechenlands König wenigstens einigermaßen in die Nähe der Realität.
Nach einem weiteren Besuch in Wien 1905 bei Kaiser Franz Josef und AM Goluchowski sprach Georg anschließend mit dem deutschen Botschafter über das „Gräzisierungswerk“ in Mazedonien. Graf Wedel erinnerte den griechischen König an die Comité-Banden aus den Nachbarstaaten Bulgarien, Serbien und Griechenland, die in Mazedonien für die zukünftig erwartete Teilung bereits jetzt ihr Terrain abstecken wollten, sich dabei aber auf dem Boden Mazedoniens gegenseitig massakrierten. Und als er ihn auf den Widerspruch hinwies, es sei immer behauptet worden, der Kampf richte sich gegen die Türken, und seien diese erst einmal vertrieben, dann würde zwischen den christlichen Völkerschaften Freude und Harmonie herrschen, da blieb dem König nichts anderes übrig, als einzuräumen, dass dies leider nur zu wahr sei und man sich als Christ über die Vorgänge in Mazedonien schämen müsse. Diese berechtigte Scham hinderte Georg allerdings nicht, nach seinen obligatorischen Krokodilstränen die griechischen Expansionspläne in Mazedonien und Thrazien mit Nachdruck systematisch fortzusetzen, – bis zum bitteren Ende 1912/13.
Es sei nur am Rande vermerkt, dass der griechische König, wie auch alle anderen internationalen Persönlichkeiten, selbstverständlich durchgehend von „Mazedonien“ sprachen. Griechenland hat diesen Namen sogar in offiziellen Dokumenten benutzt, z.B. im griechisch-bulgarischen Abkommen über die Gründung des Balkanbundes im Mai 1912. Es liegen Beispiele vor, dass u. a. auch Reichskanzler v. Bismarck – im vorliegenden Fall in einem Gespräch mit dem russischen Botschafter, Schuwalow, in Berlin – natürlich von „Mazedonien“ wie von einem eigenständigen Volk sprach.
Damit ist, wenn es dessen überhaupt bedurft hätte, die lächerliche Behauptung der griechischen Regierung 1992 und ’93, der Name Mazedonien sei dem neuen Staatswesen erst 1944 von Tito zugeteilt worden, klar widerlegt.
Die Archivakten des Auswärtigen Amts sind voll von Hinweisen auf die Versuche der Balkanstaaten seit dem Berliner Kongress, gemeinsam eine Strategie zu entwickeln und einen Balkanbund zu gründen, um sich gemeinsam des restlichen türkischen Territoriums auf europäischem Boden bemächtigen zu können. Sie waren alle gescheitert; sowohl an der Uneinigkeit der Balkanstaaten über die Aufteilung der erhofften Beute, als auch an der militärischen Unzulänglichkeit sowie an der totalen Aussichtslosigkeit, den Großmächten eine annähernd plausible Begründung zu liefern.
So fanden z. B. bereits 1883 bulgarisch-griechische Sondierungsgespräche anlässlich eines Besuchs des Fürsten Alexander in Athen statt. Dabei wurden zwar Erwägungen über die Teilung Mazedoniens angestellt, da aber beide Seiten in Erinnerung an uralte, längst vergangene Zeiten (die einen an Byzanz, die anderen an das 1. und 2. Bulgarische Reich) davon ausgingen, das ganze Gebiet für sich selbst zu annektieren, blieben die Treffen ergebnislos.
1891 hat die griechische Regierung ihrerseits in Person des Ex-Premiers Trikoupis in Bulgarien und Serbien sondiert, ob man sich vielleicht über Teilungsszenarien einigen könne. Hätte Griechenland auch nur im Traum daran gedacht, ausgerechnet mit seinen größten (und dazu, als Slawen, auch noch verachteten) Konkurrenten auf dem Balkan über die delikate Frage einer Teilung Mazedoniens und Thraziens zu diskutieren, wenn ihm jemals auch nur ein winziges Stück jener Gebiete gehört hätte? Der deutsche Gesandte in Belgrad, von Bray, hat für diese Konstellation eine treffende Formulierung gefunden: Jeder einzelne der Balkanstaaten nehme „ungefähr die ganze europäische Türkei und noch Einiges dazu in Anspruch“.
Aus dieser glänzenden Beobachtung geht leider auch hervor, dass die Verantwortlichen in Europa das sich abzeichnende Unrecht rechtzeitig hätten erkennen können, aber dieses großspurige Gerede damals wohl nicht ernst nahmen.
Erst später, als die Entente erkannte, dass sie die Balkanstaaten für ihre eigenen Ziele gegen Deutschland und Österreich benutzen könnte, hat sich die Entente an der Verschacherung der mazedonischen und thrazischen Völker und ihrer Territorien an die drei Balkanstaaten führend beteiligt.
Obwohl die Planung der Entente-Mächte seit der Wende vom 19. zum 20. Jh., die letztlich zum Ersten Weltkrieg führte (in England und Russland gingen die entsprechenden Überlegungen gegen Deutschland bereits bis zur Mitte des 19. Jh.s zurück), – obwohl also die Entente eine, nein, die entscheidende Rolle für das Schicksal (auch) der Mazedonier gespielt hat, muss in dieser Zusammenfassung nicht unbedingt auf alle einzelnen Etappen der Entwicklung eingegangen werden. So kann hier beispielsweise auf die in Europa alles verändernde Weichenstellung durch die Gründung der Entente Cordiale zwischen den alten Erbfeinden England und Frankreich 1904 sowie auf die für sich selbst sprechende Erweiterung durch Russland zur Tripel-Entente 1907 verzichtet werden; auf einige andere Stationen dagegen nicht:
Die Instrumentalisierung der Balkankönigreiche durch die Entente für ihre eigenen Pläne zur Vervollständigung der Einkreisung des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns begann spätestens auf dem englisch-russischen Treffen (König Edwards VII. mit Zar Nikolaus II.) im Juni 1908 auf der Reede von Reval. Dort fiel die Entscheidung, Mazedonien den Balkanstaaten zu opfern und diese hiermit untrennbar in die Entente und ihre Pläne gegen Deutschland einzubinden.
Zwar dauerten die Vorbereitungen noch drei Jahre, bis Russland 1911 mit Serbien und Bulgarien ein Geheimabkommen schloss, in dem es den Balkankönigreichen Hilfe gegen die Türkei im Kampf um Mazedonien und Thrazien sowie Rückendeckung gegen das sicherlich wachsame und neiderfüllte Österreich zusagte. Damit waren endlich die wesentlichen Hindernisse aus dem Weg geräumt, die ca. 30 Jahre hindurch die Absicht der Balkanstaaten vereitelt hatten, einen Krieg gegen das Osmanische Reich um das Territorium Mazedoniens und Thraziens vom Zaun brechen zu können. Mit dem südlichen Sektor war nunmehr der eiserne Ring der Entente um den Zweibund (Deutschland und Österreich) komplett.
Aber die Balkanstaaten waren um den Preis Mazedoniens noch größere Verpflichtungen eingegangen: nämlich die volle Mitgliedschaft in der Entente mit allen Konsequenzen! (s. u.)
Während sich die Entwicklung um die Gründung des Balkanbunds in den vergangenen Jahrzehnten träge dahingeschleppt hatte, ging auf einmal alles rasend schnell; sie wurde noch beschleunigt durch die günstige militärische Lage, da Italien sich plötzlich dazu verstiegen hatte, das libysche Tripolis und die Cyrenaika zu überfallen, wodurch große Kontingente der osmanischen Armee in Nordafrika gebunden wurden.
Schon wenige Monate später, am 13. März 1912, schlossen Bulgarien und Serbien den ersten Teil des Vertrags zur Gründung des Balkanbunds, dem Montenegro später beitrat. Um die Vertragspartner zusätzlich in Sicherheit zu wiegen und sie unlösbar an Russland zu ketten, hat der Zar ihnen sogar seine Bereitschaft notifiziert, in Zweifelsfällen bei der Aufteilung Mazedoniens als Schiedsrichter mitzuwirken! Zwei Monate später, am 29. Mai, folgte das bulgarisch-griechische Abkommen, das am 5. Oktober durch eine Militärkonvention ergänzt wurde. Ein griechisch-serbischer Notenwechsel vervollständigte das Dreiecksverhältnis.
Dermaßen abgesichert konnte der Balkanbund endlich den schon lange herbeigesehnten Balkankrieg gegen das Osmanische Reich beginnen. Im 1. Balkankrieg wurde die Türkei besiegt, die wehrlosen Provinzen Mazedonien, Thrazien und Nord-Epirus wurden zerstückelt und annektiert.
Indessen war der „Verbleib Saloniks bei Griechenland“ keineswegs gesichert. In Athen herrschte vielmehr „Ungewissheit“, ob die Londoner Konferenz 1912 den Griechen Saloniki nicht wieder „absprechen“ werde.
Bulgarien hatte den größten Anteil an Mazedonien und Thrazien besetzt. Dieses Ungleichgewicht führte zum Krieg Griechenlands und Serbiens gegen Bulgarien: zum 2. Balkankrieg. Er wurde mit Hilfe Rumäniens (und der Türkei !) gewonnen; die Sieger haben den Bulgaren im Frieden von Bukarest 1913 nur noch 10 % von Mazedonien, das sog. Pirin-Mazedonien, überlassen.
In den Geschichtsbüchern heißt es seitdem, dass Bulgarien diesen Krieg begonnen habe. Da aber nicht einzusehen ist, dass der größte Profiteur des 1. Balkankriegs einen weiteren Krieg um Land hätte beginnen sollen, das er bereits besaß, kann man wohl eher unterstellen, dass die späteren Sieger als neue Profiteure, wie üblich, dem Verlierer hinterher die alleinige Kriegsschuld in die Schuhe schoben.
Den letzten europäischen Provinzen der Türkei war von der Entente also schon lange vorher die tragische Rolle als Opfer zugewiesen worden. Als Folge dieses Völkerrechtsverbrechens sind das thrazische und das epirotische Volk untergegangen, während die Mazedonier wenigstens auf dem serbischen Anteil an der Beute von 1912/13 in Form der späteren jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien (ab 1944) und der heutigen souveränen Republik Mazedonien (ab 1991) überlebt haben.
Es war auffällig, dass Russland im Namen der Entente sowohl nach dem 1., wie nach dem 2. Balkankrieg die intensiven Bemühungen, einen neuen Balkanbund zu schmieden, fortsetzte. Wozu? Das Ziel des alten Balkanbunds war doch längst erreicht!
Die einfältigen, gutgläubigen Deutschen und Österreicher haben es nicht für möglich gehalten, dass sie hinter der offiziellen Fassade der freundlichen Verbindlichkeit der mit ihnen verwandten europäischen Monarchen derart hintergangen und belogen wurden. Sie wollten es nicht wahrhaben und haben es daher nicht erkannt, dass diese neuen Aktivitäten gegen sie selbst gerichtet waren, dass der neue Balkanbund – unter zusätzlicher Beteiligung Rumäniens und später Italiens – für einen großen Krieg gegen den Zweibund gegründet wurde. Infolge dessen haben sie nicht angemessen reagiert, sondern sich in diesen Krieg hineinziehen lassen – mit dem bekannten katastrophalen Ergebnis.
In jenen Jahren wäre es übrigens beinahe zu einem weiteren Völkerrechtsverbrechen gekommen: Unter russischer „Patenschaft“ waren „Verträge auf den Erwerb Albaniens durch Serbien abgeschlossen“ worden! Wofür ?! Wofür sollte ganz Albanien den Serben geopfert werden, obwohl die restlichen türkischen Provinzen auf europäischem Boden längst zurückerobert worden waren!?
Dazu kam es allerdings nicht, weil Kaiser Wilhelm II. zusammen mit dem Auswärtigen Amt die Krise von 1912 noch einmal entschärfen konnte. Erst nach dem 28. Juni 1914 hatte die Entente es mit den Schüssen von Sarajevo geschafft, – nachdem sechs minder schwere Attentate auf Regional-Gouverneure in den Monaten zuvor ohne ernsthafte Reaktion aus Österreich geblieben waren. (Übrigens war das Bild Wilhelms II. durch die Kriegspropaganda der Entente, besonders Englands, und später der Siegermächte sowie der internationalen Linken zu einem Monster verzerrt worden, mit dem beabsichtigten Effekt, dass niemand mehr dem deutschen Kaiser ausgerechnet eine so positive Eigenschaft wie „Friedensfähigkeit“ und „Friedensbereitschaft“ zugebilligt hätte.)
Während des Ersten Weltkriegs mussten die Balkankönigreiche endlich auch ihren Teil des früheren Abkommens mit Russland erfüllen: in Etappen sind alle (außer Bulgarien) auf Seiten der Entente in den Krieg gegen Deutschland und Österreich eingetreten.
In den sog. Friedensverhandlungen von Versailles und den anderen Pariser Vororten, wie Neuilly (und Sèvres), wurde das Schicksal der mazedonischen und thrazischen Völker besiegelt. Dort hat der damalige griechische Min.präs. Venizelos in seinem zweijährigen Frankreich-Aufenthalt mit Hartnäckigkeit und nicht zuletzt mit seinem rüden Umgangston, der nicht einmal vor dem amerikanischen Präsidenten Wilson Halt machte, die griechischen Interessen durchgesetzt.
Es ist noch nachzutragen, dass die heutige griechische Verweigerung einer Lösung der Namensfrage – neben der Verunsicherung der innenpolitischen Lage in Mazedonien – auch die Nachbarstaaten Bulgarien und Serbien zu verführen geeignet ist, ihre Politik der mutwilligen, jedoch unzulässigen Vorbehalte gegenüber der Identität der Mazedonier fortzusetzen.
Zwar legt Bulgarien momentan in Brüssel sicherlich eher Wert auf Wohlverhalten als auf Streitereien; das ändert aber nichts an der immer wieder erkennbaren anachronistischen Einstellung in Sofia, wonach die Mazedonier eigentlich Bulgaren seien und bulgarisch sprächen, – und das, obwohl die türkischen Bulgaren erst ca. 150 Jahre nach den Slawen auf dem Ost-Balkan einwanderten, von den Slawen assimiliert wurden und deren Sprache übernahmen.
Auch die Einführung des 3. März als neuer Nationalfeiertag Bulgariens in den Jahren kurz vor der Wende ist ein aggressives Zeichen, das gegen Mazedonien gerichtet ist, denn bei diesem Datum handelt es sich um den Tag des Vertragsabschlusses von San Stefano 1878, mit dem Russland den Bulgaren fast das gesamte befreite mazedonische und thrazische Gebiet überschrieben hatte. Aus den dargelegten Gründen wurde der Vertrag seinerzeit vom Berliner Kongress annulliert. Darf Bulgarien mit diesem Symbol des Revisionismus Mitglied in der Europäischen Union werden?
Im übrigen hat die bulgarische Regierung schon vor 100 Jahren eingesehen, dass die Bevölkerung Mazedoniens „das Bestehen irgendwelcher Stammverwandtschaft“ zwischen ihr und den anderen Balkanstaaten bestreitet. Als Serbien im Jahr 1900 eine „Teilung der Einflussphäre“ in Mazedonien vorschlug, hat die bulgarische Regierung eine Instruktion an ihren Vertreter in Belgrad geschickt, in der bestätigt wurde, dass die christliche Bevölkerung Mazedoniens „jedweder Teilung … sehr feindlich gegenübersteht.“ Solche Pläne könnten größte Unzufriedenheit „in diesem Bruderlande“ hervorrufen und somit auch „schädlichen Einfluss … auf die Ruhe und Ordnung sowohl in Bulgarien als auch in Serbien ausüben.“ „Als vor einigen Jahren die Frage der zum ersten male angeregt wurde, gingen uns die heftigsten Proteste … seitens der Bevölkerung Mazedoniens zu.“
Diese gutnachbarschaftliche Einsichtsfähigkeit wurde aber in den folgenden Jahren von den nationalistischen Expansionisten und Imperialisten in Bulgarien wieder vollkommen verdrängt, – zum Leidwesen der Mazedonier.
Auch Serbien kann sich anscheinend immer noch nicht an die Realitäten der Geschichte gewöhnen. Wenn auch die serbische Regierung sich z. Zt. wegen der EU-Gespräche gegenüber Mazedonien relativ zurückhält, so hat kürzlich die Serbisch Orthodoxe Kirche den aggressiven Part eines Störenfrieds übernommen.
Ähnlich wie im Falle Bulgariens liegt in den Akten auch ein Dokument aus Serbien vor, das klar die Eigenständigkeit des mazedonischen Volkes und Territoriums bekräftigt. Der Pressechef des Fürsten Peter (Karadjordjevic) hatte bereits 1886 in einer Berliner Zeitung einen Artikel veröffentlicht, den er 1904, nachdem sein früherer Fürst Peter zum serbischen König gekrönt worden war, in der serbischen Presse wiederholte, – vielleicht unter dem Eindruck des gescheiterten Ilinden-Aufstands in Mazedonien 1903 . In dem Artikel werden „alle auf Mazedonien erhobenen Ansprüche als eine große Verirrung bezeichnet“. „Vor der österreichischen Okkupation Bosniens habe Niemand in Serbien daran gedacht, auf Mazedonien nationale Ansprüche zu erheben.“ „Erst nachdem den Serben die … Ausdehnung nach dem Adriatischen Meere durch einen Gewaltakt des Berliner Kongresses abgeschnitten worden sei, wäre durch künstliche Agitation jene verfehlte Richtung der serbischen Politik auf Mazedonien aufgetaucht.“
Natürlich musste der Pressechef sich von der Oppositionspresse den Vorwurf des Landesverrats gefallen lassen. Wie man am traurigen Schicksal der Mazedonier ablesen kann, ging diese einwandfreie, objektiv-historische Darstellung im nationalistischen Taumel der Serben unter.
In diesem Zusammenhang wird daran erinnert, dass die drei Nachbarstaaten im Frühjahr 1991 „gemeinsame Statements“ abgaben, „daß ‚in Makedonien nur Serben, Bulgaren und Griechen leben‘, es also ‚eine makedonische Nation nicht gibt‘.“ Wohlgemerkt, das geschah 1991, nicht etwa 1891!
Der vierte Nachbar der Republik Mazedonien, Albanien, vielmehr die albanische Minderheit in Mazedonien, bzw. die albanische Mehrheit im Kosovo, sei hier nur der Vollständigkeit halber kurz erwähnt, da die albanische Frage auf einem ganz anderen Blatt steht:
Welche verheerenden langfristigen Folgen auf Mazedonien, auf den Balkan und auf die EU im speziellen, sowie auf Europa im allgemeinen, noch zurollen werden, falls das Kosovo tatsächlich irgendeine Art der (nach völkerrechtlichen Grundsätzen unzulässigen) Unabhängigkeit erlangen sollte, geht unzweideutig aus einem Schlagwort des Vorsitzenden der albanischen Partei DPA in Mazedonien, Arben Djaferi, hervor (das in der mazedonischen Presse zitiert wurde): die „kleinalbanische Lösung“ (aus: Kosovo und West-Mazedonien, d. h. der 1992 illegal für unabhängig erklärten „Republik Ilirida“),- eine Strategie, die jeder Beobachter seit vielen Jahren unschwer erkennen konnte, vor der die EU-Kommission jedoch, wie der gesamte Westen, die Augen zu verschließen scheint.
Die Mazedonier selbst haben sich seinerzeit, am Anfang des 20. Jh.s, keineswegs mit ihrem Geschick abgefunden.
Belogen, betrogen, unterdrückt und ausgebeutet gaben diese Menschen die Hoffnung auf ihren kleinen Anteil an Gerechtigkeit nicht auf.
Nach den Balkankriegen 1913 haben sie gegen das Ergebnis des Friedens von Bukarest protestiert und die Großmächte gebeten, aus Mazedonien eine autonome Provinz zu machen und diese unter den Schutz der Großmächte zu stellen. Und auch nach den Pariser Vorortverträgen haben sie ihre Aktivitäten zugunsten ihrer Befreiung bis weit ins 20. Jh. hinein fortgesetzt.
Die Anstrengungen blieben jedoch ergebnislos, obwohl die Frage ihrer eigenständigen Identität von einigen Großmächten positiv beantwortet wurde: Nach dem Ersten Weltkrieg beschäftigten sich „Politiker, Wissenschaftler, Analytiker und Journalisten … mit dem Problem Makedonien sowie … der nationalen Zugehörigkeit der makedonischen Bevölkerung“. So kam z. B. eine französische Expertengruppe zu dem Ergebnis, dass es sich bei der makedonischen Bevölkerung im seit 1913/1919 griechischen Ägäisch-Makedonien „weder um eine serbische, bulgarische noch griechische Bevölkerung (handelte), sondern um ein besonderes slawisches Volk mit eigenständiger Sprache und Kultur. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch britische und italienische Untersuchungen.“
Es wäre förderlich für die Entwicklung und den Frieden auf dem südlichen Balkan, wenn die Europäische Union die historischen Hintergründe der aktuellen Lage in der Region berücksichtigen würde, damit es zu einer gerechten Lösung um Mazedonien und seinen Namen kommen kann.
Denn wie lautet ein berühmter Ausspruch von Abraham Lincoln:
„Nothing is settled finally, unless it is settled justly.“
Kurzbiographie des Autors:
Hans-Lothar Steppan wurde 1933 in Ostpreußen geboren. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Fakultät für Kultur- und Staatswissenschaften der Technischen Hochschule Darmstadt, wo er ab 1963 am Institut für Wirtschaftspolitik als wissenschaftlicher Assistent beschäftigt war. Hier erfolgte auch die Promotion. 1965 trat der Autor in den Auswärtigen Dienst ein. Die Stationen seiner Auslandsposten umfassten Frankreich, Guinea, Finnland und Jugoslawien; als Botschafter war Steppan in Katar, im Tschad und in Mazedonien tätig.