Der lang erwartete Bericht des UN-Human Rights Council zum Thema Minderheiten in Griechenland liegt nun offiziell vor. Darin beschreibt Gay McDougall ihre Einschätzung der Situation in Griechenland, die sie während ihrer Reise im September 2008 gemacht hat. Nun ein erster Auszug aus dem Bericht:
„MacDougall bereiste verschiedene Regionen in Griechenland und traf sich mit unterschiedlichen Vertretern von Minderheiten, darunter auch bürgerliche Vereinigungen, religiöse Vertreter, Akademiker und Gemeindevertreter.“
„Griechenland erkennt nur eine einzige Minderheit in ihrem Land an, die muslimische Minderheit in West-Thrakien, welche durch den Vertrag von Lausanne von 1923 geschützt ist. Griechenland erkennt den Minderheitenstatus von anderen Minderheiten in ihrem Land nicht an. Die Regierung ist überzeugt, dass die Ansprüche der Existenz weiterer Minderheiten ohne Substanz und politisch motiviert sei.“
„Die unabhängigen Experten sind besorgt über den nationalen Einflussbereich der griechischen Regierung in Bezug auf die Behandlung der Minderheiten und den benachteiligten Gruppen innerhalb ihres Landes. Ihre Besorgnis fokussiert sich auf den Grad der Einhaltung der internationalen Menschenrechte in Bezug auf die Politik in Griechenland.“
„MacDougall ermahnt die griechische Regierung, die Debatte über die Existenz einer Makedonischen oder Türkischen Minderheit in Griechenland zu beenden, vielmehr sollte man sich darauf konzentrieren, wie man deren Rechte zur Selbstidentifikation, der freien Meinungsäußerung und der Freiheit, sich in Minderheitsvereinigungen zusammenzuschließen, schützen kann.“
Die Rechte zum Schutz der Minderheiten muss honoriert werden mit Rücksicht auf die Declaration of Minority Rights und den wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen. Griechenland sollte ebenfalls die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte akzeptieren und einhalten, insbesondere die Entscheidungen, welche es dem Minderheiten erlaubt in ihren Vereinigungen das Wort „Makedonisch“ und „Türkisch“ zu verwenden und damit ihre ethnische Identität frei zu leben.
Die ethnische Identität in der Region um Florina
„Die griechische Regierung erkennt eine Existenz einer in Zentral- und Westmakedonien lebenden ethnisch Makedonischen Minderheit an. Sie lehnt diese vehement ab und schreibt ihr politisch motivierte Ziele zu. Die bisherigen Regierungen führten stets eine Ablehnungspolitik gegenüber der Gemeinschaft der ethnischen Makedonier und auch der makedonischen Sprache. Viele betrachten dies als einen „modernen“ Versuch Titos, einen Mythos einer makedonischen Nation zu kreieren, mit expansionistischen Forderungen auf die Region in Griechenland.“
„Die Antwort der früheren griechischen Regierungen war die Unterdrückung jeglicher Verwendung der makedonischen Sprache und der kulturellen Aktivitäten. Heute haben sich zwar diese harschen Methoden abgeschwächt, jedoch gibt es weiterhin Berichte über Diskriminierungen und Schikanierungen. Für ihr weiteres Bestehen sehen sie es als entscheidend an, dass deren ethnische Identität und Besonderheit respektiert werde. Die Makedonische Sprache ist nicht anerkannt, einen Unterricht in Schulen gibt es auch nicht.“
„In den Gesetzen der 1920er und 30er Jahre wurden nicht-griechische Namen von Städten, Dörfern, Flüssen und Bergen mit griechischen Namen ausgetauscht. Die Familiennamen der makedonisch sprechenden Bevölkerung wurden ebenfalls in griechische Namen getauscht. Einzelne, die ihren ursprünglichen Familiennamen wieder annehmen wollten, wurden von den Behörden abgewiesen. Gemeindevertreter bemerkten, dass die traditionellen Namen weiterhin in Gebrauch sind und fordern deshalb auch deren Rückgängigmachung sowie eine offizielle Verwendung einer dualen Namensgebung für die Städte, wie bspw. Florina/Lerin.“
„Vertreter der ethnischen Makedonier beklagen die Ablehnung gegen das Recht der Freiheit zur Versammlung und Vereinigung und zeigen ihren seit 1990 erfolglosen Versuch auf, eine Organisation mit dem Namen „Heim der makedonischen Kultur“ in Florina zu registrieren. Die griechischen Gerichte lehnten den Antrag zu Registrierung dieser Organisation ab und begründen diese damit, dass deren Ziel die Unterstützung der Idee sei, „dass es in Griechenland eine makedonische Minderheit gäbe, die gegen die nationalen Interesse sei und damit auch gegen das Gesetz“. 1998 erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Griechenland für schuldig. Griechenland würde gegen Art. 11 der Europäischen Konvention für Menschenrechte mit dem Bezug auf die Freiheit sich in Vereinen zusammenzuschließen, verstoßen. Nicht einmal der Europäische Gerichtshof hat Griechenland dazu bewegt, die Registrierung des Kulturheims in Florina zu genehmigen. Die griechische Regierung merkt an, dass der Antrag zur Registrierung dieser Vereinigung noch beim obersten Gericht in Griechenland liegt“
In einem EU-Mitgliedstaat liegt der Antrag für ein Kulturheim vor dem obersten Gerichtshof. Dies zeigt sehr deutlich, wie stark die Ablehnung gegenüber die ethnischen Makedonier in Griechenland ist.
„Gemeindevertreter deuten ebenfalls auf die diskriminierenden Gesetze bzgl. der tausenden Menschen hin, die im griechischen Bürgerkrieg (1946-1949) geflohen sind, und deren Staatsbürgerschaft und Eigentum entzogen wurde. 1982 erließ die Regierung ein Gesetz (Nr. 106841), welches „die Freiheit zur Rückkehr nach Griechenland erlaube, jedoch nur für alle Griechen mit griechischen Genen, welche während und aufgrund des Bürgerkriegs von 1946-1949 als politische Flüchtlinge geflohen waren“. Diese Entscheidung schloss diejenigen aus, die sich als ethnische Makedonier identifizierten und deshalb ist dieses Gesetzt äußerst diskriminierend. Das Gesetz 1540 von 1985 erlaubte es den im Exil lebenden politischen Flüchtlingen, ihren damals konfiszierten Besitz wieder zu bekommen, erneut nur für „Griechen mit griechischer Herkunft“. Diejenigen, die sich als ethnische Makedonier identifizierten, mussten erfahren wie schwierig es war, ein Besuchervisum für Griechenland zu erhalten, um ihre Verwandten zu besuchen oder an Beerdigungen teilzunehmen. Die griechischen Behörden behaupten, dass Visa ohne Probleme ausgegeben würden und dass sogar Rentner diese kostenlos erhalten würden.“ Auf eine Rückgabe ihres Besitzes warten alle noch bis heute.
„Die unabhängige Expertin traf sich mit zahlreichen Menschen, die sich als ethnische Makedonier identifizierten. Manche beschrieben, dass sie die makedonische Sprache fließend beherrschten, dass sie diese in ihrer Familie lernten, denn sie wurde nicht in den Schulen gelehrt. Andere beschrieben ihre Frustration über den Mangel an Möglichkeiten, ihre Sprache zu lernen. Sie merkten an, dass sie zahlreiche Versuche beim griechischen Bildungsministerium unternommen haben, jedoch wurden die Anträge nie anerkannt.“
„Manche beschrieben den ausgeübten Druck, nicht ihre makedonische Identität zu zeigen oder makedonisch zu sprechen. In einigen Dörfern wurde die makedonische Sprache verbannt. Trotz der Anzeichen für das Bestehen der makedonischen Dörfer, beschreiben viele ihre generelle Angst, ihre Identität in der Öffentlichkeit zu zeigen. Es wurde anerkannt, dass sich die Situation verbessert habe, jedoch spürt man immer noch eine „sanfte Diskriminierung“. Beispielsweise sagte ein Befragter:“ Ich bin griechischer Staatsbürger…aber ich bin Makedonier wenn ich über mein Dorf, meine Sprache und meine Identität spreche“.“
„Manche berichteten über persönlich erfahrende Schikanierungen inkl. aggressiver Verhöre an den Grenzen. Ein anderer berichtete über einen körperlichen Übergriff auf ihn aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit und der Mitgliedschaft in der RAINBOW- Partei. Ein anderer berichtet: „Griechenland vertraut den hier lebenden Menschen nicht, weil sie sich nicht griechisch fühlen, weil sie nicht griechisch sprechen“. Weitere berichten über Probleme, wenn sie makedonische Lieder singen oder traditionelle Tänze aufführen möchten. Die Regierung bestätigt, dass es regelmäßige Feste und kulturelle Veranstaltungen in der Region um Florina gibt, die nicht behindert würden. Daran würden auch Menschen von der anderen Seite der Grenze teilnehmen.“
Der gesamte Bericht kann hier nachgelesen werden: